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Die in den letzten Jahren zur Bewältigung der bestehenden und zur Verhinderung möglicher künftiger Krisen eingeleiteten Maßnahmen auf europäischer Ebene sind geprägt von Geschwindigkeit, Rhythmus und Logik des Krisenmanagements. Durch sie werden Weichenstellungen eingeleitet, die die Ausgestaltung der europäischen Gemeinschaft in der Zukunft entscheidend vorprägen. Daher ist zu fragen, ob die zum Teil zur kurzfristigen Beruhigung der Märkte eingeführten und nur unzureichend demokratisch legitimierten Maßnahmen geeignet sind, den Euroraum auf einen wirtschaftlich und politisch stabilen Pfad zu führen.

Es geht also darum, ob das nun implizit etablierte Konzept für die langfristige institutionelle Architektur der Währungsunion tragfähig ist. Weiter steht zur Debatte, ob unter dem Druck der Krise Maßnahmen getroffen wurden, die zur schnellen Bereinigung einer akuten Notsituation sinnvoll sind, aber für die langfristige Stabilisierung eines europäischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems Defizite aufweisen, und wie diese auszugleichen sind. Unklar ist weiterhin, ob Institutionen, die zur Bekämpfung von akuten Krisen geschaffen wurden, dauerhaft bestehen sollen, und ob sie geeignet sind, zukünftige Schieflagen zu verhindern.

Maßnahmen zur Krisenbekämpfung dauerhaft stabil?

Mitentscheidend für die Beantwortung dieser Fragen ist die weitere Entwicklung der Wirtschaftslage in den Krisenländern. Obwohl sich in allen Fällen eine Besserung der Lage andeutet, was in einer günstigeren Verzinsung der Staatsschulden und in wieder anziehenden Wachstumsraten zum Ausdruck kommt, bleibt offen, ob der Weg aus der Rezession für die einzelnen Länder gleichzeitig der zu einer stabilen Position im Währungsraum ist. Strittig ist, wie viel Konvergenz etwa auch in der Fiskalpolitik für einen funktionierenden Währungsraum nötig ist und bei welchem Grad an zentraler Steuerung auf EU-Ebene die erwünschte Konvergenz erreicht werden kann. Unmittelbar verbunden mit dem Problem von Krisenverhinderung und -bewältigung ist die Regelung der Haftung im Falle von Verlusten. Mit der Bankenunion wurden Weichen gestellt, die Staaten und damit Steuerzahler entlasten sollen. Hier kann eine gemeinsame Haftung, die vor allem wegen der damit verbundenen Fehlanreize problematisch ist, verhindert werden. Implizit wird damit ein Weg eingeschlagen, der eine konsequente Durchsetzung der No-Bailout-Klausel in Zukunft wahrscheinlicher werden lässt als in der Vergangenheit. Welche Wirkungen die nun eingeleiteten Haftungsregeln auf die Souveränität der Mitgliedstaaten der Währungsunion haben, wird sich in der praktischen Umsetzung zeigen.

Die Krisenbewältigung der letzten Jahre muss sich dem Vorwurf aussetzen, dass die beschlossenen Maßnahmen demokratisch sehr unzureichend legitimiert sind. Mögen die Lösungen auch technisch erfolgreich und, gemessen an den Erfordernissen stabiler Finanzmärkte, adäquat sein, so kommt doch eine nachhaltige Währungsunion nicht ohne die Zustimmung des Gemeinwesens und dessen Bereitwilligkeit zur Anerkennung des reformierten Systems aus. Daher ist dieser Punkt auch für die Bewertung der „neuen europäischen Finanzordnung“ in höchstem Maße relevant.

Für die Diskussion der oben skizzierten Fragen bot die jährlich stattfindende Wirtschaftsdienst-Konferenz ein Forum. Die Konferenz wurde im November 2013 gemeinsam mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in der Baden-Württembergischen Landesvertretung in Berlin veranstaltet. Die eingeladenen Referenten präsentierten ihre Analysen aus verschiedenen Blickwinkeln, bewerteten institutionelle Veränderungen und schlugen Lösungswege vor.

