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Kleine und mittlere Unternehmen greifen zum Schutz von Innovationsergebnissen deutlich seltener auf geistige Eigentumsrechte zurück als größere Unternehmen. Der zurückhaltende Umgang mit Patenten, Urheberrechten oder Handelsmarken lässt sich in vielen Fällen durch den unternehmerischen Innovationskontext erklären. Unterstützungsleistungen zur Förderung des Schutzes von geistigem Eigentum in kleineren Unternehmen sollten daher nicht nur auf eine Erhöhung der Patentanmeldungen abzielen, sondern das gesamte Management von formellen und informellen Aneignungsmechanismen abdecken.

Unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit basiert nicht zuletzt auf der Fähigkeit Innovationen hervorzubringen. Um hier Erfolg zu haben, ist es jedoch entscheidend, ob Unternehmen angesichts der raschen Verbreitung von neuem Wissen auch in der Lage sind, von den Erträgen der eigenen Innovationstätigkeit in ausreichendem Maße zu profitieren. Hiermit ist das sogenannte „Appropriability-Problem“ angesprochen: die Schwierigkeiten, denen sich Unternehmen bei der Aneignung ihrer Innovationserträge gegenübersehen, und die Anreizprobleme, die hieraus erwachsen können.1 Geistige Eigentumsrechte – allen voran der Patentschutz – spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Gemäß der klassischen ökonomischen Begründung sollen sich durch deren Gewährung die Ergebnisse von Innovationsaktivitäten vor unerwünschter Imitation besser schützen lassen, wodurch der Theorie nach wiederum Anreize zur Bereitstellung von volkswirtschaftlich wichtigen Innovationen gesetzt werden.2

Die Förderung einer intensiveren bzw. effektiveren Nutzung der geistigen Eigentumsrechte in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) steht bereits seit einiger Zeit auf der innovationspolitischen Agenda.3 Ein aktuelles Beispiel ist die Verabschiedung eines einheitlichen europäischen Patentschutzes durch das EU-Parlament im Dezember 2012, wodurch insbesondere kleinere Unternehmen Erleichterungen erfahren sollen. Denn trotz ihrer innovatorischen Bedeutung greifen KMU nur unterdurchschnittlich häufig auf formelle Schutzrechte zurück. Ein Umstand, der in der wirtschaftspolitischen Diskussion in erster Linie auf größenbedingte Benachteiligungen im System der geistigen Eigentumsrechte zurückgeführt wird. Die entsprechenden Fördermaßnahmen für KMU haben zum Ziel, hieraus möglicherweise resultierende Innovationshemmnisse zu beseitigen.

Verschiedene empirische Belege sprechen in der Tat dafür, dass kleinere Unternehmen infolge ihrer geringeren Ressourcenausstattung im Durchschnitt weniger vom System zum Schutz des geistigen Eigentums profitieren können als größere. Bereiche, in denen sich KMU potenziellen Benachteiligungen gegenübersehen, sind z.B. die Anmeldungs- und Aufrechterhaltungskosten von Patenten, die für die rechtliche Durchsetzung geistigen Eigentums benötigten finanziellen Mittel oder die Schwierigkeiten bei der Nutzbarmachung der in öffentlich zugänglichen Patentdatenbanken gespeicherten Informationen.4 Trotz dieser empirischen Evidenz steht jedoch eine abschließende Antwort auf die Frage aus, warum die Nutzung von geistigen Eigentumsrechten in kleineren Unternehmen weniger wahrscheinlich ist. Denn es kann nicht automatisch vorausgesetzt werden, dass es sich bei formellen Schutzrechten von vornherein um den besten Weg zur Lösung des „Appropriability-Problems“ von innovationsaktiven KMU handelt. Ohne die vorliegenden Hinweise auf unternehmensgrößenbedingte Benachteiligungen im System zum Schutz des geistigen Eigentums in Frage stellen zu wollen, ist daher zunächst nach der grundsätzlichen Relevanz von Eigentumsrechten für die Aneignung von Innovationserträgen in kleineren Unternehmen zu fragen.

Kleinere Unternehmen mit Besonderheiten?

