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Die politische Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank wurde in den entsprechenden Verträgen gesichert. Wie sieht es aber mit ihrer Rechtsbindung aus? Wer kann die EZB vor Gericht aufgrund von Pflichtverletzungen verklagen und ist dies grundsätzlich überhaupt möglich? Diesen Fragen geht der Autor hier nach. Er widmet den Beitrag Ernst-Joachim Mestmäcker zu seinem 85. Geburtstag am 25. September.

Ernst-Joachim Mestmäcker hat zu Beginn der Währungsunion die Frage offen gelassen, ob es bei der Auflösung der Einheit von Souveränität und Währungshoheit möglich sei, „knappes und politisch neutrales Geld nach dem Vorbild der D-Mark und auf der Grundlage einer unabhängigen Notenbank zu gewährleisten“.1 Auch in jüngster Vergangenheit hat er im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der Finanzkrise diese Frage nicht beantwortet, indessen auf die unzureichende Regulierung der Finanzprodukte hingewiesen.2 Der Übertragbarkeit des Konzepts politischer Neutralität auf supranationale Institutionen soll hier am Beispiel der Europäischen Zentralbank (EZB) nachgegangen werden. Führt ihre Unabhängigkeit im Lichte der jüngsten Krise zur Freiheit vom Recht, wäre europäische Zentralbankmacht rechtlich nicht länger eingehegt. Dies hätte für die EU als Rechtsgemeinschaft weitreichende Folgen.

Problemstellung

Beim Kampf um die normativ-institutionellen Bedingungen der Schaffung einer Europäischen Währungsunion (EWU) meinte Deutschland, sich beruhigt zurücklehnen zu können, nachdem sein immer währendes Postulat einer gesicherten Unabhängigkeit der EZB3 Eingang in den primärrechtlichen und sekundärrechtlichen Handlungsrahmen gefunden hatte.4 Nicht nur aufgrund des von Theo Waigel „stahlgehärteten“ Stabilitätspaktes („drei Prozent sind drei Prozent“)5, sondern aufgrund der institutionell-normativ garantierten Unabhängigkeit der EZB sowie ihrer normativen Verpflichtung auf die Gewährleistung von Preisstabilität als dem vorrangigen Ziel ihrer Politik6 schien sich Deutschland sicher zu sein, dass die Stabilitätskultur deutscher Geld- und Währungspolitik7 innerhalb des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) dauerhaft perpetuiert werden könne.8 Diese Unabhängigkeit bedeutet nicht nur Weisungsfreiheit gegenüber den Regierungen der Eurozone, sondern auch das Verbot faktischer Einflussnahme.9 Begleitet wurde diese Hoffnung von dem machtpolitischen Diskurs der unterschiedlichsten Vertreter der französischen Regierung, durch das ESZB, und mit der EZB erhalte nicht nur Europa, sondern jedes einzelne Mitgliedsland ein „Mehr an Souveränität“10. Dieser Hinweis, insbesondere in der Debatte zum Referendum über den Maastricht-Vertrag, stieß auf den Widerstand der traditionellen Befürworter eines national-staatlichen Souveränitätsverständnisses, die dem Transfer der Hoheitsrechte auf dem Gebiet der Geld- und Währungspolitik nichts abgewinnen konnten.11 Nicht so der rechtsrheinische Nachbar, dessen politische Elite – im Unterschied zur Bevölkerung – sich glücklich schätzte, monetär in Europa „aufzugehen“ und auf die nationalen Attribute von Geld- und Währungspolitik irreversibel zu verzichten. Mit diesem Verzicht ging eine weder institutionell noch normativ garantierte Präsenz Deutschlands in den Entscheidungsgremien von ESZB und insbesondere der EZB einher, die der alternativlosen Bedeutung des Landes als Ankervolkswirtschaft für die gesamte EWU12 entsprochen hätte.

„Innovative“ Geldpolitik: Die Tatbestände

Spätestens seitdem sich die EZB im Rahmen der Finanz- und Bankenkrise 2008 und mehr noch im Zusammenhang mit der Schulden- und Eurokrise des Jahres 2010 daran machte, ihr geldpolitisches Mandat mit fiskalpolitischem Telos auszulegen, dürfte das Vertrauen Deutschlands in die Gleichung: „Gute Institutionen garantieren gute Politik“ als blauäugig anzusehen sein. Im Zusammenhang mit der „Bankenkrise“ des Jahres 2008 übernahm die EZB zum Teil auf Dauer in Gestalt der sogenannten Vollzuteilungspolitik die Rolle des Tagesgeldbankiers für alle Geschäftsbanken13 und senkte die Anforderungen an die Sicherheiten zur Refinanzierung der einzelnen Banken drastisch.14 Im Rahmen der „Eurokrise“ wurde die EZB sogar zum Schrittmacher institutioneller und normativer „Innovation“. So gewährte sie aus eigener Machtvollkommenheit nahezu sämtlichen griechischen Banken für alle eingereichten Sicherheiten entsprechende Liquidität.15 Ferner berief sie sich am 9./10. Mai 2010 darauf, dass die Funktionalität der Finanzmärkte gestört sei. Dies beruhte nach ihrer Einschätzung darauf, dass ein wesentliches Segment der Kapitalmärkte, der Staatsschuldenmarkt, gelähmt sei und sie deshalb zur Sicherstellung der Wirksamkeit ihrer eigenen Geldpolitik darauf angewiesen sei, dieses Marktsegment durch den Kauf von Anleihen auf dem Sekundärmarkt wieder zum Funktionieren zu bringen.16

Seitdem hat sie nicht geruht, sondern hat massive Anleihenaufkäufe – obschon stets geldpolitisch begründet – faktisch aus fiskalischen Gründen getätigt: So geschah es bei der Hilfestellung im Rahmen der Emissionen des spanischen Staates im Sommer 201017 und u.a. zur Unterstützung einer 1,2 Mrd.-Emission der Portugiesischen Republik im Februar 2011.18 Bei der Irland-Krise hatte sich die EZB dazu entschlossen, den maroden irischen Bankensektor, der im Verhältnis zur irischen Volkswirtschaft überdimensioniert ist, monatelang zu refinanzieren und setzte sich damit dem Vorwurf der Konkursverschleppung aus.19 Als die politische Gefahr bestand, dass ein solcher Vorwurf erhoben wurde, drängte EZB-Präsident Trichet darauf, dass die Mitglieder der Eurozone zusammen mit dem IWF Irland einen Kredit zur Verfügung stellten, der – entgegen den Vorschriften des EFSF-Rahmenvertrages (European Financial Stability Facility) – auch zur Sanierung der irischen Banken Verwendung finden sollte. In der ökonomischen Literatur ist dieser Politik der EZB zum Teil Beifall gezollt worden.20 Das ökonomische Schrifttum meint, dass angesichts unikater Schwierigkeiten der Rückgriff auf unkonventionelle geldpolitsche Maßnahmen berechtigt sei.21 Dem ist zum Teil widersprochen worden mit dem Argument, das Handeln der EZB sei schlichtweg Selbstermächtigung und als solches von den europäischen Verträgen nicht mehr gedeckt.22

Zwischenzeitlich hat der EZB-Präsident das Postulat erhoben, die Anleihenkäufe zur Stützung eventueller Finanznotstandsstaaten mögen von der EFSF vorgenommen werden, obwohl weder nach dem Beschluss des Rates der Europäischen Union am 9./10. Mai 2010 noch nach dem EFSF-Rahmenvertrag ein solches Handeln erlaubt wäre. Obwohl gewiss in naher Zukunft – nicht zuletzt im Rahmen der vereinfachten Änderung des AEUV (Art. 136 Abs. 3 AEUV) – noch weitere Vorstöße der EZB zur Veränderung und Erweiterung ihrer Aufgaben zu erwarten sind, mag die vorstehende Schilderung ausreichen, um die unausweichliche Frage nach der Rechtsbindung von Zentralbankmacht zu umreißen.

