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In der Legislaturperiode 2006 bis 2010 hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz den Berliner Klimaschutzrat mit einer jeweils zweijährigen Amtszeit berufen. Er setzte die Arbeit des Energiebeirats fort,1 der seit 1989 den Berliner Senat in Energie- und Klimaschutzfragen beraten hatte.

16 Fachleute aus Wissenschaft und Energiewirtschaft bilden den Klimaschutzrat. An den Sitzungen nehmen regelmäßig außerdem auch Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Senatsverwaltungen Berlins und der Landesregierung Brandenburgs teil.

Der Klimaschutzrat ist als unabhängiges Beratungsgremium tätig. Die Aufgaben sind in der Satzung des Klimaschutzrates (§ 2) wir folgt definiert: „Der Klimaschutzrat berät den Senat bei allen grundsätzlichen klimaschutzpolitischen Fragen, insbesondere zur Klimafolgenforschung und Klimafolgenanpassung sowie zur Fortschreibung des Landesenergieprogramms und zur Aufstellung eines Energiekonzepts ab 2010. Ferner soll der Klimaschutzrat unter anderem mitwirken bei der Novellierung des Berliner Energiespargesetzes und bei der Durchführung des Landesenergieprogramms für Berlin. Vor relevanten Entscheidungen des Senats soll der Klimaschutzrat gehört werden.“2 Ergebnisse der Arbeit des Klimaschutzrates werden vom Vorsitzenden im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz veröffentlicht. Die Sitzungen des Klimaschutzrates sind allerdings nicht öffentlich. Um den Klimaschutz in der Region Berlin-Brandenburg voranzubringen, hat der Berliner Klimaschutzrat mit dem Nachhaltigkeitsrat Brandenburg kooperiert.

Der Klimaschutzrat hat in seiner Amtszeit zu sehr unterschiedlichen Themen gearbeitet. Dies betraf unter anderem die Bereiche Verbraucherschutz, Gesundheit, Kraftwerksplanung, Energiemanagement, Energie- und Treibhausgasbilanzen und Klimafolgenmanagement. Zu den Themen Berliner Klimaschutzgesetz, Energiekonzept der Bundesregierung sowie zur Vereinbarung Land Berlin/Vattenfall zur nachhaltigen Beschaffung von holziger Biomasse wurde ebenfalls Stellung genommen.

Der Klimaschutzrat hat zur Behandlung bestimmter Themen Arbeitsgruppen gebildet, einige sollen im Folgenden näher dargestellt werden.

AG „Langfristige Energiestrategien für Berlin“

Die Arbeitsgruppe hat sich insbesondere mit dem Energiekonzept 2020 befasst, das von der Senatsverwaltung für Wirtschaft erstellt und durch ein Gutachten der Berliner Energieagentur und des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung3 untermauert worden ist. Ziel ist es, die CO2-Emissionen in Berlin von 1990 bis 2050 um mindestens 80% zu reduzieren. Die schon jetzt relativ positive Entwicklung bis 2007 ist in der folgenden Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1
Entwicklung der CO2-Emissionen in Berlin von 1990 bis 2007 nach Quellen- und Verursacherbilanz
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Quelle: Amt für Statistik Berlin Brandenburg.

Wegen der hohen Siedlungsdichte und der damit verbundenen konzentrierten Wohn-, Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie einem erheblichen Abbau von Industriearbeit zu Beginn der 1990er Jahre hat Berlin im Vergleich zum gesamten Bundesgebiet sehr günstige Relationen von Primär- und Endenergieverbrauch (PEV bzw. EEV) und CO2-Emissionen je Einwohner bzw. BIP (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1
Entwicklung der CO2-Emissionen in Berlin von 1990 bis 2007 nach Quellen- und Verursacherbilanz
  Deutschland Berlin Berlin/Deutschland
Primärenergieverbrauch je Einwohner (GJ) 171,7 79,2 0,46
Primärenergieverbrauch je BIP (GJ/1000 Euro) 6,3 3,5 0,56
CO2 je Einwohner (t) 9,1 5,1 0,56
Endenergieverbrauch je Einwohner (GJ) 107,2 68,3 0,64

Quelle: Amt für Statistik Berlin Brandenburg.