Eine unterdurchschnittliche Nutzung der geistigen Eigentumsrechte durch KMU ist aus wirtschaftspolitischer Sicht letztlich nur dann besorgniserregend, wenn

  1. tatsächlich ein Marktversagen im Sinne einer erschwerten Aneignung der Vorteile aus selbst generiertem Wissen vorliegt und
  2. kleinere Unternehmen im gegebenen Fall anstatt mit formellen Schutzrechten nicht auch mit Hilfe von alternativen Aneignungsmechanismen in ausreichendem Maße von den Erträgen der eigenen Innovationstätigkeit profitieren können.5

Möglicherweise stellt sich das Problem, sich die Erträge aus selbst generiertem Wissen nicht aneignen zu können, in innovationsaktiven KMU tendenziell weniger stark als in größeren Unternehmen. Denn die Existenz eines Marktversagens ist im vorliegenden Zusammenhang vor allem von der Geschwindigkeit abhängig, mit der eine innovative Wissensbasis in ihren Wesensmerkmalen von potenziellen Imitatoren nachvollzogen werden kann. Vor allem die Kodifizierbarkeit von Wissen spielt hier eine wichtige Rolle. Explizite bzw. leicht kodifizierbare Wissensbestandteile sind als beschreibbare Informationen zu verstehen, wodurch ein Wissenstransfer relativ leicht möglich ist. Implizites bzw. schwer kodifizierbares Wissen („tacit knowledge“) kommt hingegen in mehr oder weniger unbewusst erworbenen Fähig- und Fertigkeiten zum Ausdruck. Es kann daher kaum oder gar nicht formalisiert und beschrieben sowie oftmals nur unter erheblichem Aufwand transferiert werden (z.B. durch das gezielte Abwerben des Wissens­trägers). Umso impliziter die innovative Wissensbasis eines Unternehmens folglich ist, desto schwieriger gestaltet sich auch eine unerwünschte Imitation durch die Konkurrenz.6

Gerade im Rahmen von Innovationsprozessen in KMU kommt implizitem Wissen eine große Bedeutung zu. Ein Grund hierfür ist, dass kleinere Unternehmen häufig keine eigene formelle Forschung und Entwicklung betreiben. Innovationsaktivitäten sind dort stattdessen stark in die Routinen des operativen Tagesgeschäfts eingebettet, basieren in vielen Fällen auf interaktiven Lernprozessen mit Kunden und Lieferanten und hängen oft vom Erfahrungswissen bestimmter Mitarbeiter ab.7

Hinsichtlich der aneignungsstrategischen Relevanz von geistigen Eigentumsrechten ist dies mit zwei möglichen Implikationen verbunden. Zunächst dürfte der Patentschutz für KMU unabhängig vom Neuheitsgrad einer Erfindung tendenziell weniger in Frage kommen, da eine Patentanmeldung letztlich die Reduktion der zu schützenden Wissensbestandteile auf kodifizierbare Informationen erfordert. Gestützt wird diese Vermutung durch empirische Befunde, wonach mit einer höheren Kodifizierbarkeit der Wissensbasis eines Unternehmens auch dessen Neigung zur Nutzung von Patenten als Aneignungsmechanismus wächst.8 Gleichzeitig dürfte der Patentschutz unter bestimmten Umständen für innovationsaktive KMU aber auch weniger notwendig sein. Dies ist deshalb zu vermuten, weil kleinere Unternehmen aufgrund der imitationshemmenden Wirkung einer impliziten Wissensbasis den potenziellen Vorteil gegenüber größeren Unternehmen haben, sich die Erträge ihrer Innovationstätigkeit auch so erfolgreich aneignen zu können.9

Daneben kommen verschiedene Studien zu dem Schluss, dass die mit sinkender Unternehmensgröße abnehmende Neigung, geistige Eigentumsrechte zum Schutz von Innovationen zu nutzen, aller Wahrscheinlichkeit nach auf größenbedingte Benachteiligungen zurückzuführen ist. Auf Grund dessen, so die häufige Vermutung, müssten kleinere Unternehmen auf informelle Aneignungsmechanismen (vor allem die Geheimhaltung) zurückgreifen.10 Hierbei wird jedoch außer Acht gelassen, dass informelle Schutzinstrumente womöglich gerade in einem für kleinere Unternehmen typischen Innovationskontext eine besonders effektive Wirkung entfalten.

Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert die Komplexität der Gestaltung als alternativer Aneignungsmechanismus. Denn eine technisch komplexe Produktgestaltung kann einerseits im Falle einer gleichzeitigen Spezialisierung auf individuelle Kundenwünsche eine hohe Schutzwirkung gegen potenzielle Imitatoren entfalten.11 Erfolgreiche kleine und mittlere Unternehmen leisten ihre Innovationsbeiträge häufig auf Grundlage einer solchen Interaktion von komplexem und spezifischem Wissen, da sie sich durch die Alleinstellungsmerkmale einer entsprechenden Problemlösungskompetenz im Wettbewerb besser von der Konkurrenz abgrenzen können.

