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Bankenrettung ist risikoreich und oft sehr teuer. Bankenkrisen dagegen folgen vielfach einem einfachen Muster: Zunächst erweist sich die Risikoeinschätzung des Kreditinstituts als verfehlt, in einem zweiten Schritt kommt es zu Liquiditätsengpässen, bevor dann schließlich die Eigenkapitaldecke schrumpft und Insolvenz droht. Greift der Staat stabilisierend ein, so sind oftmals an zahlreichen Stellschrauben des Finanzsystems gleichzeitig Veränderungen vorzunehmen. Solche Maßnahmen reichen typischerweise von gezielten geldpolitischen Interventionen, der Neufassung von Regulierung über (Teil-)Verstaatlichung von Instituten bis hin zur fiskalpolitischen Bereitstellung erheblicher Finanzmittel für Bankenrettungsprogramme.

Der deutsche Bankensektor verfügt über eine Bilanzsumme von etwa dem Dreifachen des Bruttoinlandsprodukts des Jahres 2010;1 seine Geschäftsaktivitäten stemmt er mit einer Eigenkapitalausstattung von 346 Mrd. Euro.2 Als der Bankensektor in den Sog der internationalen Finanzmarktkrise geriet, sind von Seiten der Politik zahlreiche Initiativen zur Stützung ergriffen worden. Teil des Maßnahmenpaketes war die Schaffung des Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) im Oktober 2008. Entsprechend seiner Grundkonstruktion verfügt dieser Fonds über Finanzmittel in der Höhe von 480 Mrd. Euro. Die Einrichtung erfolgte zeitlich befristet bis zum Jahresende 2010; seitdem werden aus dem Fonds keine neuen Mittel mehr vergeben. Mit dem Jahreswechsel trat das Finanzmarktrestrukturierungsgesetz in Kraft.3 Teil dieser Neuregelung ist die Einführung einer Bankenabgabe, aus der zukünftig Mittel für die Sanierung einzelner Banken bereitgestellt werden können. Bereits jetzt zeigt sich allerdings, dass diese Bankenabgabe im Ernstfall kaum ausreichen wird. Zur Sicherung der Stabilität und Zukunftsfähigkeit des deutschen Bankensektors ist eine Stärkung der Eigenkapitaldecke der einzelnen Institute unabdingbar.

Finanzmarktstabilisierungsfonds nicht ausgeschöpft

Mit der Schaffung des Finanzmarktstabilisierungsfonds setzte die Bundesregierung ein klares Zeichen gegen die Verunsicherung im Bankensektor.4 Der Löwenanteil des Sonderfonds von 400 Mrd. Euro ist zur Übernahme staatlicher Garantien bei Liquiditätsengpässen vorgesehen. Die Laufzeit dieser Garantien liegt in der Regel bei 36 Monaten; in Ausnahmefällen bei fünf Jahren. Solche Garantien sind an Bedingungen geknüpft: Einerseits müssen die Finanzinstitute, die sie in Anspruch nehmen, Gebühren bezahlen, die in der Regel über den Refinanzierungskosten bei der Europäischen Zentralbank liegen.5 Andererseits müssen sie über ein tragfähiges Geschäftsmodell und eine angemessene Eigenkapitalausstattung verfügen. Die Eigenkapitalausstattung muss jedoch nicht aus eigener Kraft gesichert werden. Vielmehr sind auch „Kapitalspritzen“ des SoFFin möglich. Denn zur Rekapitalisierung und Übernahme von Risiken stehen weitere 80 Mrd. Euro bereit. Auch hier ist die Vergabe der Mittel an Konditionen – etwa bezüglich der Managergehälter und Bonizahlungen – gebunden. Zudem entstehen nennenswerte Kapitalkosten.6

