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Die Arbeitskosten sind bezogen auf die Wertschöpfung der bedeutendste Kostenfaktor. Laufen die Arbeitskosten der Produktivität davon, ist deshalb die preisliche Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr. Im Verarbeitenden Gewerbe hat die globale Wirtschaftskrise 2008/2009 zu einem drastischen Anstieg der Lohnstückkosten geführt, weil trotz Kurzarbeit das Arbeitsvolumen nicht entsprechend dem Nachfrageeinbruch reduziert wurde, also Arbeitskräfte gehortet wurden. Zwar kam es mit der wirtschaftlichen Erholung wieder zu einem deutlichen Rückgang. Dieser machte aber den vorherigen Anstieg nicht wieder wett und bereits 2012 zogen die Lohnstückkosten wieder klar an. Sie waren somit 2012 um 10% höher als im Vorkrisenjahr 2007 und dürften auch 2013 weiter ansteigen. Auch bei den Unternehmen selbst mehren sich offenbar die Sorgen um die Höhe der Arbeitskosten: In der Unternehmensumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln aus dem Frühjahr 2013 nannten 55% der Unternehmen, die nicht an eine mittelfristig positive konjunkturelle Entwicklung in Deutschland glaubten, die Arbeitskosten als einen Grund für ihre pessimistische Einschätzung. Dies war hinter den Energiekosten der am häufigsten genannte Grund.1

Die Arbeitskosten sind nicht nur indirekt als Teilkomponente der Lohnstückkosten ein wichtiger Standortfaktor, sondern sie spielen auch direkt bei Standortentscheidungen eine maßgebliche Rolle. Demnach sind die Lohnkosten in 82% der betrachteten Fälle wichtig oder sogar sehr wichtig, wenn überlegt wird, Aktivitäten von einem heimischen Standort in das Ausland zu verlagern.2 Nationale Produktivitätsunterschiede spielen bei der Standortwahl dann eine untergeordnete Rolle, wenn es bei neuen Standorten auf der „grünen Wiese“ gelingt, die Produktivität des Heimatstandortes durch moderne Produktionsanlagen und den Transfer von technischem und organisatorischem Know-how weitgehend zu übertragen.

Neben der Höhe der Arbeitskosten ist es aber auch wichtig, auf deren Struktur zu schauen. Zum einen erhalten Unternehmen so wichtige Informationen an die Hand, um ausgehend vom Bruttostunden-, -monats- oder -jahresverdienst die gesamten Arbeitskosten zu errechnen, und haben damit eine bessere Grundlage, um einen Auftrag kalkulieren zu können. Zum anderen ist eine Arbeitskostenstruktur dann optimal, wenn sie bei gegebenem Aufwand auch dem Arbeitnehmer den maximalen Nutzen bringt. So ist zur Verminderung des Kosten-Handikaps eine Senkung der Lohnzusatzkosten nicht in jedem Fall einer Lohnmoderation vorzuziehen. Denn es ist durchaus denkbar, dass eine Zusatzleistung für den Arbeitnehmer von größerem Nutzen sein kann als eine für das Unternehmen gleich teure Lohnerhöhung. Dies kann beispielsweise bei der freiwilligen Umwandlung von Entgeltbestandteilen in Beiträge für die betriebliche Altersversorgung der Fall sein. Daher ist es unzutreffend, die Arbeitskosten in „gute“ Löhne und „schlechte“ Personalzusatzkosten aufzuteilen. Vielmehr ist es wichtig, sich über die Struktur der Arbeitskosten und die Kosten einzelner Elemente im Klaren zu sein, damit Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine optimale Kostenstruktur aushandeln können.