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Innovationsbeiträge von KMU häufig inkrementelle Anpassungs- und Verbesserungsleistungen darstellen. Der Patentschutz kommt in solchen Fällen aufgrund eines vergleichsweise geringen objektiven Neuheitsgrades ohnehin weniger in Frage. Damit inkrementelle (technologiebasierte) Innovationen dennoch zur Wettbewerbsfähigkeit von kleineren Unternehmen beitragen, kann daher eine entsprechend hohe Komplexität der involvierten Produkte und Prozesse entscheidend sein, um die Gefahr einer Imitation durch Wettbewerber zu verringern.12 Alles in allem wird vor diesem Hintergrund deutlich, dass ein differenziertes Bild zum Aneignungsverhalten von innovationsaktiven KMU nötig ist, um die unterdurchschnittliche Nutzung der intellektuellen Eigentumsrechte durch kleinere Unternehmen bewerten zu können.

Innovationsschutz und Unternehmensgröße

Auf Grundlage von länderübergreifenden Daten der dritten gemeinschaftlichen Innovationserhebung der Europäischen Union (CIS 3) untersucht die Studie von Thomä13 grundsätzliche Einflussfaktoren auf die Nutzungshäufigkeit von Aneignungsmechanismen in innovationsaktiven Unternehmen. Hierbei wird der Frage nachgegangen, ob von 1998 bis 2000 von verschiedenen formellen und informellen Mechanismen zum Innovationsschutz mindestens einmal Gebrauch gemacht wurde. Eine Varianzanalyse macht dabei zwei wesentliche Zusammenhänge deutlich.

Am Beispiel des Patentschutzes und der Geheimhaltungsstrategie zeigt sich zunächst, dass nicht nur die Wahrscheinlichkeit der Nutzung geistiger Eigentumsrechte, sondern auch die Nutzungshäufigkeit von informellen Aneignungsmechanismen mit steigender Unternehmensgröße wächst, wobei dieser Effekt im Verarbeitenden Gewerbe stärker ausgeprägt ist als im Dienstleistungssektor. Im Durchschnitt spielt demnach die Ergreifung von aktiven Schutzmaßnahmen in innovationsaktiven kleinen und mittleren Unternehmen grundsätzlich eine geringere Rolle als in Großunternehmen. Dies bestätigt die Ergebnisse einer am Beispiel Deutschlands vorab durchgeführten deskriptiven Auswertung (vgl. Abbildung 1).

Daneben wird jedoch auch deutlich, dass hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Unternehmensgröße und der Nutzungshäufigkeit von Schutzmaßnahmen stets zwischen absoluten und relativen Effekten zu trennen ist. Denn aus relativer Perspektive gewinnen den empirischen Ergebnissen nach wiederum mit sinkender Unternehmensgröße informelle Aneignungsmechanismen tendenziell an Bedeutung. Vor allem für innovationsaktive Kleinunternehmen sind demnach informelle Schutzmaßnahmen ein vergleichsweise wichtiger Aneignungsmechanismus.

Abbildung 1
Nutzungshäufigkeit verschiedener Aneignungs­mechanismen in innovationsaktiven Unternehmen
Nutzungsanteile in %
33218.png

Quelle: J. Thomä: Kleinunternehmen und der Schutz von Innovationen – benachteiligt oder einfach anders?, in: Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship (ZfKE), 57. Jg. (2009), H. 3-4, S. 219-238; auf Grundlage von Eurostat (CIS 3, aggregierte Daten).

Aneignungsstrategien im Kleinunternehmenssektor

Thomä und Bizer14 vertiefen die vorangegangenen Ergebnisse, indem sie innovationsaktive Kleinunternehmen (hier: Unternehmen mit 5 bis 49 Beschäftigten) unter aneignungsstrategischen Gesichtspunkten klassifizieren und hierdurch die Heterogenität von kleineren Unternehmen verdeutlichen. Eine auf Grundlage des Mannheimer Innovationspanels (Erhebungswelle 2005) durchgeführte Clusteranalyse zeigt zunächst, dass sich der deutsche Kleinunternehmenssektor hinsichtlich der Nutzung verschiedener formeller und informeller Schutzmaßnahmen in vier Segmente unterteilen lässt. Diese in sich homogenen Unternehmensgruppen werden danach von den Autoren anhand verschiedener Merkmale (z.B. Relevanz von FuE-Aktivitäten, Art und Neuheitsgrad getätigter Innovationen, Auswirkungen von Innovationsaktivitäten auf den Unternehmenserfolg, Bedingungen des Wettbewerbsumfelds) charakterisiert (vgl. Tabelle 1).

