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Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Preisstabilität das vorrangige Ziel der Notenbanken bleibt, sie aber zunehmend die Stabilität des Finanzsystems in ihr Kalkül einbeziehen müssen. Eine asymmetrische Geldpolitik einer Notenbank, d.h. expansivere Maßnahmen in der Baisse-Phase an den Finanzmärkten als dämpfende in der Boom-Phase, kann die Risikoneigung der Marktteilnehmer erhöhen. Eine – wie z.B. von Axel A. Weber vorgeschlagene – symmetrischere Geldpolitik sollte den gesamten Finanzmarktzyklus beachten.

Die Unabhängigkeit der Notenbanken und die Preisstabilität sind ein hohes gesellschaftliches Kapital. Insbesondere hinsichtlich des Stabilitätsvertrauens gilt: „It needs years to gain, but seconds to loose“. Änderungen am geldpolitischen Konzept sind deshalb sehr sorgfältig abzuwägen. Hinzu kommt: Die Unabhängigkeit der Notenbanken und der bestehende Rahmen der internationalen Koordination haben die schnelle, flexible und insgesamt effiziente Reaktion der Notenbanken im Rahmen bestehender Koordinationsmechanismen wesentlich erleichtert. Gleichwohl hat die Finanzkrise eine Vielzahl grundsätzlicher Fragen auch für die Geldpolitik aufgeworfen. Zwar hat man im Rahmen der G20 nochmals unterstrichen, dass sich die Geldpolitik in der Rollenverteilung vorrangig auf die Preisstabilität konzentrieren solle, doch die Stabilitätsprobleme an den Finanzmärkten, zunehmende systemische Risiken und Prozyklizität stellen neue Herausforderungen auch an die Geldpolitik, die der Grundsatzdiskussion weitere Impulse geben werden.

In diesem Beitrag soll dabei der Fokus auf den Vorschlag einer mehr symmetrisch ausgerichteten Geldpolitik gelegt werden, ein Ansatz, der jüngst insbesondere von Weber1 in die Diskussion gerückt worden ist. Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Issing und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben Vorschläge unterbreitet, die in diese Richtung gehen.2 Die Implementierung dieses Ansatzes bedarf allerdings noch der weiteren und vertieften Analyse, die die Erfahrungen mit der Finanzkrise berücksichtigen muss.

Der Grundgedanke

Der Leitgedanke einer mehr symmetrischen Geldpolitik besteht darin, Auf- und Abschwungphasen an den Finanz- und Vermögensmärkten nicht als unzusammenhängende Ereignisse zu betrachten, denn Reaktionen der Notenbanken lassen die Risikoneigung der Marktteilnehmer nicht unbeeinflusst. Eine Notenbank, die in der Phase des Zusammenbruchs der Kurse mit ihren (expansiven) Maßnahmen stärker reagiert als im Falle des Kursaufschwungs mit Zinsanhebungen, handelt asymmetrisch und erzeugt ein Moral-Hazard-Verhalten, das die Amplituden an den Finanzmärkten noch verstärkt.3 Das tut sie auch dann, wenn sie erkennen lässt, dass es für sie wegen der als Konsequenz zu erwartenden Wachstumseinbrüche in der Realwirtschaft nicht in Frage kommt, eine „bubble“ anzustechen und zum Platzen zu bringen. Anlegern, die auf einen weiteren Anstieg der Aktienkurse spekulieren, wird dadurch das damit verbundene Risiko zu einem beträchtlichen Teil genommen.4 Ein symmetrischerer Ansatz der Geldpolitik impliziert mithin, dass die Geldpolitik über den gesamten Zyklus hinweg ihren Stabilitätskurs verstetigt. Das bedeutet z.B., dass sie implizite Stabilitätsrisiken berücksichtigt, die von einem dynamischen Kreditwachstum, Asset-Inflation und einem zunehmendem Risikoappetit ausgehen.5 Er schließt die Option eines „leaning against the wind“ explizit ein.

Bei einem symmetrischeren Ansatz in der Geldpolitik kann eine Notenbank gehalten sein, Zinsanhebungen in Reaktion auf den Aufbau von Verzerrungen im finanziellen Sektor bereits dann vorzunehmen, wenn sich noch keine Risiken für die Stabilität der Verbraucherpreise abzeichnen. Ein wesentlicher Grund dafür ist es, dass beide Inflationsarten zeitlich sehr unterschiedlich reagieren, denn eine Asset-Inflation setzt als Frühindikator bereits dann ein, wenn die Konjunktur allenfalls am Beginn einer Erholung steht und die Kapazitätsauslastung und die Risiken für die Preisstabilität noch gering sind. Wenn allerdings die Erreichung des von den Notenbanken gesetzten Ziels als sicher gilt, werden sie „davon abgelenkt, die einsetzende ‚asset inflation‘ als Gefahr für ihren Zuständigkeitsbereich zu erkennen. Dies gilt umso mehr, wenn die Notenbank sich in ‚inflationsfreier‘ Zeit gefordert sieht, sich an der Erreichung anderer Ziele … zu beteiligen und wenn die Hinnahme von Aktienkurssteigerungen dieser Forderung entspricht.“6

Der Vorschlag einer symmetrischeren Geldpolitik fängt brennpunktartig alte wie neue Vorschläge und Herausforderungen ein. Hier sind vorrangig die neuen Anforderungen bzw. Kernfragen zu formulieren. Dies gilt umso mehr, als nicht davon auszugehen ist, dass sich das Problem der Prozyklizität der Finanzsysteme abschwächen wird.7 Dabei ist klärungsbedürftig, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen der symmetrische Ansatz auf der Hauptziel-, Zwischenziel- und Instrumentenebene für das geldpolitische Konzept hat. Im Folgenden soll in diesem Zusammenhang auf zwei weitere Aspekte eingegangen werden:

  1. Die Lehren, die grundsätzlich aus der Finanzkrise für die Geldpolitik zu ziehen sind, haben Konsequenzen auch für eine klare und glaubwürdige Exitstrategie. Diese bildet gleichsam den ersten „Lackmustest“ für einen symmetrischeren Ansatz in der Geldpolitik. Dies gilt in ganz wesentlichem Maße angesichts des weltweit außergewöhnlich expansiven Kurses der Geldpolitik bereits aktuell.
  2. Ein symmetrischerer Ansatz in der Geldpolitik kann überdies nicht isoliert betrachtet werden. Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten haben häufig ihre Ursache in Defiziten im ordnungspolitischen Rahmen, die mit den Mitteln der Geldpolitik nicht bekämpft werden können. Mithin sind Vorschläge, die auf präventive Maßnahmen der Regulierung abzielen – wie etwa der Aufbau von „capital buffers“ –, in die Diskussion einzubeziehen. Kann diese Art von Regulierung so flexibel und wirkungsvoll eingesetzt werden, dass sie den „symmetrischen Arm“ der Geldpolitik entlastet – eine Rollenverteilung, wie sie von einigen prominenten Kommentatoren – z.B. White8 – vorgeschlagen wird. Wie wirken diese Maßnahmen auf wichtige Variablen im geldpolitischen Transmissionsmechanismus?