Das zur Verfügung stehende Gesamtvolumen des Finanzmarktstabilisierungsfonds wurde auch in der akuten Krise 2008/2009 nicht voll ausgeschöpft. Dies dürfte daran gelegen haben, dass aus der Sicht zahlreicher nicht existentiell bedrohter Kreditinstitute kostengünstigere Alternativen zur Überwindung akuter Liquiditätsengpässe zur Verfügung standen – etwa über eine Refinanzierung bei der Europäischen Zentralbank. Aktuell werden von den Gesamtmitteln des SoFFin 65,3 Mrd. Euro in Anspruch genommen.7 Davon entfallen 36,1 Mrd. Euro auf staatliche Garantien; damit zeigt der insgesamt zur Verfügung stehende „Garantietopf“ eine Inanspruchnahme von weniger als 10%. Etwa ein Drittel dieser Garantien wird von Landesbanken in Anspruch genommen (vgl. Abbildung 1). Im Rahmen der Absicherung der Folgen aus der Lehman-Brothers-Pleite waren auch der Sicherungseinrichtungsgesellschaft deutscher Banken Garantien zur Verfügung gestellt worden. Da die „Garantiezeit“ noch über einen längeren Zeitraum läuft, lassen sich die fiskalischen Konsequenzen der eingegangenen Gesamtverpflichtungen im Risikofall aktuell kaum abschätzen. Die Garantien werden erst dann haushaltspolitisch relevant, wenn es zu Zahlungsausfällen von Seiten der betroffenen Kreditinstitute kommt.

Abbildung 1
Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFIN: Gewährte Garantierahmen

in Mrd. Euro

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Quelle: Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, Stand: 30.4.2011.

Auffallend ist, dass gerade die private Säule des deutschen Bankensystems immer noch in erheblichem Umfang von den durch den Sonderfonds angebotenen Rekapitalisierungsmöglichkeiten Gebrauch macht (vgl. Abbildung 2). Hierbei schlägt vor allem die Geschäftslage der Commerzbank zu Buche. Insgesamt gilt, dass die drei Säulen des deutschen Universalbankensystems die Dienstleistungen des SoFFin in höchst unterschiedlichem Maße in Anspruch genommen haben. Gerade die oft eher kleineren Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben sich auch in der Finanzkrise als stabil erwiesen. In ihrer Bewertung der Leistungen des SoFFin kommt die Deutsche Bundesbank zu dem Ergebnis, dass die Ansteckungseffekte im Bankensektor nach der Etablierung des Fonds zurückgegangen sind – davon dürften indirekt auch die kleineren Institute profitiert haben.8

Abbildung 2
Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFIN: Kapitalmaßnahmen

in Mrd. Euro

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Quelle: Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, Stand: 30.4.2011.

Finanzmarktrestrukturierung statt blinder Finanzmarktstabilisierung?

Nach dem Inkrafttreten des neuen Finanzmarktrestrukturierungsgesetzes haben sich die Rahmenbedingungen für notleidende Kreditinstitute geändert. Formal wurden mit dem neuen Gesetz wichtige Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen. Es werden nicht länger allein umfassend fiskalische Mittel zur Bekämpfung von Finanzmarktinstabilitäten bereitgestellt. Ein neuer Fonds soll sich aus Beitragszahlungen der Kreditwirtschaft speisen. Erstmalig werden diese Beiträge (15% des Gewinns nach Steuern des Vorjahres) im September 2011 fällig. Bereits im Vorfeld der Einführung war diese Regelung vor allem von den Genossenschaftsbanken und Sparkassen kritisiert worden. Beide Institutsgruppen hatten angeführt, dass sie das Entstehen der Finanzkrise nicht zu verantworten hätten und folglich nicht umfassend an den Kosten beteiligt werden wollen.

Tatsächlich geht es aber bei der Schaffung des neuen Fonds weniger um die Übernahme der Folgenkosten der Finanzkrise 2008/2009 als darum zukünftige Risiken im deutschen Bankensektor abzufedern. Aktuelle Schätzungen gehen von einem potentiellen Beitragsaufkommen für 2011 von etwa 1,2 Mrd. Euro aus. Zielgröße des Fonds ist es, über etwa 70 Mrd. Euro zu verfügen, um im Falle einer Bankenkrise unbürokratisch und gezielt eingreifen zu können. Insgesamt sollen aus dem Finanzmarktstrukturierungsfonds ähnliche Aufgaben finanziert werden, wie sie in der Vergangenheit vom SoFFin übernommen wurden. Allerdings soll die Vergabe der Mittel stärker als bisher an die Restrukturierung und Sanierung des betroffenen Kreditinstituts gebunden werden.