Patente und andere geistige Eigentumsrechte haben demnach in einem relativ kleinen Teil des Kleinunternehmenssektors durchaus eine hohe Bedeutung für den Schutz von Innovationen (Cluster 2 und 3). In einem vergleichsweise großen Teil wird dagegen allein auf informelle Schutzmaßnahmen gesetzt (Cluster 1). Für die überwiegende Mehrzahl der innovationsaktiven Kleinunternehmen besteht die Kernfrage jedoch offenbar nicht darin, geistige Eigentumsrechte zu nutzen oder nicht, sondern ob grundsätzlich eine Notwendigkeit zur Ergreifung aktiver Schutzmaßnahmen besteht (Cluster 4).

Dies erklärt den Umstand, dass die absolute Nutzungshäufigkeit sowohl von formellen als auch von informellen Aneignungsmechanismen mit steigender Unternehmensgröße wächst. Daneben wird deutlich, dass sich unterschiedliche Schutzmaßnahmen keineswegs gegenseitig ausschließen müssen. Vielmehr dürfte die Effektivität bestimmter Aneignungsstrategien häufig gerade auf der Kombination von verschiedenen, aber sich gegenseitig ergänzenden, Instrumenten basieren. Beispielsweise wird eine Geheimhaltungsstrategie und ein zeitlicher Vorsprung vor der Konkurrenz sowohl von Kleinunternehmen, die gleichzeitig auch auf geistige Eigentumsrechte zum Schutz von Innovationen setzen, als auch von einem Teil des Kleinunternehmenssektors, in dem die Komplexität der Gestaltung als informeller Aneignungsmechanismus von Relevanz ist, für wichtig erachtet. Demgegenüber werden bestimmte Schutzmaßnahmen kaum miteinander kombiniert bzw. substituierend eingesetzt. Hierbei handelt es sich folglich um alternative Aneignungsmechanismen (wie vermutet z.B. Patente und eine komplexe Gestaltung).

Daneben liefert die Klassifizierung der vier Cluster vertiefte Erkenntnisse zur aneignungsstrategischen Rolle von geistigen Eigentumsrechten für kleinere Unternehmen. Denn der patentorientierte Teil des Kleinunternehmenssektors (11% der Untersuchungsstichprobe) ist offenbar weniger durch „KMU-typische“ Innovationsmerkmale (z.B. diskontinuierliche FuE-Aktivitäten, hoher Stellenwert der Kundennähe, Relevanz inkrementeller Qualitätsverbesserungen etc.) geprägt als viele der anderen innovationsaktiven Kleinunternehmen. Aus wirtschaftspolitischer Perspektive lässt sich daraus schließen, dass neben unternehmensgrößenbedingten Benachteiligungen auch der spezifische Charakter der Innovationsaktivitäten von KMU deren unterdurchschnittliche Nutzung der geistigen Eigentumsrechte erklären dürfte.

Tabelle 1
Aneignungsstrategien innovationsaktiver Kleinunternehmern
Klassifizierung anhand spezifischer Merkmale im Vergleich zu den jeweils anderen Unternehmensgruppen
Cluster 1 2 3 4
Relevante Schutz­maßnahmen (domi­nierende in fett) Geheim­haltung, Komplexität der Gestal­tung, Zeitlicher Vorsprung Patent, Gebrauchs­muster, Marken­schutz, Geheim­haltung, Zeitlicher Vorsprung Marken­schutz, Urheber­recht, Geheim­haltung, Komplexität der Gestaltung, Zeitlicher Vorsprung Kein aktiver Innovations­schutz
Stichprobenanteil 19% 11% 6% 64%
Wirtschaftszweig wissensintensive Branchen (Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungssektor) wissensintensive Branchen (Verarbeitendes Gewerbe) breite Branchenverteilung nicht-wissensintensive Branchen
Interne FuE mittlere Position häufig mittlere Position selten
Kooperationen mittlere Position häufig mittlere Position selten
Innovationsaufwendungen mittlere Position hoch mittlere Position niedrig
Innovationstyp Durchführung von Produkt- und Prozessinnovationen Durchführung von Produkt- und Prozessinnovationen keine spezifischen Besonderheiten hoher Anteil alleiniger Prozessinnovationen
Neuheitsgrad von Innovationen bzw. deren Effekte auf den Unternehmenserfolg Prozessinnovationen, die die Qualität von Produkten/Dienstleistungen verbessern Marktneuheiten; geringere Bedeutung von Effekten, die auf Prozessinnovationen zurückzuführen sind keine spezifischen Besonderheiten geringe Bedeutung von originären Produktinnovationen und entsprechenden Effekten
Geografischer Fokus mittlere Position international mittlere Position regional
Wettbewerbsumfeld kurze Produktlebenszyklen; schneller technologischer Wandel mittlere Position mit Blick auf Marktdynamik mittlere Position mit Blick auf Marktdynamik geringe Marktdynamik; leichte Substituierbarkeit von Produkten
Hauptkonkurrenten Konkurrenten sind oft größer Konkurrenten sind oft größer Konkurrenten sind oft größer große Zahl ähnlich großer Konkurrenten
Wichtige Wettbewerbsfaktoren keine Preiskonkurrenz; technischer Vorsprung keine Preiskonkurrenz; technischer Vorsprung; geringere Bedeutung von Service/Flexibilität bei Kundenwünschen keine Preiskonkurrenz; geringere Bedeutung von Service/Flexibilität bei Kundenwünschen Preiskonkurrenz