Wo stehen wir? Hindernisse und Perspektiven

Dringender Handlungsbedarf ergab sich schon zu Beginn der Krise im Bereich des Bankensystems. Mit diesem Problem befasst sich der Beitrag von Isabel Schnabel, in dem die im Rahmen der Schaffung einer Bankenunion ergriffenen und die noch umzusetzenden Maßnahmen vorgestellt und diskutiert werden. Dabei geht es auch um Schieflagen, die sich aus den krisengesteuert eingesetzten Instrumenten ergeben. Im Bankensektor bestehen nach wie vor große Risiken durch notleidende Forderungen, insbesondere in den Krisenländern, in denen sich die Situation seit 2007 noch deutlich verschlechtert hat. Vier zentrale Herausforderungen werden identifiziert: die niedrigen Zinsen, Strukturprobleme im europäischen Bankensystem, starke Bindungen zwischen Staat und Banken sowie die Fragmentierung des europäischen Bankensystems. Aus Sicht der Autorin drängen niedrige Zinsen die Banken aus dem traditionellen Geschäft in risikoreichere Anlagen, was die Gefahr der Blasenbildung erhöht. Höhere Eigenkapitalquoten, wie vielfach gefordert, sind hier zwar durchaus sinnvoll, machen aber differenzierte Regelungen notwendig, die sich in einem realistischen Zeitfenster bewegen, um Verwerfungen und nicht-intendierte Wirkungen zu verhindern.

Hier sei jedoch zu beachten, dass eine – nicht zuletzt durch politische Einflussnahme mögliche – „kreative“ Eigenkapitalausgestaltung die erforderliche Risikominimierung verhindert. Wichtig ist der Hinweis auf hohe Risiken, die auch im traditionellen Bankengeschäft bestehen und nicht nur im Geschäft mit Finanzmarktinnovationen. Als strukturell problematisch werden Überkapazitäten im europäischen Bankensystem angesehen, die nicht, wie in anderen Sektoren, durch Marktaustritte bereinigt werden können.

Eine nach wie vor bestehende Herausforderung stellt die enge gegenseitige Abhängigkeit zwischen Banken und Staat dar. So sei etwa die Sonderbehandlung von Staatsanleihen bei der Eigenkapitalbewertung nicht zu rechtfertigen. Die übermäßige Belastung der Staaten durch marode Banken werde durch die Mechanismen und Instrumente der Bankenunion hingegen wirksam bekämpft. Eine gemeinschaftliche Haftung sei jedoch nicht auszuschließen und als Ultima Ratio Teil eines funktionierenden Krisenmanagements. Eine Gefahr wird in der Fragmentierung des europäischen Bankensystems gesehen, die durch einen noch existierenden Home Bias in der nationalen Regulierung schwer zu bekämpfen ist. Auch in diesem Punkt wird sich die europäische Bankenregulierung als der nationalen überlegen erweisen.

Clemens Fuest betont, die sich andeutende Überwindung der Kapitalmarktprobleme verschuldeter Euroländer sei von deren realwirtschaftlicher Lage zu trennen. Die leichte Entspannung an den Kapitalmärkten führt er auf positive Reaktionen auf das nunmehr fest etablierte OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) zurück, das eine implizite Garantie für die Kapitalmärkte darstelle. Für die Arbeitsmärkte in den Krisenländern sieht er aber auf weite Sicht keine entscheidende Erholung. Drei Faktoren werden als zentrale Voraussetzungen für eine nachhaltige Krisenbewältigung genannt: Abbau der Staatsverschuldung, Reform des Bankensektors in Europa und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer.

Als eine zentrale Regel für das Funktionieren der Währungsunion gilt für Fuest die Bündelung von Kontrolle und Haftung in einer Hand. Eine gemeinsame Haftung kann es daher nur dann geben, wenn auch die Kontrolle über die Finanzmärkte und Staatsfinanzen (also auch über die Verschuldung) zentral verwaltet wird. Verletzt ein Land bestimmte Verschuldungsgrenzen, soll es einen Teil seiner fiskalpolitischen Entscheidungskompetenz verlieren. Hier tauchen jedoch bisher ungelöste Probleme auf, etwa bei der Gestaltung der Entscheidungsprozesse und bei deren demokratischer Legitimierung. Die bisher realisierten Reformvorhaben im Finanzsystem deuten auf ein Modell zentraler Haftung bei zentraler Kontrolle hin, wobei an die Stelle einer expliziten solidarischen Haftung das OMT-Programm getreten sei. Da wohl kaum eine große Bereitschaft für eine deutlich stärkere Integration der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Bevölkerung zu mobilisieren sei, gehe es letztendlich darum, die Eigenverantwortung von Mitgliedstaaten und privaten Gläubigern zu stärken. Dazu sei mehr Integration nötig. Mit der Bankenunion sei hier ein wichtiger Schritt getan, ein glaubwürdiges Konzept für staatliche Insolvenzen müsse folgen.

