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Die Eurokrise beherrscht die Tagesordnung der europäischen Räte. Auf deutscher Ebene wird die Handhabung des Rettungsschirms durch das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus geregelt. Dabei spielt eine wichtige Rolle, inwieweit das Parlament bei Entscheidungen mit großer finanzieller Tragweite zu beteiligen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat darüber bereits entschieden, muss aber aufgrund einer Klage gegen die gesetzliche Neuregelung diese Fragestellung erneut prüfen.

Am 7. Mai 2010 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Staaten des Eurowährungsgebiets, im Rahmen eines umfassenden Maßnahmenpakets zur Wahrung der Finanzstabilität der gesamten Währungszone die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) einzurichten. Die EFSF ist eine temporär gegründete Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht und hat ihren Sitz in Luxemburg. Ihre Gesellschafter sind die Eurostaaten. Ursprünglich konnte sie an Staaten des Eurowährungsgebiets Kredite in Höhe von etwa 240 Mrd. Euro ausreichen, die durch 440 Mrd. Euro Garantien der Euroländer abgesichert waren.

Am 24. März 2011 verständigten sich die Staats- und Regierungschefs des Eurowährungsgebiets darauf, das Kreditvolumen der EFSF auf 440 Mrd. Euro und die Garantien der Euroländer auf insgesamt 780 Mrd. Euro anzuheben und der EFSF Anleihekäufe von Staaten innerhalb eines makroökonomischen Anpassungsprogramms am Primärmarkt zu ermöglichen. Am 21. Juli 2011 wurde auf einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Staaten des Eurowährungsgebiets die weitere Reform der EFSF beschlossen.1 Danach war die Erweiterung des Aufgabenspektrums der EFSF um folgende Instrumente vorgesehen: Vorsorgliche Kreditlinien, Darlehen an Regierungen zur Kapitalisierung von Finanzinstituten in Nicht-Programm-Ländern sowie Interventionen am Sekundärmarkt.

Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages

Die EFSF wird grundsätzlich durch ein Direktorium geleitet, das aus jeweils einem Vertreter pro Staat des Eurowährungsgebiets besteht. Die Gewährung einer Hilfe durch die EFSF setzt einen einstimmigen Beschluss des Direktoriums voraus. Der deutsche Vertreter erhält seine Weisungen grundsätzlich von der Bundesregierung. Die Befugnisse und die Grenzen der Bundesregierung, also wann sie vor einer Weisung an den Vertreter einen Beschluss des Deutschen Bundestages einholen muss, regelt im Einzelnen das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (StabMechG).

Das StabMechG a.F., also in der Fassung vom 22. Mai 20102, war bis zur Verkündung der Neufassung am 13.10.20113 gültig. Regelungen zu den Beteiligungsrechten des Bundestages fanden sich ausschließlich in § 1 Abs. 4 StabMechG a.F. Danach war die Bundesregierung lediglich dazu verpflichtet, sich vor einer Übernahme von Gewährleistungen um ein Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages zu „bemühen“. Letzterer hatte ein Recht zur Stellungnahme. In zwingenden Gründen konnte eine Gewährleistung auch ohne eine vorherige Herstellung des Einvernehmens übernommen werden. Dann genügte es, wenn der Haushaltsausschuss nachträglich unverzüglich über die durchgeführten Maßnahmen und vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Mittelverwendung unterrichtet wurde.

Mit der Ertüchtigung der EFSF rückte auch eine Neuregelung der Beteiligungsrechte schnell in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Dies war insbesondere der als unzureichend empfundenen Einbindung des Bundestages bei den bisherigen Kreditprogrammen geschuldet. Im Kern geht es darum, dass das Wahlrecht als grundrechtsgleiches Recht verletzt sein könnte, wenn sich der Deutsche Bundestag seiner parlamentarischen Haushaltsverantwortung dadurch entäußert, dass er weit reichende Bindungen eingeht, die ihm die Ausübung des Budgetrechts nicht mehr eigenverantwortlich möglich machen.4 Der Bundestag sollte entsprechend seine zukünftige Selbstgestaltungsfähigkeit erhalten.5 Daher müssen die Abgeordneten des Bundestages auch im Falle eines intergouvernementalen Regierens die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen bewahren.6