Der Senat von Berlin hat im Juli 2008 in seinem klimapolitischen Arbeitsprogramm folgende Ziele formuliert: Berlin will einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, die Wirtschaftskraft der Stadt durch den Ausbau seiner Position in den globalen Zukunftsmärkten stärken, grüne Metropole sein und sich frühzeitig auf die Folgen des Klimawandels einstellen. Dazu gehören unter anderem die Senkung des Primärenergieverbrauchs, Investitionen in Energieeinsparung und rationelle Energienutzung, innovative Pilotprojekte, eine Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien sowie die Vermeidung eines Anstiegs verkehrsbedingter Emissionen. Dies soll mit dem Energiekonzept 2020 erreicht werden. Der Klimaschutzrat hat diese Ziele sektorspezifisch präzisiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet, die vom Vorsitzenden auf den Berliner Energietagen 2011 präsentiert wurden.4 Erforderlich sind eine drastische Erhöhung der Energieproduktivität, eine Vervielfachung des Beitrags der erneuerbaren Energien und eine Änderung der Struktur sowie Minderung fossiler Energieträger (von Kohle zu Erdgas). Letztlich müssen sich die Menschen mit ihrem Lebensstil an eine klimabewusste Lebensführung anpassen.

Im Schwerpunkt Gebäude müssen in Berlin rund 1,3 Mio. Wohnungen energetisch saniert werden. Dies ist nur möglich, wenn die Sanierungsrate erhöht und die Sanierungsintensität im Gebäudebestand am Niedrigenergie- oder Passivhausstandard orientiert wird. Erneuerbare Energien für Warmwasser und Heizung sowie dezentrale KWK-Anlagen müssen verstärkt genutzt werden. Neubauten sind am Passivhausstandard zu orientieren. Die öffentliche Hand spielt bei der energetischen Sanierung ihrer Gebäude eine Vorreiterrolle. Solange es keine bundeseinheitliche Regelung gibt, sollte Berlin eine verpflichtende Nutzung erneuerbarer Energien zur Warmwasserbereitung und zur Raumheizung im Gebäudebestand landesgesetzlich regeln.

Handlungsbedarf besteht im Kraftwerkssektor auch nach der Entscheidung von Vattenfall, kein neues Kohlekraftwerk in Berlin zu bauen. Die Fernwärmeversorgung aus KWK-Anlagen im zentralen Bereich unter Beachtung der künftigen Entwicklung der Wärmedichten soll ausgebaut und durch dezentrale KWK-Anlagen ergänzt werden. Erforderlich sind neben der Einführung von intelligenten Stromnetzen (Smart Grids) und intelligenten Zählern (Smart Metering) wirksame Initiativen und Anreize zur Stromeinsparung.5

Im Verkehrssektor beträgt der Anteil an den CO2-Emissionen rund 25%, die Emissionen sind vergleichsweise nur schwach zurückgegangen. In Berlin besteht grundsätzlich eine günstige Situation zum Umstieg auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), erforderlich sind zudem Initiativen zur Verkehrsvermeidung, zur Verkehrsverlagerung auf den ÖPNV und den nicht-motorisierten Verkehr (z.B. Fahrrad) sowie zur Effizienzsteigerung der Fahrzeuge und die Nutzung erneuerbarer Energien (Biokraftstoffe; Elektroautos).

Berlin bietet große Standortvorteile für die Nutzung dezentraler und innovativer Techniken, die Stadt ist ein hochrangiger Forschungs- und Technologiestandort bei Energie- und Umwelttechniken mit über 330 einschlägigen wissenschaftlichen Einrichtungen bzw. Instituten. Mehr als 300 Firmen sind in energierelevanten Bereichen tätig.

