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Ein wichtiges Instrument zur Einschätzung der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland sind Frühindikatoren. Hierbei sind vor allem Indikatoren geeignet, die der wirtschaftlichen Entwicklung vorlaufen und Trendänderungen erkennen lassen. Eine solche Vorlaufeigenschaft ist bei einigen Indikatoren bereits dadurch gegeben, dass sie deutlich vor Bekanntgabe amtlicher Daten, wie des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder der Industrieproduktion, veröffentlicht werden. Eine weitere wichtige Eigenschaft eines Frühindikators sollte dessen Stetigkeit sein. Denn Indizes, die von Monat zu Monat schwanken oder revidiert werden, lassen eine Trendänderung schwieriger erkennen.

Der am stärksten beachtete Frühindikator in Deutschland ist der ifo-Geschäftsklimaindex des ifo-Instituts. Dieser Indikator basiert auf einer Befragung von über 7000 Industrie-, Bau- und Einzelhandelsunternehmen und setzt sich als geometrisches Mittel aus der Beurteilung der aktuellen Lage und den Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate zusammen. Ein zweiter wichtiger Konjunkturindikator ist der ZEW-Index des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Auch dieser Indikator basiert auf einer Umfrage, befragt allerdings 350 Finanzmarktanalysten, Volkswirte und institutionelle Anleger nach ihrer Einschätzung der aktuellen konjunkturellen Lage und der künftigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Folglich beurteilt er die Konjunktur aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, während der ifo-Index betriebswirtschaftliche Einschätzungen berücksichtigt.

Neben den zuvor genannten umfragebasierten Frühindikatoren gibt es zusammengesetzte Indikatoren, die Umfrageergebnisse und statistische Daten verbinden. Der Vorteil solcher Indikatoren ist es, dass sie unterschiedlichste Informationen berücksichtigen und so weniger volatil sind. Ein Beispiel für einen solchen Indikator ist der Early-Bird-Index der Commerzbank. Dieser setzt sich aus dem kurzfristigen Realzins, einem Indikator für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit und dem Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in den USA zusammen. Somit berücksichtigt dieser Indikator nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, sondern auch die US-Konjunktur.

Abbildung 1
Entwicklung zweier Frühindikatoren und des realen BIP
Rossen Abb-1ai.ai

1 Beide Reihen wurden aus Darstellungsgründen umskaliert.

Quellen: Statistisches Bundesamt; ifo-Insitut; ZEW; eigene Darstellung.

Abbildung 1 zeigt den Verlauf des ifo-Index und des ZEW-Indikators im Vergleich zur Entwicklung des Bruttoinlandproduktes. Es lässt sich ein ähnlicher Verlauf sowohl der Indikatoren untereinander als auch im Vergleich zur Jahresveränderungsrate des BIP erkennen. Weiterhin zeigt sich, dass der ZEW-Indikator vor dem ifo-Index läuft und beide Konjunkturindikatoren bereits frühzeitig Wendepunkte des BIP anzeigen.

Maximale Kreuzkorrelationen zwischen der Jahresveränderungsrate des BIP auf der einen und verschiedenen Frühindikatoren auf der anderen Seite sind in Tabelle 1 aufgelistet. Kreuzkorrelationen ermöglichen es, eine Aussage über die Vor- bzw. Nachlaufeigenschaften eines Indikators zu treffen. Mit einem Vorlauf von drei Quartalen weisen der ZEW-Indikator und der Early-Bird-Index die besten Vorlaufeigenschaften vor der Jahresveränderungsrate des BIP auf. Am schlechtesten schneidet der Frühindikator der EU-Kommission, der anhand der Ergebnisse als gleichlaufender Indikator bezeichnet werden muss, ab. Sowohl der ifo-Index als auch der OECD-Indikator weisen eine maximale Kreuzkorrelation bei einem Vorlauf von einem Quartal auf. Unter der Berücksichtigung der Verzögerung zwischen Datenerfassung und Veröffentlichung der Indikatoren und des BIP ergibt sich für den OECD-Indikator allerdings keine Vorlaufeigenschaft mehr.1