Quelle: J. Thomä, K. Bizer: To protect or not to protect? Modes of appropriability in the small enterprise sector; in: Research Policy, 42. Jg. (2013), H. 1, S. 35-49; auf Grundlage des Mannheimer Innovationspanel 2005 (N = 1251).

Mitarbeiterbindung als Mittel des Innovationsschutzes

Die Studie von Thomä und Zimmermann15 knüpft auf Basis des KfW-Mittelstandspanels (Erhebungswelle 2007) an die vorhergehende Untersuchung an, indem sie die möglichen Erklärungsfaktoren für die Relevanz von einzelnen Schutzmaßnahmen detaillierter untersucht und die Analyse auf alle innovationsaktiven KMU in Deutschland (hier: Unternehmen mit bis zu 499 Beschäftigten) erweitert. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der aneignungsstrategischen Bedeutung einer langfristigen Bindung qualifizierten Personals. Dies erlaubt einen neuen Blick auf den Innovationsschutz in KMU, da insbesondere die Innovationsaktivitäten von kleineren Unternehmen – wie oben ausgeführt – durch die Generierung und Nutzung von schwer kodifizierbarem, personengebundenen Erfahrungswissen geprägt sind. Des Weiteren werden in der Studie unter anderem die möglichen Komplementaritäten und Substitutionseffekte zwischen der Mitarbeiterbindung und verschiedenen anderen Aneignungsmechanismen einer näheren Betrachtung unterzogen. Ein dahingehender Erkenntnisgewinn ist gerade aus wirtschaftspolitischer Sicht von Interesse, weil hierdurch womöglich der primäre Fokus auf Patente, wie er in der Regel bei der Ausgestaltung von Fördermaßnahmen KMU im Bereich geistigen Eigentums besteht, in Frage gestellt wird.

Eine deskriptive Auswertung bestätigt zunächst die Vermutung, dass viele innovationsaktive KMU auf die langfristige Bindung qualifizierten Personals als Aneignungsmechanismus setzen: Insgesamt 42% der befragten Unternehmen halten diese für grundsätzlich wichtig, um Innovationen in ihrem Unternehmen vor Nachahmung zu schützen (vgl. Abbildung 2). Im Falle des Patentschutzes beläuft sich dieser Anteil z.B. auf knapp 24%.

Abbildung 2
Bedeutung formeller und informeller Schutzmaß­nahmen für innovationsaktive kleinere Unternehmen
Welche der folgenden Mechanismen sind Ihrer Meinung nach wichtig, um Innovationen in Ihrem Unternehmen vor Nachahmung zu schützen?
32385.png

Quelle: J. Thomä, V. Zimmermann: Knowledge protection practices in innovating SMEs, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik (Journal of Economics and Statistics), im Erscheinen; auf Grundlage des KfW-Mittelstandspanels 2007 (N = 4162).

Gemäß einer multivariaten Probitschätzung (bei der die jeweilige Relevanz von insgesamt sechs Aneignungsmechanismen untersucht wird), kann die aneignungsstrategische Bedeutung der Mitarbeiterbindung durch verschiedene Einflussfaktoren erklärt werden.

