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Die Jahre seit 2008 sind durch drei Krisen gekennzeichnet: Krisen auf dem Finanzmarkt, in der realen Wirtschaft und in einigen Staatshaushalten. Jede Krise wurde mit einem Programm im mehrstelligen Milliarden-Euro-Bereich bekämpft. Aber der Problemgehalt variiert zwischen den drei Programmen stark, und zwar in Hinblick auf die Schnelligkeit der Inanspruchnahme, auf die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung und damit die Wahrscheinlichkeit der langfristigen Budgetbelastung.

Seit 2008 durchlebt Deutschland wie auch viele andere Länder drei verschiedene Krisen, zum Teil wiederkehrend. Schon bei der ersten Krise, der Krise auf den Finanzmärkten, wurden sehr große Beträge genannt, die aber offensichtlich nur teilweise und vielleicht auch nur irgendwann zu einer Belastung der öffentlichen Haushalte führen würden, weil im Vordergrund Garantien und Kredite standen. Daran schloss sich eine Krise der realen Wirtschaft an, die mit offensichtlich wirksamen Maßnahmen der klassischen budgetären Konjunkturpolitik bekämpft wurde. Das Ergebnis beider Krisen waren in vielen Ländern stark steigende Staatsschulden. Sie führten zusammen mit bereits hohen Schuldenständen zu einer dritten Krise, die zunehmend als die schwerste und vermutlich am längsten andauernde der drei Krisen angesehen wird. Der Bezug dieser drei Krisen zum öffentlichen Haushalt wird im Folgenden genauer betrachtet.

Finanzkrisen: für den Staat profitable Programme?

Finanzkrisen, also Krisen auf den Finanzmärkten, gab es oft. Der berühmteste Fall ist der Schwarze Dienstag am 29. Oktober 1929. Aber auch im 19. Jahrhundert gab es solche Krisen, und in jüngerer Zeit ist die schwedische Finanzkrise von Anfang der 1990er Jahre noch in Erinnerung. Die Finanzkrise 2008 brach weitgehend unvermutet herein. Der bekannte Hintergrund: Über einige Jahre extrem niedrige Zinsen in den USA, dadurch wurden Hypothekenkredite auch an sehr schwache Schuldner gewährt; diese „schlechten“ Hypotheken wurden undurchsichtig mit guten vermischt und zu Papieren verbrieft, deren Werthaltigkeit auch Kenner oft nicht durchschauen konnten.

Als am 15. September 2008 die Lehman-Bank zusammenbrach, war es nach den früheren Erfahrungen wichtig, schnell und umfassend zu handeln, um eine Ansteckung und einen Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern. Außer wichtigen Statements wie das von Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück am 5.10.2008, dass die Spareinlagen in Deutschland sicher seien, wurde in Deutschland sehr schnell der Bankenrettungsfonds SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) von 480 Mrd. Euro geschaffen. Diese gelegentlich als Budgetbelastung interpretierte und dem Schuldenstand von etwa 1,5 Billionen Euro gegenübergestellte Summe1 enthielt aber 400 Mrd. Euro Bürgschaften, d.h. innerhalb dieses Bürgschaftsrahmens konnten an Banken und andere Kapitalsammelstellen Bürgschaften ausgereicht werden. Die verbleibenden 80 Mrd. Euro bildeten den Rahmen für Kapitalmaßnahmen.

