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Die Preistendenzen für Wohnimmobilien in Deutschland sind in letzter Zeit verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Immobilienpreise, die hierzulande über viele Jahre hinweg weitgehend stabil geblieben waren, im Jahr 2010 merklich anzogen und der Preisanstieg sich 2011 verstärkt fortsetzte.1 Damit nimmt Deutschland im internationalen Vergleich weiterhin eine Sonderstellung ein, allerdings gegenüber den vorangegangenen 15 Jahren mit umgekehrten Vorzeichen. War Deutschland zuvor fast das einzige westliche Industrieland mit tendenziell unveränderten Immobilienpreisen, so zählt es nun zu den wenigen Industrieländern mit einer spürbar aufwärts gerichteten Preistendenz.

Volkswirtschaftliche Bedeutung

Immobilienpreise im Speziellen und der Wohnungsmarkt im Allgemeinen sind aus volkswirtschaftlicher Sicht aus einer ganzen Reihe von Gründen von besonderem Interesse. So stellt der Wohnungsbestand einen großen Teil des Volksvermögens dar. Schätzungen zufolge macht der Wert des von privaten Haushalten gehaltenen Immobilienvermögens mehr als zwei Fünftel einer aus Geldvermögen und Immobilien bestehenden Gesamtvermögensgröße aus.2 Wohnraum ist zudem ein zentrales Konsumgut, da die privaten Haushalte etwa ein Sechstel ihrer Ausgaben für die Wohnungsnutzung aufwenden. Von den Bruttoanlageinvestitionen des Jahres 2011 entfiel mit 144 Mrd. Euro fast ein Drittel auf Wohnbauten. Neben diesem direkten und quantitativ relevanten Einfluss des Wohnungsbausektors auf die konjunkturelle Dynamik sind aber auch noch indirekte Effekte vorstellbar. So deuten empirische Analysen mit gesamtwirtschaftlichen Konsumfunktionen auf einen positiven Einfluss des Vermögens auf den privaten Verbrauch in Deutschland hin.3 Dieser dürfte allerdings im Hinblick auf Immobilienwerte begrenzt sein. Zwar wird knapp die Hälfte der in Deutschland an inländische Unternehmen und Privatpersonen ausgegebenen Kredite mit Immobilien besichert.4 Die Nutzung gestiegener Immobilienwerte als Sicherheit für zusätzliche Konsumentenkredite dürfte hierzulande gleichwohl eine geringe Rolle spielen.

Welche gravierenden realwirtschaftlichen Folgen von starken Preisausschlägen auf den Immobilienmärkten in Verbindung mit einer äußerst großzügigen Kreditvergabepraxis ausgehen können, hat nicht zuletzt die Krise auf dem US-Subprime-Markt gezeigt. So verwundert es nicht, dass Immobilienpreise zu dem Indikatorensatz des Frühwarnsystems für das Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte in der Europäischen Union gehören, das Ende 2011 eingeführt wurde.5 Die wichtige Rolle von Immobilienpreisen für Fragen der Finanzmarktstabilität ergibt sich aus den Verbundeffekten zwischen Wohnungsmarkt und Hypothekenmarkt, etwa hinsichtlich möglicher Risiken im Finanzsystem aufgrund notleidender Hypothekarkredite. Im Fall der Europäischen Währungsunion ist dabei auch zu berücksichtigen, dass sich die Häusermärkte der Mitgliedsländer sowohl hinsichtlich ihres zyklischen Verhaltens als auch ihrer strukturellen Determinanten durch eine beträchtliche Heterogenität auszeichnen.6 Auf mögliche Risiken für die Finanzstabilität aus dieser Entwicklung müsste gegebenenfalls mit nationalen, z.B. makroprudentiellen, Instrumenten reagiert werden.

Berechnung der Indizes

Die Berechnung aussagekräftiger Immobilienpreisindizes stellt für Statistiker eine besondere Herausforderung dar. Im Gegensatz zu vielen Gütern des täglichen Gebrauchs ist nämlich eine kontinuierliche Preisbeobachtung für identische Objekte in der Regel nicht möglich. Die Messung der „reinen“ Preisentwicklung wird durch Änderungen in der Qualität und dem Standort der erfassten Objekte im Zeitverlauf erschwert. Die Statistik stellt eine Reihe von Methoden bereit, um solche Qualitätsdifferenzen und Struktureffekte bei der Ermittlung der Preisindikatoren auszuschalten.7 Die Verfügbarkeit von Indikatoren für die Preisentwicklung auf dem Häusermarkt in Deutschland, die gewisse methodische Mindestanforderungen erfüllen, hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert.8 Unschärfen in der Messung lassen sich allerdings auch trotz einer verbesserten Informationsbasis und verfahrenstechnischer Verfeinerungen nicht vermeiden.