Wie kann insgesamt angesichts der Tatsache, dass sich vorrangig in Reaktion auf Finanzkrisen die drei größten Notenbanken der Welt auf oder nahe der Nullzinsgrenze bewegen, vermieden werden, dass sie in zunehmendem Maße in die Schwingungen der Weltfinanzmärkte geraten und Handlungsspielraum für einen stetigeren Stabilisierungskurs verlieren?

Hauptzielebene

Eine erfolgversprechende Geldpolitik benötigt klare Ziele, stabile Zwischenziel- und Indikatorbeziehungen und ein effizientes Instrumentarium. In idealtypischer Betrachtung strebt Geldpolitik eine Neutralität des Geldes in der Weise an, das vom Geld keine verzerrenden Effekte auf die Bildung der relativen Preise auf den Güter- und Faktormärkten und damit auch auf die Kapitalmärkte ausgehen. Da sich dieses Ziel nicht in ein praktikables Konzept übertragen lässt, verfolgen Notenbanken als „second best“-Lösung die Stabilisierung des allgemeinen Preisniveaus. Diese Tatsache darf allerdings den Blick nicht dafür verstellen, dass Verzerrungen der Vermögenspreise nicht a priori weniger Risiken für eine Volkswirtschaft darstellen als eine Inflation im Bereich der Verbraucherpreise. Dies gilt umso mehr, als das Finanzvermögen in den vergangenen 50 Jahren in den meisten Industrieländern deutlich schneller gewachsen ist als das Bruttoinlandsprodukt und der finanzielle Sektor damit deutlich an Gewicht gewonnen hat. Die wirksame Eingrenzung von Asset-Inflation und signifikanter finanzieller Ungleichgewichte ist auch nicht deshalb weniger relevant oder gravierend, weil man sich diesbezüglich bisher nicht in allen Ländern auf einen Zuständigkeitsbereich oder eine angemessene Rollenverteilung einigen konnte.

Mit der Finanzkrise rückt eine alte Kernfrage erneut in den Vordergrund: Messen wir die Preisstabilität noch richtig? Diese Frage stellt sich umso mehr, als sich die Inflationstendenzen in den letzten Jahrzehnten in zunehmendem Maße an die Vermögensmärkte verlagert haben. Diese Frage ist keineswegs neu, wie die Diskussion der Überlegungen von Alchian und Klein aus den 1970er Jahren belegen. Die Probleme sind: Die Vermögenspreise sind in ihrer Entwicklung viel flatteriger als die Verbraucherpreise. Zudem dürfte schwerlich der Versuch gelingen, einen Frühindikator mit einem Spätindikator zu verbinden. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass sich das Umfeld in den letzten 30 bis 40 Jahren gravierend geändert hat. Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, ob die Geldpolitik oder andere Bereiche mit ihren Maßnahmen an der Asset-Inflation ansetzen soll oder eher an den zugrundeliegenden Ursachen der Kreditdynamik oder Prozyklizität.9

Mit Blick auf die Beziehungen zwischen der Geldpolitik und der Finanzstabilität lassen sich insbesondere die folgenden Lehren aus den letzten Finanzkrisen in den Vordergrund rücken:

  1. Die Preisstabilität bleibt das vorrangige Ziel der Geldpolitik.
  2. Die Stabilisierung der Vermögenspreise bzw. Verminderung der Prozyklizität ist ein eigenständiges Ziel, insbesondere einer Politik, die es ernst meint mit effizienter Prävention von Finanzkrisen – unabhängig von der wirtschaftspolitischen Rollenverteilung.
  3. Exzessive Marktliquidität und übermäßiges Kreditwachstum haben sich in den beiden vergangenen Jahrzehnten eher in der Inflation der Vermögenspreise als in einer Inflation der Verbraucherpreise niedergeschlagen.
  4. Zwischen der Asset-Inflation und -Deflation einerseits und der Stabilität der Verbraucherpreise besteht eine asymmetrische Beziehung: in den Boom-Phasen an den Finanzmärkten sind die Verbraucherpreise nicht mit in den Aufwind genommen worden, während in den „bust“-Zyklen stark deflationäre Wirkungen auf die Verbraucherpreisentwicklung ausgegangen sind. Dies erklärt zum Teil die asymmetrische Reaktion der Notenbanken.
  5. Die Notenbanken haben im Regelfall erst auf den Anstieg der Vermögenspreise reagiert, als davon Risiken für die Stabilität der Verbraucherpreise ausgingen.
  6. Dieses Credo hat sich – dies ist eine Lehre aus den letzten Finanzkrisen – als nicht länger tragfähig erwiesen.

Symmetrischerer Ansatz und Inflation-Target

Die vorstehenden Erkenntnisse werfen insbesondere die Frage auf, welche Konsequenzen eine symmetrischer ausgerichtete Geldpolitik für einen Ansatz hat, der sich vorrangig an einem „inflation-target“ orientiert. Ein „leaning against the wind“ stellt in diesem Zusammenhang keine wesentlichen Probleme dar, solange die Vermögens- und die Verbraucherpreise in der mittleren Frist einen ähnlichen Verlauf aufweisen. Wenn – wie allerdings die Finanzkrisen in den letzten Jahren gezeigt haben – „boom and bust-Zyklen“ auch dann aufgetreten sind, wenn die Preisstabilität im realen Sektor der Wirtschaft gewährleistet war, dann geht damit die Gefahr einher, dass eine streng an einem „inflation-target“ orientierte Geldpolitik Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten und Risiken für die Preisstabilität systematisch ausblendet.10