Andererseits muss auch das berechtigte Interesse handlungsfähiger Mechanismen beachtet werden. Eine Verkomplizierung der Prozessabläufe der EFSF etwa durch umfangreiche Mitspracherechte der einzelnen Mitgliedstaaten hätte zwar nicht unbedingt einen Einfluss auf das Rating der EFSF, wohl aber auf die Bewertung der Handlungsfähigkeit der EFSF durch den Finanzmarkt.7 Um den Markt von sich zu überzeugen, muss die EFSF schnell auf aufkommende Finanzierungslücken reagieren können.

Vorschlag der Regierungsfraktionen

Die öffentliche Diskussion über die Beteiligungsrechte des Bundestages begann am 24. August 2011. Damals berichtete das Handelsblatt über ein Schreiben des Bundesfinanzministers Schäuble an die Fraktionschefs der Bundestagsparteien, wonach der Minister plane, sich für das zukünftige Handeln der EFSF einen Blankoscheck vom Bundestag abzuholen. So solle die EFSF zukünftig ohne eine vorherige Zustimmung des Parlaments bei einzelnen Rettungspaketen Hilfsmaßnahmen ergreifen können.8 Bundestagspräsident Lammert äußerte sich hierzu in der gleichen Ausgabe des Handelsblatts mit den Worten, dass es eine solche Generalermächtigung nicht geben werde. Wie die Beteiligungsrechte des Bundestages ausgestaltet werden, machte er von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Griechenlandhilfe vom 7. September 2011 und den bisherigen Euro-Rettungsmaßnahmen abhängig.9

Die Formulierungshilfe der Bundesregierung vom 31. August 2011 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des StabMechG enthält keinen Vorschlag für die Regelung der Bundestagsbeteiligung.10 Vielmehr ist § 1 Abs. 4, der die Beteiligungsrechte später regeln sollte, in der vorgesehenen Gesetzesänderung der Formulierungshilfe ausdrücklich offen gelassen worden. In der zugehörigen Begründung wird ausgeführt, dass die konkrete Ausgestaltung der Beteiligungsrechte, auch mit Blick auf die erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 7. September 2011 zur Griechenlandhilfe und zu den bisherigen Euro-Rettungsmaßnahmen, dem weiteren Gesetzgebungsverfahren überlassen werde.

Noch bevor der Inhalt der erarbeiteten Formulierungshilfe am 7. September 2011 in erster Lesung im Bundestag zur Beratung kam, entschied sich der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Rahmen seiner Klausurtagung11 am 1. September 2011 nach eigener Aussage für einen Mittelweg zwischen einer angemessenen parlamentarischen Kontrolle und der Gewährleistung der Handlungsfähigkeit der EFSF. Nach seiner Vorstellung sollten die Mitwirkungsrechte des Bundestages abgestuft ausgestaltet werden. Im Einzelnen sah der Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor, dass der deutsche Vertreter einem von einem anderen Mitgliedstaat beantragten Hilfsprogramm oder einer anderen Maßnahme, die den Bundeshaushalt betreffen kann, in den relevanten Gremien erst dann zustimmen darf, wenn der Deutsche Bundestag der Übernahme von Gewährleistungen zugestimmt hat.

Im Falle des konkreten Einsatzes der neuen Instrumente der EFSF, beispielsweise Anleihekäufe auf dem Sekundärmarkt, soll der deutsche Vertreter erst nach Billigung durch den Haushaltsausschuss zustimmen dürfen. Werden die Bedingungen für genehmigte Notmaßnahmen bei unverändertem Gewährleistungsrahmen nachträglich geändert, so ist die Zustimmung des Haushaltsausschusses erforderlich. Über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung im Rahmen der Hilfsmaßnahmen der EFSF, beispielsweise die Auszahlung einzelner Tranchen eines Kredits, soll nach der Vorstellung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der Haushaltsausschuss zeitnah und umfassend zu informieren sein.