Die Deutsche Bundesbank berechnet jährlich einen Index für die Preisentwicklung von Wohnimmobilien und stützt sich dabei auf Daten der BulwienGesa AG.9 Deren Angaben beruhen größtenteils auf Experteneinschätzungen auf der Grundlage von Gutachtertätigkeiten. Die Vergleichbarkeit über die Zeit erfolgt mit Hilfe der Methode der typischen Objekte. Der Index für selbstgenutztes Wohneigentum des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) weist eine vierteljährliche Frequenz auf. Datengrundlage sind Beleihungsfälle der Mitgliedsinstitute.10 Der Immobilienpreisindex der Hypoport AG basiert auf Daten aus der Vermittlung von Hypothekenkrediten und wird in monatlichem Abstand veröffentlicht. Bei der Berechnung dieser beiden Indizes werden hedonische Verfahren zur Qualitätsbereinigung verwendet.11 Der Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamtes, der im Rahmen eines vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften initiierten Pilotprojekts zur preisstatistischen Erfassung des selbstgenutzten Wohneigentums erstellt wurde, hat bislang noch vorläufigen Charakter und liegt aktuell nur bis zum Jahr 2010 vor. Ab dem dritten Quartal 2012 ist jedoch eine regelmäßige vierteljährliche Veröffentlichung vorgesehen.12

Der Befund

Das statistische Bild zeigt für das Jahr 2010 eine merkliche Aufwärtsbewegung der Preise für Wohnimmobilien, die sich im Jahr 2011 verstärkt fortgesetzt hat. Dieser Befund ist robust über eine Reihe geeigneter Preisindikatoren. Gemäß dem vdp-Index erhöhten sich die Preise für Wohnimmobilien im Jahr 2011 um 2½%, nach einem Plus von ½% im Jahr zuvor. Der Gesamtindex der Hypoport AG weist für die Jahre 2010 und 2011 Anstiege um 2% beziehungsweise 3½% auf. Gemäß dem Bundesbank-Indikator für 125 Städte verteuerten sich Wohnimmobilien im Jahr 2011 um 5½%, nach einer Erhöhung um 2½% im Vorjahr. Der Teilindex, in den nur Großstädte mit mehr als 500 000 Einwohnern eingehen, signalisiert für die beiden Jahre einen noch stärkeren Anstieg, und zwar um 3¼% sowie 7%. Erstmalig seit dem Wiedervereinigungsboom Anfang der 1990er Jahre ist damit ein wirtschaftlicher Aufschwung in Deutschland wieder mit einer deutlichen Preisreaktion auf dem Häusermarkt verbunden.13 Die Unterschiede zwischen den Indikatoren dokumentieren, dass die Aufwärtsbewegung der Immobilienpreise in den Ballungsräumen, wo sie zudem bereits früher einsetzte, besonders ausgeprägt ist (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Preisindizes für Wohnimmobilien
jährlich, 2006 = 100
Hansen Abb-1.ai

Quelle: Berechnungen der Deutschen Bundesbank auf Basis von Angaben der BulwienGesa AG, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Hypoport AG.

Neben den steigenden Immobilienpreisen ist auch eine deutliche Mengenausweitung zu beobachten. Gegenüber dem Vorjahr erhöhte sich die Zahl genehmigter Neubauwohnungen 2011 um ein Fünftel und die realen Wohnungsbauinvestitionen, die allerdings auch Baumaßnahmen im Bestand umfassen, zogen um mehr als 6% an. Empirische Studien zeigen, dass in Deutschland eine langfristige Gleichgewichtsbeziehung zwischen realen Wohnungsbauinvestitionen, der Bevölkerungsgröße und den realen Pro-Kopf-Einkommen als nachfrageseitige Faktoren sowie den realen Wohnimmobilienpreisen besteht.14 Da sich das marktfähige Wohnungsangebot in Deutschland aufgrund der verhaltenen Neubauaktivität im vergangenen Jahrzehnt nur unwesentlich verändert hatte, können die jüngsten Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt demnach als Preis- und Mengenreaktionen in Folge einer Nachfrageausweitung interpretiert werden.15 Für eine substanziell gestiegene Wohnraumnachfrage dürften insbesondere die nachhaltig verbesserten Einkommens- und Arbeitsmarktperspektiven eine Rolle spielen. Die Erschwinglichkeit von Wohneigentum war allerdings auch auf die historisch niedrigen Zinsen für Hypothekenkredite zurückzuführen.

Seit einiger Zeit gibt es zudem Anhaltspunkte für eine verstärkte Aktivität von – auch ausländischen – Kapitalanlegern auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt. Vor allem die überdurchschnittlichen Preissteigerungen im relativ transparenten und liquiden Segment der Eigentumswohnungen, insbesondere in den Ballungsräumen, deuten auf ein gesteigertes Kapitalanlagemotiv hin. Betrachtet man im Bundesbank-Indikator für 125 Städte isoliert die Preisentwicklung im Geschosswohnungsbau, so ergibt sich für die Jahre 2010 und 2011 ein Anstieg um durchschnittlich 5½% im Neubau und um 4¼% im Bestand. In den Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnern waren es sogar 7½% beziehungsweise 5¼% pro Jahr. Mögliche Gründe für einen stärkeren Fokus der Kapitalinvestoren auf den deutschen Häusermarkt könnten die niedrigen Renditen alternativer Anlagen sein. Zudem ist denkbar, dass hierbei eine gestiegene Präferenz für Investitionen in Sachwerte zum Ausdruck kommt.

