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Seit der Einführung des Euro-Bargelds ist der Umlauf deutscher Banknoten außerordentlich stark gestiegen. Vor allem der Auslandsumlauf spielt dabei eine Rolle – und hier wiederum der Umlauf außerhalb des Euroraums. Die Autoren schätzen die regionale Verteilung dieses Umlaufs mithilfe verschiedener Methoden und kommen zu dem Ergebnis, dass der Anteil der inländischen Geldnachfrage für Transaktionskasse und für die Wertaufbewahrung nur bei rund einem Drittel des gesamten Umlaufs deutscher Euro-Banknoten liegt.

Nach Einführung des Euro-Bargeldes Anfang 2002 stieg der Umlauf der von der Deutschen Bundesbank emittierten Banknoten deutlich stärker an als dies auf Basis der früheren Wachstumsraten des D-Mark-Umlaufs zu erwarten war (vgl. Abbildung 1). Jedenfalls lässt sich diese Entwicklung nicht durch eine gestiegene inländische Transaktionskassenhaltung – also dem Vorhalten von Bargeldbeständen, um damit Güter- und Dienstleistungskäufe zu tätigen – erklären, da der private Konsum in Deutschland im betrachteten Zeitraum nur schwach war und der Anteil der Bargeldzahlungen im deutschen Einzelhandel stetig gesunken ist.1

Abbildung 1
Umlauf deutscher Banknoten
in Mrd. Euro
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Anmerkung: Der tatsächliche Banknotenumlauf entspricht im Zeitraum von Januar 1991 bis Dezember 2001 dem D-Mark-Banknotenumlauf und ab der Einführung des Euro-Bargeldes im Januar 2002 dem Umlauf der von der Deutschen Bundesbank emittierten Euro-Banknoten. Als hypothetischer Banknotenumlauf (ohne Euro-Bargeldeinführung) seit Januar 2001 wird vereinfachend der mit seinem linearen Trend im Zeitraum von Januar 1991 bis Dezember 2000 fortgeschriebene D-Mark-Banknotenumlauf unterstellt.

Vielmehr dürfte dieser enorme Anstieg durch inländische Hortungen und die Auslandsnachfrage nach deutschen Euro-Banknoten bedingt sein.2 Beide Größen sind jedoch statistisch nicht bzw. nicht hinreichend erfasst und müssen daher geschätzt werden. Die dazu verwendeten Methoden lassen sich in direkte und indirekte Ansätze aufteilen. Mit ersteren wird der In- bzw. Auslandsumlauf (direkt oder als Restgröße) mittels verfügbarer Statistiken und Umfragen ermittelt. Die indirekten Methoden versuchen dagegen aus den unterschiedlichen Eigenschaften von Inlands- und Auslandsnachfrage Aussagen über die regionale Verteilung des von der Bundesbank in Umlauf gesetzten Bargeldbestands zu treffen oder machen sich besondere Ereignisse wie die Euro-Bargeldeinführung zu Nutze. Im Rahmen dieser Analysen lassen sich ebenfalls näherungsweise Angaben über die Aufteilung der inländischen Bargeldbestände in Transaktionskasse und Hortungsbestände ableiten.

Direkter Ansatz 1: Offizielle Nettolieferungen

Ein erster statistischer Ansatzpunkt bezüglich des Auslandsumlaufs deutscher Euro-Banknoten lässt sich aus den Nettolieferungen von Euro-Banknoten aus Deutschland über das Bankensystem in Länder außerhalb des Euroraums ableiten.

Bei den offiziellen Nettolieferungen von Euro-Banknoten aus Deutschland in Länder außerhalb des Euro-Währungsgebiets handelt es sich um Auszahlungen bzw. Einzahlungen von Euro-Noten durch die bzw. bei der Deutschen Bundesbank, die über im weltweiten Sortenhandel tätige Großbanken abgewickelt werden. Der kumulierte Wert dieser deutschen Nettolieferungen in Nicht-EWU-Länder ist seit der Euro-Bargeldeinführung 2002 ständig angestiegen und belief sich Ende 2009 auf 99 Mrd. Euro (vgl. Abbildung 2). Damit werden etwa 95% der gesamten Nettolieferungen der EWU mit Banknoten aus Deutschland abgewickelt. Dabei hat die Deutsche Bundesbank über Banken zwischen Mitte 2006 und Anfang 2008 sogar mehr Euro-Banknoten in die Nicht-EWU-Länder verschickt als das Eurosystem insgesamt. Dies bedeutet, dass in dieser Zeit die anderen Nationalen Zentralbanken des Eurosystems per Saldo mehr Euro-Banknoten aus Ländern außerhalb der EWU eingezogen haben als sie über Banken dorthin geliefert haben. Nach Angaben der russischen Zentralbank sind allein über (bevollmächtigte) russische Banken bis Ende 2009 Euro-Banknoten in Höhe von 45 Mrd. Euro netto importiert worden (vgl. Abbildung 2).3