Bei einer Bürgschaft ist zunächst keine Zahlung der öffentlichen Hand fällig. Eine Zahlung erfolgt nur, wenn der Schuldner der verbürgten Summe insolvent wird. Es war also von vornherein klar, dass ein Budgetbezug nur im Rahmen solcher Ausfälle eintreten würde, und je schneller und erfolgreicher das Maßnahmenpaket wirkte, desto geringer würden solche Ausfälle seien. Aus Erfahrung wusste man, dass reine Finanzkrisen im Prinzip sogar mit einem Plus für den Staatshaushalt enden können. Am bekanntesten war der Fall der Finanzkrise in Schweden, die nahezu kostenneutral bekämpft wurde. Daher ist es wichtig festzustellen, dass per 30.12.2011 von den maximal 400 Mrd. Euro Bürgschaften nur 28,2 Mrd. Euro gewährt und von den 80 Mrd. Euro möglicher Kapitalmaßnahmen nur 19,8 Mrd. Euro aktiviert wurden.2 Aus 480 Mrd. Euro, die als budgetwirksam interpretiert worden waren, sind ganze 48,0 Mrd. Euro überhaupt in Maßnahmen geflossen und davon mehr als die Hälfte als Bürgschaften. Wieviel von den Bürgschaften letztlich wegen Ausfällen die öffentlichen Budgets überhaupt belasten, ist noch offen, zumal sich einige Schuldner teilweise schon vorzeitig entlasteten, um die hohen Gebühren zu sparen. So plante die Commerzbank schon für 2011 eine teilweise Rückführung der erhaltenen Summen.

Am Rande sei allerdings vermerkt, dass bei der europaweiten Bekämpfung der Finanzkrise Deutschland indirekt in erheblichem Umfang für die Schulden anderer Länder haftet: Es „kauften die EZB und die Nationalen Zentralbanken – direkt oder indirekt – von Irland (und anderen finanzschwachen Ländern) Wertpapiere mit hohem Ausfallrisiko und bezahlten dafür mit Basisgeld, d.h. Euro, für die die finanzstarken Länder mithaften. Der Preis für das Nicht-Eskalieren der Finanzkrise war, dass die Länder des Euroraums schon 1½ Jahre vor der Eurokrise zur Haftungsgemeinschaft wurden“3. Wieviel davon budgetwirksam werden kann, ist derzeit nicht ohne Weiteres abzuschätzen. Jedenfalls halten sich insgesamt die budgetären Effekte der Finanzmarkt-Krisenprogramme vermutlich in recht engen Grenzen.

Die Wirtschaftskrise: in Deutschland ein „umwegrentables“ Programm?

Bald nach Beginn der Finanzkrise wurde davon gesprochen, dass die sich abzeichnende Belastung – auch der realen Wirtschaft – Dimensionen annehmen könnte, die an die Weltwirtschaftskrise von 1929 erinnern würden. Die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre war in der Erinnerung der Nachkriegszeit ein einmaliger Vorgang, und diese Erinnerung sitzt bis heute tief. Die deutsche Industrieproduktion sank von 1929 bis 1932 um 41%, und die Arbeitslosigkeit stieg um 230%.4 Die Krise fiel auch in Deutschland wohl deshalb so gravierend aus, weil aus heutiger Sicht die Rettungsmaßnahmen ungeeeignet waren. Die öffentlichen Ausgaben wurden gekürzt und nicht beibehalten oder gar erhöht, insgesamt wurde mit großer Kraft auf einen weiterhin ausgeglichenen Haushalt hingewirkt.

Vor diesem Erfahrungshintergrund wurden am 27.1.2009 umfangreiche Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur beschlossen.5 Die Konjunkturpakete I und II enthielten budgetwirksame Maßnahmen von 31 bzw. 50 Mrd. Euro, die sich über mehrere Jahre erstreckten. Zusätzlich wurden im Wirtschaftsfonds Deutschland 115 Mrd. Euro bereitgestellt, 75 Mrd. als Bürgschaften und 40 Mrd. als Kredithilfen. Gerade dieser Wirtschaftsfonds ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass ursprünglich geplante große Beträge letztlich gering ausfallen und dann unter Umständen sogar das Budget gar nicht belasten. Der Wirtschaftsfonds wurde bereits Ende 2010 geschlossen, weil bis dahin lediglich 14,2 Mrd. Euro als Bürgschaften bzw. Kredithilfen ausgegeben worden waren,6 und auch bei diesen handelte es sich ausnahmslos nicht um budgetäre Ausgaben, sondern um Vorgänge, die für die Schuldner mit Tilgung und Zinsen bzw. Gebühren verbunden waren.