Mit ihrem am 6. September 2011 beschlossenen Antrag „Parlamentsrechte im Rahmen zukünftiger europäischer Stabilisierungsmaßnahmen sichern und stärken“12 nahmen die Regierungsfraktionen die Idee einer abgestuften Beteiligung auf. Der Antrag formuliert verschiedene Beteiligungsstufen in Abhängigkeit von der jeweiligen Maßnahme der EFSF. So muss der deutsche Vertreter bei Abstimmungen über die Übernahme oder Veränderung von Gewährleistungen mit „Nein“ stimmen, wenn er nicht zuvor die Zustimmung vom Bundestag erhalten hat. Änderungen der operativen Richtlinien der EFSF sind im Vorfeld vom Haushaltsausschuss zu billigen und Änderungen einzelner Bedingungen eines bereits gewährten Hilfsprogramms muss dieser zustimmen, bevor der deutsche Vertreter seinerseits zustimmen darf. Darüber hinaus ist der Haushaltsausschuss zeitnah und umfassend beispielsweise über die Auszahlung einzelner Tranchen eines Kreditpakets und die ordnungsgemäße Verwendung zu informieren. Schließlich sieht der Antrag vor, dass das Plenum des Bundestages die Befugnisse des Haushaltsausschusses, so lange dieser noch nicht entschieden hat, an sich ziehen und mit einfachem Beschluss selbst ausüben kann.

Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 7. September 2011

In seinem Urteil vom 7. September 2011 zur Griechenlandhilfe und den bisherigen Euro-Rettungsmaßnahmen geht das Bundesverfassungsgericht13 insbesondere auf die Beteiligung des Bundestages im Rahmen der EFSF-Maßnahmen ein. Das Gericht sagt ausdrücklich, dass mit der verstärkten internationalen Zusammenarbeit und der europäischen Integration eine rechtliche und finanzpolitische Bindung für die Bundesrepublik Deutschland einhergehe, die selbst wenn sie erheblichen Umfang erreicht, nicht zwingend das Budgetrecht bzw. das Wahlrecht verletze.14 Deshalb ist es nach Ansicht des Gerichts erforderlich, die Budgetverantwortung des Bundestages sicherzustellen. Dies gebiete es, so das Gericht, dass der Deutsche Bundestag diese nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure überträgt, indem er sich beispielsweise unüberschaubaren haushaltsbedeutsamen Belastungen aussetzt, ohne zuvor konstitutiv zustimmen zu können.15

Eine die Grenzen überschreitende Übertragung des Budgetrechts des Bundestages liegt nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls dann vor, wenn die Art und die Höhe der den Bürger treffenden Abgaben in wesentlichem Umfang supranationalisiert und somit der Einflussnahme des Bundestages entzogen wird.16 Es dürfen daher keine dauerhaften völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Haftungsübernahme eingegangen werden, insbesondere wenn die Folgen schwer kalkulierbar sind.17

Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner Entscheidung weiter aus, dass die parlamentarische Haushaltsautonomie nach den damals gültigen Regelungen des StabMechG in einer das Wahlrecht beeinträchtigenden Weise berührt wurde, da die verfahrensrechtlichen Vorkehrungen nach § 1 Abs. 4 StabMechG a.F. zur Einflussnahme des Deutschen Bundestages bei Gewährleistungs-entscheidungen nicht ausreichend waren. Insbesondere die gesetzliche Forderung, dass sich die Bundesregierung lediglich bemühen müsse, Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages herzustellen, dürfe nicht zu eng gesehen werden. Daher ist nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts § 1 Abs. 4 StabMechG a.F. dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die Bundesregierung, außer in den Fällen zwingender Gründe, verpflichtet ist, die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen.18 Aus dem Gesetzeswortlaut, dass sich die Bundesregierung um die Herstellung eines Einvernehmens bemühen muss, wird so eine Verpflichtung, dieses auch zu erreichen.