Die Finanzkrise dürfte in diesem Zusammenhang einige Prämissen bzw. Koordinaten jener Grundsatzdiskussionen deutlich verschoben haben, die in den vergangenen Jahren zu den geldpolitischen Konzepten geführt wurden.11 Die Leitfragen dieser Diskussion sind vor dem Hintergrund der Finanzkrise und den Erfordernissen, die Geldpolitik symmetrischer zu gestalten, zum Teil neu zu formulieren. Dabei soll im Folgenden das Problem grundsätzlich diskutiert werden. Die bisherige Ausgangsposition in der Kontroverse zwischen den Anhängern eines Inflation-Target-Ansatzes und jenen, die für eine stärkere Betonung der Geldmenge plädieren, ist insbesondere auf die Kernfrage fokussiert, welche zusätzlichen Informationen man für die Kontrolle der Preisstabilität aus der Einschätzung des Trendwachstums der Geldmengenaggregate gewinnt und warum die Einschätzung der Geldmengenentwicklung der einzige Weg sein solle, um relevante Informationen für die Sicherung der Preisstabilität zu gewinnen.12

Mögen „cashless models“ geeignet sein, einer Notenbank hinreichend Führung für eine strikt an der Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik zu geben, sie können es nicht für eine Geldpolitik, die die Preisentwicklung an den Aktien- und Immobilienmärkten bzw. Prozyklizität stärker in ihr Kalkül einbezieht, wie es auch der „Philosophie“ eines symmetrischeren Ansatzes entspricht. Dies machen allein die beiden folgenden Argumente deutlich: Eine Notenbank, die in Phasen der Preisstabilität und niedriger Kapazitätsauslastung ihre Zinsen niedrig lässt, wird die davon ausgehenden Konsequenzen für eine übermäßige Risikoneigung der Investoren für die Finanzstabilität nicht hinreichend in ihr Kalkül einbeziehen. Dass niedrige Zinsen den Risikoappetit der Investoren signifikant erhöhen, hat die EZB in einem jüngst veröffentlichten Aufsatz deutlich belegt.13

Mehr noch: Eine Notenbank, die sich ausschließlich an einem Inflation-Target-Ansatz orientiert, wird selbst in Phasen einer kreditgetriebenen Spekulation an den Vermögensmärkten keine Veranlassung sehen, die Zinsen anzuheben, solange die Kapazitätsauslastung und die Risiken für die Preisstabilität gering sowie die Inflationserwartungen fest verankert sind.14 Ohne Berücksichtigung der Geld- und Kreditaggregate würden diese Gefahren nicht auf dem „Monitor“ der Geldpolitik erscheinen. Ein Inflation-Target kann mithin schwerlich eine dominante Leitlinie in einem „symmetrischeren Ansatz“ sein. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass zwischen den Vermögenspreisen und der Entwicklung der Verbraucherpreise das oben erwähnte asymmetrische Verhältnis besteht. Diesem Spannungsverhältnis kann vorgebeugt werden, „indem das Ziel der Preisstabilität als mittel- bis langfristiges Ziel definiert wird. Die Notenbank könnte dann einen höheren Zins setzen, um sich allzu dynamischen Kreditentwicklungen entgegenzustellen – sie lehnt sich gegen den Wind – um genau damit das mittel- bis langfristige Preisstabilitätsziel zu unterstützen.“15

Vorschläge, wie der jüngst vom Internationalen Währungsfonds unterbreitete Ansatz einer Anhebung des Inflationsziels auf 2% bis 4% lassen wesentliche hier angesprochene Lehren, die man aus den Finanzkrisen zu ziehen hat, unberücksichtigt. Abgesehen davon, dass sich nichts an der Gültigkeit der grundsätzlichen Argumente geändert hat, die z.B. bei der Formulierung des Preisziels für die EZB gegeneinander abgewogen wurden, ist zu berücksichtigen, dass eine Notenbank insbesondere im Falle einer Finanzkrise nicht ohne Weiteres mit Zinssenkungen die Preissteigerungsrate anheben kann. Dazu können Zinssenkungen in einem Maße erforderlich sein, deren expansive Wirkungen sich eher in der Asset-Inflation auswirken als in höheren Preissteigerungsraten.

Die von Kindleberger vor einigen Jahren gezogene Schlussfolgerung, dass die Forschung sehr stark auf die relative Preisbildung auf den verschiedenen Finanzmärkten gerichtet ist, die Erklärung des Zusammenhangs von Vermögens- und Verbraucherpreisen aber ein relativ neues Feld ist, hat kaum nennenswert an Bedeutung verloren. Welches Gewicht den Vermögenspreisen in der Inflationsmessung gegeben wird, ist letztlich eine empirische Frage. Angesichts der zunehmend enger werdenden Beziehungen zwischen den Vermögenspreisen und wesentlichen makroöokonomischen Variablen im realen Sektor, ist die angemessene Integration der Vermögenspreise in die allgemeine Preisstatistik nach wie vor eine wichtige methodische Aufgabe.16

Die Zwischenzielebene

Ein Grundproblem einer in dieser Weise verstandenen stärker symmetrisch ausgerichteten Geldpolitik ist es, an welchen Indikatoren oder Zwischenzielen sie sich orientiert, die zugleich klar und transparent mit der Öffentlichkeit kommuniziert werden können. Dies gilt insbesondere für jene Phasen, in denen Risiken, die vom Aufbau finanzieller Verzerrungen ausgehen, „symmetrischere Zinsmaßnahmen“ nahelegen, ohne dass Risiken für die Preisstabilität erkennbar sind. Die Vorlaufeigenschaft der Vermögenspreise und die Asymmetrie zwischen Vermögens- und Verbraucherpreisen spiegeln sich auch auf der Indikator- und Zwischenzielebene wider.

Die Geldmenge soll bekanntlich in einer stabilen Vorlaufeigenschaft zur Preisstabilität im realen Sektor der Wirtschaft stehen, aber seit spätestens Mitte der neunziger Jahre haben Transaktionen, die dem finanziellen Sektor zuzurechnen sind, erheblich an Gewicht hinsichtlich der Schwankungen wesentlicher monetärer Aggregate gewonnen. Mehr und mehr spiegelt die Geldmenge Umschichtungen im Bereich der Portfolios von Banken und institutionellen Investoren sowie den Transaktionsbedarf zur Finanzierung steigenden Immobilienvermögens wider, die in keinem Zusammenhang zu realen Transaktionen oder der Preisentwicklung im realen Sektor der Wirtschaft stehen. Diese Entwicklung trägt zu einer Lockerung des Zusammenhangs zwischen der Geldmenge und den im realen Sektor der Wirtschaft gemessenen Preisen bei.