Abbildung 2
Kumulierte Nettolieferungen von Euro-Banknoten über Geschäftsbanken
in Mrd. Euro
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Hinzuzurechnen sind Bargeldmitnahmen durch den Reiseverkehr sowie Versendungen von Bargeld durch Gastarbeiter. Während bezüglich Bargeldversendungen durch Gastarbeiter so gut wie keine statistisch belastbaren Angaben verfügbar sind, kann bei der näherungsweisen Abschätzung der reisebedingten Netto-Bargeldbewegungen von Deutschland in das Ausland (und umgekehrt) auf eine Befragung der Deutschen Bundesbank zurückgegriffen werden. Diese lässt unter der restriktiven Annahme, dass sich Zahlungsgewohnheiten von In- und Ausländern bei ihren Auslandsreisen nicht wesentlich unterscheiden, den Schluss zu, dass über diesen Kanal Bargeld aus Deutschland im Wert von netto gut 60 Mrd. Euro in Länder außerhalb des Euroraums abgeflossen ist. In ähnlicher Größenordnung dürften sich auch die Bargeldabflüsse über den Reiseverkehr in die anderen EWU-Länder beziffern lassen.4 Damit dürfte sich vom gesamten Umlauf deutscher Euro-Banknoten Ende 2009 in Höhe von knapp 350 Mrd. Euro schätzungsweise rund 220 Mrd. Euro im Ausland befunden haben (vgl. Tabelle 1). Der überwiegende Teil des Auslandsumlaufs (rund 160 Mrd. Euro) entfiel dabei auf die Nicht-EWU-Länder, während sich die kumulierten Nettoexporte deutscher Euro-Noten ins restliche Euro-Währungsgebiet auf 60 Mrd. Euro beliefen. Als Restgröße ergibt sich damit ein inländischer Banknotenumlauf in Höhe von knapp 130 Mrd. Euro.

Tabelle 1
Kumulierte Nettoemissionen deutscher Euro-Banknoten und deren geschätzte regionale Verteilung
in Mio. Euro
  Kumulierte Netto-Emission von Euro-Bank­noten durch die Deutsche Bundes­bank Geschätzter Umlauf in Deutschland Geschätzter deutscher Beitrag zum Umlauf in restlicher EWU Geschätzter deutscher Beitrag zum Umlauf im Nicht-EWU-Ausland
insgesamt davon Netto-Lieferungen davon aus Reiseverkehr
2002 128 879 103 102 5 016 20 761 15 078 5 683
2003 165 958 113 203 13 722 39 033 26 490 12 543
2004 199 734 118 534 21 939 59 261 39 274 19 988
2005 228 873 125 739 30 149 72 984 44 421 28 563
2006 255 216 131 173 37 204 86 839 49 822 37 016
2007 283 279 128 430 44 477 110 371 64 452 45 920
2008 328 380 126 413 52 041 149 926 95 411 54 515
2009 348 110 127 109 59 224 161 776 98 819 62 957