Definition der Arbeitskosten

Das IW Köln unterteilt die Arbeitskosten in das auch Direktentgelt genannte Entgelt für geleistete Arbeitszeit (hier einschließlich der leistungs- und erfolgsabhängigen Sonderzahlungen) und die Personalzusatzkosten.3 Letztere lassen sich in vier Blöcke unterteilen: Entgelt für arbeitsfreie Tage, Sonderzahlungen, Aufwendungen für Vorsorgeeinrichtungen und sonstige Personalzusatzkosten. Die beiden erstgenannten Positionen sind auch Bestandteile des Jahresverdienstes. Dies führt häufig zu Missverständnissen. So wird die Zusatzkostenquote von zuletzt 71,4% im Produzierenden Gewerbe häufig auf den Monatsverdienst oder sogar den Jahresverdienst aufgeschlagen, was dann zu deutlich überhöhten Kosten führt.

Auch deswegen weist das IW Köln die Kostenstruktur in Prozent des Bruttojahresverdienstes aus (vgl. Tabelle 1). Dies ist auch deshalb vorteilhaft, weil viele Kostenkomponenten auf diese Größe Bezug nehmen (beispielsweise die gesetzlichen Beiträge zur Sozialversicherung). Zudem ist schnell ablesbar, wie hoch die zusätzlich zum Gehalt zu leistenden Kosten der Arbeitgeber sind. So betrugen die Arbeitskosten 2012 im deutschen Produzierenden Gewerbe 128,8% des Bruttojahresverdienstes. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber zusätzlich zu dem von ihm gezahlten Jahresverdienst knapp 29% aufschlagen muss, um seine Arbeitskosten zu ermitteln. Die Berechnung der nachrichtlich angegebenen Zusatzkostenquote (Quotient aus Zusatzkosten und Direktentgelt) hat vor allem eine kalkulatorische Zielsetzung: Sie lässt sich als Zuschlagssatz verwenden, wenn man ausgehend vom Stundenlohn (je bezahlte Stunde ohne Sonderzahlungen) die gesamten Arbeitskosten für eine tatsächlich geleistete Arbeitsstunde ermitteln möchte. Zu beachten ist allerdings, dass die leistungs- und erfolgsabhängigen Sonderzahlungen in der hier dargestellten Abgrenzung bereits im Direktentgelt enthalten sind, weil sie nicht als Sozialleistungen interpretiert werden können und inhaltlich eng mit dem Entgelt für geleistete Arbeitszeit zusammenhängen.

Tabelle 1
Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe
Angaben in % des Bruttolohns und -gehalts1
  West Ost Deutschland
  2008 2011 2012 2008 2011 2012 2008 2011 2012
Entgelt für geleistete Arbeitszeit2,3 75,1 74,8 74,9 78,2 77,7 77,8 75,4 75,0 75,1
Vergütung arbeitsfreier Tage3 17,0 17,4 17,3 16,5 16,9 16,7 17,0 17,3 17,3
Urlaub 10,0 10,0 10,0 9,7 9,7 9,7 9,9 9,9 9,9
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 3,1 3,5 3,4 3,2 3,6 3,5 3,1 3,5 3,4
Bezahlte Feiertage3,4 4,0 4,0 4,0 3,5 3,5 3,5 4,0 3,9 3,9
Sonderzahlungen 7,9 7,8 7,8 5,3 5,4 5,5 7,7 7,6 7,6
Vermögensbildung 0,4 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 0,4 0,4 0,4
Fest vereinbarte Sonderzahlungen 7,4 7,4 7,4 5,0 5,1 5,2 7,2 7,2 7,2
Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber5 19,0 19,2 19,1 20,2 20,5 20,4 19,1 19,3 19,2
Betriebliche Altersversorgung6 5,5 5,6 5,7 2,1 2,4 2,5 5,2 5,3 5,4
Sonstige Personalzusatzkosten7 4,3 4,2 4,2 3,9 3,7 3,7 4,3 4,2 4,2
Arbeitskosten insgesamt 128,8 129,0 129,0 126,2 126,6 126,6 128,5 128,8 128,8
Nachrichtlich:                  
Personalzusatzkosten in % des Entgelts für geleistete Arbeitszeit3 71,4 72,6 72,3 61,4 62,8 62,7 70,6 71,7 71,4
Arbeitskosten in 1000 Euro8 55,8 59,5 61,2 36,8 39,2 40,5 53,3 56,9 58,6

1 Entgelt für geleistete Arbeitszeit zuzüglich Vergütung arbeitsfreier Tage und Sonderzahlungen (ohne Sachleistungen) – entspricht dem Bruttojahresverdienst; Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten; Westdeutschland einschließlich Berlin, Ostdeutschland ohne Berlin; Rundungsdifferenzen möglich; 2008 amtliche Daten, ab 2011 Schätzungen.