Exemplarisch lässt sich mit Blick hierauf Folgendes festhalten: Eigene FuE-Anstrengungen von KMU steigern zwar deren Präferenz für den Patentschutz, sonstige Eigentumsrechte (z.B. Gebrauchsmuster und den Markenschutz) und verschiedene informelle Schutzmaßnahmen (z.B. die Geheimhaltung oder den zeitlichen Vorsprung vor Wettbewerbern). Da entsprechende Aktivitäten in erster Linie neues Wissen schaffen sollen, und angesichts der Tatsache, dass sich die Nutzung von formellen und informellen Aneignungsmechanismen gegenseitig wirksam ergänzen kann, ist dieser Umstand aber nicht weiter verwunderlich. Die große Heterogenität im Innovationsverhalten von KMU hinsichtlich des Stellenwerts eigener formeller FuE zeigt sich jedoch daran, dass speziell die Mitarbeiterbindung auch für Nicht-FuE-aktive Innovatoren (und damit die Mehrzahl der befragten KMU) eine wirksame Schutzmaßnahme darstellt. Dieser Umstand dürfte mit den eher informellen Lern- und Innovationsprozessen, wie sie gerade für viele kleinere Unternehmen typisch sind, direkt zusammenhängen. Die weiteren empirischen Befunde stützen diese Vermutung. Besonders anschaulich ist beispielsweise, dass handwerkliche Kompetenzen in innovationsaktiven KMU offenbar aufgrund ihres stark impliziten Wissensanteils insbesondere durch eine langfristig orientierte Mitarbeiterbindung effektiv vor Nachahmung geschützt werden können.

Daneben bietet die signifikante Korrelation der Fehlerterme des multivariaten Probitmodells einen methodischen Ansatz zur Bestimmung von Interaktionseffekten zwischen der unternehmensinternen Relevanz der Mitarbeiterbindung und der Effektivität von anderen Schutzmaßnahmen. Die entsprechende Analyse zeigt, dass die langfristige Bindung qualifizierten Personals und der Patentschutz in innovationsaktiven KMU weitgehend unabhängig voneinander zum Einsatz kommen. Ihre kombinierte Nutzung ergibt folglich über deren jeweilige aneignungsstrategische Wirksamkeit hinaus keinen zusätzlichen Effektivitätsgewinn. Der Patentschutz ergänzt sich nach den empirischen Ergebnissen hingegen gut mit der Nutzung anderer geistigen Eigentumsrechte und einem gleichzeitigen Vertrauen auf eine Geheimhaltungsstrategie.

Das Verfolgen eines mitarbeiterorientierten Innovationsschutzes ist dagegen stark in einen informell geprägten Aneignungsmodus eingebettet. Eine besonders hohe Komplementarität besteht dabei zwischen der Mitarbeiterbindung und dem zeitlichen Vorsprung vor Wettbewerbern; den beiden Aneignungsmechanismen, die von kleineren Unternehmen mit Abstand am häufigsten als wichtig betrachtet werden (vgl. Abbildung 2). Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass sich die beiden typischen Stärken innovationsaktiver KMU – auf der einen Seite die wettbewerbsstrategische Bedeutung einer schwer kodifizierbaren, personengebundenen Wissensbasis und auf der anderen Seite die Fähigkeit, schnell und flexibel auf neue Marktchancen zu reagieren – unmittelbar in ihrem Aneignungsverhalten niederschlägt.

Schlussfolgerungen

Der vorliegende Aufsatz ist mit verschiedenen Implikationen verbunden – zunächst hinsichtlich der aufgezeigten Heterogenität im Aneignungsverhalten innovationsaktiver KMU, da dies einen hinreichend differenzierten Förderansatz notwendig macht. Dabei ist die unterdurchschnittliche Nutzung von Schutzrechten durch kleinere Unternehmen aus wirtschaftspolitischer Sicht nicht automatisch ein Grund zur Sorge. Im Falle des Kleinunternehmenssektors lässt sich z.B. die häufig anzutreffende Wahl von Aneignungsstrategien, die nicht an geistigen Eigentumsrechten orientiert sind, vor dem Hintergrund des jeweiligen unternehmerischen Innovationskontexts erklären. Dies spricht dabei keineswegs gegen Unterstützungsmaßnahmen für KMU in Bezug auf geistige Eigentumsrechte. Entsprechende Entscheidungsträger sollten sich jedoch bewusst sein, dass sich hiermit in der Regel nur die Aneignungsbedingungen von bestimmten kleineren Unternehmen verbessern lassen dürften.