Hätte die Deutsche Bundesbank ihren Aufgabenbereich so schnell und so fundamental erweitert, wie dies die EZB getan hat, wäre aufgrund der legitimatorischen Rückkopplung zu den exekutiven, legislativen und schließlich den verfassungsgebenden Instanzen der Bundesrepublik Deutschland nicht nur eine öffentliche Diskussion ausgelöst worden, sondern auch die rechtliche Klärung der Frage erfolgt, ob die Deutsche Bundesbank so hätte handeln dürfen. Dies ist – jedenfalls auf europäischer Ebene – so einfach nicht möglich, zumal die handelnden Mitgliedstaaten die Interventionen der EZB bzw. der ESZB durchaus begrüßt haben.23 Vor diesem Hintergrund ist der Status der Unabhängigkeit trotz einer klaren Aufgabenabgrenzung der EZB in Art. 127 Abs. 2 AEUV im Falle möglicher Rechtsverstöße gerade von besonderer Problematik. Während eine kompetenzerweiternde gegebenenfalls pflichtwidrige „Aufgabeninnovation“ durch die Deutsche Bundesbank von den nationalen Instanzen in Deutschland nicht unbeantwortet geblieben wäre, kann weder ein Mitgliedstaat der Europäischen Union noch ein Mitglied der Eurozone von sich aus die spontanen Aufgabenerweiterungen der EZB problematisieren, einhegen oder gar rechtlich klären lassen. Nicht einmal Deutschland als wirtschaftlich bedeutendstes Mitglied der Eurozone ist im EZB-Rat stimmrechtsmäßig so ausgestattet, dass es bei entsprechend konträrer Einschätzung der Reichweite und rechtlichen Qualität der EZB-Politik über institutioneninterne Veto-Befugnisse verfügt. Der frustrierte Rückzug des im EZB-Rat regelmäßig dissentierenden Axel Weber veranschaulicht diese Disparität.

Die vergeblichen Bemühungen von Bundesbankpräsident Weber, im EZB-Rat gegen den von Trichet betriebenen Ankauf von Staatsanleihen minderer Bonität Widerstand zu organisieren, belegen die Inkongruenz zwischen der Haftung Deutschlands und seiner ökonomischen Potenz in der Eurozone einerseits und seiner Impotenz innerhalb der unabhängigen EZB. Die punktuell geübte Kritik an einzelnen Maßnahmen der EZB im Bereich des qualitativen und quantitativen Easing24 bedarf also einer systematischen Vertiefung. Dies gilt umso mehr, als deutlich wird, dass dem angeblichen Souveränitätsgewinn durch Supranationalität der EZB ganz offensichtlich ein Kontrollverlust i. S. des Rechtsstaatsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG) entspricht. Nicht einmal von Deutschland als dem Träger der wichtigsten Notenbank im ESZB geht eine rechtliche qualifizierte und abgesicherte Kontrolle der EZB aus. Der Weigerung der EZB, über ihr Verhalten, insbesondere den Interventionen auf den Staatsschuldenmärkten, Auskunft zu geben, scheint die Auffassung zugrunde zu liegen, sie sei für ihr Handeln nicht rechenschaftspflichtig.25 Da weder die Eurozonen-Regierungen noch die nationalen Zentralbanken sich als Countervailing Power gegenüber der EZB verstehen, muss die entgrenzende Wirkung ihrer selbstermächtigenden Aufgabenerweiterung in aller Dringlichkeit problematisiert werden. Anderenfalls generiert die Unabhängigkeit der EZB (vom Recht) schnell ein Governance-Problem.

Tendenziell wehren sich gegen eine solche Rechenschaftspflicht und Ausweitung der Rechtsbindung nicht nur die betroffenen Zentralbanker,26 sondern auch jene Vertreter, die im Namen des Primats der Politik27 – besonders in Frankreich – stets die Unabhängigkeit einer Zentralbank bekämpft haben. Sie haben längst erkannt, dass das von Deutschland verfolgte Konzept der Zentralbankunabhängigkeit unpolitisch ist. Gerade in der gegenwärtigen Krise bietet es für eine institutionell-normative Innovation, die die vorgegebenen rechtlichen Rahmen der EWU nicht länger respektiert, sondern ein neues Design der europäischen Geldpolitik ex nihilo kreiert, eine ideale Plattform.

Die ökonomische Reichweite der EZB-Innovationen

Mit seinen Beschlüssen vom 3.5.201028 bzw. vom 9.5.201029 suspendierte der Rat der EZB die Mindestanforderungen des Eurosystems für Bonitätsschwellenwerte30 und führte ein Wertpapieraufkaufprogramm ein.31 Die EZB und die Notenbanken des Eurosystems haben von diesen Instrumenten regen Gebrauch gemacht.

  • Im Fall von Irland hatten irische Banken für ca. 130 Mrd. Euro Nominalwert Wertpapiere bei der EZB bzw. dem ESZB refinanziert.32
  • Der Umfang der Wertpapierkäufe auf Basis dieser Beschlüsse belief sich bis zum 2.12.2010 auf ca. 67 Mrd. Euro.33
  • Bei der Quantifizierung müssen auch die im Rahmen der neuen Offenmarktpolitik der EZB eingesetzten Mittel berücksichtigt werden. Nach der Bankenkrise 2008 hat die EZB europäischen Kreditinstituten gegen die Einreichung von Wertpapieren – unabhängig von deren Bonität – unbegrenzt Liquidität zur Verfügung gestellt.34

Bisher hat die EZB den Umfang ihres Ankaufprogramms nicht quantifiziert. Auflistungen der einzelnen Ankäufe, die länderspezifische Aufteilung oder aber das Volumen der Ausgleichsgeschäfte sind bislang nicht veröffentlicht worden. Diese Intransparenz ist angesichts des Ziels der Maßnahmen, das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, fragwürdig.35 Wenn die EZB ihre eigenen Leitlinien außer Kraft setzt, dann hätte sie, allein um dem Verdacht willkürlicher Einschätzungen vorzubeugen, ein besonders hohes Maß an Publizität zeigen müssen. Dass sich weder der Inhalt der Aufkaufmaßnahmen noch das Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder der EZB bzw. des EZB-Direktoriums offiziell in den Verlautbarungen wiederfinden, zeigt, dass auch die geldpolitische Debatte mit dem Schleier der Intransparenz verhüllt wird.36

Diese Selbstüberschätzung der EZB ist gravierend. Ihre auf Unabhängigkeit gestützte souveräne Einschätzungsprärogative kontrastierte beim Beitritt von Griechenland zur EWU mit den real eingetretenen Entwicklungen. Noch im Jahresbericht 2000 der EZB heißt es: „Auf dem Gipfel von Santa Maria da Feira am 19. Juni 2000 bestätigte der ECOFIN-Rat, dass Griechenland die erforderlichen Kriterien für die Einführung der Einheitswährung zum 1. Januar 2001 erfüllt habe. [....] Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte (Griechenlands) wurde im Jahr 2000 fortgesetzt. Das Haushaltsdefizit des Staates verzeichnete eine rückläufige Tendenz und verringerte sich von 1,8% des BIP im Jahr 1999 auf 0,9% im Jahr 2000. Der Finanzierungssaldo verbesserte sich erheblich, und zwar schneller als ursprünglich angenommen.“37

Die Selbstüberschätzung der EZB bei der Evaluierung der Eignung Griechenlands, dauerhaft Mitglied der EWU zu werden, nagt an ihrer Legitimität und relativiert mittelbar ihre Anerkennung, denn die institutionelle Ausstattung der EZB mit Unabhängigkeit lebt von der Legitimität ihres fachlichen Könnens.