Wie das Parlament bisher durch die Bundesregierung einbezogen wurde, rügte das Bundesverfassungsgericht in diesem Urteil nicht. Beachtlich ist, dass das Gericht mit seinen Ausführungen bestätigt, dass die Vorgabe des StabMechG a.F. hinsichtlich der Beteiligung des Haushaltsausschusses grundsätzlich ausreichend war und nicht etwa stets eine Beteiligung des Plenums des Bundestages erforderlich ist. Begrüßenswert sei nach Ansicht des Gerichts, dass im StabMechG a.F. der Zweck, die Modalität, die Bedingung und auch der Zeitraum für eine Gewährleistungsübernahme festgeschrieben sind. Insoweit sei die Gewährleistungsermächtigung inhaltlich hinreichend bestimmt.19

Die abgestufte Beteiligung des Bundestags, wie sie die Regierungsfraktionen vorgeschlagen haben, geht über die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Vorgaben hinaus. Denn für die Gewährung einer Finanzhilfe sieht der Vorschlag vor, dass eine Zustimmung des Plenums und nicht lediglich des Haushaltsausschusses eingeholt wird. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Erweiterung der EFSF hinsichtlich des möglichen Gewährleistungsrahmens und auch des Instrumentariums eine weitergehende Beteiligung des Plenums des Bundestages erforderlich machen könnte, da es insoweit auch zu einer höheren haushaltsbedeutsamen Belastung kommen kann.

Beratung im Haushaltsausschuss

Am 19. September 2011 fand im Haushaltsausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung zu der geplanten Erweiterung der EFSF und seine vorgesehenen Beteiligung an Entscheidungen zum Rettungsschirm statt. Dabei ging es um den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur „Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“20 sowie um den Antrag der Koalitionsfraktionen „Parlamentsrechte im Rahmen zukünftiger europäischer Stabilisierungsmaßnahmen sichern und stärken“21.

Bezüglich der Frage der Beteiligung des Bundestages an Entscheidungen des Rettungsschirms sprach sich Christian Calliess von der Freien Universität Berlin dafür aus, dass der Deutsche Bundestag seine Beteiligungsrechte auf Ausschussebene wahrnehmen solle. Er schlug deshalb in seiner Stellungnahme einen neu einzurichtenden „Stabilitätsausschuss“ vor, der aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses, des Ausschusses für Angelegenheiten der europäischen Union, des Rechtsausschusses sowie aus Fraktionsvorsitzenden oder Parlamentarischen Geschäftsführern bestehen solle.22 In der Anhörung waren sich alle Experten einig, dass bei der Ausarbeitung der Parlamentsbeteiligung die Möglichkeit für eine schnelle Reaktion geschaffen werden müsse. Dafür seien unter anderem Telefonkonferenzen geeignet.23

Am 22. September 2011 stimmte der Haushaltsausschuss mit großer Mehrheit dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen mit dem Ziel der Ertüchtigung der EFSF24 in geänderter Fassung zu. Gegen den Gesetzentwurf stimmte lediglich die Linksfraktion.25 Bundestagspräsident Lammert warb zu Beginn der Haushaltsausschusssitzung für einen möglichst großen Konsens in der Frage der parlamentarischen Beteiligung. Es sei „dringend geboten“, über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinauszugehen. Besonders wichtig war ihm, ein Sondergremium zu schaffen, das sich aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses zusammensetzt. Diese sollten durch den Bundestag gewählt und nicht vom Haushaltsausschuss benannt werden.26

Entsprechend hat der Ausschuss die Beteiligungsrechte des Parlaments in den Gesetzentwurf eingearbeitet. Grundlage dafür war der Antrag der Regierungsfraktionen.27 Danach darf der Vertreter der Bundesregierung im Direktorium der EFSF einem Beschlussvorschlag, der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berührt, nur dann zustimmen, wenn das Parlament zuvor einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung ist gerade dann berührt, wenn ein neues Land einen Antrag auf Unterstützung durch die EFSF stellt, wenn die Höhe des Gewährleistungsrahmens verändert wird, wenn es Änderungen des Rahmenvertrags geben soll und Rechte und Verpflichtungen aus der derzeitigen EFSF in den geplanten permanenten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) überführt werden sollen.28