Zunehmende Bedeutung der monetären Analyse

In den vergangenen Jahren hat es keine wesentliche Finanzkrise ohne exzessive Kreditgewährung gegeben. Wie immer sich die Notenbank auch zur Identifizierung von
Bubbles stellen mag, ob man sie anstechen darf oder nicht, ob die Asset-Inflation zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehört oder nicht, sie kommt an einer simplen Entscheidung nicht vorbei: In dem Maße, in dem eine einsetzende Spekulation kreditgetrieben ist, muss eine Notenbank entscheiden, zu welchen Zinssätzen sie die daraus resultierende zusätzliche Nachfrage nach Zentralbankgeld befriedigen will.17

Im Rahmen der monetären Analyse muss insbesondere in diesen Phasen der Kreditentwicklung ein hohes Gewicht eingeräumt werden, eine Position, die insbesondere von der BIZ vertreten wird. Darüber hinaus ist die globale Marktliquidität, die sich in zunehmendem Maße als wesentliche Determinante für Finanzkrisen herausbildet, ins Blickfeld zu rücken. Ein zweiter wesentlicher Ansatzpunkt ist die Geldkapitalbildung, die in besonderem Maße Umschichtungen zwischen dem langen und dem kurzen Ende des Kapitalmarktes widerspiegelt und Schwankungen der Geldmenge bewirkt. Die Bedeutung dieser Determinante hat in den vergangenen Jahren deutlich an Gewicht gewonnen. Bedeuten diese Umschichtungen auch keine unmittelbaren Gefahren für die im realen Sektor der Wirtschaft gemessene Preisstabilität, so ist nunmehr eher die Frage in den Vordergrund zu rücken, in welchem Maße sich aus diesen Umschichtungen Informationen über mögliche Vorschatteneffekte für Finanzinstabilitäten extrahieren lassen. Eine dritte wesentliche Determinante, die Schwankungen an den Finanzmärkten auf die Geldmenge überträgt, sind Veränderungen der Nettoauslandsforderungen, in denen sich in zunehmendem Maße Portfolioumschichtungen international operierender Investoren widerspiegeln. Diese Effekte, die sich uno actu in der Geldmenge niederschlagen, ohne dass sie von der Notenbank beeinflusst werden können, sind Begleiterscheinungen der finanziellen Globalisierung.18

Diese Entwicklung und ihre Implikationen haben ihren Niederschlag gefunden in einer breit angelegten Debatte über die Stabilität der Geldnachfrage. Diese Diskussion ist vor dem Hintergrund der Finanzkrise und eines „erweiterten Zielkatalogs“ einer Notenbank zum Teil neu zu führen, die im Rahmen eines symmetrischeren Ansatzes nun auch präventiver dem Aufbau von finanziellen Übertreibungen und Verzerrungen entgegenwirken soll. Eine Analyse, die die zunehmende Bedeutung des finanziellen Sektors, die Finanzstabilität und die Beziehungen zu wesentlichen makroökonomischen Variablen ausblendet oder nicht hinreichend berücksichtigt, geht an den Problemen des Umfelds der letzten Jahre vorbei, unbefriedigende Stabilitätsbeziehungen sind dann gleichsam programmiert.

Die vermögensbedingte Geldnachfrage hat im Zuge dieser Entwicklung erheblich an Gewicht gewonnen und expansive geldpolitische Maßnahmen scheinen sich eher in den Vermögenspreisen niederzuschlagen. Dass diese Überlegungen nicht nur im Theoretischen verhaftet sind, zeigen Schätzungen der Bundesbankvolkswirte. Im Euroraum und in den USA schlägt sich eine Erhöhung der Geldmenge langfristig signifikant in höheren Immobilienpreisen nieder. Umgekehrt führt eine Erhöhung der Immobilienpreise unverzögert zu einer höheren Geldmenge.19

Wie baut man diese Erkenntnisse in einen symmetrischeren Ansatz der Geldpolitik ein, denn sie haben weitreichende Implikationen? Dies gilt insbesondere für ein geldpolitisches Konzept, das darauf beruht, dass die Geldnachfrage (ohne Berücksichtigung des Vermögens) in einer stabilen Beziehung zum BIP und zu den Zinsen steht, das deutlich über 1 liegende Einkommenselastizitäten der Geldnachfrage seit Jahren nicht plausibel zu erklären vermag. Der Geldnachfragezusammenhang im Euroraum erweist sich denn auch als stabiler, wenn man die Entwicklung auf den Vermögensmärkten mit einbezieht.20 Darüber hinaus dürfte sich die Forschung im Bereich der monetären Analyse verstärkt der Frage zuwenden, in welchem Maße sich aus vorliegenden oder zusätzlich zu erhebenden Daten Informationen generieren lassen, die der Geldpolitik weitere – über die Kreditdynamik hinaus – verlässliche Signale über die Tragfähigkeit der Entwicklung an den Finanzmärkten und die wesentlichen Triebkräfte liefern?21 Einfache und verlässliche Indikatoren erleichtern der Notenbank die Kommunikationsstrategie im Falle von Zinsmaßnahmen, die dem Aufbau von finanziellen Verzerrungen entgegenwirken sollen.

Erfahrungen der praktischen Geldpolitik

Im Rahmen eines symmetrischeren Ansatzes der Geldpolitik sind jedoch nicht nur die oben skizzierten Diagnoseprobleme zu lösen, sondern auch Kernfragen der Dosierung und der Transmission der Maßnahmen. Dabei gilt es, die Erkenntnisse zu berücksichtigen, die die praktische Geldpolitik in den vergangenen Jahren mit der Behandlung von „Blasen“ gemacht hat, denn die Wissenschaft konnte der Geldpolitik trotz aller Fortschritte keine wesentlichen Erkenntnisse liefern, die sich in ein handlungsleitendes und zielführendes Konzept hätten einbinden lassen.22

Greenspan hatte in einem Resümee zur US-Geldpolitik, die sich eben auch gegen die „irrational excuberance“ gerichtet hat, die Probleme deutlich gemacht und ein eher ernüchterndes Fazit gezogen: Wenn die US-Notenbank die Zinsen zunächst angehoben hat, um die Asset-Inflation zu bekämpfen, dann musste sie einen zinspolitischen Kurs verfolgen, der die reale Wirtschaft stark gedämpft hat. Stoppte sie die restriktive Zinspolitik, dann gewann die Asset-Inflation genau in diesen Phasen an besonderer Dynamik – das „Risiko Geldpolitik“, das indirekt auch in der Wachstums-Dividenden-Formel von Gordon ihren Niederschlag findet, war gleichsam aus dem Markt. Der zweite Teil seines Fazits war, dass er auch keinen anderen wirtschaftspolitischen Bereich gesehen hat, der mit vertretbaren volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten eine „asset inflation“ eingrenzen könnte. Eine Verschärfung der Regulierung war dabei allerdings nicht berücksichtigt. Wie kann diesem möglichen Zielkonflikt im Rahmen eines symmetrischeren Konzepts Rechnung getragen werden, wenn die Spekulanten ihn in ihre Strategie einbauen?