Direkter Ansatz 2: Ermittlung als Restgröße

Alternativ kann der Auslandsumlauf bestimmt werden, indem von den kumulierten Nettoemissionen der Deutschen Bundesbank der Umlauf deutscher Euro-Banknoten in Deutschland abgezogen wird. Letzterer ist zwar unbekannt, er kann aber näherungsweise durch eine Schätzung des gesamten Euro-Banknotenumlaufs in Deutschland bestimmt werden.5 Dieser besteht wiederum aus der inländischen Transaktionskasse und den entsprechenden Hortungsbeständen. Einer einschlägigen Schätzung der Deutschen Bundesbank zufolge liefen im Durchschnitt des Jahres 2008 in Deutschland Banknoten für Transaktionszwecke in Höhe von schätzungsweise etwa 30 Mrd. Euro um.6 Über die inländischen Hortungsbestände an Euro-Banknoten gibt es ebenfalls keine offiziellen Erhebungen, aber eine Haushaltsumfrage, die 2008 von TNS opinion im Auftrag der Europäischen Zentralbank durchgeführt wurde.7 Aus diesen Angaben lässt sich ein Schätzwert für die inländischen Hortungsbestände aller (erwachsenen) Privatpersonen im Jahr 2008 von knapp 20 Mrd. Euro ableiten. Allerdings dürften die aus der Haushaltsumfrage abgeleiteten Hortungsbestände die tatsächlichen inländischen Hortungsbestände deutlich unterschätzen und stellen somit nur eine Untergrenze dar. So ist z.B. davon auszugehen, dass nicht alle Befragten den vollen Umfang ihrer Bargeldhorte offenlegen wollten.

Aus den Schätzungen für die inländische Transaktionskasse (etwa 30 Mrd. Euro) und die inländischen Hortungsbestände an Euro-Banknoten (knapp 20 Mrd. Euro) folgt eine Untergrenze für den inländischen Banknotenumlauf in Höhe von knapp 50 Mrd. Euro zum Jahresende 2008. Dies entspricht einer Obergrenze für den gesamten Auslandsumlauf deutscher Euro-Banknoten von schätzungsweise 280 Mrd. Euro, was 85% der kumulierten Nettoemissionen Ende 2008 ausmacht.

Direkter Ansatz 3: Rückschlüsse aus der Finanzkrise

Dass die tatsächlichen Hortungsbestände in Deutschland den obigen Wert von 20 Mrd. Euro sehr deutlich übersteigen dürften, zeigt auch die Analyse der Auswirkungen der Finanzkrise auf die Banknotenemission der Deutschen Bundesbank. Als im Zuge der Subprime-Krise die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 Insolvenz anmelden musste, kam es zu einer starken Verunsicherung an den Finanzmärkten. Die deutschen privaten Haushalte reagierten darauf im vierten Quartal 2008 mit umfangreichen Verschiebungen bei ihrer Geldvermögensbildung.8 Infolgedessen stieg die Nettoemission von Banknoten in Deutschland im Oktober 2008 krisenbedingt um 16 Mrd. Euro an.9 Besonders gefragt waren hierbei die „hortungstypischen“ 500-Euro-Banknoten, deren Umlauf sich um gut 10 Mrd. Euro erhöhte und damit den größten Anteil an diesem Anstieg ausmachten. Des Weiteren nahmen die offiziellen Nettolieferungen von Euro-Banknoten aus Deutschland in Länder außerhalb des Euroraums im Oktober 2008 krisenbedingt um etwa 8 Mrd. Euro zu, was allein an den höheren Bruttoauszahlungen lag. Dies entspricht 50% des gesamten Anstiegs der deutschen Nettoemissionen in Höhe von 16 Mrd. Euro. Dieses Bild bestätigt sich, wenn man die Bruttoauszahlungen von 500-Euro-Banknoten im Oktober 2008 ins Inland und in die Länder außerhalb des Euroraums betrachtet.10 In diesem Monat verteilten sich diese Auszahlungen fast gleichmäßig auf die inländischen und die ausländischen Nachfrager außerhalb der EWU.