Statt einen kritischen Dialog mit der Fachwelt zu führen, versteift sich die EZB unter Trichet auf die Unfehlbarkeit ihrer Analysen sowie die Richtigkeit ihrer geldpolitischen Maßnahmen. Trotz bohrender Zweifel an ihrer fachlichen Eignung und den Bedenken an der Legalität ihrer Maßnahmen befindet sich die EZB weiterhin in einer institutionell-normativ komfortablen Situation38:

  • Sie stellt souverän fest, wann auf den Märkten für Staatsanleihen „Störungen“ eingetreten sind.
  • Sie entscheidet, welche Maßnahmen zur Bewältigung dieser „Störungen“ erforderlich sind, und sie fühlt sich von der Bindung an das Recht dispensiert.
  • Die EZB fühlt sich ebenso frei, über die Dauer der Suspendierung tragender Normen der EWU – beispielsweise des Verbots der Intervention auf den Anleihenmärkten durch Aufkauf (Offenmarktpolitik) – zu befinden.

Dieser institutionell-normativen Exzeptionalität entspricht der öffentliche Auftritt ihres Präsidenten. Jean-Claude Trichet beansprucht Unfehlbarkeit.39 Summa Summarum ist die Rechtsbindung der EZB und ihrer Organe ein unaufschiebbares Thema. Dies soll nicht nur abstrakt abgehandelt werden, sondern in die Frage münden: Vor welchem Gericht können welche Bürger die EZB mit welchem Petitum verklagen.40

Die EZB vor Gericht

Die Frage nach der Rechtsbindung von Zentralbanken bzw. ihrer gerichtlichen Kontrolle ist nicht neu. Sie ist bereits im Zusammenhang mit der Frage nach den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, den Geldwert zu schützen, erörtert worden.41 Obwohl die in diesem Zusammenhang gegebenen Antworten weder befriedigend noch abschließend sind, soll der Frage nach dem Schutz des Geldwerts gegenüber der Politik der EZB an dieser Stelle nicht nachgegangen werden.42

Da gegenwärtig eine Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegenüber der Politik der EZB unter dem Hinweis auf die Verletzung eines unionsrechtlich geschützten Geldwertes nicht auf der Tagesordnung steht, kann diese Grundsatzproblematik getrost dahinstehen. Demgegenüber stehen im Mittelpunkt die Fragen der gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung jener Vorschriften, die das normative Design der EWU ausmachen. Dazu gehören neben der Unabhängigkeitsgarantie des Art. 130 AEUV und der prioritären Festlegung der Aufgabe der EZB gemäß Art. 127 AEUV auf die Gewährleistung der Preisstabilität auch das Verbot von Kreditfazilitäten bei der EZB oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union oder der Zentralregierungen bzw. der regionalen und lokalen Körperschaften bzw. öffentlichen Unternehmen der Mitgliedstaaten (Art. 123 AEUV). Ferner gehört zu diesem Axiom des EWU-Designs das Verbot sämtlicher Maßnahmen, die den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union bzw. Zentralregierungen und regionalen und lokalen Körperschaften der Mitgliedstaaten einen bevorzugten Zugang zu Finanzinstituten ermöglicht (Art. 124 AEUV). Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die zentrale Verbotsnorm des Bailout gemäß Art. 125 AEUV zu nennen.

Charakter und Adressat der verletzten EWU-Normen des AEUV

Bei den vorgenannten Zentralnormen der EWU43 sind gleich zwei Aspekte der Anwendung im Zusammenhang mit der EZB von Bedeutung:

  • Zum einen stellt sich die Frage, ob sich diese Normen überhaupt an die EZB wenden. So spricht Art. 125 AEUV lediglich ein Haftungsverbot für Verbindlichkeiten der Zentralregierungen durch die Europäische Union aus. Art. 125 Abs. 1 S. 2 AEUV stellt klar, dass ein Mitgliedstaat nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen und für die der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften der anderen Mitgliedstaaten haften kann. Nach dem Wortlaut wendet sich diese strenge Verbotsnorm (Art. 125 Abs. 2 AEUV) nicht an die EZB. Demgegenüber hat Art. 123 AEUV die EZB eindeutig zum Adressaten. Denn diese Norm verbietet Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten und untersagt ebenso den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln öffentlicher Schuldner durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken.

Der Wortlaut des Verbots des Art. 124 AEUV spricht nur von Maßnahmen, die einen bevorrechtigten Zugang der EU-Organe oder der Mitgliedsregierungen bzw. ihrer Regionalregierungen zu den Finanzinstituten schaffen. Zweifelsohne kann eine solche Maßnahme auch von der EZB bzw. von den jeweiligen nationalen Zentralbanken getroffen werden. Die Mitwirkung der EZB beim bevorrechtigten Zugang des irischen Staates zu Krediten zwecks Sanierung der Finanzinstitute ist ein nahezu klassischer Fall eines solchen Verhaltens.

  • Zum anderen stellt sich die Frage, ob im Falle einer Verletzung der vorgenannten Normen ein Bürger der EU vor den Unionsgerichten oder im Fall eines inkrimierten Verhaltens einer nationalen Zentralbank vor einem nationalen Gericht klagen kann. Diese Frage ist identisch mit der Klärung, ob es sich bei Art. 123 bis 125 AEUV um subjektive Rechte handelt.

Christoph Herrmann44 hat diese Frage trotz einer fundamentalen Analyse der subjektiven Rechte und ihrer unmittelbaren Wirkung im Unionsrecht für die vorstehenden Vorschriften offen gelassen.45 Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sehr früh46 die Rechtssubjektstellung des Einzelnen zum Konstitutionsprinzip des neuen Gemeinschaftsrechts erklärt. Demzufolge hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Voraussetzungen für eine individualberechtigende Wirkung sowohl des europäischen Primär- als auch Sekundärrechts zugunsten des Individuums ausgelegt.47 Es darf nichts anderes gerade für solche Normen gelten, die sich nicht eindeutig an die EZB und die nationalen Zentralbanken wenden, indes für das Funktionieren der EWU von fundamentaler Bedeutung sind. Diese Bedeutung hat einer der „Väter“ der EWU, Otmar Issing, für Art. 125 AEUV wie folgt zusammengefasst:

„Das No-Bail-out Prinzip reicht weit über den Einsatz finanzieller Mittel hinaus. Es ist Ausdruck der Tatsache, dass es sich nicht um eine Art Staat, sondern einen Verbund oder wie auch immer genannten Zusammenschluss von nach wie vor souveränen Staaten handelt, die zunächst einmal ‚lediglich‘ ihre geldpolitische Souveränität an eine europäische Institution abgetreten haben. Für außergewöhnliche, exogene Schocks wie Naturkatastrophen ist Hilfe der Gemeinschaft vorgesehen. Für alle ‚hausgemachten‘ Fehler haftet jedes Land selbst. Wird dieses Prinzip unterhöhlt oder gar ausgehebelt, ist nach allen theoretischen Überlegungen und praktischen Erfahrungen mit erheblichen Fehlanreizen (Moral Hazard) zu rechnen: Polit-ökonomisch bedeutet die Aufgabe bzw. Einschränkung des No-Bail-out Prinzips eine Art Einladung, über seine Verhältnisse auf Kosten anderer zu leben. Nichts anderes steht hinter der Forderung, die Währungsunion in Richtung Transferunion auszubauen. Damit würde jedoch der Charakter der bestehenden Währungsunion grundsätzlich geändert.“48

Subjektive Rechte?