Nichtsdestotrotz sind gerade kleinere Unternehmen hinsichtlich der sich ihnen möglicherweise durch das System der geistigen Eigentumsrechte bietenden Vorteile von vornherein häufig wenig informiert bzw. sensibilisiert. Daher sind geeignete Unterstützungsmaßnahmen, die KMU in eine bessere Lage versetzen, um eine Entscheidung für oder gegen die Nutzung von geistigen Eigentumsrechten auf einer fundierten Informationsgrundlage treffen zu können, durchaus gerechtfertigt. Innovationsorientierte KMU, die z.B. trotz patentierbarer Erfindungen auf die technische Komplexität der Produktgestaltung als Schutzmaßahme setzen, würde infolgedessen möglicherweise stärker bewusst sein, dass im Falle eines Scheiterns ihrer Aneignungsstrategie kaum Möglichkeiten bestehen, gegen eine Imitation rechtlich vorzugehen. Des Weiteren ist angesichts der bestehenden Komplementaritäten zwischen bestimmten formellen und informellen Schutzmaßnahmen der Einschätzung von Blind et al.16 zuzustimmen, wonach in einer auf KMU ausgerichteten Förderlandschaft anstelle einer einseitigen Fokussierung auf Patentanmeldezahlen der grundsätzliche „Intellectual-Property-Management-Gedanke“ stärker in den Vordergrund rücken sollte. Dies könnte sich in der Praxis etwa durch eine explizite Einbeziehung von informellen Aneignungsmechanismen im Rahmen von Beratungsleistungen äußern.

Unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten ist zudem zu beachten, dass geistige Eigentumsrechte offenbar auch deshalb für einen Großteil der innovationsaktiven Kleinunternehmen kaum eine Rolle spielen, weil dort vor allem aufgrund einer geringen Ausrichtung auf Produktneuheiten ein aktiver Schutz vor Imitation grundsätzlich kaum bedeutend ist (vgl. Cluster 4 in Tabelle 1). Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Aneignungsbedingungen von KMU sollten daher auch direkt am Innovationspotenzial dieser Unternehmen ansetzen – beispielsweise durch eine kleinunternehmensgerechte Ausgestaltung von Förderprogrammen oder durch einen stärkeren Fokus auf die zentrale Bedeutung der Nachfrageseite für Innovationsprozesse in kleinen und mittleren Unternehmen –, anstatt dieses Ziel primär auf indirektem Wege durch eine erleichterte Nutzung der geistigen Eigentumsrechte erreichen zu wollen.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Ergebnisse sollten Fördermaßnahmen für KMU im Bereich des geistigen Eigentums zudem die Personalseite von innovationsaktiven kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigen. Dies könnte sich etwa durch eine Unterstützung von kleineren Unternehmen bei der Etablierung einer bindungsorientierten Führungskultur und Personalpolitik äußern (z.B. durch die Verbreitung von effektiven Managementinstrumenten anhand von „Best-Practice-Beispielen“ und einer Verdeutlichung ihres konkreten Beitrags zum Unternehmenserfolg). Diese neue Perspektive auf die Förderung eines erfolgreichen Innovationsschutzes in KMU erscheint nicht zuletzt dadurch gerechtfertigt, dass Strategien zur Umsetzung einer langfristigen Mitarbeiterbindung angesichts der demografischen Entwicklung und der damit einhergehenden Verknappung des Fachkräfteangebots zukünftig gerade in kleineren Unternehmen eine noch größere Bedeutung für die Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zukommen dürfte.

