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Im Dezember 2010 hat der Bundestag eine schrittweise Anhebung der Tabaksteuer beschlossen. Das Ziel dieser Maßnahme ist eine Erhöhung des Steueraufkommens. Lenkungswirkungen sind eher nicht zu erwarten und wohl auch nicht beabsichtigt. Ob die externen Kosten des Rauchens durch die zusätzlichen Einnahmen besser gedeckt werden können, bleibt fraglich. Sicher sind die regressiven Verteilungseffekte dieser Steuererhöhung.

Am 2. Dezember 2010 hat der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen1 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages2 verabschiedet. Die Gesetzesänderung sieht vor, die Tabaksteuer schrittweise anzuheben und die Steuern auf Zigaretten an die Steuern auf andere Tabakwaren anzunähern. Erstmalig zum 1. Mai 2011 und dann jeweils zu Beginn der Jahre 2012 bis 2015 werden die verschiedenen Tabaksteuersätze erhöht. Zigaretten werden dadurch voraussichtlich um jährlich 4 bis 8 Cent pro Schachtel mit 19 Stück teurer und Feinschnitt um 12 bis 14 Cent pro Packung mit 40 Gramm. Feinschnitt unterliegt in Zukunft außerdem einer geänderten Mindestbesteuerung. Bei billigem Feinschnitt dürfte es deshalb einmalig zu deutlich stärkeren Preissteigerungen kommen. Schließlich werden auch für Zigarren und Zigarillos Mindeststeuern eingeführt. Die bisherigen zum Teil sehr großen Preisabstände zwischen Zigaretten und Feinschnitt einerseits und billigen Zigarren und Zigarillos andererseits dürften deshalb in Zukunft deutlich kleiner werden. Wie ist die Gesetzesänderung ökonomisch zu bewerten?

Das Einnahmeziel steht im Mittelpunkt

Mit der schrittweisen Erhöhung der Tabaksteuersätze werden steuerliche Mehreinnahmen von rund 200 Mio. Euro im Jahr 2011 und danach weitere Steigerungen auf rund 1 Mrd. Euro ab dem Jahr 2015 erwartet. Die Mehreinnahmen sollen der Konsolidierung des Bundeshaushaltes dienen. Höhere Tabaksteuern waren zwar zunächst nicht Bestandteil der im Sommer 2010 angekündigten Konsolidierungsstrategie der Bundesregierung. Motiviert wurden sie aber durch die geringere als zunächst geplante Rücknahme von Vergünstigungen für energieintensive Unternehmen bei der Energie- und Stromsteuer. Das mit der Tabaksteuererhöhung verbundene Ziel ist deshalb eindeutig fiskalisch. Mit den Mehreinnahmen sollen ansonsten entstehende, vom Finanzplan des Bundes abweichende Einnahmelücken im künftigen Bundeshaushalt geschlossen werden.3

Gemessen am Einnahmeziel erscheint die Gesetzesänderung durchaus konsequent und adäquat. Das gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der europäischen Richtlinie 2010/12/EU, die den nun verabschiedeten Gesetzentwurf zunächst veranlasst hat und die zu einer stärkeren Angleichung der Tabaksteuersätze in der Europäischen Union führen wird. Im Wesentlichen lassen sich drei Gründe dafür anführen, weshalb die vorliegende Gesetzesänderung aus der isolierten Einnahmeperspektive betrachtet sehr zielführend ausgestaltet ist:

  • Die Erhöhung der Tabaksteuersätze in kleinen Schritten wird längerfristig zu einem weniger starken Rückgang des Tabakkonsums führen als eine einmalige stärkere Erhöhung der Sätze. Das gilt besonders im Hinblick auf das Verhalten neuer Tabakkonsumenten, d.h. das Verhalten von Jugendlichen. Die Nachfrage von Jugendlichen nach Zigaretten reagiert im Allgemeinen elastischer auf Preiserhöhungen als die Nachfrage älterer Konsumenten.4 Einmalige starke Erhöhungen der Tabaksteuer haben längerfristig einen stärkeren negativen Effekt auf den Zigarettenkonsum, weil weniger neue Personen zu Rauchern werden. In der Konsequenz führen einmalige stärkere Erhöhungen der Tabaksteuersätze zwar anfänglich zu höheren Steuermehreinnahmen. Längerfristig gehen die Einnahmen aber zurück, weil weniger neue Konsumenten in den Zigarettenmarkt eintreten. Dieser Effekt wird durch die schrittweise Anhebung der Tabaksteuersätze gedämpft, wenn nicht gänzlich vermieden. Aus fiskalischer Perspektive werden damit längerfristige Einnahmezuwächse gesichert.
  • Die Gesetzesänderung beinhaltet, dass die Steuersätze auf alternative Tabakwaren stärker steigen als die Sätze auf Zigaretten. In der Vergangenheit haben Erhöhungen der Tabaksteuersätze dazu geführt, dass Raucher von Zigaretten auf steuergünstigere Alternativen wie Feinschnitt ausgewichen sind. Das hat für sich genommen zu einem Rückgang der Tabaksteuereinnahmen geführt. Die jetzige Gesetzesänderung sieht einen stärkeren Anstieg der Steuern auf alternative Tabakwaren vor und wird dazu führen, dass sich deren Preise den Preisen von Zigaretten annähern. Das schwächt die Anreize, auf alternative Tabakwaren auszuweichen und erhöht zugleich die Steuereinnahmen aus deren Konsum. Beides wird die Tabaksteuereinnahmen stabilisieren.
  • In der Vergangenheit haben Erhöhungen der Tabaksteuersätze auch zu einer Zunahme des sogenannten Cross-Border-Shopping, also des Einkaufens von Zigaretten im grenznahen Ausland, und des Schmuggels von Zigaretten aus dem Ausland geführt. Das hat den Spielraum für einnahmeorientierte Tabaksteuererhöhungen zusätzlich beschränkt. Die Umsetzung der europäischen Richtlinie 2010/12/EU in jeweiliges nationales Recht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird zu höheren Mindestpreisen für Tabakwaren in Europa führen. Dadurch werden Ausweichreaktionen auf höhere Tabaksteuern in Deutschland in Form von Cross-Border-Shopping und wohl auch Schmuggel unattraktiver. Auch das wird die Tabaksteuereinnahmen stabilisieren.

Erfüllt die vorliegende Gesetzesänderung noch weitere Steuerzwecke?

Neben dem fiskalischen Ziel wird mit der Tabaksteuer in der Regel ein Lenkungszweck verfolgt. Die Steuer soll Rauchern einen Anreiz liefern, die sogenannten externen Kosten des Rauchens zu internalisieren. Die externen Kosten sind jene Kosten des Rauchens, die die Raucher nicht selber tragen, sondern andere – sei es die Gemeinschaft der Krankenversicherten, die die Behandlung von Raucherkrankheiten finanziert, oder seien es Passivraucher, die gesundheitliche Schäden erleiden. Die Höhe der externen Kosten des Rauchens ist indessen sehr strittig. Sie hängt davon ab, welche Kosten der Gemeinschaft der Versicherten zugerechnet werden. Zur Bestimmung der externen Kosten werden meist – und sinnvollerweise – Nettorechnungen erstellt. Solche Rechnungen berücksichtigen, dass Raucher in anderen (Sozial-)Versicherungsbereichen, besonders in der Rentenversicherung, eher Nettozahler als Nettoempfänger sind, weil sie eine kürzere Lebenserwartung haben. Nettorechnungen berücksichtigen außerdem, dass Personen, die an einer Raucherkrankheit sterben, nicht mehr an anderen Krankheiten sterben können, die ebenfalls zu Behandlungskosten geführt hätten. Die Höhe der externen Kosten des Rauchens hängt ferner davon ab, wie die Kosten des Passivrauchens bewertet werden. Nach dem weitgehenden Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen und in Gaststätten betrifft das Passivrauchen vor allem Familienmitglieder und es stellt sich die Frage, inwieweit Raucher die Schädigungen von Familienmitgliedern internalisieren. Immerhin ist denkbar, dass Raucher Schäden, die sie bei Familienmitgliedern verursachen, eher ins Kalkül ziehen als Schäden, die sie bei Dritten verursachen.

Wie die externen Kosten des Rauchens im Einzelnen abgegrenzt werden, hat eine erhebliche quantitative Bedeutung. Je nach Abgrenzung liefern empirische Studien Schätzungen der externen Kosten des Rauchens, die zwischen 0,1 und 1,1% des Bruttoinlandsprodukts variieren5 – für Deutschland wären das zwischen rund 2,4 und 26,4 Mrd. Euro im Jahr 2010. Die Tabaksteuereinnahmen im Jahr 2010 werden sich auf rund 13,3 Mrd. Euro belaufen. Es ist also bislang ungeklärt, ob das bisherige Tabaksteuerniveau die externen Kosten des Rauchens ausreichend einpreist oder nicht. Zwar erscheint es unbefriedigend, aber mit dem Hinweis auf die externen Kosten des Rauchens lässt sich die nun beschlossene Erhöhung der Tabaksteuersätze weder zwingend begründen noch ablehnen.

Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass die Messungen der externen Kosten des Rauchens typischerweise rational agierende Raucher voraussetzen, die die vollen Kosten des Rauchens nur deshalb nicht internalisieren, weil sie dazu keinen ausreichenden Anreiz haben. Viele Raucher scheinen indessen mit einem Rationalitätsproblem konfrontiert zu sein. Sie wollen heute rauchen und morgen nicht rauchen. Ist das Morgen freilich heute geworden, wollen sie erneut heute rauchen und morgen nicht. Es gelingt ihnen mit anderen Worten nicht, sich heute daran zu binden, in der Tat morgen nicht mehr zu rauchen. Höhere Tabaksteuern schwächen dieses Selbstbindungsproblem, weil die Kosten des zukünftigen Rauchens steigen. Langzeitstudien zu den Effekten von Tabaksteuererhöhungen deuten darauf hin, dass in der Tat die Zufriedenheit von Personen, die vor der Erhöhung der Tabaksteuer angegeben hatten zu rauchen, in den folgenden Jahren signifikant stärker gestiegen war als die Zufriedenheit von Personen, die angegeben hatten, nicht zu rauchen.6 Soll indessen mit einer Tabaksteuererhöhung das Selbstbindungsproblem von Rauchern abgeschwächt werden, so entsteht ein Konflikt mit dem Einnahmeziel einer solchen Erhöhung. Bei der Abschwächung des Selbstbindungsproblems geht es darum, Menschen effektiv vom Rauchen abzuhalten. Das lässt sich nicht mit den inkrementellen Steuererhöhungen erreichen, die die vorliegende Änderung des Tabaksteuergesetzes vorschreibt. Die sind eher darauf ausgelegt, keine abschreckende Wirkung auf heutige Raucher und künftige Raucher zu entfalten. Einen Beitrag zur Lösung des Selbstbindungsproblems von Rauchern leisten sie sicher nicht.7

Mengensteuern versus Wertsteuern

Die Gesetzesänderung beinhaltet auch eine Neuaustarierung der Mengen- und Wertsteueranteile der Tabaksteuer. Allgemein ist die Tabaksteuer ein Hybrid aus einer Mengensteuer (Cent je Stück bzw. Gramm) und einer Wertsteuer (Prozentsatz des Kleinverkaufspreises). Beide Steuern weisen Vor- und Nachteile auf.

Der Vorteil der Mengensteuerkomponente besteht darin, dass sie unabhängig von der Preisgestaltung der Anbieter ist. Damit ist sie besser geeignet, die mit dem Tabakkonsum verbundenen externen Kosten einzupreisen, denn die sind im Allgemeinen ebenfalls unabhängig von der Preisgestaltung der Anbieter von Tabakwaren. Ein Nachteil der Mengensteuerkomponente besteht darin, dass ihre Einnahmen nicht mit dem Anstieg des aggregierten Konsumentenpreisniveaus steigen und deshalb regelmäßige Steuererhöhungen erfordern. Die Einnahmen aus einer Wertsteuer passen sich dagegen automatisch einem Anstieg der Konsumentenpreise an. Sie eignen sich aber aus den genannten Gründen weniger dazu, die externen Kosten des Konsums von Tabakwaren einzupreisen. Zudem eröffnet die Wertsteuer Möglichkeiten zur Manipulation seitens der Zigarettenanbieter, wenn die aufgrund des Wertsteueranteils notwendige Definition einer Mindeststeuer wie bisher von der Steuerlast auf Zigaretten der gängigsten Preisklasse abhängig gemacht wird. Gibt es in dieser Preisklasse einen Marktführer, so kann er durch seine Preisgestaltung Einfluss auf die Steuerlast und damit auf den Preis von Konkurrenzprodukten nehmen.8 Es erscheint deshalb sinnvoll, dass das Konzept der gängigsten Preisklasse im Einklang mit der europäischen Richtlinie 2010/12/EU im nun geänderten Tabaksteuergesetz entfällt und dass die preisbezogene Mindestbesteuerung in Zukunft an dem gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis für Zigaretten anknüpfen soll.