In der Kommentarliteratur hat sich diese ökonomisch-funktionelle, teleologisch gebotene Interpretation für Art. 123, 125 AEUV noch nicht ausdrücklich durchgesetzt.49 Indessen wird gerade Art. 123 AEUV gemeinhin als ein Kernsatz für die effektive Durchsetzung einer Politik der gesunden öffentlichen Finanzen und für die Funktionsfähigkeit der Geldpolitik der EZB angesehen.50 Die Bedeutung der Normen zieht ihre Subjektivierung notwendigerweise nach sich, weil ohne subjektive Rechtsinhaberschaft die effektive Rechtsdurchsetzung vom Rechtsgehorsam der EZB abhängig würde. Die wirtschaftspolitische Zielsetzung der Art. 123 bis 126 AEUV in toto51 schließt eben nicht die gerichtliche Durchsetzbarkeit im Sinne eines individuellen Abwehrrechtes aus, sondern spricht im Gegensatz zu Häde52 gerade für ein prinzipiell einklagbares Abwehrrecht. Dies gilt jedenfalls in dem Maße, wie gerichtlich ein Unterlassen von der EZB zwecks Respektierung der Verbote in Art. 123 f. AEUV verlangt wird, und nicht der Anspruch auf ein bestimmtes positives Verhalten der EZB erhoben wird.53 Insofern ist die prinzipielle Ablehnung der Art. 123 f. AEUV als subjektive Abwehrrechte nach Häde54 unvereinbar mit der überragenden Bedeutung der Vorschrift und wohl dem Umstand geschuldet, dass Häde als Verfahrensbevollmächtigter der Bundesregierung gehalten ist, die Art. 123 ff. AEUV lediglich als objektive Normen zu qualifizieren.

Die Interpretation der Art. 123 bis 125 AEUV im Sinne einer individualrechtlichen Befugnis der EU-Bürger gegenüber der EZB folgt schließlich auch aus der Machtverschiebung, die die Schaffung der EWU mit einer EZB als zentralem Träger der Geldpolitik mit sich gebracht hat. Nicht nur den einzelnen Mitgliedstaaten fehlen seit dem Übergang der Währungshoheit auf die EG am 11.1.1990 die Instrumente, mit denen sie bis dato versuchen konnten, die Stabilität des Preisniveaus sicherzustellen. Vielmehr hat die Vergemeinschaftung der Währungspolitik auch dazu geführt, dass der Bürger der Eurozone ohne nationalen Adressaten gegen die Geldpolitik protestiert.55 Hahn/Häde unterstützen eine weitgehende Justiziabilität und Haftung der EZB und halten diese für eine unabdingbare Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Zentralbankautonomie mit den Grundsätzen des Rechtsstaats.56 Indes verkennen sie, dass es im System der „checks and balances“ zwischen EZB und Bürgern nicht ausreicht, die Zentralbank zum Gegenstand von Klagen sogenannter privilegierter Kläger, also der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union oder der Europäischen Kommission, zu machen.

Die Stellungnahme von Hahn/Häde aus dem Jahre 2001 steht in einem anderen Kontext als die gegenwärtige Fragilisierung der Eurozone durch eine bislang unbekannte Interventionspolitik der EZB auf den Märkten für Staatsanleihen. Die damals besonders interessierende Frage nach dem Schutz gegen die Entscheidung der EZB über Leitzinsen wurde im Ergebnis zutreffend unter Hinweis auf die begrenzte Sachkunde von Richtern – also unabhängig von der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Rechtsmittels hiergegen – beantwortet. Der richterliche Nachweis von missbräuchlicher Ausweitung des Ermessens war also zu Recht kaum vorstellbar.57 Im gegenwärtigen Kontext geht es aber um Maßnahmen, die aufgrund eigenständiger Erweiterung des Mandates der EZB über die Geldpolitik hinaus zur Fiskal- und Finanzstabilitätspolitik ergangen sind. Dies ist an sich ein normativer Quantensprung, dessen Vereinbarkeit mit Art. 123, 125 AEUV individualrechtlich überprüfbar sein sollte.

Nichtigkeitsklage möglich?

Denn wie die jüngsten Vorkommnisse um die „Eurostabilisierungsmechanismen“ veranschaulichen, kann nicht darauf vertraut werden, dass die „privilegierten“ Kläger gegenüber der EZB gemäß Art. 263 Abs. 1 und 2 AEUV wegen Unzuständigkeit oder Verletzung wesentlicher Formvorschriften oder Vertragsverletzungen Nichtigkeitsklage erheben werden. Das Gegenteil war bisher der Fall. Die in Art. 263 AEUV genannten privilegierten Kläger einerseits und die EZB andererseits sind Teil eines Gewaltenkonglomerats, das sich trotz der Pluralität von Meinungen in seiner Binnenstruktur nach außen hin darin einig ist, dass Nichtigkeitsklagen niemals erhoben werden.58 Diese Lücke kann der Individualrechtsschutz nur dann ausfüllen, wenn entgegen der restriktiven Auslegung des Art. 263 Abs. 4 AEUV das Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit nicht länger nach Maßgabe der Plaumann-Formel59 ausgelegt wird.60 Diese seit 1963 angewandte Formel würde bei einer strikten Anwendung zur Verkürzung des Rechtsschutzes führen: „Eine natürliche oder juristische Person kann jedoch nur dann geltend machen, durch eine normative Handlung individuell betroffen zu sein, wenn die fragliche Handlung sie wegen bestimmter persönlicher oder tatsächlicher Eigenschaften, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt.“61

Derartige Anforderungen an die unmittelbare Betroffenheit von einer Maßnahme der EZB sind bestenfalls rechtshistorisch noch von Bedeutung. Sie stehen im Widerspruch zum grundsätzlichen Postulat eines weitgehenden Rechtsschutzes der EU-Bürger gegenüber Hoheitsakten der Europäischen Union. Denn die Initiierung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch eine durch den Einzelnen erhobene Untätigkeitsklage gegenüber der Europäischen Kommission oder dem Mitgliedstaat wegen der Nichteinleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens scheidet bereits deshalb aus, weil sich weder ein Verfahren nach Art. 256 AEUV noch nach Art. 257 AEUV an die natürliche oder juristische Person im Sinne des Art. 265 Abs. 3 AEUV richten würde.62