Bei besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit sollen die Beteiligungsrechte des Bundestages von dem Sondergremium des Haushaltsausschusses wahrgenommen werden, dem neun Mitglieder aus allen Fraktionen angehören sollen.29 Die SPD legte diesbezüglich erfolglos einen Änderungsantrag vor, wonach auch in Fällen der Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit der Haushaltsausschuss zustimmen sollte und nicht lediglich das Sondergremium.30

Abschließende Beratungen im Plenum des Bundestages

Dem nach einem entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen zur Abstimmung stehenden StabMechG in seiner am 13. Oktober 2011 verkündeten31 und nunmehr gültigen Fassung stimmte der Deutsche Bundestag am 29. September 2011 zu.32 Waren die Beteiligungsrechte des Bundestages nach der alten Gesetzesfassung in einem Absatz des StabMechG a.F. geregelt, erstrecken sich diese nunmehr über drei Paragraphen.

In § 3 Abs. 1 StabMechG heißt es nun u.a., dass die Bundesregierung einem Beschlussvorschlag, der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berührt, also beispielsweise im Falle einer erstmaligen Gewährung von Notmaßnahmen für einen Eurostaat, durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei einer Beschlussfassung enthalten darf, nachdem der Deutsche Bundestag hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Ohne diesen Beschluss muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen. Im Falle besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit werden nach § 3 Abs. 3 StabMechG die in Abs. 1 bezeichneten Beteiligungsrechte des Bundestages von einem Sondergremium wahrgenommen, dass entsprechend der politischen Mehrheitsverhältnisse aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses besteht und vom Bundestag für eine Legislaturperiode gewählt wird.33 Die besondere Eilbedürftigkeit wird bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren nach § 3 Abs. 3 S. 3 StabMechG gesetzlich vermutet und ist in anderen Fällen, nachdem die Bundesregierung dies geltend gemacht hat, festzustellen. Das Sondergremium kann der Bestimmung der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit unverzüglich widersprechen, sodass der Deutsche Bundestag wieder seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann.

In EFSF-Angelegenheiten, in denen eine Entscheidung des Bundestages nicht vorgesehen ist, wird nach § 4 Abs. 1 StabMechG der Haushaltsausschuss beteiligt, der grundsätzlich das Recht zur Stellungnahme hat und den Vollzug der Vereinbarungen über Notmaßnahmen überwacht. Zustimmen muss der Haushaltsausschuss nach § 4 Abs. 2 StabMechG zum einen, wenn die Regierung die Leitlinien des Direktoriums der EFSF annehmen oder ändern will, zum anderen, bevor die Bundesregierung Entscheidungen über den Einsatz weiterer Instrumente zustimmt. Andernfalls muss auch hier der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen. In allen nicht nach § 4 Abs. 2 StabMechG genannten Fällen hat die Bundesregierung nach § 4 Abs. 3 StabMechG den Haushaltsausschuss lediglich zu beteiligen und dessen Stellungnahme zu berücksichtigen. Nach § 5 Abs. 6 StabMechG ist über die Berücksichtigung einer solchen Stellungnahmen durch die Bundesregierung zu unterrichten. Nach § 4 Abs. 4 StabMechG kann das Plenum des Bundestages die Befugnisse des Haushaltsausschusses jederzeit durch Beschluss mit einfacher Mehrheit an sich ziehen.

Über Angelegenheiten des StabMechG hat die Bundesregierung den Bundestag nach § 5 Abs. 1 S. 1 StabMechG umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich zu unterrichten. Hierzu übermittelt die Bundesregierung dem Bundestag alle ihr verfügbaren Dokumente, die zur Mitwirkung erforderlich sind.34 Vierteljährlich ist der Haushaltsausschuss über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung schriftlich zu unterrichten. Im Falle besonderer Vertraulichkeit können die Unterrichtungsrechte auf die beteiligten Mitglieder des Haushaltsausschusses beschränkt werden, solange die Gründe für die besondere Vertraulichkeit bestehen.