Bei der Neuaustarierung des Mengensteuer- und des Wertsteueranteils der Tabaksteuer spielt ferner eine Rolle, dass die beiden Steuerarten zu unterschiedlichen Preisreaktionen der Anbieter in Märkten mit einer kleinen Zahl von Anbietern führen. Diese Situation ist im Tabakwarenfall sicher gegeben. In solchen Märkten führen Wertsteuern im Allgemeinen zu höheren Steuereinnahmen und niedrigeren Konsumentenpreisen (und damit mehr Tabakkonsum) als Mengensteuern. Allerdings haben die Anbieter bei einer Wertsteuer geringere Anreize für Qualitätsverbesserungen (also z.B. bessere Filter für Zigaretten) als bei einer Mengensteuer, weil die durch Qualitätsverbesserungen möglichen Preissteigerungen von einer Wertsteuer zum Teil abgeschöpft werden.9 Die vorliegende Gesetzesänderung wird das Gewicht des Mengensteuerteils der Tabaksteuer stärken und das Gewicht des Wertsteuerteils schwächen. In dieser – freilich sehr beschränkten und recht indirekten – Weise scheint die Gesetzesänderung dem Lenkungsziel doch eine gewisse Bedeutung einzuräumen.

Was noch bedacht werden sollte

Die beschlossene Erhöhung der Tabaksteuersätze ist annähernd ausschließlich dem Ziel geschuldet, in Zukunft höhere Steuereinnahmen zu realisieren. Lenkungsziele scheinen dagegen beim Entwurf des Gesetzes keine Rolle gespielt zu haben. Im Gegenteil: Lenkend in das Verhalten von Rauchern einzugreifen, und zwar im Sinne einer Reduktion des künftigen Tabakkonsums, wird durch die vorliegende Gesetzesänderung möglichst vermieden. Werden aber mit der Tabaksteuererhöhung keine Lenkungsziele verfolgt und zudem die externen Kosten bereits durch das bisherige Tabaksteuerniveau eingepreist (was freilich bislang strittig ist), so kommt ein verteilungspolitischer Aspekt ins Spiel. Höhere Tabaksteuern lösen nämlich eindeutige regressive Verteilungseffekte aus. Einkommensschwächere Raucher geben nicht nur einen höheren Anteil ihres Einkommens für Tabakprodukte aus als einkommensstärkere, in einkommensschwächeren Schichten finden sich auch deutlich mehr Raucher.10 Das zusätzliche Aufkommen aus der Erhöhung der Tabaksteuer dürfte deshalb überproportional stark von ärmeren Bevölkerungsteilen aufgebracht werden. Die Tabaksteuererhöhung mag dann zwar ein formidables Instrument sein, um Einnahmelücken zu schließen. Zugleich tut sich damit aber eine Gerechtigkeitslücke auf.

Der vorliegende Beitrag basiert auf einer Stellungnahme des Verfassers vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages in einer Anhörung vom 30. November 2010.

  • 1 Bundestags-Drucksache 17/3025.
  • 2 Bundestags-Drucksache 17/4052.
  • 3 Siehe auch Bundesregierung: Bundesrat stimmt Haushaltsbegleitgesetz zu, www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Artikel/2010/09/2010-09-01-dachartikel-haushaltsbegleitgesetz.html, 2010.
  • 4 Eine Übersicht über empirische Studien zu den Preiselastizitäten der Nachfrage nach Tabakwaren in verschiedenen Ländern und für verschiedene Altersgruppen findet sich in W. K. Viscusi: Smoke Filled Rooms: A Post-Mortem on the Tobacco Deal, Chicago 2002.
  • 5 Eine nicht mehr ganz aktuelle Übersicht über die dazu vorliegenden empirischen Studien findet sich in J. Lightwood, D. Collins, H. Lapsley, T. E. Novotny: Estimating the Costs of Tobacco Use, in: P. Jha, F. Chaloupka (Hrsg.): Tobacco Control in Developing Countries, Oxford 2000, S. 63-105.
  • 6 J. H. Gruber, S. Mullainathan: Do Cigarette Taxes Make Smokers Happier?, in: The B. E. Journal of Advances in Economic Analysis & Policy, 5, 2005.
  • 7 Zu den externen Kosten des Rauchens und den Rationalitätsproblemen von Rauchern siehe auch B. U. Wigger: Wer profitiert von höheren Tabaksteuern?, in: Wirtschaftsdienst, 85. Jg. (2005), H. 8, S. 518-521.
  • 8 Siehe dazu S. Cnossen: Fiscal Policy in Action – Tobacco Taxation in the European Union, in: FinanzArchiv, 62. Jg. (2006), S. 305-322.
  • 9 Ebenda.
  • 10 Siehe dazu M. Bobak, P. Jha, S. Nguyen, M. Jarvis: Poverty and Smoking, in: P. Jha, F. Chaloupka (Hrsg.): Tobacco Control in Developing Countries, Oxford 2000, S. 41-62.


DOI: 10.1007/s10273-011-1168-z