Bereits mit Blick auf die dem Urteil Van Gend & Loos63 zugrunde liegende Intention, kann diese Rechtschutzlücke im Ergebnis nicht zufrieden stellen. Es fragt sich daher, auf welchem anderen prozessualen Wege der Bürger die Einhaltung des Unionsrechts einfordern kann. Als Rechtsbehelf ist eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 1, 4 AEUV alternativlos. Ermöglicht diese doch allein dem Einzelnen, rechtswidrige Handlungen der EU-Organe gerichtlich für nichtig erklären zu lassen. Auch bei diesem Verfahren bestehen – jedenfalls zum gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung – verfahrensrechtliche Hürden, die ein potentieller Individualkläger auf seinem Weg zur mündlichen Verhandlung zu nehmen hätte.64 Formuliert man sein Klagebegehren z.B. in der Weise, die Durchführungsmaßnahmen, also die einzelnen Transaktionen und Emissionsgeschäfte, die der EZB zugerechnet werden können, wegen Verstoßes gegen Art. 123, 125 AEUV für nichtig erklären zu lassen, so bedarf es gewiss einer substantiierten Darlegung der Klagebefugnis. Obwohl die Unionsgerichte diese Zulässigkeitsvoraussetzung immer noch am Maßstab der Plaumann-Formel65 ausrichten, wird dies im Schrifttum zunehmend abgelehnt.66 Spätestens seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ist nämlich diese Formel dogmatisch nicht mehr zu begründen. Zum einen hat Art. 263 Abs. 4 AEUV eine tatbestandliche Ausweitung erfahren. Statt an eine „Entscheidung“ anzuknüpfen, wird mittlerweile nur noch eine „Handlung“ vorausgesetzt. Zum anderen – und dies ist entscheidend – gilt es den sprunghaften Kompetenzzuwachs der Europäischen Union durch effektive Rechtsschutzmechanismen zu kompensieren. Versteht man die „individuelle Betroffenheit“ im Sinne des Art. 263 Abs. 4 2.Alt. AEUV analog zur „Handlung“, dann lässt sich – nicht zuletzt auch mit Blick auf die Relevanz des Eigentumsschutzes, den Stellenwert des effektiven Rechtsschutzes67 und die große Zahl der potentiell Betroffenen – ein subjektives Interesse an der gerichtlichen Klärung von EZB-Transaktionen, die von den Unionsverträgen verboten sind und den Geldwert potentiell gefährden, überzeugend begründen.

Die grundsätzliche Befugnis eines EU-Bürgers Vorschriften, die sich nach ihrem Wortlaut an die EZB wenden, gegenüber Maßnahmen der EZB gerichtsmäßig geltend zu machen, ist nicht gleichbedeutend mit einer Verurteilung der EZB. Gegenüber der Entscheidung der EZB, einen bestimmten Leitzinssatz festzulegen, wird die Klage gemäß Art. 127 AEUV, diese Maßnahme der Geldpolitik verletze das vorrangige Ziel der Preisstabilität, zwar zulässig gemäß Art. 263 AEUV sein. Indes dürfte – von Extremfällen abgesehen – eine Begründetheit nahezu nie in Betracht kommen. Die Festlegung der Leitzinsen, obschon nicht nur von fundamentaler Bedeutung im Rahmen der Datensetzung einer Volkswirtschaft, sondern auch für die Finanzierungsbedingungen der Kreditinstitute, darf nur in ganz geringem Umfang Gegenstand einer höchstgerichtlichen Prüfung sein. Anderenfalls würden die Vorteile einer weitgehend unabhängigen Stellung der Zentralbank durch die Nachteile detailversessener gerichtlicher Überprüfung, die nicht immer ökonomische Kompetenz für sich beanspruchen kann, beseitigt.68

Eine gänzlich andere Frage ist, ob Kompetenzüberschreitungen der EZB zum Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV gemacht werden können. Art. 132 AEUV ermächtigt die EZB zum Erlass von Verordnungen, Beschlüssen, Empfehlungen und Stellungnahmen, die der Erfüllung der dem ESZB übertragenen Aufgaben dienen. In der Satzung des ESZB werden die EZB und die nationalen Zentralbanken gemäß Art. 18 EZB/ESZB-Satzung dazu ermächtigt, auf den Finanzmärkten tätig zu werden, indem sie auf Euro oder sonstige Währungen lautenden Forderungen börsengängige Wertpapiere sowie Edelmetalle endgültig per Kassa oder Termin oder im Rahmen von Rückkaufvereinbarungen kaufen, verkaufen oder entsprechende Darlehensgeschäfte tätigen. Gemäß Art. 20 EZB/ESZB-Satzung ist der EZB-Rat ermächtigt, mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen über die Anwendung anderer Instrumente der Geldpolitik zu entscheiden, die bei Beachtung des Art. 2 EZB/ESZB-Satzung für zweckmäßig gehalten werden.

Der seit 9.5.2010 praktizierte Erwerb von Staatsanleihen des Euroraums durch die EZB wird von der EZB und von Teilen des ESZB als ein Teil der „Offenmarktpolitik“ dargestellt. Schon diese Rechtfertigung, es handele sich um ein Tätigwerden in einem für das Funktionieren der Geldpolitik entscheidenden Marktsegment (den Staatsschuldenmärkten) um die Effizienz der eigenen Geldpolitik sicherzustellen,69 lässt die Brisanz des Vorgangs aufgrund seiner Nähe zu einem ausschließlich fiskalisch motivierten Tätigwerden der Zentralbank deutlich werden. Zwar sind gegenwärtig nicht die Volumina der von der EZB erworbenen Staatsanleihen des Euroraumes im Detail bekannt. Indes steht fest, dass diese „at maturity“ gehaltenen Anleihen aufgrund der Fragilität bestimmter Finanznotstandsstaaten als ihre Emittenten ein hohes Wertberichtigungspotential haben.70 Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, jedweden EU-Bürgern die Möglichkeit zu geben, die EZB-Maßnahmen zum Kauf von Staatsanleihen – wie z.B. bei der Platzierung der letzten großen Portugal-Anleihe – zum Gegenstand einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV zu machen. Denn die EZB betreibt als geldschöpfende Notenbank mit dieser Form von fiskalischer Hilfe für Finanznotstandsstaaten auch eine im AEUV nirgendwo enthaltene Politik des Ressourcentransfers durch die Hintertür.71 Dass der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2009/2010 die Maßnahmen der EZB zum Aufkauf von Staatsanleihen für eine Übergangssituation als akzeptabel eingestuft hat,72 sagt nichts über die normative Beurteilung dieses Vorgangs aus. Im Übrigen findet sich in den Ausführungen des Sachverständigenrats nicht einmal ansatzweise eine Erörterung des ökonomischen Sinns der Art. 123 bis 125 AEUV und die Limitierung des Mandats der EZB auf die Geldpolitik in Art. 132 AEUV in Verbindung mit der EZB/ESZB-Satzung.