Ein Vergleich der alten Beteiligungsrechte mit denen, die die Bundesregierung nach der Änderung des StabMechG zu beachten hat, zeigt eine deutliche Ausweitung dieser abgestuften Regelungen. Nach dem StabMechG a.F. waren lediglich dem Haushaltsausschuss Beteiligungsrechte zugestanden, die sich in einer, erst nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 7. September 2011 zwingend zu erzielenden, Herstellung eines Einvernehmens und einem Stellungnahmerecht erschöpften. Im Falle zwingender Gründe war sogar eine erst nachträgliche Unterrichtung des Haushaltsausschusses, nachdem die Bundesregierung bereits Maßnahmen der EFSF zugestimmt hatte, ausreichend. Nach der Neufassung des StabMechG sind nun umfangreiche Beteiligungsrechte zu beachten. Über grundsätzliche Fragestellungen, wie der erstmaligen Gewährung von Hilfen, muss das Plenum des Bundestages beschließen. In allen sonstigen Fällen ist grundsätzlich der Haushaltsausschuss einzubeziehen, wobei beispielsweise bei Leitlinienentscheidungen seine Zustimmung erforderlich ist und in anderen Fällen ihm zumindest ein Stellungnahmerecht zugestanden ist. Diese Stellungnahmen des Haushaltsausschusses müssen nun, anders als zuvor, von der Bundesregierung berücksichtigt werden. Andernfalls muss sie dafür Gründe darlegen. Auch in besonders eilbedürftigen oder vertraulichen Fällen gibt es stärkere Beteiligungsrechte, da die Bundesregierung in solchen Fällen nicht alleine über eine Maßnahme entscheiden kann, sondern vielmehr die Zustimmung des aus den Reihen des Haushaltsausschusses eigens hierzu zu bildenden Sondergremiums einholen muss.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 2011

Am 27. Oktober 2011 beschloss das Bundesverfassungsgericht, dass die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages vorerst nicht von dem am 26. Oktober 2011 bestimmten Sondergremium wahrgenommen werden dürfen.35 Diesem Beschluss liegt ein Organstreitverfahren zugrunde, in dem einzelne Abgeordnete des Deutschen Bundestages in der Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG eine Verletzung ihres Abgeordnetenstatus gemäß Art. 38 Abs. 1 GG sehen. In dem Beschluss kommt das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Folgenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Statusrechte der Bundestagsabgeordneten im Hinblick auf die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu wahren sind, damit diese nicht durch Beschlüsse des Sondergremiums vor der Hauptsacheentscheidung des Gerichts unterlaufen werden können.

Zu beachten ist, dass die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt. In dieser wird auch zu berücksichtigen sein, wie eng der Tätigkeitsbereich des Sondergremiums ist, da nur spezielle Rechte des Bundestages von diesem ausgeübt werden können. Auch wird zu berücksichtigen sein, dass § 3 Abs. 3 StabMechG n.F. im Vergleich zu § 1 Abs. 4 S. 3 StabMechG a.F., die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. September 2011 nicht beanstandet hatte, zu einer Stärkung des Bundestages führt, da im Falle zwingender Gründe nun nicht mehr nur eine nachträgliche Unterrichtung des Haushaltsausschusses ausreichend ist.

Beteiligungsrechte des Bundesrates

Am 30. September 2011 billigte auch der Bundesrat die Änderung des StabMechG, so wie der Bundestag sie zuvor beschlossen hatte. Bezüglich der Unterrichtung und Einbindung des Bundesrates enthält das StabMechG lediglich in § 5 Abs. 1 S. 2 und 3 Regelungen. Danach soll die Bundesregierung den Bundesrat schriftlich unterrichten. Die weiteren Einzelheiten der Unterrichtung sollen durch eine Bund-Länder-Vereinbarung getroffen werden.