Die Stärkung der Haftung von Kreditinstituten für systemische Risiken ist ein sinnvoller Ansatzpunkt. Auch die deutliche Bindung der Mittelvergabe aus dem Fonds an Restrukturierungsmaßnahmen auf der Bankenebene ist zu begrüßen. Dennoch wird bereits auf dem ersten Blick und bei einfacher numerischer Analyse eine erhebliche Schwäche der neuen Regelung deutlich: Bis die Zielgröße des Fonds von 70 Mrd. Euro erreicht werden kann, werden Dekaden vergehen. Dabei ist davon auszugehen, dass es zwischenzeitlich durch krisenhafte Zuspitzungen in einzelnen Kreditinstituten zu Mittelabflüssen kommt. Allein um die aktuellen Aufgaben des SoFFin zu übernehmen, wären konsequente Einzahlungen über etwa 50 Jahre notwendig.

Hauptansatzpunkt: Systemisches Risiko senken

Die Zahl der Kreditinstitute in Deutschland sinkt seit langem. Dies geht weniger auf Insolvenzen als vor allem auf Fusionen zurück; besonders betroffen ist der Genossenschaftssektor. Aktuell weisen 48 der gegenüber der Bundesbank meldepflichtigen Kreditinstitute ein Geschäftsvolumen von mehr als 10 Mrd. Euro aus. Als systemisch relevant können Kreditinstitute mit einem Geschäftsvolumen von mehr als 5 Mrd. Euro gelten.9 Deren Anzahl ist im Zuge der Finanzkrise in Deutschland auf 147 gestiegen; der Vergleichswert für 2005 lag bei 135 Banken (+9%). Damit ist auch das systemische Risiko im deutschen Bankensektor im Zuge der Krise eher weiter gestiegen.

Die einfache, szenariengestützte Analyse lässt erkennen, dass es bereits bei einer Neubewertung der Wertbestände (-10%) oder bei Kreditausfällen (-5%) zu erheblichen Verwerfungen im deutschen Bankensektor kommen kann.10 Die Eigenkapitaldecke schmilzt. Mit dem Rückgang der Eigenkapitaldecke wird auch die Möglichkeit weiterer Kreditgeschäfte begrenzt. Entsprechend der Baseler Regularien bestimmt die Eigenkapitaldecke zusammen mit den Risikogewichten, die einzelnen Forderungen der Bank zuerkannt werden, das maximale Geschäftsvolumen einer Bank. Die Existenz einzelner Banken hängt an dem Erreichen und Übererfüllen der risikogewichteten Eigenkapitalquote von aktuell 8%. Wird dieser Wert unterschritten, so ist die Banklizenz zurückzugeben. In den oben genannten Szenarien wären die Landesbanken besonders betroffen. Da sie einen erheblichen Teil des deutschen Bankensektors ausmachen (etwa 17% der Bilanzsumme), hätte dies weitreichende Konsequenzen für den gesamten Finanzsektor. Ohnehin würde eine Wertberichtung bei den Wertpapierbeständen in vielen Fällen zusätzliches Eigenkapital zur Aufrechterhaltung des Bankgeschäfts notwendig machen. Verschärft würde dieser Effekt durch das Inkrafttreten von Basel III. Denn die hier getroffene Neuregulierung der Eigenkapitalvorschriften setzt im Wesentlichen bei differenzierten Definitionen von Eigenkapital und einer Adjustierung der Risikogewichte an. Ziel von Basel III ist es, das Risiko im Bankensektor zu senken und risikoreiche Geschäfte zu verteuern. Kommt es in den nächsten Jahren zu einer massiven Entwertung von Risikoaktiva im deutschen Bankensystem, so ist davon auszugehen, dass die vorhandenen Mittel des neu geschaffenen Restrukturierungsfonds nicht zur Stabilisierung und Krisenbewältigung ausreichen werden. Die öffentlichen Haushalte würde demnach weiter belastet.