2 Einschließlich leistungs- und erfolgsabhängiger Sonderzahlungen.

3 Kalenderbereinigt.

4 Einschließlich sonstiger arbeitsfreier Zeit.

5 Einschließlich Unfallversicherung.

6 Einschließlich Entgeltumwandlung; einschließlich Aufstockungsbeträge zu Lohn und Gehalt sowie zur Rentenversicherung für Personen in Altersteilzeit; einschließlich Aufwendungen für sonstige Vorsorgeeinrichtungen.

7 Abzüglich Erstattungen.

8 Je Vollzeitäquivalent.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Die Berechnungen des IW Köln zur Entwicklung und Struktur der Arbeitskosten schreiben die amtliche Arbeitskostenerhebung fort, die das Statistische Bundesamt alle vier Jahre durchführt – zuletzt ausgewertet für 2008. Für die Aktualisierung werden eine Reihe zumeist ebenfalls amtlicher Hilfsstatistiken genutzt. Um Kalendereinflüsse auszuschalten, wird mit einer konstanten Zahl von Feiertagen, die auf einen Arbeitstag fallen, gerechnet.

Geringe Verschiebungen in der Arbeitskostenstruktur

Der Blick auf die Entwicklung der Kostenstruktur im Produzierenden Gewerbe zeigt, dass sich seit der letzten amtlichen Arbeitskostenerhebung 2008 nur geringe Verschiebungen ergeben haben. Am auffälligsten ist die zunehmende Bedeutung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die den gestiegenen Krankenstand widerspiegelt. Auch langfristig hat sich die Struktur nicht radikal geändert, wie sich an der Entwicklung der Personalzusatzkostenquote ablesen lässt: Sie schwankt seit 2000 in Westdeutschland zwischen 71% und 73% und in Ostdeutschland zwischen 61% und 63%.

Ein gewisses Auf und Ab war allerdings durch die Wirtschaftskrise und deren Überwindung zu erkennen. So stieg die Bedeutung der arbeitsfreien Zeit im deutschen Produzierenden Gewerbe von 2008 auf 2009 um 0,6 Prozentpunkte. Auch die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nahmen ebenso wie die Aufwendungen zur betrieblichen Altersversorgung deutlich zu. Ursache waren zum einen die Remanenzkosten der Kurzarbeit – beispielsweise wurden die Urlaubsvergütungen auf die volle Arbeitszeit berechnet – und zum anderen die sprunghaft gestiegenen Beiträge zu dem Pensionssicherungsverein, der die Beiträge der betrieblichen Altersversorgung gegen Insolvenzen absichert.

Auch bei den Sonderzahlungen gab es ein Auf und Ab. Sie sanken im Produzierenden Gewerbe einschließlich der erfolgsabhängigen Sonderzahlungen von 2008 auf 2009 von 11,2% auf 10,5% des Bruttojahresverdienstes und zeigten sich damit durchaus konjunkturreagibel. Dies liegt zum einen daran, dass die Tarifverträge mehr Spielraum bei den Sonderzahlungen lassen als früher, zum anderen ist auch die Bedeutung der erfolgs- und leistungsabhängigen Sonderzahlungen kräftig gestiegen. So waren 1992 von den gesamten Sonderzahlungen in Westdeutschland erst 13% und in Ostdeutschland nur 7% leistungs- oder erfolgsabhängig ausgestaltet. Im Jahr 2012 galt dies sowohl in den westdeutschen als auch in den ostdeutschen Bundesländern für rund ein Drittel der Sonderzahlungen. Hier zeigt sich also durchaus eine zunehmende Flexibilität bei den Kostenbestandteilen. Mehr Wahlmöglichkeiten bestehen auch für die Mitarbeiter. So bedeutet die Möglichkeit der Entgeltumwandlung, die von vielen Arbeitgebern zusätzlich gefördert wird, dass der Arbeitnehmer die für ihn optimale Mischung aus Verdienstbestandteilen und Vorsorgeleistungen in Grenzen selbst bestimmen kann. Im Jahr 2008 wurden beispielsweise im westdeutschen Produzierenden Gewerbe 20% oder 425 Euro der Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung aus den Entgeltumwandlungen der Arbeitnehmer finanziert.