  • 1 Vgl. D. J. Teece: Profiting from technological innovation: Implications for integration, collaboration, licensing and public policy, in: Research Policy, 15. Jg. (1986), H. 6, S. 285-305; vgl. P. Geroski: Markets for technology: knowledge, innovation and appropriability, in: P. Stoneman (Hrsg.): Handbook of the economics of innovation and technological change, Oxford 1995, S. 91 ff.
  • 2 Vgl. z.B. O. Granstrand: The economics and management of intellectual property: towards intellectual capitalism, Cheltenham 1999, S. 83 ff.
  • 3 Vgl. z.B. PRO INNO Europe: A memorandum on removing barriers for a better use of IPR by SMEs, A Report for the Directorate-General for Enterprise and Industry (European Commission) by an IPR Expert Group, Paper Nr. 3, 2007; vgl. A. Radauer, J. Streicher, F. Ohler: Benchmarking national and regional support services for SMEs in the field of intellectual and industrial property, Final benchmarking report on behalf of the European Commission, Austrian Institute for SME Research, Wien 2007; vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi): Mit dem Patent zum Erfolg. Innovationsförderung für Unternehmen, Bericht zur Initiative SIGNO/Unternehmen – Schutz von Ideen für die gewerbliche Nutzung, Berlin, Köln 2010.
  • 4 Vgl. z.B. W. Kingston: Enforcing small firms’ patent rights. Research report funded by the European Commission, Dublin 2000; S. Macdonald, B. Lefang: Worlds apart: patent information and innovation in SMEs, in: R. A. Blackburn (Hrsg.): Intellectual property and innovation management in small firms, London, New York 2003, S. 123-143; J. O. Lanjouw, M. Schankerman: Protecting intellectual property rights: Are small firms handicapped?, in: The Journal of Law & Economics, 47. Jg. (2004), H. 1, S. 45-74.
  • 5 Vgl. P. H. Jensen, E. Webster: Firm size and the use of intellectual property rights, in: The Economic Record, 82. Jg. (2006), H. 256, S. 45 f. und S. 54.
  • 6 Vgl. R. Reed, R. J. DeFillippi: Causal ambiguity, barriers to imitation, and sustainable competitive advantage, in: Academy of Management Review, 15. Jg. (1990), H. 1, S. 91 ff.; vgl. D. J. Teece: The strategic management of technology and intellectual property, in: D. O. Faulkner, A. Campbell (Hrsg.): The Oxford Handbook of Strategy, Volume I: A Strategy Overview and Competitive Strategy, Oxford 2003, S. 133 ff.
  • 7 Vgl. B. Nooteboom: Innovation and diffusion in small firms: Theory and evidence, in: Small Business Economics, 6. Jg. (1994), H. 5, S. 336 f.; vgl. J. Baldwin, G. Gellatly: Innovation strategies and performance in small firms, Cheltenham 2003.
  • 8 Vgl. M. Nieto, C. Pérez-Cano: The influence of knowledge attributes on innovation protection mechanisms, in: Knowledge and Process Management, 11. Jg. (2004), H. 2, S. 117-126; vgl. N. González-Álvarez, M. Nieto-Antolín: Appropriability of innovation results: an empirical study in spanish manufacturing firms, in: Technovation, 27. Jg. (2007), H. 5, S. 280-295.
  • 9 Vgl. B. Nooteboom, a.a.O., S. 334 ff; vgl. P. Hurmelinna-Laukkanen, K. Puumalainen: Nature and dynamics of appropriability: strategies for appropriating returns on innovation, in: R&D Management, 37. Jg. (2007), H. 2, S. 96 f.
  • 10 Vgl. A. Arundel: The relative effectiveness of patents and secrecy for appropriation, in: Research Policy, 30. Jg. (2001), H. 4, S. 611-624; vgl. H. Sattler: Appropriability of product innovations: an empirical analysis for Germany, in: International Journal of Technology Management, 26. Jg. (2003), H. 5-6, S. 502-516.
  • 11 Vgl. R. Reed, R. J. DeFillippi, a.a.O., S. 91 ff.
  • 12 Vgl. T. Mazzarol, S. Reboud: The strategy of small firms. Strategic management and innovation in the small firm, Cheltenham 2009, S. 214.
  • 13 Der folgende Abschnitt basiert auf: J. Thomä: Kleinunternehmen und der Schutz von Innovationen – benachteiligt oder einfach anders?, in: Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship (ZfKE), 57. Jg. (2009), H. 3-4, S. 219-238.
  • 14 Der folgende Abschnitt basiert auf: J. Thomä, K. Bizer: To protect or not to protect? Modes of appropriability in the small enterprise sector; in: Research Policy, 42. Jg. (2013), H. 1, S. 35-49.
  • 15 Der folgende Abschnitt basiert auf: J. Thomä, V. Zimmermann: Knowledge protection practices in innovating SMEs, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik (Journal of Economics and Statistics), im Erscheinen.
  • 16 Vgl. K. Blind, A. Cuntz, F. Köhler, A. Radauer: Die volkswirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums und dessen Schutzes mit Fokus auf den Mittelstand, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Berlin 2009, S. 132 und S. 140 f.

Title:Appropriability and SMEs

Abstract:This paper examines recent contributions on innovation protection practices in small and medium enterprises (SMEs), with a specific focus on the role of intellectual property rights (IPRs). Several empirical findings and possible particularities on the appropriability of SME innovations are discussed. In this way, the paper contributes to the ongoing debate about whether the less frequent use of IPRs by smaller firms should necessarily give rise to public concern. In exploring this question, the paper takes into consideration that in addition to the resource and capability constraints that smaller firms face in coping with the formal IPR system, their less frequent use of IPRs could also be related to the specific nature of their appropriability regimes.

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DOI: 10.1007/s10273-013-1575-4

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