Ausblick

Im Lichte der derzeitig bemerkenswert guten strukturellen Verfassung der deutschen Wirtschaft erscheint für die nähere Zukunft ein weiter aufwärtsgerichteter Preistrend auf dem deutschen Häusermarkt angelegt. Längerfristig dürfte anhaltend kräftigen Preissteigerungen in Deutschland jedoch die vergleichsweise hohe Elastizität des Wohnungsangebots, die sich aktuell auch in der rasch einsetzenden Ausweitung der Neubauaktivitäten zeigt, entgegenwirken.16

Dämpfend auf die Preisdynamik wirkt zudem die demografische Perspektive. Zwar hängt die Wohnraumnachfrage nicht direkt von der Bevölkerungszahl, sondern vielmehr von der Zahl der Haushalte ab. Diese kann aufgrund einer Tendenz abnehmender Haushaltsgrößen auch bei einer schrumpfenden Gesamtbevölkerung weiter ansteigen. So sieht beispielsweise das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in seiner Wohnungsmarktprognose eine bis 2025 nahezu konstante Haushaltszahl.17 Allerdings beschränkt eine rückläufige Einwohnerzahl das gesamtwirtschaftliche Wachstumspotenzial, womit auch der Spielraum für zukünftige Mietsteigerungen begrenzt ist. Nachhaltige Renditen bei steigenden Kaufpreisen würden aber gerade entsprechend anwachsende Mieteinnahmen erfordern.

Dieser Beitrag spiegelt die persönliche Meinung der Autoren wider. Diese entspricht nicht notwendigerweise der Auffassung der Deutschen Bundesbank.

  • 1Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland 2011, Monatsbericht, Februar 2012, S. 54-55.
  • 2 Vgl. Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Sektorale und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanzen, Wiesbaden 2010.
  • 3 Vgl. B. Hamburg, M. Hofmann, J. Keller: Consumption, wealth and business cycle, in: Empirical Economics, 34. Jg. (2008), S. 451-476; sowie Deutsche Bundesbank: Ökonometrische Schätzungen zum Zusammenhang zwischen Konsum, Einkommen und Vermögen in Deutschland, Monatsbericht, September 2007, S. 55.
  • 4 Vgl. Deutsche Bundesbank: Statistischer Teil, IV Banken, Monatsbericht, März 2012, S. 32.
  • 5 Vgl. Europäisches Parlaments, Europäischer Rat: EU-Verordnung über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, Nr. 1176/2011, vom 16.11.2011, Amtsblatt der Europäischen Union, 23.11.2011.
  • 6 Vgl. z.B. O. De Bandt et al. (Hrsg.): Housing Markets in Europe: A Macroeconomic Perspective, Heidelberg 2010.
  • 7 Vgl. Deutsche Bundesbank: Preisindikatoren für den Wohnungsmarkt, Monatsbericht, September 2003, S. 45-59.
  • 8 Zur Problematik der Entwicklung geeigneter Indikatoren vgl. J. Hoffmann, A. Lorenz: Real estate price indices for Germany: past, present and future, Paper prepared for the OECD-IMF Workshop on real estate price indexes, Paris, 6. bis 7.11.2006.
  • 9 Vgl. http://www.bulwiengesa.de/.
  • 10 Vgl. http://www.pfandbrief.de/cms/_internet.nsf/tindex/de_86.htm.
  • 11 Einzelheiten zur Methodik der genannten Indikatoren finden sich z.B. in Deutsche Bundesbank: Preise für Wohnimmobilien in Deutschland im Jahr 2009, Monatsbericht, Februar 2010, S. 62-63; sowie Deutsche Bundesbank: Immobilienpreise in Deutschland im Jahr 2008, Monatsbericht, Februar 2009, S. 54-55.
  • 12 Vgl. J. Dechent: Preisindizes für Wohnimmobilien, in: Wirtschaft und Statistik, November 2011, S. 1126-1134.
  • 13 Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland 2011, Monatsbericht, Februar 2012, S. 54-55.
  • 14 Vgl. T. Knetsch: Trend and Cycle Features in German Residential Investment Before and After Reunification, in: O. De Bandt et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 187-211.
  • 15 Zur Entwicklung des Wohnungsangebots seit der Wiedervereinigung vgl. Deutsche Bundesbank: Ausgedehnter Investitionszyklus bei stabilen Preisen: Angebot und Nachfrage am deutschen Wohnungsmarkt in längerfristiger Perspektive, Monatsbericht, Juni 2010, S. 49-61.
  • 16 Siehe auch European Central Bank: Structural Factors in the EU Housing Markets, März 2003.
  • 17 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.): Wohnungsmärkte im Wandel. Zentrale Ergebnisse der Wohnungsmarktprognose 2025, BBSR-Berichte Kompakt 1/2010, Bonn.

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DOI: 10.1007/s10273-012-1375-2