Wie bei allen echten Konjunkturprogrammen ging es um Schnelligkeit in der Beschlussfassung und Durchführung, weil davon positive Signale auf die Wirtschaft ausgehen, damit diese ihre Kapazitäten beibehält. Auch die Rettung der Opel AG galt damals zwar als Sünde gegen eine ordnungspolitisch richtige Politik, kann aber rückblickend für die Sondersituation dieser Jahre gerechtfertigt werden, weil eine Insolvenz eine fatale Signalwirkung ausgelöst hätte.

Dieser Ablauf von Krise und Maßnahmen passt – jedenfalls für Deutschland – zu dem typisch keynesianischen Fall einer Wirtschaftskrise allein durch Nachfragekontraktion. Für diesen Fall gelten die klassischen Lehrbuchregeln: Multiplikatorwirkungen, Schnelligkeit der Maßnahme und Finanzierung durch Kreditaufnahme.7 Zu diesem Idealfall gehört, dass die anschließende Erholung der Wirtschaft es erlaubt, die aufgenommenen Staatsschulden durch dann eintretende zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialabgaben zurückzuführen.

Doch dies ist eben nur der Idealfall. Immerhin scheint er in Deutschland in gewissem Maße vorzuliegen. Wenn man die Gesamtheit der konjunkturpolitisch verursachten Mehrausgaben der öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungen einmal zusammenrechnet, so könnte es durchaus sein, dass die in Deutschland anders als in anderen Ländern sehr bald wieder gestiegenen Staatseinnahmen, über einige Jahre addiert, das Konjunkturprogramm als „lohnend“ erscheinen lassen.

Tabelle 1 zeigt die Steuereinnahmen in Deutschland und in den südlichen Euroländern für 2006 bis 2010 in absoluten Beträgen. Wenn 2007 den Ausgangspunkt bestimmt und 2009 den Endpunkt, so kann man die folgende überschlägige Rechnung durchführen: Wenn sich Deutschlands Steuereinnahmen parallel zu denen der südlichen Euroländer mit ihrer ungünstigeren Struktur entwickelt hätten, wären sie von 2007 bis 2009 um 11,2% oder 63 885 Mio. Euro gesunken. De facto sanken sie aber nur um 13 890 Mio. Euro. Die Differenz beträgt 50 Mrd. Euro, und dabei sind die zwischenzeitlich höheren Steuereinnahmen des Jahres 2008 und die Steigerung der Sozialabgaben nicht einmal mitgezählt. Auch wenn dies nur eine sehr überschlägige Rechnung ist, so zeigt sie doch, dass Stützungsmaßnahmen für Finanz- und Wirtschaftskrisen in einem strukturell recht gesunden Land bald wieder zu steigenden Steuereinnahmen führen können. Mit Blick auf die effektive deutsche Budgetbelastung aus den Konjunkturprogrammen sind die grob gerechneten 50 Mrd. Euro an speziellem deutschen „Aufholbonus“ wegen der stabilisierten Konjunktur sicherlich eine gute „Verzinsung“. Und der Aufholeffekt hält an, denn „2010 und 2011 waren in Deutschland wachstumsstarke Jahre“8.

Tabelle 1
Steuereinnahmen in Deutschland und Südeuropa1
in Mio. Euro
Jahr Deutschland Südeuropa
2006 523 930 767 933
2007 570 400 821 486
2008 585 460 782 691
2009 556 510 729 122
2010 559 020 749 209
Änderung von 2007 im Vergleich zu 2009
absolut 13 890 92 364
in % 2,4 11,2

1 Südeuropa: Portugal, Spanien, Italien, Griechenland.

Quelle: Basisdaten aus Europäische Kommission, Eurostat, Sektor Staat, Hauptsteueraggregate der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, Steuereinnahmen insgesamt, Download 9.1.2012.