Instrumentenebene

Hat die Finanzkrise auch neue Anforderungen an die Ausgestaltung des geldpolitischen Instrumentariums erkennen lassen? Die Reaktion auf die Finanzkrise hat eines deutlich werden lassen: Die geldpolitischen Instrumente sind nicht nur als Bündel und nur in ihrer Gesamtwirkung zu beurteilen, sondern einzelne Instrumente weisen komparative Vorteile gegenüber anderen auf. Dies hat die gezielte Auswahl der Sicherheiten gezeigt, die man in den Kreis der „zentralbankfähigen Aktiva“ aufgenommen hat, um die Liquidität dorthin zu transportieren und stabilisierende Wirkungen zu erzeugen, wo sie am meisten gebraucht worden sind. Aber auch die gezielte Verlängerung der Laufzeiten bei einzelnen Geschäften ist ein solches Instrument. Weiterführend ist allerdings die Frage, ob man in einem erweiterten Ansatz, wie es der symmetrischere Ansatz impliziert, nicht auch für die Tage nach der Finanzkrise die komparativen Vorteile einzelner Instrumente stärker nutzen kann? Diese Frage gilt insbesondere angesichts der Erkenntnis, dass Zinserhöhungen zur Abwehr einer entstehenden Asset-Inflation nur solange glaubwürdig sind, wie sie die reale Wirtschaft nicht belasten.

Kann man also über alte und neue Erfahrungen im Bereich der Sicherheitenpolitik dieses strategische Spiel zugunsten der Notenbanken verschieben? Gibt es Instrumente, die in ihrer Wirkung auf die Konjunktur weniger dämpfend wirken als andere, sich aber gleichsam als effektiv in der Eingrenzung von finanziellen Verzerrungen erweisen? Spreizungen der Notenbankzinsen haben die Zentralbanken nicht nur im Verlauf der Finanzkrise praktiziert, sondern in der Vergangenheit vorübergehend zur Abwehr von Währungsspekulationen eben genau mit dem Versuch, die Auswirkungen dieser restriktiven Maßnahmen auf die Konjunktur zu mildern und damit die Durchhaltbarkeit der gegen die Spekulation gerichteten Maßnahmen zu verlängern. Diese grundsätzlichen Fragen erfordern weitere vertiefte Analysen.

Geldpolitik und Exitstrategie

Im Rahmen der noch weiter zu diskutierenden Exitstrategien aus den außergewöhnlich expansiven und finanzpolitischen Maßnahmen geht es im Wesentlichen um die angemessene Rollenverteilung zwischen der Geld- und der Finanzpolitik, das angemessene Timing, die Abfolge, die geeigneten Indikatoren und eine das Marktvertrauen stabilisierende Kommunikation der Maßnahmen. Bei der Diskussion dieser Frage sind die Lehren, die aus der Finanzkrise zu ziehen sind, zu berücksichtigen. Grundsätzliche Erkenntnisse sind auch für die Einschätzung der Exitstrategien relevant.

Eins ist klar: Die Geldpolitik ist nicht vorrangig ursächlich für die Finanzkrise. Hier haben die bisherigen Diskussionen insbesondere innerhalb des G20-Prozesses deutlich gezeigt, dass die wesentlichen Mängel bei Defiziten im Ordnungsrahmen der Finanzmärkte liegen. Die Geldpolitik ist in Zeiten der Finanzkrise damit konfrontiert, die unmittelbaren Folgen aufzufangen, das Vertrauen an den Märkten wiederherzustellen und eine Verfestigung der Krise in der Realwirtschaft zu vermeiden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine über längere Zeit hinweg extrem expansive Geldpolitik, wie sie die unkonventionellen Maßnahmen und die Nullzinsen darstellen, mit dem hohen Risiko des Aufbaus einer erneuten Blase verbunden ist. Welche wesentlichen Erkenntnisse ergeben sich aus der bisherigen Diskussion und aus einem symmetrischeren Ansatz für die Exitstrategien der Notenbanken?

Der oben skizzierte symmetrischere Ansatz der Geldpolitik stellt zumindest einen „partiellen Paradigmenwechsel“ dar. Bestand die bisher vorherrschende Lehre darin, dass die Geldpolitik erst dann auf die „asset inflation“ – oder allgemeiner: den Aufbau finanzieller Verzerrungen – reagieren sollte, wenn davon über die üblichen Transmissionskanäle Risiken für die Verbraucherpreise ausgehen, gilt dieser Grundsatz im symmetrischen Ansatz nicht mehr uneingeschränkt. Darin spiegelt sich die Erkenntnis wider, dass die Verbraucherpreise nicht mit in den Sog steigender Vermögenspreise geraten sind. Eine alleinige Orientierung bei der Exitstrategie an der Preisstabilität könnte eine Notenbank dazu veranlassen, den Exit zu lange hinauszuzögern.