Fiskal- und Bankenunion

Marcel Fratzscher, Claudia Lambert und Malte Rieth sehen in den bisher eingeleiteten Maßnahmen wichtige Schritte hin zu einer stabilen Währungsunion, halten aber sowohl in Bezug auf die Bankenunion als auch auf die fiskalpolitische Harmonisierung weitere Schritte für erforderlich. Sie untersuchen die gefundenen Regelungen auf ihre Tauglichkeit, künftige Krisen zu vermeiden.

Als wesentliches Ziel der Bankenunion wird die Entkoppelung von Banken- und Staatsschuldenkrisen gesehen. Diese wird nach Meinung der Autoren durch das Konzept der Bankenunion nur unzureichend umgesetzt. Ungeklärte Punkte betreffen etwa die Entscheidung, ab wann eine Bank so weit in Schwierigkeiten steckt, dass der einheitliche Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) greift oder ob in einem entkoppelten System auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zurückgegriffen werden muss. Hier stehen sich zwei Positionen gegenüber, eine Seite hält es für notwendig, vor Inkrafttreten der Regelungen alle Verfahrensschritte eindeutig juristisch zu regeln, während die andere sich auch ein flexibles Vorgehen vorstellen kann, das es erlaubt, die Bankenunion schnell zu realisieren.

Ob die Kalkulation der im Abwicklungsfonds bereitzustellenden Mittel aufgeht, bleibt abzuwarten. Zumindest deutet sich bereits jetzt an, dass mit der Implementierung der Bankenunion nicht gewartet werden kann, bis der geplante Fonds hinreichend ausgestattet ist. Wenig überraschend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass eine angestrebte Lockerung der Verbindung von Staats- und Bankfinanzen nur funktionieren kann, wenn es Rechtssicherheit bezüglich der Institutionen und Verfahren gibt und eine supranationale Aufsichtspflicht besteht. Langfristig wird eine Fiskalunion als Ergänzung der Bankenunion als für die Funktionsfähigkeit des Währungsraumes vorteilhafte Lösung angesehen. Schließlich folgern die Autoren, dass die Stabilisierung von Finanzmärkten durch weitere Bemühungen zum Schuldenabbau und durch eine Insolvenzordnung für Staaten ergänzt werden muss. Nur so können Spielräume für eine aktive Konjunktursteuerung auf nationaler Ebene zurückgewonnen werden.

Souveränität und gemeinschaftliche Haftung

Dem Problem, über die jetzige Krise hinaus Stabilität zu schaffen und so zukünftige tiefgreifende Krisen zu verhindern, widmet sich der Beitrag von Christoph M. Schmidt und Benjamin Weigert. Die Autoren stützen sich dabei weitgehend auf die Positionen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die leichte Besserung der Lage in den Krisenländern dürfe nicht dazu verleiten, in den Reformbemühungen nachzulassen. Hier stehen vor allem die Schaffung eines stabilen Rahmens für die Währungsunion auf der Agenda ebenso wie die Abarbeitung von „Altlasten“, also ein Plan für die weitere Schuldentilgung.

Für die erste Aufgabe wird auf das Konzept Maastricht 2.0 des Sachverständigenrats verwiesen. Die zweite Aufgabe soll durch einen europäischen Schuldentilgungspakt erfüllt werden, der einen auf Solidarität beruhenden Schuldentilgungsfonds mit Auflagen für Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen für die verschuldeten Länder verbindet. Insbesondere müsse daher darauf geachtet werden, dass auch bei einer verbesserten Wirtschaftslage die Anreize für weitere Reformen nicht geringer werden. Maastricht 2.0 versucht, die Fehler des ursprünglichen Maastricht-Vertrages zu korrigieren. Wurde dort auf Marktmechanismen gesetzt, die eine Disziplinierungsfunktion für Staaten erfüllen sollten, setzt Maastricht 2.0 auf eine regelbasierte Finanzpolitik und mahnt eine Koordinierung der nationalstaatlichen Haushaltspolitik an.