Fazit

Zwar hat sich seit Beginn der Finanzkrise einiges getan, dennoch bleiben die Risiken im deutschen Bankensektor erheblich. Der aktuelle Restrukturierungsfonds, der durch eine Bankenabgabe gespeist wird, stellt einen wichtigen Ansatzpunkt dar, um die Kosten der Krisenbewältigung auf Krisenverursacher zu übertragen. In der Praxis deuten sich aber bereits jetzt erhebliche Probleme an, die auch aus der Größe des Fonds resultieren. Eine ähnliche Signalwirkung wie von dem Stabilisierungsfonds 2008 ist nicht zu erwarten. Dabei ist die Bedeutung der systemisch relevanten Institute in Deutschland im Zuge der Krise gestiegen. Vieles deutet darauf hin, dass die Regulierung nicht ausreichend mitgewachsen ist. Vor diesem Hintergrund bieten sich vor allem drei Ansatzpunkte zur fondsunabhängigen Finanzmarktstabilisierung:11

  1. Finanzmarktaufsicht stärken. Aktuell ist es dringend geboten, die Finanzmarktaufsicht auf der nationalen, europäischen und globalen Ebene weiter zu integrieren und so zu stärken. Bislang werden die Strategien zur Krisenbewältigung auf der nationalen Ebene entwickelt. Die internationale Finanzkrise und die aktuelle Verschuldungskrise einzelner Länder im Euroraum haben aber gezeigt, dass dies zu kurz greift.
  2. Neudefinition der Landesbanken. Es reicht ein einzelnes Institut aus, um als Sparkassenzentralbank zu fungieren. Für die anderen existierenden Institute müssen neue, tragfähige Geschäftsmodelle geschaffen werden.
  3. Deutsche Bundesbank: Erste international operierende öffentlich-rechtliche Rating-Agentur. Die Auseinandersetzung um die Ansiedlung der Finanzmarktaufsicht bei der Deutschen Bundesbank hat gezeigt, dass hier erhebliches Fachwissen und Kompetenz zur Bewertung auch schwieriger Problemlagen vorhanden ist. Eine herausragende Aufgabe der Deutschen Bundesbank könnte es daher in Zukunft sein, als erste öffentlich-rechtliche Rating-Agentur zu fungieren. So würde die Bundesbank in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Anbietern treten und ein neues Gütesiegel einbringen. Nimmt die Bundesbank diese Chance zur Veränderung des Profils nicht wahr, so werden andere europäische Akteure versuchen, sich diesen Markt zu erschließen.
  • 1 Dabei werden nicht die Konzernbilanzen zu Grunde gelegt. Vgl. Deutsche Bundesbank: Bankstatistik, Frankfurt a.M., April 2011.
  • 2 Wobei 129 Mrd. Euro auf gezeichnetes Kapital entfallen. Bei dem Rest handelt es sich um Rücklagen.
  • 3 Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute.
  • 4 Die Dienstleistungen des SoFFin konnten Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds, Kapitalanlagegesellschaften und Betreiber von Wertpapierbörsen in Anspruch nehmen.
  • 5 Diese liegen je nach Fall zwischen 0,5 und 2,5% p.a. der garantierten Summe.
  • 6 Für Kapitaleinlagen des SoFFin wird eine „marktgerechte“ Vergütung von 9 bis 10% p.a. berechnet.
  • 7 Stand: 30.4.2011. Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung: (Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin).
  • 8 Deutsche Bundesbank: Finanzmarktstabilitätsbericht, Frankfurt a.M. 2010.
  • 9 M. Schrooten: Risiken im Bankensektor weiter hoch – Regulierung muss gestärkt werden, in: DIW Wochenbericht 9/2011.
  • 10M. Schrooten, R. Sievert: Stabilität und Performance des deutschen Bankensektors, in: DIW Vierteljahrshefte 4/2010.
  • 11 In Anlehnung an M. Schrooten, a.a.O.


DOI: 10.1007/s10273-011-1231-9

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