Während der Finanzkrise war also offensichtlich der Bedarf an „deutschen“ Euro-Banknoten zu Wertaufbewahrungszwecken im Inland genauso stark gestiegen wie derjenige außerhalb des Euroraums. Unter der Annahme desselben durchschnittlichen Hortungsverhaltens – im Sinne von Höhe und zeitlichem Verlauf der Hortung – von Inländern und Ausländern folgt daraus, dass die Hortungsbestände an von der Deutschen Bundesbank emittierten Euro-Banknoten im Inland in etwa denjenigen in den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets entsprechen.11 Die Hortungsbestände außerhalb des Euroraums können mithilfe einer Umfrage der österreichischen Notenbank näherungsweise auf 110 Mrd. Euro angesetzt werden.12 Unter obiger Annahme desselben Hortungsverhaltens in Deutschland und außerhalb der EWU folgt daraus ein Schätzwert für die Höhe der inländischen Horte von ebenfalls 110 Mrd. Euro Ende 2009 (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2
Zusammenfassung der Schätzergebnisse
  Direkte Ansätze Indirekte Ansätze
Ansatz 1. Netto­lieferungen und Reise­verkehr 2. Auslands­umlauf als Restgröße 3. Finanz­krise 1. Saisonale Methoden 2. Bank­notennach­frage­funktion 3. Aus­zahlungs- und Einzahlungs­muster 4. Euro-Bargeld­einführung
  Ende 2009 Ende 2008 Ende 2009 Ende 2009 Ende 2009 Ende 2009 Ende 2009
  in Mrd. Euro
Kumulierte Nettoemissionen von Euro-Banknoten in Deutschland 350 330 350 350 350 350 350
Gesamter Auslandsumlauf deutscher Euro-Banknoten, davon 220 280 (OG) - 250 240 (210 UG, 270 OG) 160 (UG) 310b
Umlauf deutscher Euro-Banknoten außerhalb des Euroraums 160 - 110 (UG)a 160 - - -
Kumulierte Nettoexporte von Euro-Banknoten von Deutschland in den restlichen Euroraum 60 185 (OG) - 90 - - -
Inlandsumlauf, davon 130 50 (UG) - 100 110 (80 UG, 140 OG) 190 (OG) 40
Transaktionskasse - 30 - 60 - - 40
Hortungsbestände - 20 (UG) 110 40 - - -
  Anteil an den kumulierten Nettoemissionen von Euro-Banknoten in Deutschland in %
Kumulierte Nettoemissionen von Euro-Banknoten in Deutschland 100 100 100 100 100 100 100
Gesamter Auslandsumlauf deutscher Euro-Banknoten, davon 65 85 (OG) - 70 70 (60 UG, 75 OG) 45 (UG) 90b
Umlauf deutscher Euro-Banknoten außerhalb des Euroraums 45 - 30 (UG)a 45 - - -
Kumulierte Nettoexporte von Euro-Banknoten von Deutschland in den restlichen Euroraum 15 55 (OG) - 25 - - -
Inlandsumlauf, davon 35 15 (UG) - 30 30 (25 UG, 40 OG) 55 (OG) 10
Transaktionskasse - 10 - 15 - - 10
Hortungsbestände - 5 (UG) 30 10 - - -

a Nur Hortungen.    

b Inklusive inländische Hortungen.

Anmerkungen: UG = Untergrenze, OG = Obergrenze. Alle Werte sind auf 5 Mrd. Euro bzw. auf 5 Prozentpunkte gerundet. Differenzen in den Summen durch Runden der Zahlen.

Wie schon bei den direkten Ansätzen 1 und 2 zeigt sich auch hier, dass ohne weitere Annahmen eine genauere Schätzung des Auslandsumlaufs deutscher Euro-Banknoten mit den vorhandenen Statistiken und Umfragen nicht möglich ist. Deshalb werden im Folgenden Ansätze untersucht, die den Auslandsumlauf indirekt abschätzen.

Indirekter Ansatz 1: Saisonale Methode

Die Saisonmethode versucht, aus der Saisonstruktur des Notenumlaufs Informationen über den Auslandsumlauf herauszufiltern. Dabei wird unterstellt, dass der Notenumlauf im Ausland im Vergleich zum Inlandsumlauf der Banknoten eine weniger stark ausgeprägte Saisonstruktur aufweist. Demzufolge unterscheiden sich die Inlands- und Auslandsbestände in ihrem saisonalen Verlauf und die Saisonfigur des Gesamtumlaufs wird durch den Auslandsumlauf gedämpft. Gegeben eine Schätzung für die unbekannten Saisonfaktoren des Inlandsumlaufs kann dann der Auslandsumlauf deutscher Euro-Banknoten abgeleitet werden.

Wie lässt sich nun der unbekannte Inlandsumlauf am besten modellieren? Wir experimentieren mit drei Varianten, die jeweils die Saisonfigur der in Deutschland gehaltenen Euro-Noten möglichst gut abbilden sollen. Dazu zählen

  1. Auswahl eines Referenzlandes,
  2. Heranziehung einer Transaktionsvariable und
  3. Analyse der Kassenbestände der Kreditinstitute.