Ebenso wie Fuest betonen Schmidt und Weigert die Notwendigkeit, Kontrolle und Haftung auf der gleichen Ebene anzusiedeln. Anders als Fuest jedoch, bevorzugen die beiden Autoren (in Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat) eine Regelung, die die Wirtschafts- und Finanzpolitik weitgehend in nationaler Verantwortung belässt. Sie sehen Wirtschaftspolitik als Entdeckungsprozess, der nur dann erfolgreich sein kann, wenn Varianten zugelassen werden. Eventuell mit unterschiedlichen Politikansätzen verbundene Risiken seien durch das OMT-Programm hinreichend abgedeckt. Notwendige Ergänzung des institutionellen Rahmens ist dann die Bankenunion. Wichtig ist aber, so die Autoren, dass zunächst eine stabile Lage im Währungsraum erreicht sein muss, da ein tragfähiges Konzept für den Währungsraum immer von einer stabilen Situation aus gedacht werden müsse.

Jürgen von Hagen beschäftigt sich mit der Frage, wie Governance im Euroraum angesichts weiterhin überbordender öffentlicher Schulden aussehen könnte. Er weist auf die Schwierigkeit hin, in einem Währungsraum mit unterschiedlichen Volkswirtschaften die Inflationsraten zu kontrollieren. Dies erhöht die Gefahr, dass Gläubiger wegen höherer Ausfallrisiken hohe Risikoprämien in die Zinsen einrechnen. In der Eurokrise habe sich gezeigt, dass Staatsschulden nicht mehr für so sicher gehalten werden, dass auf diese Risikoprämie verzichtet werden kann.

Von Hagen präsentiert drei Szenarien für den Umgang mit dieser Ausgangslage: eine Fiskalunion, eine Schulden­union und eine monetäre Union mit fiskalischer Souveränität. Eine Fiskalunion wäre mit der Zentralisierung der fiskalpolitischen Kompetenzen auf EU-Ebene verbunden. Kredite werden zentral verteilt und die Haftung liegt auch auf Unionsebene. Die Schuldenunion hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass die Mitgliedstaaten sich gemäß ihrer eigenen Präferenzen verschulden können, die Gemeinschaft aber über verschiedene Mechanismen bei einer Überschuldung haftet (ein Szenario, das von Hagen für das gegenwärtig verfolgte, aber nicht stabile ansieht). Bei der monetären Union sind die Mitglieder voll für ihre Staatsfinanzen verantwortlich, können aber eine souveräne Fiskalpolitik betreiben. Dies setzt die Einhaltung bestimmter Regeln für die Bewältigung möglicher Krisen voraus, die einen Verbleib der verschuldeten Länder in der Gemeinschaft betreffen sowie Verhandlungslösungen zwischen Gläubigern und Schuldnern und das Verhältnis von Staatsschulden und Bankenregulierung. Letztendlich müssen sich die Mitgliedsländer zwischen Szenario 1 und 3 entscheiden.

Demokratische Legitimierung

Wie verhält sich nun die Euro-Rettung zu den Erfordernissen demokratischer Willensbildung und der Legitimierung staatlichen Handelns durch demokratische Institutionen und Prozesse? Mit dieser Frage befasst sich der Beitrag von Fritz W. Scharpf. Umfragen haben ergeben, dass das Vertrauen der europäischen Bevölkerung in die Europäische Union besonders in den Krisenländern, aber auch in Deutschland, seit 2007 drastisch zurückgegangen ist.

Scharpf benutzt einen Demokratiebegriff, der auf Abraham Lincoln zurückgeht: Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk. Die Umsetzung dieser Prinzipien in der Europäischen Union weist für alle drei Komponenten Defizite auf. Zu sehr verlasse sich die EU auf output-orientierte Legitimierung: Sicherung des Friedens, steigender Wohlstand und fortschreitende Integration dienen als Indikatoren für die Erfüllung des Volksauftrags durch die Institutionen der EU. Eine input-orientierte Politik, wie sie in den Nationalstaaten herrscht, wird im Namen der Krisenbewältigung auf EU-Ebene außer Kraft gesetzt. Folgerichtig fordert Scharpf, die Frage einer input-orientierten Legitimität der politischen Handlungen auf europäischer Ebene zu diskutieren. Hier sieht er jedoch erhebliche Hindernisse, denn Entscheidungen über die Europolitik seien Institutionen anvertraut, die sich „in perfekter Weise gegen die Einflüsse demokratischer Inputs“ abschirmen.