So gesehen läge damit ein eigentümlicher Fall der früher so bezeichneten „Umwegrentabilität“ einer öffentlichen Maßnahme vor:9 Zwar finanziert sich die einzelne Maßnahme nicht unmittelbar aus spezifischen ihr zuzurechnenden Einnahmen, wie dies etwa für Gebührenhaushalte gilt. Aber das Maßnahmenpaket im Ganzen hat die Volkswirtschaft so beeinflusst, dass die aufgewendeten Summen später als Mehreinnahmen wieder zur Verfügung stehen können.

Pump Priming versus Pump Remodeling

Wie kann man sich erklären, dass in Deutschland die Konjunkturpolitik in diesem klassisch-keynesianischen Sinne erfolgreich war, in den südlichen Ländern, insbesondere Griechenland, aber nicht? Die klassische konjunkturpolitische Strategie wurde oft mit dem Bild des Pump Priming umschrieben.10 Es entstammt der alten Pumpentechnik, bei der das Wasser mithilfe eines Zylinders heraufgepumpt wurde, der mit einer ledernen Manschette versehen war. Wenn diese Ledermanschette trocken geworden war, funktionierte die Pumpe nicht und musste erst „angegossen“ werden. In diesem Sinne wurde eine durch fehlende Nachfrage „eingetrocknete“ Volkswirtschaft mithilfe eines einmaligen Ausgabenprogramms wieder zum Sprudeln gebracht.

Mit Blick auf eine Volkswirtschaft wie Griechenland hätte Keynes aber, um im Bild zu bleiben, nicht auf das „Angießen“ der Pumpe vertraut. Er hätte als Kenner des tatsächlichen Wirtschaftsgeschehens, der er war, darauf hingewiesen, dass die Pumpe als Gesamtkonstruktion nicht mehr in Ordnung war und umgebaut oder erneuert werden müsse (remodeling), um die unter den neuen Umständen erforderliche Leistung zu erbringen. Hier hätte er sicherlich wie ein Angebotstheoretiker gedacht.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Wenn eine Volkswirtschaft strukturell überaltert ist und in der weltwirtschaftlichen Konkurrenz nicht mehr bestehen kann, weil sie an vielen Stellen reformbedürftig ist, so kann ein Nachfragestoß mittels öffentlicher Ausgaben das Problem nicht beheben. Die strukturelle Schwäche bleibt bestehen. Zugleich ist als Nebeneffekt der Schuldenberg dauerhaft größer geworden, dauerhaft deshalb, weil der budgetäre Aufholeffekt, auf den eine strukturell gesunde Volkswirtschaft vertrauen kann, wegen der Strukturschwäche nicht eintritt.

Die Staatsschuldenkrise als langfristige Krise

Eine Finanzmarktkrise kann, wie frühere Beispiele zeigen, in wenigen Jahren überwunden werden. Ebenso kann eine klassische Konjunkturkrise in kurzer Zeit überwunden werden, wie das deutsche Beispiel aktuell zeigt. In beiden Fällen richten sich die Maßnahmen in erster Linie auf Unternehmen, seien es Banken oder seien es Unternehmen der realen Wirtschaft. Jedes solche Unternehmen kann mit entsprechender Hilfe und eigener Anstrengung innerhalb von ein bis zwei Jahren so umstrukturiert werden, dass es wieder konkurrenzfähig ist. Ganz anders liegt der Fall bei der Staatsschuldenkrise. Aktuell sind entwickelte Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen betroffen. Zugleich handelt sich um Wohlfahrtsstaaten. Sie sind durch einen großen Anteil der Sozialausgaben an der Wirtschaftsleistung11 und zumeist durch einen erheblichen Schuldenstand gekennzeichnet. Hier ist eine Sanierung aus zwei Gründen sehr viel schwieriger als bei Unternehmen.

Zum einen sind in Wohlfahrtsstaaten die Wähler an hohe Transfereinkommen und viele preiswerte oder gar kostenlose staatliche Leistungen gewöhnt. Die Leistungen haben zum Teil einen indirekten Charakter, wenn in staatlichen Betrieben Löhne gezahlt werden, die dem Produktivitätsniveau nicht entsprechen, wie dies offenbar in Griechenland in erheblichem Maße der Fall ist. Alle staatlichen Vorteile für große Wählergruppen sind nur schwer zurückzufahren, dies braucht auf jeden Fall Zeit. Am deutlichsten ist das in den Sozialversicherungssystemen, wo die Anspruchsgrundlagen verändert werden müssen.