Haftung der handelnden Personen

Überschreiten die EZB bzw. die nationalen Zentralbanken die Grenzen ihres geldpolitischen Mandats gemäß Art. 127/130/132 AEUV in Verbindung mit der EZB/ESZB-Satzung kommt eine Haftung der handelnden Personen in Betracht. Art. 340 Abs. 3 AEUV verpflichtet die EZB, den durch sie oder ihre Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, zu ersetzen. Hierzu gehört zweifelsohne auch die Begrenzung des Mandats der EZB gemäß Art. 127/130/132 AEUV in Verbindung mit der EZB/ESZB-Satzung.73

An dieser Stelle führt die Betrachtung zurück zur Qualität der besagten Rechtsvorschriften als subjektive Rechte. Denn in seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof die Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung an diejenigen für die Haftung der Mitgliedstaaten in der Weise angeglichen, dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezwecken muss, dem Einzelnen Rechte zu verleihen und der Verstoß hiergegen hinreichend qualifiziert zu sein hat. Der Beweis wird daher zu erbringen sein, dass – dies ist schwierig – die Politik des Staatsanleihenkaufs der EZB ein Verstoß gegen die vorrangige Gewährleistung der Preisstabilität und gegen Art. 123 AEUV ist und so die EZB als auch die nationalen Zentralbanken der Gefahr des Bedarfs einer Rekapitalisierung aussetzt.74

Dringender Handlungsbedarf

Wer noch daran zweifelt, dass die gerichtliche Kontrolle der EZB durch eine von Bürgern anzustrengende Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV zulässig sein muss, wenn es um das Begehren geht, Verletzungen der europäischen Rechtsregeln durch die EZB, die für Bürger mit Rechtsbeschwer verbunden sind, zu ahnden, der möge zur Kenntnis nehmen, was Hans-Werner Sinn unlängst in einem Schreiben seinen Kollegen zur Kenntnis gebracht hat.75

In dem gleichzeitig veröffentlichten Zeitungsartikel76 wurde darauf hingewiesen, dass die deutschen Target2-Kredite, also der Nettobestand von Kreditforderungen bei der Bundesbank, von 5 Mrd. Euro im Februar 2006 auf 321 Mrd. Euro Ende Februar 2011 hochgeschnellt seien.77 Diese Kreditposition sei dadurch entstanden, dass die Zahlungen für Importe der Finanznotstandsstaaten sowie Zahlungen für im Ausland getätigte Finanzanlagen in Folge der Finanzkrise zunehmend nicht mehr von den privaten Banken verliehen, sondern über das Zentralbankensystem abgewickelt worden seien. Was anfänglich als ein Zahlungs- und Überweisungssystem für Großbedarfszahlungsverkehr gedacht war, hat zu einer sehr weitgehenden Kreditierung durch die Bundesbank zugunsten der Zentralbanken der Finanznotstandsstaaten geführt, ohne dass sicher ist, an wen die Zentralbanken der GIPS-Länder das Geld weitergeleitet haben. Der noch aufzuklärende Sachverhalt enthüllt das Risiko, dass bei Default eines Finanznotstandsstaats die entsprechende Zentralbank zahlungsunfähig wird und somit die restlichen Staaten des Euroraums gemeinschaftlich für offenstehende Target2-Forderungen haften würden.

Dass ein System internationalen Zahlungsverkehrs faktisch zu einem Zentralbank-veranlassten Kreditsystem diesen Ausmaßes geworden ist, belegt einerseits das Transparenzdefizit, das von Zentralbankern nach wie vor negiert wird, zum anderen das imperative Gebot, die rechtlichen Entgrenzungen der Zentralbanktätigkeit gerade deshalb verstärkt rechtlich einzuhegen, weil es sich um supranationale Zentralbankmacht handelt. Die Supranationalität der EZB und des ESZB ist nicht ein Grund darauf zu vertrauen, dass die zentralen Regeln für die Ausrichtung und Grenzen ihrer Tätigkeit eingehalten werden, sondern im Lichte der bisherigen Anschauung eher ein Grund dafür, das Gegenteil zu befürchten. Von daher scheint die gerichtliche Kontrolle der EZB gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV vor den Unionsgerichten ohne Alternative zu sein.

* Der Verfasser dankt Stefan Städter, Maître en droit, für seine kritischen Anmerkungen.