Die ersten beiden Versionen wurden bisher in der Literatur am häufigsten bei der Ermittlung des Auslandsteils eingesetzt.13 Da in diese Varianten unterschiedliche Annahmen darüber eingehen, welcher Teil des Notenumlaufs in Deutschland bzw. im Ausland damit erfasst wird, fällt auch der ermittelte Auslandsanteil unterschiedlich aus.

Die saisonale Variante „Vergleichsland“ erlaubt die Abschätzung der deutschen Auslandsbestände an Euro-Banknoten, die sich außerhalb des Euroraums befinden. Hierzu gilt es bei der Auswahl des Vergleichslandes, ein Land zu finden, das idealerweise in der Verwendung von Banknoten Deutschland bis auf die Nachfrage aus dem Nicht-EWU-Ausland gleicht. Als ein solches Vergleichsland wird Frankreich unter anderem deshalb gewählt, da dort ein ähnlicher Lebensstandard wie in Deutschland herrscht und die Banque de France bei offiziellen Banknotenversendungen in das Nicht-EWU-Ausland über das Bankensystem nur eine geringe Rolle spielt. Folgt man diesem Ansatz, so können die Bestände an Euro-Banknoten, die von der Deutschen Bundesbank bis Ende 2009 netto in Umlauf gesetzt wurden und sich in den Nicht-EWU-Ländern befinden, auf ca. 160 Mrd. Euro angesetzt werden (vgl. Abbildung 3). Die Schätzungen erscheinen plausibel, da diese im gesamten betrachteten Zeitraum über den offiziellen kumulierten deutschen Nettolieferungen in Länder außerhalb des Euroraums liegen und die Differenz leicht über den Reiseverkehr erklärt werden kann.

Abbildung 3
Geschätzter Umlauf deutscher Euro-Banknoten außerhalb der EWU (saisonale Methode)1
in Mrd. Euro
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1 Methode Vergleichsland Frankreich.

Quellen: Deutsche Bundesbank; eigene Berechnungen.

Dagegen erlaubt der saisonale Ansatz „Transaktionsvariable“, der nach entsprechender Modifikation auch inländisches Horten abzubilden versucht, eine Abschätzung des gesamten Auslandsumlaufs der von der Bundesbank emittierten Euro-Banknoten. Es ergibt sich ein seit 2002 ansteigender Verlauf, der Ende 2009 auf einen Wert von etwa 250 Mrd. Euro gestiegen war. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Variante „Vergleichsland Frankreich“ verbleiben somit für den kumulierten Nettoexport deutscher Banknoten in andere EWU-Länder (kumulierte Binnenmigration) 90 Mrd. Euro.

Als dritte Variante zur Bestimmung der Saisonfigur der im Inland umlaufenden deutschen Euro-Banknoten wird die Saisonstruktur der Kassenbestände der Kreditinstitute in Deutschland herangezogen. Die Haltung dieser Kassenbestände verursacht Opportunitätskosten und wird deshalb knapp gehalten. Dahinter stehen fast ausschließlich regelmäßige inländische Transaktionen. Inländische Hortungen und die Auslandsnachfrage dürften auf die Kassenbestände kaum einen Einfluss haben. Mit diesem Ansatz wird damit die Summe aus dem gesamten Auslandsbestand und den inländischen Hortungen deutscher Noten bestimmt. Diese belief sich Ende 2009 auf schätzungsweise 290 Mrd. Euro. Kombiniert mit den Ergebnissen der Variante „Transaktionsvariable“ bedeutet dies, dass Ende 2009 Euro-Noten im Wert von etwa 40 Mrd. Euro im Inland gehortet wurden. Die noch nicht erklärten 60 Mrd. Euro entfallen dann auf die Transaktionsnachfrage privater Haushalte und Unternehmen in Deutschland.

