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Noch in dieser Legislaturperiode soll der Länderfinanzausgleich neu geordnet werden. Da ab 2020 die Schuldenbremse den Ländern eine Neuverschuldung verwehrt, geht es dabei auch um eine Regelung der bis dahin aufgelaufenen Altschulden. Diese und die entsprechenden Zinsverpflichtungen belasten die Länder sehr unterschiedlich. Einzelne Modelle bieten Lösungen für die Altschuldenproblematik an, wobei der Bund und die Ländergemeinschaft unterschiedlich stark belastet werden. Eine Entlastung lässt sich darüber hinaus am ehesten durch eine Steuererhöhung finanzieren, da Ausgabenkürzungen im erforderlichen Umfang unrealistisch sind.

Zu einer der Schlüsselfragen für die anstehende Föderalismusreform entwickelt sich die Frage, wie mit den Altschulden der Bundesländer umzugehen ist. Da mit dem Inkrafttreten der Schuldenbremse im Jahr 2020 der Weg in die Neuverschuldung verbaut ist, werden alle Bundesländer infolge der Nivellierungswirkungen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs über ein ähnliches Einnahmeniveau pro Kopf verfügen. Denn es ist kaum zu erwarten, dass es bei der Neuverhandlung des Finanzausgleichs zu größeren Änderungen gegenüber dem heutigen Verteilungsmechanismus kommen wird. Trotz weitgehend gleicher Einnahmen wird sich aber das Niveau der damit finanzierbaren Ausgaben pro Kopf deutlich unterscheiden, weil die einzelnen Länder infolge ihrer höchst unterschiedlichen Altschulden teils beträchtlich mit Zinszahlungen belastet sind: In einigen hochverschuldeten Ländern (insbesondere Bremen und Saarland, aber auch Schleswig-Holstein und Berlin) betragen die Zinsausgaben 10% und mehr der laufenden Ausgaben insgesamt (vgl. Abbildung 1).

Das Problem wird sich dabei gegenüber dem heutigen Stand vermutlich sogar noch verschärfen, weil die gegenwärtig niedrigen Zinsen sicherlich nicht von Dauer sein werden. Hier liegt wohl eine Zeitbombe, die die Gewährleistung eines annähernd gleichen Angebots an öffentlichen Gütern und Leistungen in allen Bundesländern (als Kern der „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“) gefährdet. Hinzu kommt, dass in absehbarer Zeit auch die Versorgungslasten für frühere Staatsbedienstete eine Höhe erreichen werden, die die fiskalische Handlungsfähigkeit vieler Bundesländer deutlich einschränken dürfte.1

Abbildung 1
Zinsausgaben in Relation zu den laufenden Ausgaben, 2013
in %
36675.png

Quelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 4, Reihe 2, 2013; eigene Berechnungen.

Lösungsmöglichkeiten für das Altschuldenproblem

Eine naheliegende Lösung wäre es, den (hochverschuldeten) Ländern Zuschlagsrechte auf die von ihnen vereinnahmte Einkommensteuer einzuräumen, wobei die dadurch generierten Mehreinnahmen natürlich nicht dem Finanzausgleich unterliegen dürfen.2 Theoretisch könnten damit die Länder selbst die für den notwendigen Schuldendienst erforderlichen Mittel aufbringen. Zumindest soweit mit früherer Kreditaufnahme öffentliche (Infrastruktur-)Investitionen finanziert wurden, hätte diese Lösung zudem den Charme, dass die Einwohner der betreffenden Länder als primäre Nutznießer des auf diese Weise aufgebauten Infrastrukturkapitalstocks unmittelbar zur Finanzierung herangezogen werden könnten. Näheres Hinsehen zeigt jedoch, dass dieser Vorschlag höchst unrealistisch ist, denn die Zuschlagssätze wären so hoch anzusetzen, dass damit die hochverschuldeten Länder Mehreinnahmen von annähernd 50% (Berlin, Saarland und Sachsen-Anhalt) bzw. fast 75% (Bremen) erzielen müssten, was faktisch ausgeschlossen scheint (vgl. Abbildung 2). Hinzu kommt, dass die erforderlichen Steuerzuschläge gerade in den finanzschwachen Ländern vergleichsweise hoch ausfallen, auch wenn diese zum Teil eine niedrige Verschuldung aufweisen. Insoweit kann die Erhebung von Steuerzuschlägen bestenfalls als ein zusätzlicher (und eher symbolischer) Beitrag zur Lösung des Altschuldenproblems angesehen werden.3