Zum anderen sind die Maßnahmen im Zusammenhang mit Finanzmarktkrisen und Konjunktureinbrüchen, jedenfalls bisher, weitgehend einzelstaatlich gelöst worden. Die Maßnahmen betrafen also allein das Budget des betroffenen Landes. Eine Mithaftung anderer Staaten gab es nicht. Das ist in der Eurozone anders. Hier besteht in vielerlei Hinsicht ein Haftungsverbund, der schon in der Finanzmarktkrise wirksam wurde, wenn auch nicht so offensichtlich. In der Eurozone treten nunmehr die budgetären Wirkungen grenzüberschreitend auf und machen völlig neuartige Rechnungen erforderlich. Beispielhaft sind die Berechnungen zur deutschen Haftung im Rahmen der europäischen Rettungsschirme, die zu immer neuen und in der Regel höheren Beträgen für die deutsche Mithaftung bei der Rettung hochverschuldeter anderer Euroländer geführt haben. So berechnete das Ifo Institut Ende 2010 noch 215 Mrd. Euro als deutsche maximale Haftungssumme12 und im September 2011 bis zu 465 Mrd. Euro, wenn die Risiken für Deutschland aus den Anleihekäufen der EZB und die sogenannten Target-Salden13 berücksichtigt werden.14

Das Bundesfinanzministerium sprach dazu zwar von „sehr hypothetischen Grundannahmen“ und einem „unrealistischen Extremszenario“15, und zweifellos ist speziell das budgetäre Risiko sehr hoch angesetzt. Da es sich aber um Verschuldungsprobleme von Staaten und nicht von Unternehmen handelt, muss man davon ausgehen, dass die Budgetrelevanz wahrscheinlich deutlich höher als für den SoFFin und die Konjunkturprogramme zu veranschlagen ist. Multipliziert mit den Haftungssummen ergibt sich, auch wenn man sehr realistische Zahlen zugrundelegt, ein budgetäres Risiko für Deutschland von erheblicher Höhe. Es erhöhte sich weiter dadurch, dass nach den neuesten Herabstufungen durch Standard & Poor’s nur noch Deutschland die uneingeschränkte Bestnote hält, und in den Worten von Bundeskanzlerin Merkel: „Auf je weniger Länder das konzentriert ist, umso anfälliger werden diese Gebilde“ der Rettungsschirme.16 Wenn diese Schirme selbst ihre Bestnote verlieren, werden die Rettungen noch teurer und das deutsche Budgetrisiko noch größer. Und nimmt man die These „Staatsschuldenkrisen dauern neun Jahre“ hinzu,17 so erhält man eine Vorstellung von der sich aufsummierenden möglichen Budgetbelastung eines Garantie- und Kreditgeberlandes wie Deutschland.

Fazit

Während die Mehrausgaben zur Konjunkturbelebung in Deutschland – und vielleicht auch die meisten der Ausgaben zur Bekämpfung der Finanzkrise – innerhalb von wenigen Jahren budgetwirksam werden und in der einen oder anderen Art kurzfristig aufgefangen werden müssen, ist das bei den budgetären Folgen der Staatsschuldenkrisen anders. Bis die infrage kommenden Staaten wirklich eine nachhaltige Finanzpolitik betreiben können, dürften viele Jahre vergehen. Zumeist waren es nicht die kurzfristigen Maßnahmen, die zur Staatsschuldenkrise führten, sondern die langfristigen Ausgabenprogramme des Wohlfahrtsstaates, zum Teil verbunden mit einer stark reduzierten internationalen Wettbewerbsfähigkeit, wofür als Extremfall wiederum Griechenland steht.