Indirekter Ansatz 2: Schätzung einer Banknotennachfragefunktion

Ein weiterer Ansatz besteht darin, eine Nachfragefunktion nach deutschen Banknoten ohne die Nachfrage aus dem Ausland aufzustellen. Dazu wird erneut Frankreich als Land gewählt, das mit Deutschland hinsichtlich der Notennachfrage bis auf die Auslandsnachfrage vergleichbar ist. Wieder wird unterstellt, dass französische Noten nicht außerhalb der EWU umlaufen und dass Deutschland und Frankreich eine vergleichbare Binnenmigration deutscher und französischer Noten innerhalb des Euroraums aufweisen. Es werden jedoch in der Notennachfragefunktion keine Variablen aufgenommen, die die Binnenmigration deutscher und französischer Noten innerhalb der Währungsunion abbilden.

Der gesamte Auslandsumlauf Deutschlands ergibt sich dann als Differenz zwischen den kumulierten Nettoemissionen von Euro-Banknoten der Deutschen Bundesbank und dem anhand der Banknotennachfragefunktion für Frankreich geschätzten Inlandsumlauf Deutschlands. Gemäß dieser Schätzung nimmt der gesamte Auslandsumlauf seit 2002 kontinuierlich zu. Ende 2009 befanden sich deutsche Banknoten im Wert von schätzungsweise zwischen 210 Mrd. Euro und 270 Mrd. Euro im Ausland, wobei sich die Punktschätzung auf 240 Mrd. Euro beläuft (vgl. Tabelle 2).

Indirekter Ansatz 3: Analyse des Aus- und Einzahlungsmusters von Banknoten

Ein anderer Ansatz, den Auslandsumlauf der deutschen Euro-Banknoten indirekt zu quantifizieren, ist die Analyse der Aus- und Einzahlungsmuster der Banknoten bei der Deutschen Bundesbank nach verschiedenen Stückelungskategorien. Die grundsätzliche Überlegung hierbei ist, dass Auslandsbestände an Banknoten zeitverzögert oder sogar nie mehr zur ausgebenden Zentralbank zurückfließen. Dies äußert sich dann in einem vergleichsweise größeren Verhältnis der laufenden Auszahlungsbeträge zu den Einzahlungsbeträgen als bei den für den Inlandsumlauf benötigten Banknoten. Dabei wird zunächst unterstellt, dass nur die großen von der Bundesbank netto ausgegebenen Stückelungen (100 Euro-, 200 Euro- und 500 Euro-Noten) per Saldo dauerhaft im Ausland verbleiben.14 Zudem wird angenommen, dass sich die Auszahlungs- und Einzahlungsgeschwindigkeit bei den großen Stückelungen, die im Inland umlaufen, nicht von derjenigen der kleineren Stückelungen unterscheidet. Der Ansatz abstrahiert also vollständig von inländischen Hortungen und von Netto-Auslandsmitnahmen von kleinen Stückelungen wie sie typischerweise beim Reiseverkehr von Deutschland in die anderen EWU-Länder zu beobachten sind. Unter diesen restriktiven Annahmen kann dann der Wert des Auslandsumlaufs „deutscher Euro-Banknoten“ (restliche EWU und Nicht-EWU-Ausland) auf rund 160 Mrd. Euro geschätzt werden. Allerdings impliziert die hier angesetzte Schätzmethode, dass es sich bei den Bargeldmitnahmen allein um große Stückelungen handelt. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen, denn gerade bei den umfangreichen Urlaubs- und Geschäftsreisen der Deutschen dürften vor allem die kleinen Stückelungen (bis 50 Euro) den größten Teil der Bargeldmitnahmen ausmachen. So gesehen unterschätzt der hier vorgestellte Ansatz wohl den Auslandsumlauf deutscher Euro-Banknoten.