Trotz aller institutionellen Hindernisse hält Scharpf eine demokratische Diskussion über die Euro-Rettungspolitik nicht für unmöglich, aber gegenwärtig für nicht umsetzbar, zumindest nicht im Rahmen der anstehenden Wahlen für das Europäische Parlament. Dies führt er auf ein „demokratisches Dilemma“ der Europolitik zurück: die eingeführten Institutionen sehen eine input-orientierte Demokratie nicht vor, und die gegenwärtige Krisensituation würde wegen höchst brisanter Verteilungskämpfe zu einer schwierigen politischen Lage führen, in der das Vorhaben einer europäischen Integration deutlich zurückgeworfen werden könnte.

Politische Perspektiven

Den Abschluss der Konferenz bildete ein Ausblick auf die politischen Weichenstellungen zur weiteren Entwicklung der Währungsunion. Volker Ratzmann, Koordinator für Bundesangelegenheiten in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin skizzierte die Eckpunkte der wirtschaftspolitischen Agenda, die er in „vier Säulen“ zusammenfasste.

Nachdem in allen Länder des Euroraums und insbesondere in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien durch die mit den Krisen und deren Bewältigung einhergehenden Rezessionen die Wirtschaftskraft teils erheblich geschwächt wurde, gilt es, zunächst wieder eine stabilitätsgerechte Wachstumsdynamik zu erreichen. Geschehen soll dies durch Wachstumsanreize, die durch einen zusätzlichen europäischen Wachstumsfonds finanziert werden sollen. Das von der EZB bereitzustellende Grundkapital soll dann laufend durch aus der Finanztransaktionssteuer gewonnene Mittel ergänzt werden.

Um die virulente Verschuldungsproblematik in den Griff zu bekommen, sei eine Stärkung der Staatseinnahmen unverzichtbar. Hierzu solle zum einen die Effektivität der Steuereintreibung verbessert werden, und zum andern solle eine Steuerharmonisierung Schieflagen in der EU beseitigen.

Als dritte Säule wird – wie bereits von einigen Autoren vorgesehen – die Bankenunion zentraler Bestandteil des Krisenmanagements werden. Diese soll weiter ausgebaut, und die zentrale Bankenaufsicht soll durch einheitliche Regeln für die Sanierung und Abwicklung von Banken ergänzt werden. Um ein tragfähiges Konzept für die Währungsunion aufbauen zu können, hält Ratzmann ebenso wie Schmidt und Weigert eine Lösung der Altschuldenproblematik für unabdingbar. Zudem weist er auf das ungelöste Problem unregulierter Schattenbanken hin.

Fazit

Insgesamt wird der eingeschlagene Weg künftiger Europolitik von den Autoren als Fortschritt gegenüber der Vorkrisensituation und als gangbarer Weg gesehen. Es verbleibt jedoch eine Reihe von Themen, die weiterer Diskussion bedürfen. Dies betrifft etwa die Notwendigkeit einer Fiskalunion zur Stabilisierung der Währungsunion und deren Zentralisierungsgrad. Zum Teil sind die ergriffenen Maßnahmen unvollständig, etwa bei der konsistenten Regelung von Haftung und Kontrolle, zum Teil bedürfen sie der Nachbesserung, z.B. bei der zeitlichen Planung der Umsetzung einer strikteren Bankenregulierung oder bei durch Ad-hoc-Maßnahmen entstandenen Fehlanreizen. Das Konzept der Bankenunion gibt Antwort auf drängende Fragen, es bleibt aber abzuwarten, ob diese wie gewünscht auf die Entlastung der Staatshaushalte von Bankschulden wirkt und so eine klarere Trennung der Staatsfinanzen vom Bankensystem gelingt. Unklar ist vor allem, wie die Wirtschaft auf die neue europäische Bankenregulierung reagiert. Reicht es, die Märkte, gemeint ist das Finanzsystem, zu stabilisieren, um so viel Vertrauen zu erzeugen, dass auch Wachstum und Beschäftigung wieder auf einen akzeptablen Kurs gelangen? Auch ist der Einfluss der Regulierung auf die Kreditvergabe der Banken an die Wirtschaft noch nicht abzusehen. Mittel- und langfristig wird die Frage nach der demokratischen Verfassung eines Euroraums gestellt werden müssen – eine neue Runde von Krisenmanagement durch Eliten hinter verschlossenen Türen dürfte kaum ohne gravierende Folgen für die politische Stabilität durchzustehen sein.


DOI: 10.1007/s10273-014-1642-5

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