Zusammenfassend hat der Klimaschutzrat zur Umsetzung der klimaschutzpolitischen Ziele folgende Schlussfolgerungen gezogen:

  • Das gesamte Bündel politischer Maßnahmen auf Landesebene, alle Energiesektoren auf der Angebots- und Nachfrageseite und alle relevanten Akteure und Akteursgruppen in der Stadt werden benötigt.
  • Klimaschutzpolitik muss die Aufgabe aller Ressorts sein und in allen Politikbereichen berücksichtigt werden. Wesentliche Basis bleiben die grundlegenden Weichenstellungen und Maßnahmen auf Bundesebene.
  • Energieeffizienz, Energiesparen, erneuerbare Energien sind die zentralen Strategien. Neben den ausreichenden technischen und wirtschaftlichen Optionen erfordert der notwendige Wandel einen grundlegenden Wandel in unseren Verhaltensmustern und in unserem Lebensstil.
  • Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien tragen zum wirtschaftlichen Strukturwandel, zur Schaffung neuer Produktions- und Beschäftigungsmöglichkeiten im Land bei.
  • Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und deren wirtschaftliche Umsetzung verbessern auch die Wettbewerbsposition des Landes.

AG „Klimafolgenmanagement“

Der Klimawandel betrifft auch Berlin, daher hat der Klimaschutzrat eine AG zu diesem Thema eingerichtet. Ausgehend von der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel,6 die die Bundesregierung im Dezember 2008 beschlossen hatte, wurden verschiedene Handlungsfelder bearbeitet, in denen sich Berlin auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten muss. Parallel dazu hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen Stadtentwicklungsplan Klima7 (StEP Klima) entwickelt, der am 31. Mai 2011 vom Senat beschlossen wurde. Der StEP Klima trägt aus der Perspektive der gesamtstädtischen räumlichen Planung zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel bei. Dabei geht es darum, Stadträume und Infrastrukturen so widerstandsfähig zu gestalten, dass sie den Auswirkungen des Klimawandels gewachsen sind.

Für die Handlungsfelder Bioklima im Siedlungsraum, Grün- und Freiflächen, Starkregenereignisse und Gewässerqualität sowie Klimaschutz wurden Vorschläge erarbeitet, planerisch dargestellt und in einem Aktionsplan zusammengefasst. Der Aktionsplan vereinigt dabei die beiden Handlungsebenen Stadträume mit prioritärem Handlungsbedarf und zwölf Aktionsplanprojekte als Gute Beispiele.

Der StEP Klima8 ist in der AG vorgestellt und diskutiert worden. Für die weitere Arbeit zum Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel in Berlin bietet er eine sehr gute Grundlage.

Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und Vattenfall

Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz hat seit 2009 mit der Vattenfall Europe AG einen Vertrag über Kriterien zur Nachhaltigkeit der Beschaffung von holzartiger Biomasse verhandelt.9 Der Klimaschutzrat hatte diesen Prozess intensiv begleitet und dazu eine Sondersitzung mit zusätzlich eingeladenen Experten und Verbandsvertretern durchgeführt. Die Vereinbarung war durch ein Gutachten vom Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) vorbereitet worden.

Als Nachhaltigkeits-Kriterien, die umsetzbar, nachvollziehbar, überprüfbar und dokumentierbar sind, wurden vereinbart:

  • die Berechnung der Treibhausgasminderung über die gesamte Prozesskette,
  • der Schutz von Ökosystemen mit einer großen biologischen Vielfalt,
  • der Schutz von Kohlenstoffbeständen,
  • die Erhaltung der Umweltqualität,
  • die Wahrung von Arbeitsrechten,
  • die Wahrung von Land- und Landnutzungsrechten,
  • die Wahrung geschäftlicher Transparenz,
  • die Verbesserung der Lebensbedingungen der Akteure im Projektumfeld sowie
  • ein verantwortungsvoller Umgang mit der lokalen Bevölkerung.

Nach der Diskussion im Klimaschutzrat sind von der Verwaltung und von Vattenfall folgende Konkretisierungen vorgenommen worden:

  1. Torfmoore sind für die Biomassegewinnung generell ausgeschlossen.
  2. Nach Unterzeichnung der Vereinbarung soll zeitnah ein alternativer Ansatz zu indirekten Effekten des Anbaus holzartiger Biomasse extern geprüft werden.
  3. Vattenfall und der Senat wollen die Potenziale zur Optimierung der Treibhausgasbilanz unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen möglichst weit ausschöpfen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse zur Nutzung von degradierten/devastierten Flächen im Hinblick auf mögliche Projektentwicklungen prüfen.