Die Geldpolitik muss nicht nur die Risiken ihrer unkonventionellen Maßnahmen und der Nullzinspolitik für die Finanzstabilität stärker ins Kalkül ziehen, sondern kann sich in der Koordination, der Abfolge und in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit nicht auf einen längeren Zeitstrahl bei der Auflösung bzw. Rückführung der außergewöhnlichen expansiven Maßnahmen einlassen, auch nicht auf eine Bindung der Geldpolitik an die Finanzpolitik. Alle Projektionen für die Preisentwicklung zeigen aktuell für die kommenden 1½ Jahre geringe Risiken für die Preisstabilität auf. Würde sich die Geldpolitik allein an der Preisstabilität orientieren, könnte dies bedeuten, dass sie über Jahre hinweg einen überaus expansiven Kurs weiterführen könnte. Diese günstigen Prognosen gelten nicht in gleicher Weise für die Asset-Inflation. Dabei ist der Blick auch auf die G20-Länder auszuweiten, denn die Finanzstabilität ist zu einem globalen Phänomen geworden, wo es sektoral oder peripher begrenzte Finanzkrisen angesichts des Umfangs und der Komplexität der Cross Border Linkages nicht mehr geben kann. Expansive Geldpolitik in einer Region der Weltwirtschaft kann sich eben im Zeitalter der Globalisierung in einer Asset-Inflation in anderen Regionen (mit engen Finanzmärkten) niederschlagen.23 Die Logik eines symmetrischeren Ansatzes legt tendenziell einen frühzeitigeren Ausstieg aus den unkonventionellen Maßnahmen und den niedrigen Zinsen nahe, als ein allein an der Preisstabilität orientierter Ansatz.

Beziehungen zu anderen Bereichen der Finanzstabilität

Die Finanzkrise und die ersten in ihrem Gefolge unterbreiteten Vorschläge lassen eines unübersehbar deutlich werden: Die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen der Geldpolitik, der Bankenaufsicht und der Finanzstabilität müssen deutlich enger werden als bisher. Der weiterzuentwickelnde „Rahmen für die Finanzstabilität“ muss Aspekte aller drei Bereiche in sich vereinigen. Aus der Sicht der Geldpolitik steht bei der Gestaltung dieser Beziehungen insbesondere die Frage im Vordergrund, welche Maßnahmen im makroprudentiellen Bereich die exzessive Prozyklizität eingrenzen und dazu beitragen können, dass im Falle symmetrischerer Maßnahmen der Geldpolitik die Dosierung nicht zu einer Beeinträchtigung der Konjunktur führt? Mit einer effektiven Rollenverteilung würde die Geldpolitik zudem wieder mehr Handlungsspielraum zurückgewinnen. Überdies wirken makroprudentielle Maßnahmen auf den Transmissionsmechanismus der Geldpolitik ein (z.B. auf die Kreditdynamik).

Analysen an diesen Nahtstellen sind zudem deshalb von grundlegender Bedeutung, da sie das Fundament für eine tragfähige neue Finanzarchitektur und eine effiziente und zielführende Aufgabenverteilung zwischen der Geldpolitik, Regulierung und Finanzstabilitätspolitik legen. Diese Nahtstellen und die Notwendigkeit für eine möglicherweise stärkere Koordination auf diesem Gebiet sind zunächst darin begründet, dass es vielfältige Einflüsse außerhalb der Geldpolitik gibt, die eine auf die Finanzstabilität gerichtete angemessene Antwort auf einen Schock wesentlich beeinflussen. Dazu zählen nicht nur die Defizite in der Rahmenordnung, die zwischenzeitlich identifiziert worden sind, darüber hinaus ist z.B. die Kenntnis über Art, Ort und Wirkungsweise der Schocks wichtig, sowie mögliche Trade-offs zwischen angestrebter Stabilisierung im Finanzsektor und der Preisstabilität.

Fukunada und Saito zeigen in einer empirischen Studie, dass die Berücksichtigung der Asset-Inflation durch die Notenbank stabilisierend wirken kann, jedoch eher dann, wenn die Notenbank gute Informationen über die Art des externen Schocks hat (realer oder finanzieller Schock) und über die Ursachen der Asset-Inflation. Andernfalls kann eine Zinspolitik, die eine Stabilisierung auch der Vermögenspreise anstrebt, zu Wohlfahrtsverlusten führen.24 Mehr noch, die Notenbanken können sich unter bestimmten Umständen nicht nur einem schwierigen Diagnoseproblem gegenübersehen, sondern auch mit einem Trade-off zwischen Maßnahmen zur Finanzstabilität und der Geldpolitik konfrontiert sein. Eine Berücksichtigung von Schwankungen der Vermögenspreise – im Falle von Technologieschocks – erleichtert es der Notenbank, das „output gap“ zu stabilisieren, allerdings auf Kosten einer Stabilisierung der Verbraucherpreise.25

Regulierungsmaßnahmen, die darauf gerichtet sind, eine entstehende Asset-Inflation oder den Aufbau anderer Verzerrungen im Finanzsektor zu bekämpfen, können eine symmetrischere Geldpolitik entlasten. Die Überprüfung erster Modelle dieses Zusammenhangs unterstützt diese Hypothese. Antizyklische Regeln im Bereich der Prudential Regulation tragen dazu bei, die Fluktuationen des Outputs zu dämpfen, und reduzieren das Risiko für die Finanzstabilität. Zentralbanken können möglicherweise dieselben Ziele bei der Stabilisierung des Outputs und der Inflation erreichen, bei einer geringeren Dosierung der Zinsmaßnahmen.26 Makroprudentielle Politik ist an dieser Stelle effektiver, da sie bestehende Defizite im Rahmenwerk der Finanzordnung direkter bekämpfen kann.27 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass viele der bisher diskutierten Maßnahmen – wie etwa Capital Buffers – ausschließlich auf den Bankenbereich gerichtet sind. Da sich in den vergangenen Jahrzehnten in den Industrieländern der Trend zu einem eher finanzmarktorientierten System verstärkt hat, sind gleichsam stabilisierende Regulierungsansätze auch auf andere Teilnehmer im Finanzsystem zu prüfen, wie etwa auf institutionelle Investoren.

Wie auch immer, die Ausgestaltung eines Countercyclical Approaches in der Regulierung und das Zusammenwirken mit einem symmetrischeren Ansatz in der Geldpolitik sind sehr komplex und die vorliegenden Ergebnisse als erste Schritte zu werten. Für künftige Arbeiten gilt es in diesem Zusammenhang, Erkenntnisse hinsichtlich des globalen Finanzmarktkanals zu vertiefen. Dazu zählt auch ein besseres Verständnis der internationalen Vernetzungen der Finanzintermediäre und der Interdependenzen zwischen der realen und der finanziellen Sphäre.28 Gibt es überdies verlässliche Frühindikatoren auf globaler Ebene? Wie stabil sind die Beziehungen und welche Schlussfolgerungen legen sie für eine symmetrischer ausgerichtete Geldpolitik gegebenenfalls nahe? Untersuchungen des IWF zeigen, dass Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten, hohem Kreditwachstum und hohen Investitionen einem erhöhten Risiko einer scharfen Korrektur an den Finanzmärkten ausgesetzt sind. Im Zeitraum seit 1985 haben starke Abweichungen bei allen drei Variablen von ihrem Trend vor dem Platzen einer Blase allerdings nur in einem Viertel bis zur Hälfte der Fälle einen „Alarm ausgelöst“. Der beste Indikator ist dabei das Kreditwachstum, das in der Hälfte der Fälle Alarmsignale gab.29 Diese Ansätze sind weiter zu verfolgen. Hier besteht ein breites Feld für eine internationale Kooperation im Bereich der finanzstabilitäts- und geldpolitischen Analyse.