Eine ausreichende Wettbewerbsfähigkeit aber lässt sich nicht in wenigen Jahren herstellen, sondern bedarf der Umgestaltung zahlreicher staatlicher Rahmenbedingungen, die jeweils bestimmte Gruppen der Gesellschaft oder auch der Wirtschaft besonders hart treffen und entsprechende Gegenreaktionen hervorrufen. Deshalb ist die Staatsschuldenkrise die mit Abstand folgenreichste und dauerhafteste der drei Krisen.

  • 1 H. Zimmermann: Finanz- und Wirtschaftskrise – Was kosten die Maßnahmen wirklich, in: Wirtschaftsdienst, 89. Jg. (2009), H. 5, S. 306.
  • 2 Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin, Homepage, Download 4.1.2012.
  • 3 R. Neubäumer: Eurokrise: Keine Staatsschuldenkrise, sondern Folge der Finanzkrise, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 12, S. 830.
  • 4 Die entsprechenden Werte für die USA lauten 46% und 607%, vgl. J. Blum, R. Cameron, T. G. Barnes: The European world: a history, 2. Aufl., Boston 1970, S. 885.
  • 5 Zu Umfang und Wirkung vgl. H. Zimmermann, a.a.O., S. 309-311. Zu Details der Maßnahmen siehe auch H. Zimmermann, K.-D. Henke, M. Broer: Finanzwissenschaft, 10. Aufl., München 2009, S. 393-395.
  • 6 Siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.1.2011, S. 13.
  • 7 Zu solchen Programmen und ihrer Wirkung vgl. H. Zimmermann, K.-D. Henke, M. Broer, a.a.O., S. 338-368.
  • 8 Jens Weidmann nach M. Döbler: Wir müssen klare Kante zeigen. Interview mit Dr. Jens Weidmann, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 1, 4.1.2012, S. 4.
  • 9 Koetz spricht von Umwegrentabilität wie folgt: „Kreditfinanzierte staatliche Investitionen erhöhen die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die Steuerzahlung. Die erhöhte Steuerzahlung wird für die Finanzierung der Kreditlasten verwendet.“ (A. G. Koetz: Optimale Staatsverschuldung, Finanzwissenschaftliche Forschungsarbeiten, Berlin 1983, S. 90, wo auch andere „Rentabilitäten“ erörtert werden). Zur Umwegrentabilität staatlicher Bildungsinvestitionen vgl. R. Berg: Staatliche Bildungsinvestitionen als Rechtfertigung für öffentliche Schuldaufnahme?, Marburg 2008, etwa S. 59.
  • 10 Der Begriff ist offenbar älter als das klassische Werk von Keynes von 1936, und schon 1939 gab es zusammenfassende Literatur dazu. Vgl. E. R. Nichols (Hrsg.): Pump priming theory of government spending, New York 1939.
  • 11 N. Barr: Economic theory and the welfare state: A survey and interpretation, in: Journal of Economic Literature, 30, Jg. (1992), S. 742 ff.
  • 12 H. W. Sinn, K. Carstensen: Ein Krisenmechanismus für die Eurozone, in: ifo Schnelldienst, Sonderausgabe vom 23.11.2011, S. 1.
  • 13 Zu den Target-Salden vgl. G. Quaas: Ein kritisches Resümée des Target2-Problems, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 12, S. 834-842.
  • 14 Zeit Online vom 18.9.2011, Download 5.1.2012.
  • 15 Ebenda. Einen Monat später wurde in der sogenannten Bogenberger Erklärung des ifo-Instituts sogar von „schon ... bald 600 Mrd. Euro“ Verpflichtungen Deutschlands gesprochen; vgl. ifo Schnelldienst 64. Jg. (2011), H. 23.
  • 16 G. Meck, W. von Petersdorff: Halb Europa geht in die Knie, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 15.1.2012, S. 31.
  • 17 Paul G. Schmidt nach S. Boehringer: „Staatsschuldenkrisen dauern neun Jahre – das hält kein Volk ohne Hilfen aus“. Interview mit Paul G. Schmidt, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance and Management, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 1, 4.1.2012, S. 28.

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DOI: 10.1007/s10273-012-1335-x

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