Die Vereinbarung mit Nachhaltigkeitsstandards für die Biomassebeschaffung, die auch ohne verbindliche gesetzliche Regelungen einzuhalten sind, wurde im April 2011 vom Senat und Vattenfall unterzeichnet. Sie ist den anderen Bundesländern in der Umweltministerkonferenz vorgestellt worden. Die Vereinbarung und die Standards sollen alle zwei Jahre extern überprüft und dazu berichtet werden. Bei künftigen Genehmigungsverfahren zu Berliner Kraftwerken sollen diese Nachhaltigkeitskriterien von den Genehmigungsbehörden angewendet werden. Das Land Berlin wird auch mit anderen Akteuren, die holzartige Biomasse nutzen wollen, entsprechende Vereinbarungen treffen.

Für feste holzartige Biomasse gibt es inzwischen Waldzertifizierungssysteme (z.B. FSC oder PEFC), die international anerkannt sind und über interne Beschwerde- und Sanktionsmechanismen verfügen. Die Standards dieser Zertifizierung werden kontinuierlich überwacht, relevante Stakeholder und die Öffentlichkeit sind beteiligt. Vattenfall hat dem Berliner Klimaschutzrat im Juli 2010 mitgeteilt, dass eine FSC-Zertifizierung von Kautschuk-Holz aus Liberia in Vorbereitung ist. So käme für die feste Biomasse für die Berliner Heizkraftwerke ein bewährtes Zertifizierungssysteme zur Anwendung.

Ausblick

Im Vorfeld der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus hatte der Klimaschutzrat des Landes Berlin zu einer öffentlichen Diskussion mit den Energie- und Umweltschutzexperten der Parteien eingeladen. Dabei ging es insbesondere um die Fragen: Welche Reduktionsziele streben die Parteien an? Wie wollen sie diese zusammen mit den Bürgern, der Wirtschaft, der Verwaltung und den Interessenverbänden umsetzen? Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen sind notwendig? Woher sollen die erforderlichen Investitionen stammen? Mit welchen Auswirkungen haben Mieter und Vermieter, Energieverbraucher und -erzeuger, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu rechnen? Die Veranstaltung wurde von den Arbeitsgruppen des Klimaschutzrates vorbereitet.

Für die beginnende neue Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses von Berlin ist das Umweltressort wieder mit dem für Stadtentwicklung zusammengelegt worden. Über eine Neubesetzung des Klimaschutzrates ist bis Ende 2011 noch nicht entschieden worden.

Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU ist das klimapolitische Ziel formuliert: „Berlin soll bis zum Jahr 2050 zu einer klimaneutralen Stadt werden. In einem ersten wichtigen Zwischenschritt sind die CO2-Emissionen bis 2020 um mindestens 40% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.“10 Dazu soll ein verbindliches Aktionsprogramm aufgelegt werden. Für die Sektoren Wohnen, Energieversorgung, Verkehr, Gewerbe/Handel/Industrie und Privatverbraucher sollen dazu konkrete Klimaschutzziele benannt werden. Da die öffentliche Hand dabei eine Vorbildfunktion hat, will die Koalition einen „Masterplan CO2-neutrale Verwaltung“ erarbeiten – einschließlich bewährter Instrumente wie der Energiesparpartnerschaften mit Energiedienstleistern. Die Eigenbetriebe des Landes Berlin und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind aufgefordert, eine Stufenplanung zur energetischen Sanierung ihres Gebäudebestandes vorzulegen. Für die vom Land genutzten Gebäude sollen Stromlieferungsverträge abgeschlossen werden, die grundsätzlich den Bezug regenerativer Energien vorsehen; diese können bei Bedarf anteilig durch Strom aus Kraftwärmekopplungsanlagen ergänzt werden. Der Bezug von Atomstrom bleibt weiterhin ausgeschlossen.


DOI: 10.1007/s10273-012-1350-y

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