Schlussfolgerungen

Die Erfahrungen aus den letzten Finanzkrisen zeigen, dass insbesondere die Anstrengungen für eine wirkungsvollere Prävention zu verstärken sind. Dies gilt insbesondere im Bereich der Regulierung, die zu mehr Nachhaltigkeit30 beitragen und die Fähigkeit der Finanzmärkte stärken muss, schneller zum Gleichgewicht zurückzufinden.

Aus Sicht der Geldpolitik ist als Ausgangspunkt für die Lehren aus der Finanzkrise insbesondere zu berücksichtigen, dass trotz aller wissenschaftlicher Diskussionen in den zwei Dekaden seit der „Japan-Krise“ die drei größten Zentralbanken dieser Welt deutlich an Handlungsspielraum eingebüßt haben und an oder nahe der Nullzinsgrenze agieren. Darin spiegelt sich auch der Umstand wider, dass die Notenbanken im Falle der Krise die erste und wesentliche Verteidigungslinie sind – unabhängig von den tieferen Ursachen der Finanzkrisen –, und insofern nahezu zur asymmetrischen Reaktion gezwungen sind. Es besteht weitgehend Konsens, dass die Notenbanken nicht primär ursächlich für das Entstehen von Boom- und Bust-Zyklen an den Vermögensmärkten sind. Diese Entwicklung zeigt auch, dass eine Geldpolitik, die gezwungen ist, den Auswirkungen von Defiziten im Ordnungsrahmen der Finanzmärkte mit zinspolitischen Maßnahmen entgegenzuwirken oder in Grenzen zu halten, Gefahr läuft, ihre „Ressourcen“ ohne nachhaltige Erfolge zu verbrauchen.

Vorrangiges Ziel muss es daher sein, geldpolitischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen und zu bewahren. Es muss insbesondere dafür Sorge getragen werden, dass die Notenbanken nicht zunehmend in die Schwingungen des Weltfinanzsystems geraten, sondern mehr Spielraum für einen stetigen Stabilitätskurs gewinnen. Preisstabilität bleibt das vorrangige Ziel der Notenbanken und einige Konzepte haben sich als sehr geeignet erwiesen, flexibel auf die Finanzkrise zu reagieren. Gleichwohl ist es grundsätzlich geboten, systematisch und undogmatisch die Möglichkeiten und Grenzen der Geldpolitik für eine Unterstützung der Finanzstabilität auszuloten. Der Ansatz einer symmetrischeren Geldpolitik bietet dafür einen relevanten Ausgangspunkt, auch für die weiteren Arbeiten, die auf das Zusammenwirken mit „countercyclical prudential measures“ gerichtet sind.

Der Artikel spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wider.

