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Die deutsche Wirtschaft ist in den ersten Monaten dieses Jahres weiter kräftig gewachsen. Trotz Zuspitzung der europäischen Staatsschuldenkrise und einer Reihe weiterer störender Einflüsse von außen, insbesondere der kräftige Preisanstieg bei Öl und anderen Rohstoffen, hat die deutsche Wirtschaft ihren Aufholprozess nach der tiefen Krise 2008/2009 in hohem Tempo fortgesetzt. Im ersten Quartal dieses Jahres hat hier – anders als in anderen wichtigen EU-Ländern – das reale Bruttoinlandsprodukt das Vorkrisenniveau überschritten. Der Arbeitsmarkt entwickelte sich noch günstiger; die Zahl der Erwerbstätigen ist um gut eine halbe Million höher als damals und die der registrierten Arbeitslosen ist mittlerweile unter die 3-Miollionen-Marke und damit auf den niedrigsten Stand seit fast zwanzig Jahren gesunken. Der Preisanstieg auf der Verbraucherstufe lag zuletzt mit 2,3% zwar über der Stabilitätsmarke von 2%, ist vor dem Hintergrund der boomenden Konjunktur und kräftiger Inflationsanstöße von außen aber noch akzeptabel, zumal die Lohnentwicklung moderat blieb (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1
Eckdaten für Deutschland
Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
  2007 2008 2009 2010 2011 2012
Bruttoinlandsprodukt1 2,7 1,0 -4,7 3,6 3,5 2,2
  Private Konsumausgaben -0,2 0,7 -0,2 0,5 1,7 1,2
  Staatl. Konsumausgaben 1,6 2,3 2,9 1,9 1,0 0,5
  Anlageinvestitionen 4,7 2,5 -10,1 6,0 8,2 5,5
    Ausrüstungen 10,7 3,5 -22,6 10,9 14,2 9,0
    Bauten -0,5 1,2 -1,5 2,8 3,2 1,8
    Sonstige Anlagen 6,8 6,5 5,6 6,4 6,4 6,6
Inlandsnachfrage 1,2 1,2 -1,9 2,4 2,5 2,0
  Ausfuhr 7,6 2,5 -14,3 14,7 8,8 6,9
  Einfuhr 5,0 3,3 -9,4 13,0 7,0 6,8
Arbeitsmarkt            
  Erwerbstätige 1,7 1,4 -0,0 0,5 1,1 0,5
  Arbeitslose (in Mio.) 3,76 3,26 3,41 3,24 2,95 2,71
  Arbeitslosenquote2 (in %) 8,7 7,5 7,8 7,4 6,7 6,2
Verbraucherpreise 2,3 2,6 0,4 1,1 2,4 2,4
Finanzierungssaldo des Staates (in % des BIP) 0,3 0,1 -3,0 -3,3 -1,5 -0,5
Leistungsbilanzsaldo3 (in % des BIP) 7,4 6,2 5,6 5,7 5,9 6,3

1 Preisbereinigt.

2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept).

3 In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit; 2011 und 2012: Prognose des HWWI.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich – abgesehen von großteils witterungsbedingten Schwankungen und deren Nachwirkungen – auf einem stetigen Aufwärtstrend. Dieser basierte zunächst auf außen-, inzwischen aber noch mehr auf binnenwirtschaftlichen Auftriebskräften. Die hohe konjunkturelle Grunddynamik spiegelt sich am deutlichsten in der regen Investitionstätigkeit der Unternehmen wider. Die Ausrüstungsinvestitionen steigen schon seit Anfang 2010 außerordentlich kräftig; im ersten Quartal 2011 waren sie um fast 20% höher als vor Jahresfrist. Die Bauinvestitionen werden im Wohnungsbereich durch die nach wie vor sehr niedrigen Zinsen angetrieben, und im öffentlichen Bereich wirken noch die Konjunkturprogramme aus der Krisenzeit nach. Darüber hinaus festigte sich auch der private Konsum mehr und mehr und lag zuletzt um knapp 2% über dem Vorjahrsniveau (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Preisbereinigtes BIP in Deutschland
Saison- und arbeitstäglich bereinigt mit Census-Verfahren X-12-Arima
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1 Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal, auf Jahresrate hochgerechnet, rechte Skala.

2 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: Statistisches Bundesamt; 2011 und 2012: Prognose des HWWI.