In dieser Sitzung führten die Länder im Rahmen einer Protokollerklärung ihre Vorstellungen von einer Bund-Länder-Vereinbarung gemeinsam auf. Danach solle in der Vereinbarung eine umfassende Unterrichtung zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgesehen werden, diese Unterrichtung alle dem Bundestag zur Verfügung gestellten Dokumente umfassen, in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit die Unterrichtung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nachgeholt werden, die Vereinbarung schnellstmöglich getroffen werden und bis zum Abschluss der Vereinbarung bereits eine Unterrichtung im vorgenannten Sinne erfolgen.36 Bundesfinanzminister Schäuble sicherte den Ländern zu, sie fortlaufend und zeitnah über die Maßnahmen der EFSF zu unterrichten. Hierzu solle die Bund-Länder-Vereinbarung gemeinsam „sehr zügig“ ausgearbeitet werden.37

Fraglich ist noch, ob die Länder ihr besonderes Informationsinteresse auch auf Art. 23 GG stützen können.38 Danach ergäben sich umfangreiche Berichtspflichten der Bundesregierung gegenüber den Ländern. Dem steht jedoch, neben der gesetzlichen Regelung im StabMechG, die bei Anwendbarkeit des Art. 23 GG nicht erforderlich gewesen wäre, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2011 entgegen. Denn das Gericht geht in seinen Ausführungen gerade nicht auf Art. 23 GG ein, sondern wählt den Weg über das allgemeine Demokratieprinzip.39 Dies spricht gegen eine Anwendbarkeit von Art. 23 GG.40

Abschließende Überlegungen

Am 26. Oktober 2011 hatte der Deutsche Bundestag zu entscheiden, ob er der Bundeskanzlerin Merkel ein Mandat für das Gipfeltreffen am gleichen Tag in Brüssel mit den Staats- und Regierungschefs der Staaten des Eurowährungsgebiets zur Verhandlung über die Leitlinien der EFSF bezüglich der Erhöhung der Wirkkraft der EFSF gibt. Obwohl es nach dem StabMechG nicht unbedingt erforderlich war, hat das Plenum des Bundestages der Bundeskanzlerin ein Mandat für die am gleichen Tag stattfindenden Verhandlungen in Brüssel gegeben. Dies mag vorsorglich gewesen sein, damit eine in Brüssel getroffene Entscheidung später nicht angreifbar ist. Auch ist davon auszugehen, dass sich die Handhabung der zu treffenden EFSF-Entscheidungen mit der Zeit in den politischen Alltag einreihen wird. Das Plenum des Bundestages wird sicher noch häufig mit grundsätzlichen Regelungen bezüglich der EFSF konfrontiert werden und diese aufgrund der großen Tragweite auch an sich ziehen.

Mit der Änderung des StabMechG wurden die Beteiligungsrechte des Bundestages in vielerlei Hinsicht geändert. Die Bundesregierung kann nicht mehr ohne eine Zustimmung des Plenums des Bundestages oder des Haushaltsausschusses entscheiden. Auch in besonders eiligen oder vertraulichen Fällen dürfen die Beteiligungsrechte derzeit, nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 2011, nicht auf das hierzu aus dem Haushaltsausschuss gewählte Sondergremium beschränkt werden, jedoch steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache noch aus. Neben den weitreichenden Beteiligungsrechten sind umfangreiche Berichts- und Rechenschaftspflichten der Bundesregierung mit der Änderung des StabMechG hinzugekommen.

Damit überschreiten die gesetzlichen Vorgaben durch das StabMechG die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Griechenlandhilfe und den bisherigen Euro-Rettungsmaßnahmen formuliert hat. Zu beachten ist aber auch, dass die finanziellen Verpflichtungen, die fortan mit der EFSF eingegangen werden, deutlich höher sind als diejenigen, die der ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde lagen. Eine Ausweitung der Beteiligungsrechte war wohl auch geboten. Ob und in welchen Fällen eine Begrenzung der Beteiligungsrechte auf das gesetzlich vorgesehene Sondergremium möglich ist, wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Dieser Artikel gibt die persönliche Ansicht der Autoren wieder und ist auf dem Stand vom 7. November 2011.