  • 1 E.-J. Mestmäcker: Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, S. 92-99.
  • 2 E.-J. Mestmäcker: Die Wirtschaftsverfassung der EU im globalen Systemwettbewerb, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, H. 100, März 2011.
  • 3 Zur Unabhängigkeit vgl. auch M. A. Dauses (Hrsg.): Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 27. Ergänzungslieferung, München 2010, A. II. Rn. 416 ff.; C. Schütz: Die Legitimation der Europäischen Zentralbank zur Rechtsetzung, in: Europarecht 2001, S. 291 (296 ff.).
  • 4 Vgl. zur gegenwärtigen Rechtslage Art. 130 AEUV in Verbindung mit dem Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 7.2.1992.
  • 5 O.V.: Drei Komma null, in: Der Spiegel, Nr. 6, 1997, S. 17.
  • 6 Vgl. Art. 127 AEUV; vgl. hierzu M. Potacs: Art. 105 EGV, Rn. 2-4, in: J. Schwarze (Hrsg.): EU-Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2009, der zutreffend auf die Erhaltung des „inneren Geldwertes“ abstellt.
  • 7 Vgl. hierzu die Darstellung von O. Issing: Der Euro, 1. Aufl., München 2008, S. 3 ff.; ferner H. Tietmeyer: Herausforderung EWU, 1. Aufl., München 2005, S. 85 ff.
  • 8 Vgl. zu dieser Problematik M. Seidel: Die Weisungs- und Herrschaftsmacht der Europäischen Zentralbank im europäischen System der Zentralbanken – eine rechtliche Analyse, Zentrum für Europäische Integrationsforschung ZEI, Working Paper B11, 2003.
  • 9 So M. Potacs: „Gem. Art. 101 hat jeder Mitgliedstaat sichergestellt, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit diesem Vertrag sowie der Satzung der EZB im Einklang stehen.“, Art. 108 EGV, Rn. 1, in: J. Schwarze, a.a.O.
  • 10 So Dominique Strauss-Kahn in seiner Zeit als französischer Finanzminister.
  • 11 J.-P. Chevènement: La France est-elle finie?, 1. Aufl., Paris 2011.
  • 12 Theoretisch ist es denkbar, dass Deutschland ab 2014 nicht einmal mehr im EZB-Direktorium vertreten ist und im Übrigen darauf beschränkt ist, im EZB-Rat durch den Präsidenten der Deutschen Bundesbank das gleiche Stimmrecht ausüben zu können wie die kleinsten Mitgliedstaaten. Zu dieser Problematik vertiefend: M. Seidel: Nach der Aufgabe der DM nunmehr temporärer Wegfall der Stimmberechtigung Deutschlands im Gouverneursrat der Europäischen Zentralbank, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 2008, S. 545.
  • 13 Vgl. EZB: Pressemitteilung vom 8.10.2008 „Änderungen des Tenderverfahrens und des Korridors für die ständigen Fazilitäten“; dazu auch H.-W. Sinn: Rettungsschirm für den Euro: Tickende Zeitbombe, in: Süddeutsche Zeitung vom 3.4.2011, S. 24: Danach belaufe sich der Nettobestand an Target2-Krediten auf 445 Mrd. Euro.
  • 14 Vgl. Beschluss der EZB vom 14.5.2010; ABl. L 124/8 vom 20.5.2010.
  • 15 Vgl. Beschluss der EZB vom 6.5.2010; ABl. L 117/102 vom 11.5.2010.
  • 16 Vgl. ECB Press Release, 10.5.2010, MEMO/10/173.
  • 17 O.V.: Spanische Banken kommen noch an Geld, in: FAZ.net vom 15.6.2010.
  • 18 O.V.: Der Zahltag für Portugal kommt schneller näher, in: Welt Online vom 17.2.2011.
  • 19 Banken trauen sich auf den Verbriefungsmarkt, in: FAZ.net vom 9.11.2010; O.V.: Sündenfall der Geldpolitik, in: Sueddeutsche.de vom 1.4.2011.
  • 20 Zeitgespräch zum Thema „Neue Geldpolitik der Europäischen Zentralbank?“ mit Beiträgen von B. Hayo, U. Neyer, H. Herr, in: Wirtschaftsdienst, 90. Jg. (2010), H. 8, S. 503-515.
  • 21 Ebenda.
  • 22 M. C. Kerber: Legalität und Legitimität von EZB-Macht in der Schuldenkrise, in: Börsen-Zeitung vom 21.10.2010, S. 6 ff.; S. Lorz: Europäische Schuldenkrise – Interview mit Markus C. Kerber, in: Börsen-Zeitung vom 24.11.2010, S. 6 ff.; M. C. Kerber: Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB: wie ist die neue Offenmarktpolitik der Europäischen Zentralbank zu bewerten?, in: ifo Schnelldienst, 21/2010, S. 3 ff.; M. Seidel: Der Ankauf nicht markt- und börsengängiger Staatsanleihen, namentlich Griechenlands, durch die Europäische Zentralbank und durch nationale Zentralbanken – rechtlich nur fragwürdig oder Rechtsverstoß?, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, H. 14, 2010, S. 521; auch A. Herrmann: EZB-Programm für die Kapitalmärkte verstößt nicht gegen die Verträge – Erwiderung auf Martin Seidel, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, H. 17, 2010, S. 645 ff.; H. Kube, E. Reimer: Grenzen des Europäischen Stabilisierungsmechanismus, in: Neue Juristische Wochenschrift, 2010, S. 1911 (1912).
  • 23 A. Fichter: Sonst wären alle Stricke gerissen, in: Focus Online vom 11.5.2010, Interview mit Schäuble-Berater Clemens Fuest; ebenso hat auch Frau Merkel den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB verteidigt.
  • 24 Vgl. hierzu M. C. Kerber: Ankauf von Staatsanleihen ..., a.a.O.
  • 25 Kritisch hierzu: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2009/10, Rn. 136.
  • 26 Vgl. O. Issing, a.a.O., S. 135 ff.
  • 27 J.-P. Chevènement: La France est ..., a.a.O.
  • 28 Beschluss vom 3.5.2010 (EZB/2010/3) (2010/268/EU), über temporäre Maßnahmen hinsichtlich der Notenbankfähigkeit der von der griechischen Regierung begebenen oder garantierten marktfähigen Schuldtitel.
  • 29 Beschluss vom 9.5.2010 (EZB/2010/5 (2010/281/EU), zur Einführung eines Programms für die Wertpapiermärkte (EZB/2010/5) (2010/281/EU), unter Berücksichtigung der Berichtigung des Beschlusses der EZB vom 14.5.2010 zur Einführung eines Programms für die Wertpapiermärkte (EZB/2010/5).
  • 30 Art. 1 Abs. 1 EZB/2013/3.
  • 31 Danach sind die Notenbanken des Eurosystems berechtigt, börsengängige Schuldtitel der Zentralstaaten oder öffentlichen Stellen auf dem Sekundärmarkt sowie Schuldtitel von privaten Rechtspersonen auf dem Primär- und Sekundärmarkt anzukaufen. Zu den Zulassungskriterien vgl. Art. 2 EZB/2010/5.
  • 32 Die irische Presse berichtet ferner von der Praxis irischer Banken auf sich selbst emittierte Schuldverschreibungen zu emittieren, um sie alsbald bei der EZB zur Refinanzierung einzureichen. Vgl. O.V.: Controversial €20bn ´own-use´ operation stays in place, in: independent.ie vom 27.4.2011.
  • 33 O.V.: EZB kauft „lebhaft“ Anleihen, in: Manager Magazin vom 3.12.2010; S. Ruhkamp: EZB kommt den Banken abermals entgegen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2.12.2010.
  • 34 Vgl. EZB: Monatsbericht 6/2010, Kasten 2, S. 33-36; EZB: Jahresbericht 2009, Kasten 1, S. 17 f.; EZB: Monatsbericht März 2010, S. 34-38; EZB: Monatsbericht März 2009, S. 31-33. Diese bis heute anhaltende Politik des „qualitative easing“ hat dazu geführt, dass insbesondere Banken aus südeuropäischen Ländern der Eurozone ihre Bestände an Staatsanleihen des jeweils eigenen Landes auskehren und unter Inkaufnahme eines kleinen Haircut (Abschlag vom Nominalwert des Wertpapiers) an die EZB veräußern, oder zumindest zur Refinanzierung eingereicht haben.
  • 35 So auch: Sachverständigenrat, a.a.O., Rn. 136.
  • 36 Daran vermag auch die öffentlich gewordene Ablehnung seitens des Vertreters der niederländischen Zentralbank und der Bundesbank im EZB-Rat nichts zu ändern.
  • 37 Vgl. EZB: Jahresbericht 2000, S. 84 f.
  • 38 Vgl. hierzu kritisch F. Kübler: Stabilität durch Selbstbindung des Souveräns?, Festschrift für Winfried Hassemer, 1. Aufl., Heidelberg 2011, S. 107.
  • 39 Vgl. M. C. Kerber: Der Unfehlbare – Anmerkungen zum Auftritt des EZB-Präsidenten vor der Fraktion der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament am 18.3.2011, abrufbar unter: www.europolis-online.org.
  • 40 Vgl. zu dieser Problematik in den USA bereits M. Berman, P. McNamara: Bank on Democracy. Why Central Banks need public oversight, in: Foreign Affairs, 78. Jg. (1999), Nr. 2, S. 2 ff.
  • 41 Vgl. U. Häde: Der verfassungsrechtliche Schutz des Geldwertes, in: Wertpapiermitteilungen, 2008, S. 1717-1724.