Tabelle 1
Vorlaufeigenschaften verschiedener Frühindikatoren zwischen 1992 und 2012
  Verzögerung zwischen Veröffent­lichung und Beob­achtung Vorlauf(-) bzw. Nachlauf(+)
  zum realen BIP zur Industrie­produktion
  Monate Quartale effektiv1 Monate effektiv1
ifo-Geschäftserwartung 0 -1 -1 -3 -3
ZEW-Konjunkturerwartung 0 -3 -3 -8 -8
OECD Leading Indicator 2 -1 0 -2 0
EU: wirtschaftl. Einschätzung 0 0 0 0 0
Early-Bird-Index 1 -3 -3 -8 -7

1 Unter Berücksichtigung der Verzögerung bei der Veröffentlichung.

Quellen: ifo-Institut; ZEW; OECD; EU-Komission; Commerzbank; eigene Berechnungen.

Betrachtet man als Referenzgröße die Jahresveränderungsrate der monatlich verfügbaren Industrieproduktion, ergeben sich ähnliche Ergebnisse. Auch hier schneidet der ZEW-Indikator am besten ab (acht Monate), gefolgt vom Early-Bird-Index (sieben Monate) und vom ifo-Index (drei Monate). Sowohl der OECD-Indikator als auch der EU-Indikator besitzen keine effektive Vorlaufeigenschaft in Bezug auf die Industrieproduktion.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mehrzahl der betrachteten Frühindikatoren in der Lage ist, konjunkturelle Trendänderungen frühzeitig zu erkennen. Allerdings sind Prognosen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung lediglich am aktuellen Rand möglich. Konjunkturindikatoren sind dazu geeignet, allein eine qualitative Aussage über die zukünftige Entwicklung der deutschen Konjunktur zu treffen, nicht jedoch eine quantitative.

  • 1 Aus den monatlichen Indikatorwerten wurden per Durchschnittsbildung Quartalswerte berechnet.

HWWI-Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe

Abb. Index.ai

2010 = 100, auf US-Dollar-Basis.

HWWI-Index mit Untergruppena 2011 Jan. 12 Feb. 12 Mrz. 12 Apr. 12 Mai 12 Jun. 12 Juli 12
Gesamtindex 128,6 128,0 134,1 138,8 134,0 124,0 110,4 116,7
  (28,6) (7,8) (8,1) (3,4) (-5,9) (-7,3) (-15,8) (-12,4)
Gesamtindex, ohne Energie 118,1 104,8 107,4 107,7 106,2 102,8 99,1 102,6
  (18,1) (-13,1) (-14,1) (-12,5) (-16,9) (-17,2) (-19,4) (-16,5)
Nahrungs- und Genussmittel 129,0 116,0 117,5 118,8 118,7 116,3 115,2 131,7
  (29,0) (-12,4) (-14,9) (-11,8) (-13,1) (-13,4) (-12,5) (1,5)
Industrierohstoffe 114,3 100,9 103,8 103,7 101,8 98,0 93,4 92,3
  (14,3) (-13,4) (-13,7) (-12,7) (-18,3) (-18,7) (-22,1) (-23,4)
Agrarische Rohstoffe 110,5 93,8 96,5 97,7 98,2 95,4 90,4 88,9
  (10,5) (-16,9) (-17,1) (-14,4) (-16,9) (-17,1) (-22,1) (-22,0)
NE-Metalle 111,8 99,8 103,9 102,4 98,0 94,8 89,4 89,6
  (11,8) (-15,6) (-15,6) (-15,7) (-20,8) (-19,6) (-22,9) (-24,7)
Eisenerz, Stahlschrott 125,5 113,0 113,2 115,1 116,1 109,6 107,3 103,4
  (25,5) (-3,5) (-4,3) (-3,2) (-14,5) (-18,6) (-20,4) (-22,1)
Energierohstoffe 131,3 134,1 141,1 147,0 141,3 129,6 113,3 120,5
  (31,3) (13,4) (13,9) (7,2) (-3,3) (-5,0) (-14,9) (-11,4)

a 2010 = 100, auf US-Dollar-Basis, Periodendurchschnitte; in Klammern: prozentuale Änderung gegenüber Vorjahr.

Weitere Informationen: http://hwwi-rohindex.org/


DOI: 10.1007/s10273-012-1422-z