  • 1 Erklärung der Staats- und Regierungschefs des Eurowährungsgebiets und der EU-Organe vom 21. Juli 2011.
  • 2 Vgl. Bundesgesetzblatt I, 2010, S. 627..
  • 3 Vgl. zur Verkündung der Neufassung BGBl I, 2011, S. 1922
  • 4 Vgl. BVerfG mit Urteil vom 7.9.2011, 2 BvR 987/10, in juris.
  • 5 Vgl. beispielsweise BVerfG mit Urteil vom 30.6.2009, Az. 2 BvE 2/08, in juris, Rz. 264 ff.
  • 6 Vgl. BVerfG mit Urteil vom 7.9.2011, a.a.O., Rz. 124.
  • 7 So auch Klaus Regling, Geschäftsführer der EFSF, in der Sachverständigenanhörung des Haushaltsausschusses am 19.9.2011. Vgl. Stenografisches Protokoll Nr. 17/62, zu der 62. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 19.9.2011, S. 9.
  • 8 Vgl. Handelsblatt vom 24.8.2011.
  • 9 Vgl. ebenda.
  • 10 Vgl. Bundestagsdrucksache 17/6916, S. 6.
  • 11 Vgl. Fraktion direkt, Sonderausgabe Nr. 40 der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 2.9.2011, S. 5.
  • 12 Vgl. Bundestagsdrucksache 17/6945.
  • 13 BVerfG mit Urteil vom 7.9.2011, Az. 2 BvR 987/10, Neue Juristische Wochenschau, NJW 2011, 2946.
  • 14 Vgl. ebenda, Rz. 124.
  • 15 Vgl. ebenda.
  • 16 Vgl. ebenda, Rz. 126 mit weiteren Nennungen.
  • 17 Vgl. ebenda, Rz. 128.
  • 18 Vgl. ebenda, Rz. 141.
  • 19 Vgl. ebenda, Rz. 137.
  • 20 Bundestagsdrucksache 17/6916.
  • 21 Bundestagsdrucksache 17/6945.
  • 22 Vgl. Stenografisches Protokoll Nr. 17/62, a.a.O., S. 24.
  • 23 Vgl. ebenda, S. 33.
  • 24 Bundestagsdrucksache 17/6916.
  • 25 Vgl. Bundestagsdrucksache 17/7067, S. 3.
  • 26 Vgl. Das Parlament, Nr. 39/11 vom 26.9.2011.
  • 27 Bundestagsdrucksache 17/6945.
  • 28 Vgl. Zeitschrift für Rechtspolitik: Heute im Bundestag, Nr. 365 vom 22.9.2011.
  • 29 Vgl. ebenda.
  • 30 Vgl. ebenda.
  • 31 Vgl. zur Verkündung der Neufassung Bundesgesetzblatt I, 2011, S. 1922.
  • 32 Vgl. Plenarprotokoll 17/130, 15236.
  • 33 Die Mitglieder des derzeitigen Gremiums wurden entsprechend den Wahlvorschlägen vom 26.10.2011 (Bundestagsdrucksache 17/7454) am gleichen Tag vom Parlament bestimmt. Den weiteren Ausführungen dieses Artikels sei vorweggenommen, dass das Sondergremium derzeit, nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.10.2011, nicht die Beteiligungsrechte für den Deutschen Bundestag ausüben kann.
  • 34 Vgl. § 5 Abs. 2 StabMechG.
  • 35 Vgl. BVerfG mit Beschluss vom 27.10.2011, 2 BvE 8/11.
  • 36 Vgl. Plenarprotokoll 887. vom 30.9.2011, Anlage 2, S. 471. Daneben weisen die Länder darauf hin, dass sie im Rahmen der Ausgestaltung der Beteiligungsrechte für den ESM weiterhin, so schon im Beschluss zu Drucksache 369/11 vom 8.7.2011, auf eine gesetzliche Regelung dieser Rechte bestehen.
  • 37 Vgl. Plenarprotokoll 887. vom 30.9.2011, Anlage 2, S. 443.
  • 38 Diese Ansicht vertreten die Länder, vgl. beispielsweise Bundesratsdrucksache 369/11 vom 23.9.2011.
  • 39 Vgl. BVerfG mit Urteil vom 7.9.2011, a.a.O., Rz. 120.
  • 40 So auch Christian Callies, vgl. Stenografisches Protokoll Nr. 17/62, a.a.O., S. 14, 22 f., 29.


DOI: 10.1007/s10273-011-1297-4

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