  • 42 Vgl. Ebenda. Der Streit lässt sich mit Sicherheit nicht unter Hinweis auf den Streitstand der deutschen Dogmatik lösen, weil nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags die Charta der Grundrechte der Europäischen Union geltendes Recht geworden ist. Häde interpretiert Art. 17 GrCH in der Weise, dass diese Vorschrift das Eigentum schütze, nicht dagegen das Vermögen und daher eine Absicherung des Geldwerts durch die gemeinschaftsrechtliche Eigentumsgarantie unwahrscheinlich sei.
  • 43 Art. 123 bis Art. 125 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
  • 44 C. Herrmann: Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, 1. Aufl., Tübingen 2010.
  • 45 Zu den Entstehungsvoraussetzungen subjektiver Rechte im Europäischen Unionsrecht sowie zur Subjektivierung der Art. 123 bis Art. 125 AEUV.
  • 46 Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 5.2.1963, Rs. C-26/62, Slg. 1963 S. 1 – Van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung.
  • 47 T. v. Danwitz: Rechtsetzung und Rechtsangleichung, in: M. A. Dauses (Hrsg.): Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 27. Ergänzungslieferung, 2010, Bd. II. Rn. 5; EuGH, Urteil vom 9.3.1978, Rs. C-106/77, Slg. 1978, 629- Simmenthal II.
  • 48 O. Issing, a.a.O., S. 16.
  • 49 Vgl. R. Bandilla, in: E. Grabitz, M. Hilf (Hrsg.): Das Recht der Europäischen Union, 40. Aufl., München 2009, Art. 101 EGV, Rn. 1 ff.
  • 50 Vgl. des Weiteren G. Nicolaysen: Europarecht II, 2. Aufl., Baden-Baden 2002, S. 347; J.-V. Louis, in: Commentaire J. Mégret, Bd. 6, Le droit de la CEE – I´Union monétaire et économique, 1. Aufl., Brüssel 1995, S. 35; R. Bandilla, a.a.O., Art. 101 EGV, Rn. 1 ff.
  • 51 Vgl. H. v. d. Groeben, J. Schwarze: Kommentar zum EU-/EGV, 6. Aufl., München 2003, Art. 101, Rn. 3.
  • 52 U. Häde, in: C. Calliess, M. Ruffert (Hrsg.): EUV/AEUV – Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, 4. Aufl., München 2011, AA 123 AEUV, Rn. 2.
  • 53 Ähnlich M. Selmayr: Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, 1. Aufl., 2002, Bd. 1, S. 232 ff.
  • 54 So unlängst U. Häde: Die europäische Währungsunion in der internationalen Finanzkrise: an den Grenzen europäischer Solidarität?, in: Euoparecht, 45/2010, S. 862.
  • 55 Vgl. so sehr zutreffend U. Häde: Der verfassungsrechtliche Schutz des Geldwertes, a.a.O., S. 1718.
  • 56 H. Hahn, U. Häde: Die Zentralbank vor Gericht, in: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, 165. Jg. (2001), S. 30/40 f.
  • 57 Ebenda, S. 30, 41 f.
  • 58 Man könnte von einem „Nichtangriffskartell“ sprechen.
  • 59 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.7.1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg. 1963, S. 263.
  • 60 H. Hahn, U. Häde, a.a.O., S. 43.
  • 61 EuGH, Plaumann, a.a.O.
  • 62 „An sie zu richten“ bedeutet, dass der begehrte Rechtsakt an eine bestimmte Person adressiert sein muss. Dazu näher H.-J. Cremer, in: C. Calliess, M. Ruffert (Hrsg.): Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl., München 2007, Art. 232 EGV, Rn. 6 m.w.N.
  • 63 EuGH, Van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung, a.a.O.
  • 64 Beispielsweise müssten der Beklagte sowie der Verfahrensgegenstand präzisiert werden.
  • 65 EuGH, Plaumann, a.a.O., S. 238 f.
  • 66 F. C. Mayer: Individualrechtsschutz im Europäischen Verfassungsrecht, in: Deutsches Verwaltungsblatt, 2004, H. 10, S. 606 (609); M. Kottmann: Plaumanns Ende: Ein Vorschlag zu Art. 263 Abs. 4 AEUV, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 70. Jg. (2010), H. 3, S. 547 (558); C. Calliess: Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz, in: Neue Juristische Wochenschrift, 2002, S. 3577 (3581), der insbesondere auf die Argumentation von Generalanwalt Jacobs in den Schlussanträgen vom 21.3.2002, Rs. C-50/00P, Slg. 2002, I-06677 – Unión de Pequenos Agricultores/Rat, Rn. 75 bzw. Rn. 68–70 eingeht; J. Schwarze: Der Rechtsschutz Privater vor dem Europäischen Gerichtshof: Grundlagen, Entwicklungen und Perspektiven des Individualrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht, in: Deutsches Verwaltungsblatt, 2002, H. 19, S. 1297 (1313); M. Nettesheim: Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, in: JuristenZeitung, 2002, S. 928 (934); Für eine weitere Öffnung der Rechtsprechung plädiert auch W. Cremer, in: C. Calliess, M. Ruffert (Hrsg.): Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl., München 2007, Art. 230 EGV, Rn. 63 m.w.N.
  • 67 Zum Konflikt mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes vgl. näher W. Frenz, A.-M. Distelrath: Klagegegenstand und Klagebefugnis von Individualnichtigkeitsklagen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 2010, S. 162 (163).
  • 68 So auch H. Hahn, U. Häde, a.a.O., S. 45 f.
  • 69 Beschluss der EZB vom 14.5.2010, 2. Erwägungsgrund; dazu auch: C. Hermann, a.a.O.
  • 70 Ausweislich des Monatsberichts 1/2010 der Deutschen Bundesbank betrugen im Dezember 2010 allein die Forderungen der Deutschen Bundesbank innerhalb des Eurosystems 337 869 Mrd. Euro, S. 73, Tab. Position 9; vgl. auch: H.-W. Sinn, K. Carstensen: Ein Krisenmechanismus für die Eurozone, in: ifo Schnelldienst vom 19.11.2010, S. 2; H.-W. Sinn: Rettungsschirm für den Euro ..., a.a.O.
  • 71 Vgl. zutreffend hierzu: M. Mandler, P. Tillmann: Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB: wie ist die neue Offenmarktpolitik der Europäischen Zentralbank zu bewerten?, in: ifo Schnelldienst, 2010, S. 8-10.
  • 72 Sachverständigenrat, a.a.O., Rn. 137.
  • 73 Dies gebietet sich schon deshalb, weil Telos der Europäischen Union ausweislich der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Rechtsgemeinschaft sei, in der keine Organhandlung richterlicher Kontrolle entzogen sein sollte. Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 23.4.1986, Rs. C-294/83, Slg. 1986, 1339 – Les Verts/Europäisches Parlament, Rn. 23: „Dazu ist zunächst hervorzuheben, dass die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eine Rechtsgemeinschaft der Art ist, dass weder die Mitgliedstaaten noch die Gemeinschaftsorgane der Kontrolle darüber entzogen sind, ob ihre Handlungen im Einklang mit der Verfassungsurkunde der Gemeinschaft, dem Vertrag, stehen.“ Dazu auch W. Hallstein: Der unvollendete Bundesstaat – Europäische Erfahrungen und Erkenntnisse, 1. Aufl., Düsseldorf/Wien 1969, S. 33 ff.
  • 74 Die Deutsche Bundesbank scheint dies auch zu befürchten. So hielt sie beispielsweise „im Hinblick auf die im Zuge der Finanzkrise deutlich gestiegenen Bestände an risikotragenden Aktiva eine Aufstockung der Risikovorsorge notwendig.“ Laut Süddeutsche Zeitung vom 9.3.2011, S. 4, seien diese „allgemeinen Wagnisse“ vor allem durch den Kauf von Staatsanleihen aus Griechenland, Irland oder Portugal entstanden. Dazu ebenfalls H.-W. Sinn, K. Carstensen, a.a.O., S. 1 f.; sowie R. Vaubel: Die Politische Ökonomie der Bail-out-Politik in der Eurozone, 29.3.2011, S. 2.
  • 75 Schreiben von H.-W. Sinn vom 6.4.2011 an eine große Anzahl von Inhabern wirtschaftswissenschaftlicher Lehrstühle in Deutschland vgl. hierzu kritisch S. Ruhkamp: Misstrauen lähmt den Geldverkehr, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.4.2011, S. 11. „Wie mir mittlerweile klar wird, hat die EZB die Leistungsbilanzdefizite der GIPS-Länder seit dem Ausbruch der Finanzkrise finanziert. Der Zuwachs der Target-2-Kredite war seitdem etwa so groß wie der Zuwachs der gesamten Auslandsschulden der GIPS-Länder, also der akkumulierten Leistungsbilanzdefizite. Privates Kapital floss offenbar kaum noch. Damit nimmt die Kreditgewährung und Haftung Deutschlands andere Dimensionen an, als bislang bekannt war.“
  • 76 Vgl. H.-W. Sinn: Rettungsschirm für den Euro ..., a.a.O., S. 24. „Tickende Zeitbombe: Was Merkel und die Bundesbank verschweigen: Der Rettungsschirm rettet den Euro nicht – aber er lastet Deutschland ungeheure Risiken auf.“
  • 77 Diese Zahlen bestätigt im Wesentlichen J. Whittaker: Intra-Eurosystem Debts, Lancaster University, 30.3.2011.

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DOI: 10.1007/s10273-011-1276-9

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