  • 1 A. Weber: Reflections on the financial crisis. Speech at the Mais Lecture, Cass Business School, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Auszüge aus Presseartikeln, 19. Mai 2009, Nr. 21, S. 3-6. Vgl. auch: A. Weber: Die Bewältigung der Finanzkrise – ein Zwischenstand aus Notenbanksicht. Rede anlässlich der Handelsblatt-Jahrestagung, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 28 vom 9. September 2009, S. 3-6.
  • 2 O. Issing im Interview mit Bert Losse und Malte Fischer (Auf wackligem Fundament, in: Wirtschaftswoche, Nr. 52 vom 21.12.2009, S. 26): „Bisher war es Konsens unter Notenbanken, Vermögenspreise nicht zu beachten und nur dann einzuschreiten, wenn sie platzen und die Realwirtschaft bedroht ist. Das war eine merkwürdig asymmetrische Strategie. Die Erfahrung zeigt, dass fast alle Spekulationsblasen der Geschichte mit einer kräftig steigenden Geld- und Kreditmenge einhergingen. Notenbanken, die monetäre Größen ständig im Blick haben, können einen vorausschauenderen Kurs fahren. Und wer sich rechtzeitig gegen den Wind lehnt, kann spekulativen Übertreibungen an den Vermögensmärkten entgegenwirken.“ Vgl. J. Caruana: Macroprudential policy: working towards a new consensus. Remarks at the high level meeting „The emerging framework for financial regulation and monetary policy“, Washington, D.C., 23. April 2010, BIS Review, Nr. 54, 26. April 2010, S. 23 ff. Vgl. IMF: World Economic Outlook, October 2009, Chapter III. Lessons for Monetary Policy from Asset Price Fluctuations, S. 93 ff.
  • 3 A. Weber: Reflections on the financial crisis, a.a.O., S. 5.
  • 4 Ebenda, S. 123. Vgl. H. Hesse, B. Braasch: „Asset inflation“ aus geld- und währungspolitischer Sicht, in: I. Nübler, H. Trabold (Hrsg.): Herausforderungen an die Wirtschaftspolitik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Festschrift für Lutz Hoffmann zum 65. Geburtstag, Berlin 1999, S. 215-237.
  • 5 Vgl. A. Weber: Reflections on the financial crisis, a.a.O., S. 5.
  • 6 H. Hesse, B. Braasch: Aktienkurse in geldpolitischer Sicht, in: G. Engel, P. Rühmann: Geldpolitik und Europäische Währungsunion, Göttingen 2000, S. 111-128, hier S. 123.
  • 7 W. R. White: Should Monetary Policy „Lean or Clean“? Federal Reserve Bank of Dallas, Globalization and Monetary Policy Institute, Working Paper Nr. 34, August 2009.
  • 8 Who sees „a need for a new macrofinancial stability framework that would use both regulatory and monetary instruments to resist credit bubbles and thus promote sustainable economic growth over time …“ and „monetary policy should be more focused on ‚preemptive tightening‘ to moderate credit bubbles“, vgl. ebenda.
  • 9 „Weber is implicitly critical in this regard. He states ‚The debate about monetary policy and financial markets is too often slanted to the question of how to deal with asset price bubbles. In my opinion, this view of monetary policy and asset prices is too narrow.‘ He then goes on to suggest that the focus should be ‚redirected from financial bubbles to the issue of „procyclicality“‘, which is consistent with what is being suggested in this paper“, vgl. ebenda, S. 7.
  • 10 Vgl. auch P. DeGrauwe: Should Central Banks Target Stock Prices?, in: Intereconomics, 43. Jg. (2008), H. 5, S. 256-258.
  • 11 Wie z.B. im Rahmen der Fourth ECB Central Banking Conference „The Role of Money: Money and Monetary Policy in the Twenty First Century“ im November 2006.
  • 12 M. Woodford: How important is money in the conduct of monetary policy?, 30. October 2006, paper presented at the Fourth ECB Central Bank Conference „The Role of Money: Money and Monetary Policy in the Twenty-First Century“, 9.-10. November 2006.
  • 13 „... we find evidence that unusually low interest rates over an extended period of time contributed to an increase in banks’ risk-taking.“, vgl. Y. Altunbas, L. Gambacorta, D. Marqués-Ibánez: Does monetary policy affect risk-taking?, ECB Working paper series, Nr. 1166, März 2010, S. 6.
  • 14 H. Hesse, B. Braasch: Aktienkurse in geldpolitischer Sicht, a.a.O., hier S. 123 .
  • 15 A. Weber: Perspektiven der Europäischen Geldpolitik. Rede beim 24. Internationalen ZinsFORUM: Zinsen 2010 in Frankfurt am Main, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Auszüge aus Presseartikeln, 9. Dezember 2009, Nr. 51, S. 3-6, hier S. 4.
  • 16 C. Goodhart: What weight should be given to asset prices in the measurement of inflation? Manuskript, S. 21.
  • 17 J. Stark: Monetary Policy before, during and after the financial crisis. Speech at the University Tübingen, 9. November 2009, in: BIS Review, Nr. 141 (2009), S. 23 ff., hier S. 32. „This strategic framework should include – with a prominent role – indicators that can signal macroeconomic and financial imbalances when they are forming. For example, when an unsustainable asset boom is inflating, fuelled by excess credit creation, the strategic framework should encourage the central bank to ‚lean against the wind‘ of financial exuberance. ‚Leaning against the wind‘ means the following in this case: the central bank should try to compensate for the excess ease with which speculators can secure credit to finance their speculative positions in asset markets with a stance of monetary policy that is more restrictive than they would implement in less perturbed financial conditions.“
  • 18 O. Issing im Interview mit Bert Losse und Malte Fischer (a.a.O.): „In den vergangenen 20 Jahren haben Konzepte an Einfluss gewonnen, die Inflation ohne monetäre Größen erklären wollen. Notenbanken sollten sich davon nicht leiten lassen. Man kann richtige geldpolitische Entscheidungen nicht treffen, ohne die Geld- und Kreditmenge zu beachten. Die Vernachlässigung monetärer Größen hat mit dazu beigetragen, dass viele Notenbanken in den vergangenen Jahren zu viel Liquidität in Umlauf gebracht haben und damit die Basis für spekulative Blasen legten. Mittlerweile zeichnet sich ein Umdenken in der geldpolitischen Praxis ab. Monetäre Indikatoren gelten wieder als entscheidende Faktoren. Die Europäische Zentralbank hat das mit ihrer Zwei-Säulen-Strategie von Anfang an berücksichtigt.“
  • 19 Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Der Zusammenhang zwischen monetärer Entwicklung und Immobilienmarkt, in: Monatsbericht, Juli 2007, S. 5-28.
  • 20 Vgl. ebenda, S. 26.
  • 21 Vgl. Europäische Zentralbank: Monetäre Analyse im Umfeld der Finanzmarktturbulenzen, in: Monatsbericht, November 2009, S. 87-104.
  • 22 Vgl. D. Kohn: Monetary Policy Research and the Financial Crisis – Strengths and Shortcomings. Speech at the Federal Reserve Conference on Key Developments in Monetary Policy, BIS Review, Nr. 124 (2009), S. 29-34. „It is fair to say, however, that the core macroeconomic modeling framework used at the Federal Reserve and other central banks around the world has included, at best, only a limited role for the balance sheets of households and firms, credit provision, and financial intermediation.“ (S. 32) sowie „A better understanding of asset prices, the credit channel, and their interaction also would seem to be critical for successfully carrying out some of the tasks central banks and other authorities are being urged to take on in the future.“ (S. 34) sowie „The research agenda growing out of this crisis is formidable and difficult – and I have covered only a portion of it.“ (S. 34).
  • 23 R. Mohan, M. Kapur: Liberalisation and regulation of capital flows, Stanford Center for International Development, Working Paper Nr. 399, Oktober 2009.
  • 24 I. Fukunaga, M. Saito: Asset Prices and Monetary Policy, in: Bank of Japan (Hrsg.): Monetary and Economic Studies, Jg. 27, November 2009, S. 143-170.
  • 25 Ebenda, S. 157.
  • 26 P. N’Diaye: Countercyclical Macro Prudential Policy in a supporting role for Monetary Policy, IMF Working Paper, Nr. 09/257, November 2009, S. 4.
  • 27 P. Kannan, P. Rabanal, A. Scott: Monetary and Macroprudential Policy Rules in a Model with House Price Booms, IMF Working Paper, Nr. 09/251, November 2009.
  • 28 B. Braasch: Financial Market Crisis and Financial Market Channel, in: Intereconomics, 45. Jg. (2010), H. 2, S. 96-105.
  • 29 P. Kannan, P. Rabanal, A. Scott: Macroeconomic Patterns and Monetary Policy in the Run-Up to Asset Price Busts, IMF Working Paper, Nr. 09/252, November 2009, S. 11. „When these indicators raise an alarm, the probability of a bust is more than twice the unconditional probability. Nonetheless, even the best indicator failed to raise an alarm one to three years ahead of roughly one-half of all busts since 1985. Thus, asset prices are difficult to predict.“
  • 30 Vgl. F.-C. Zeitler: Stärkung der Nachhaltigkeit und längerfristige Lehren aus der Krise, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Auszüge aus Presseartikeln, 2009, Nr. 27, S. 3 ff.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1108-3

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