Niveauunterschiede

Große Unterschiede im Arbeitskostenniveau gibt es sowohl regional als auch auf Branchenebene. So lagen die Arbeitskosten im ostdeutschen Produzierenden Gewerbe 2012 mit 40 540 Euro um ein Drittel niedriger als in Westdeutschland (61 200 Euro). Der hohe Kostenvorteil für die neuen Länder ergibt sich aus dem produktivitätsbedingt niedrigeren Verdienstniveau und der geringeren Bedeutung von Sonderzahlungen und betrieblicher Altersvorsorge. Diese beiden Positionen erklären auch, warum die Personalzusatzkostenquote in den neuen Bundesländern um fast 10 Prozentpunkte niedriger ist als in den alten Bundesländern.

Abbildung 1
Arbeitskosten nach Branchen 2012
Je Vollzeitäquivalent in Euro
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Finanzdienstleistungen: Kredit- und Versicherungsgewerbe und verbundene Tätigkeiten; Unternehmensdienstleistungen: freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Das IW Köln berechnet die Arbeitskosten nicht nur für die Industrie, sondern auch – nach grundsätzlich gleicher Methodik – für ausgewählte Dienstleistungsbereiche, die auch wichtige Zulieferer für das Verarbeitende Gewerbe sind (vgl. Abbildung 1). Die Ergebnisse zeigen eine breite Spanne zwischen den betrachteten Branchen. So lagen die Arbeitskosten 2012 bei den Finanzdienstleistern bei über 78 000 Euro, im Bereich Verkehr und Lagerei dagegen nur bei 44 000 Euro. Dazwischen platzierten sich der Handel mit Kosten von 46 200 Euro je Vollzeitbeschäftigten und die Unternehmensdienstleister (freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen) mit einem Kostenniveau von knapp 62 000 Euro. Auch bei der Kostenstruktur gibt es große Unterschiede: Bei den Finanzdienstleistern beträgt die Personalzusatzkostenquote wegen der traditionell stark ausgebauten betrieblichen Altersvorsorge und den hohen Sonderzahlungen fast 80%. Beide Positionen sind dagegen bei den unternehmensnahen Dienstleistern eher schwach ausgeprägt. Dort beträgt die Zusatzkostenquote daher weniger als 60%.

  • 1 iw-dienst: Mit angezogener Handbremse, 2013, Nr. 19, vom 9.5.2013, S. 8.
  • 2 H. Höh: Engagement deutscher Unternehmen im Ausland, in: STATmagazin vom 21.4.2008, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/STATmagazin/UnternehmenGewerbeInsovenzen/2008_04/PDF2008_4.pdf?_blob=publicationFile.
  • 3 Vgl. hierzu und im Folgenden: C. Schröder: Die Struktur der Arbeitskosten in der deutschen Wirtschaft, in: IW-Trends, 40. Jg. (2013), H. 2, S. 110-124; C. Schröder: Rückkehr zur Normalität – Die Arbeitskosten steigen, die Struktur der Personalkosten nähert sich den Vorkrisenwerten an, in: Personal, 63. Jg. (2011), Nr. 7/8, S. 9-11.

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DOI: 10.1007/s10273-013-1578-1