Indirekter Ansatz 4: Informationen aus der Euro-Bargeldeinführung

Anhand der Entwicklung des Banknotenumlaufs in Deutschland während der Euro-Bargeldeinführung kann die Höhe der inländischen Transaktionskassenbestände und somit auch die Summe aus gesamtem Auslandsumlauf und inländischer Hortung von deutschen Euro-Banknoten abgeschätzt werden. Die noch vorhandenen Bestände an D-Mark-Noten betrugen Ende 2001 77 Mrd. Euro. Nach den ersten neun Tagen des Jahres 2002 wurden bereits etwa 90% der inländischen Barzahlungen in Euro getätigt.15 Der Umtausch der Transaktionskasse scheint also zu diesem Zeitpunkt größtenteils abgeschlossen gewesen zu sein. Die restlichen D-Mark-Bestände am 9.1.2002 in Höhe von 47 Mrd. Euro abzüglich des Betrages von 10%, der noch für Barzahlungen in D-Mark verwendet wurde (9 Mrd. Euro), sind dementsprechend den Hortungen und dem Auslandsumlauf zuzurechnen. Folglich ergibt sich ein Transaktionsbestand in Deutschland Anfang 2002 in Höhe von 38 Mrd. Euro. Rechnet man diesen Betrag mit der Wachstumsrate der nominalen privaten Konsumausgaben auf Ende 2009 hoch, ergibt sich ein inländischer Transaktionskassenbestand in Höhe von etwa 40 Mrd. Euro. Auf die Summe aus Auslandsumlauf und inländischen Hortungen entfielen demnach Ende 2009 etwa 310 Mrd. Euro.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Auch nach der umstellungsbedingten Wiederauffüllung der Bargeldhorte Ende 2003 ist der Umlauf von in Deutschland emittierten Euro-Banknoten stark gewachsen. Dieses Wachstum ist den hier vorgestellten Schätzungen zufolge vor allem von der Auslandsnachfrage getrieben worden. Nur etwa ein Drittel aller von der Deutschen Bundesbank netto ausgegebenen Euro-Banknoten findet im Inland Verwendung. Der Anteil des Inlandsumlaufs an den kumulierten Nettoemissionen der Deutschen Bundesbank ist dabei ständig gesunken und hat sich seit dem Jahr 2002 halbiert.

Bei der Interpretation der Schätzergebnisse sollte allerdings berücksichtigt werden, dass die Schätzung (der Komponenten) des In- und Auslandumlaufs von Banknoten schwierig und mit größeren Unsicherheiten behaftet ist. Bemerkenswerterweise sind die mit den verschiedenen Ansätzen abgeleiteten Schätzungen trotzdem alle sehr ähnlich. Sie sollten daher eine gute Annäherung an die tatsächlichen Werte sein.

Die Punktschätzungen für die Anteile am gesamten Umlauf deutscher Euro-Banknoten Ende 2009 lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Mit einem Anteil zwischen 65% und 70% ist der Auslandsumlauf die wichtigste Komponente des deutschen Banknotenumlaufs. Der Großteil des Auslandsumlaufs befindet sich außerhalb des Euroraums. Für den Anteil der dort umlaufenden deutschen Euro-Noten kommen alle Ansätze auf einen Wert von 45%. Deutschland ist auch Nettoexporteur von Euro-Banknoten in die restliche EWU.

Dabei sind die Motive der Haltung von Euro-Bargeld im Nicht-EWU-Ausland durchaus unterschiedlich. Während in Südosteuropa die Wertaufbewahrung im Vordergrund steht, dominiert in Mittel- und Osteuropa die Verwendung für Urlaube und Einkäufe im benachbarten Ausland. Einem „OeNB-Euro-Survey“ zufolge dürften sich die Euro-Banknotenbestände außerhalb des Euroraums demnach auf weniger entwickelte Länder konzentrieren, und es handelt sich überwiegend um Hortungsbestände.16 Dieses Bild wird durch Informationen aus Russland bestätigt, das gemessen an seinem Entwicklungsstand den südosteuropäischen Staaten ähnlicher ist als den mittel- und osteuropäischen Ländern.

Der geschätzte Anteil der kumulierten Binnenmigration von Euro-Banknoten aus Deutschland in den restlichen Euroraum liegt zwischen 15% und 25%. Der Anteil der inländischen Transaktionskasse ist mit 10% bis 15% verhältnismäßig gering. Der größere Teil des Inlandsumlaufs deutscher Euro-Banknoten entfällt auf Hortungsbestände. Deren Anteil am gesamten Umlauf deutscher Euro-Banknoten liegt schätzungsweise zwischen 10% und 30%.

Die in dem Papier geäußerten Auffassungen entsprechen nicht notwendigerweise denjenigen der Deutschen Bundesbank.