Der Erholungsprozess basiert auf einer breiten Basis und die binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind derart günstig, dass sie für sich eine Fortsetzung des Aufschwungs erwarten lassen. Die Unternehmen wollen die Beschäftigung weiter erhöhen, so dass mit steigenden Einkommen auch der private Konsum weiter zunehmen wird. Die hohe Kapazitätsauslastung wird die Investitionstätigkeit hoch halten. Trotz der starken Binnenkonjunktur wird sich die hohe Dynamik von Anfang des Jahres jedoch nicht fortsetzen: diese war durch die Nachholeffekte wegen der ungünstigen Witterungsbedingungen Ende 2010 und auch aus zyklischen Gründen überzeichnet.

Allerdings gibt es eine Reihe externer Risiken, bei deren Zuspitzung der Aufschwung gefährdet ist. Da wäre zuvorderst die andauernde Staatsschuldenkrise zu nennen. Ein Staatsbankrott Griechenlands könnte eine ähnliche „Lawine“ wie die Lehman-Pleite auslösen. Aber selbst bei Zustandekommen eines neuen Rettungspakets für Griechenland wäre die Staatsschuldenkrise nicht überwunden. Hinzu kommen die Unruhen in Nordafrika und Nahost, die sich ausweiten könnten. Die aktuelle „Verschnaufpause“ bei den Rohstoffpreisen, speziell bei Öl, könnte sich dann in einen möglicherweise noch rapideren Anstieg wandeln. Weltweit sind aber auch konjunkturelle Rückschläge nicht auszuschließen, sei es in den USA oder auch in wichtigen Schwellenländern.

Solange diese Risiken realwirtschaftlich nicht virulent werden, werden auch vom Außenhandel weiter positive Wachstumsbeiträge kommen. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird dann im Jahresdurchschnitt 2011 ähnlich wie 2010 um 3½% wachsen. Die Beschäftigung wird weiter zunehmen und die Zahl der Arbeitslosen weiter sinken. Der Preisauftrieb wird sich unter den gegebenen Bedingungen im Laufe von 2011 eher noch etwas verstärken und im Jahresdurchschnitt annähernd 2½% betragen.

Für 2012 sind die Aussichten denen für 2011 ähnlich: Günstigen binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehen nicht unerhebliche Risiken von außen gegenüber. Lassen sich letztere bewältigen, wird sich der Aufschwung auch im kommenden Jahr fortsetzen. Lediglich wegen eines deutlich niedrigeren Überhangs würde das Wirtschaftswachstum im Jahresdurchschnitt dann mit 2,2% geringer als in diesem Jahr sein. Eine Verschärfung oder gar Eskalation der aktuellen Probleme würde die Konjunktur entsprechend beeinträchtigen.

HWWI-Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe

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2010 = 100, auf US-Dollar-Basis.

HWWI-Index mit Untergruppena 2010 Nov. 10 Dez. 10 Jan. 11 Feb. 11 Mrz. 11 Apr. 11 Mai 11
Gesamtindex 100,0 107,8 114,3 118,7 124,1 134,2 142,4 133,8
  (28,8) (13,6) (22,7) (22,9) (33,3) (36,5) (35,7) (40,0)
Gesamtindex, ohne Energie 100,0 111,0 114,6 120,7 124,9 123,0 127,8 124,1
  (30,1) (27,0) (25,5) (30,0) (40,7) (33,4) (28,3) (31,9)
Nahrungs- und Genussmittel 100,0 117,7 125,0 132,4 138,1 134,7 136,7 134,3
  (11,2) (25,5) (29,1) (38,3) (51,1) (52,0) (54,9) (53,1)
Industrierohstoffe 100,0 108,6 110,9 116,5 120,2 118,9 124,7 120,5
  (38,5) (27,6) (24,2) (26,9) (36,8) (27,2) (20,3) (25,0)
Agrarische Rohstoffe 100,0 108,2 108,6 112,9 116,4 114,1 118,1 115,0
  (34,2) (19,8) (17,8) (21,2) (26,0) (18,9) (18,6) (19,1)
NE-Metalle 100,0 109,2 113,0 118,2 123,1 121,5 123,8 117,8
  (37,3) (23,2) (18,6) (18,8) (33,5) (20,6) (16,1) (25,9)
Eisenerz, Stahlschrott 100,0 107,7 108,8 117,1 118,3 118,8 135,8 134,6
  (48,3) (55,5) (54,0) (65,7) (66,6) (64,9) (33,4) (30,7)
Energierohstoffe 100,0 106,9 114,2 118,2 123,9 137,1 146,2 136,4
  (28,4) (10,4) (22,0) (21,2) (31,5) (37,3) (37,5) (42,1)

a 2010 = 100, auf US-Dollar-Basis, Periodendurchschnitte; in Klammern: prozentuale Änderung gegenüber Vorjahr.

Weitere Informationen: http://hwwi-rohindex.org/


DOI: 10.1007/s10273-011-1244-4