  • 1Vgl. EHI Retail Institute: Kartengestützte Zahlungssysteme im Einzelhandel 2010, Köln 2010.
  • 2 Vgl. hierzu N. Bartzsch, G. Rösl, F. Seitz: Der Auslandsumlauf deutscher Euro-Banknoten: Schätzung mit direkten Ansätzen, Deutsche Bundesbank, Diskussionspapier, Reihe 1: Volkswirtschaftliche Studien, Nr. 20/2011; sowie N. Bartzsch, G. Rösl, F. Seitz: Der Auslandsumlauf deutscher Euro-Banknoten, a.a.O., Nr. 21/2011.
  • 3 Vgl. http://www.cbr.ru/eng/statistics/print.aspx?file=bank_system/in_out_09_e.html&pid=finr&sid=inr_2.
  • 4 Bargeldversendungen über Banken innerhalb des Euro-Währungsraumes sind praktisch nicht relevant, da wegen der räumlichen Nähe zur heimischen nationalen Zentralbank logistische und Kostengründe solche Geschäfte in der Regel unrentabel machen.
  • 5 Wegen der Binnenmigration zwischen den EWU-Ländern entspricht der Umlauf deutscher Euro-Banknoten in Deutschland nicht unbedingt dem Umlauf aller Euro-Banknoten in Deutschland, d.h. dem (tatsächlichen) inländischen Banknotenumlauf. Wie im direkten Ansatz 1 gezeigt wurde, ist aber davon auszugehen, dass Deutschland Nettoexporteur von Euro-Banknoten in den restlichen Euroraum ist. In der Nettobetrachtung ist der Umlauf deutscher Euro-Banknoten in Deutschland daher gleich dem inländischen Banknotenumlauf.
  • 6 Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Entwicklung und Bestimmungsfaktoren des Euro-Bargeldumlaufs in Deutschland, Monatsbericht, Juni 2009, S. 53.
  • 7 Vgl. Europäische Zentralbank: The use of euro banknotes: Results of two surveys among households and firms, Monatsbericht, April 2011, S. 79-90.
  • 8 Vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Mai 2009, S. 41 f.
  • 9 Dieser Wert wurde aus den geschätzten Koeffizienten von Dummy-Variablen für den Monat Oktober 2008 in RegARIMA-Modellen für die kumulierten Nettoemissionen der einzelnen Banknotenstückelungen in Deutschland ermittelt.
  • 10 Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Entwicklung und Bestimmungsfaktoren des Euro-Bargeldumlaufs in Deutschland, a.a.O., S. 56 f.
  • 11 Hierbei wird unterstellt, dass von dem krisenbedingten Anstieg der Nettoemissionen im Oktober 2008 in Höhe von 16 Mrd. Euro die 8 Mrd. Euro, die nicht in Länder außerhalb des Euroraums versendet wurden, im Inland verblieben und nicht im selben Monat von dort in den restlichen Euroraum gelangt sind. Diese Annahme erscheint plausibel: Erstens dürften Mitnahmen von Geschäftsreisenden, Touristen oder Gastarbeitern in diesem kurzen Zeitraum zu vernachlässigen sein. Zweitens spielen grenzüberschreitende Bargeldtransporte zwischen den Ländern des Euroraums bislang kaum eine Rolle.
  • 12 Vgl. Österreichische Nationalbank: Euro in Südosteuropa besonders begehrt: jeder Vierte hält Euro-Bargeld – im Mittel fast 500 Euro, Presseaussendung, Juli 2008.
  • 13 Vgl. F. Seitz: Der DM-Umlauf im Ausland, Diskussionspapier 1/95, Volkswirtschaftliche Forschungsgruppe der Deutschen Bundesbank, Mai 1995; R. Porter, R. Judson: The Location of U.S. Currency: How much is abroad?, Board of Governors of the Federal Reserve System, Oktober 1995; und B. Fischer, P. Köhler, F. Seitz: The Demand for Euro Area Currencies: Past, Present and Future, Working Paper 330, European Central Bank, April 2004.
  • 14 Zu dieser Vorgehensweise vgl. auch R. Anderson, R. Rasche: The Domestic Adjusted Monetary Base, Working Paper 2000-002A, Federal Reserve Bank of St. Louis, 2000.
  • 15 Vgl. Deutsche Bundesbank: Zum Stand der Euro-Bargeldeinführung in Deutschland, Pressenotiz vom 11.1.2002.
  • 16 Vgl. Österreichische Nationalbank, a.a.O.

Beitrag als PDF


DOI: 10.1007/s10273-012-1386-z

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