Abbildung 2
Notwendiger Zuwachs der Einnahmen zur Deckung von Zins-/Tilgungsverpflichtungen
in % des Aufkommens der Einkommensteuer im jeweiligen Land
36685.png

Quelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 14, Reihe 2, 2013; eigene Berechnungen.

Will man eine signifikante Entlastung der (hoch-)verschuldeten Länder erreichen, so führt kein Weg an einer solidarischen Übernahme zumindest eines Teils der Zinsbelastungen durch den Bund oder die Ländergesamtheit vorbei. Zwar gibt es eine Reihe guter Gründe gegen eine solche Vergemeinschaftung von Schulden: die nachträgliche Rechtfertigung finanzpolitischen Fehlverhaltens der Vergangenheit verbunden mit einer (zumindest relativen) Schlechterstellung der Länder mit niedriger Verschuldung, die Aufweichung des Grundsatzes der „Unabhängigkeit der Haushaltsführung“ aus Art. 109 GG oder auch die Tatsache, dass der Bund ohnehin bereits mit hohen Altschulden (z.B. aus der ehemaligen DDR oder den EU-Rettungshilfen) belastet ist. Auch negative Anreizeffekte sind angesichts bestehender Umgehungsmöglichkeiten4 der Schuldenbremse denkbar und müssten gegebenenfalls durch regulatorische Maßnahmen ausgeschlossen werden. Dennoch muss konzidiert werden, dass die besonders stark durch Altschulden betroffenen Länder ohne derartige Hilfen ab 2020 vor der fiskalischen Handlungsunfähigkeit stehen dürften. Dies spricht für gemeinschaftliche Lösungen, freilich verbunden mit echten Gegenleistungen der begünstigten Länder.

Bereits im Zuge der Verhandlungen um die Föderalismusreform II wurden im politischen Raum hierzu eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet.5 Die einzelnen Vorschläge unterscheiden sich dabei im Wesentlichen in der Frage,

  • ob es zu einer tatsächlichen Zusammenfassung von Schulden der Länder in einem gemeinsamen Fonds kommen solle oder ob lediglich Zins- und/oder Tilgungshilfen gewährt werden sollen;
  • ob lediglich Landes- oder auch kommunale Schulden einbezogen werden sollen;
  • schließlich nach welchem Schlüssel die Mehrbelastungen verteilt werden sollten.

Letzten Endes konnte sich die Kommission damals aber aufgrund von Bedenken des Bundes wie auch einiger weniger stark verschuldeter Länder hinsichtlich einer möglichen finanziellen Überforderung lediglich auf die Gewährung gemeinschaftlich finanzierter Konsolidierungshilfen für fünf hochverschuldete Bundesländer (Saarland, Bremen, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) in Höhe von 800 Mio. Euro jährlich bis zum Jahr 2019 einigen. Da diese Zahlungen den begünstigten Ländern jedoch lediglich die Rückführung von laufenden Haushaltsfehlbeträgen erleichtern sollen, ist eine echte Altschuldenentlastung damit noch nicht erreicht.

Einige Entschuldungsmodelle

Im Folgenden werden eine Reihe von Modellen aus der aktuellen (politischen) Diskussion näher betrachtet und auf ihre fiskalischen (Umverteilungs-)Wirkungen hin untersucht:

  1. das Modell von Bovenschulte et al., das in seinem Kern eine Konkretisierung des von Scholz in die politische Diskussion eingebrachten Vorschlags ist:6 Hier werden die Zinslasten der Länder/Gemeinden durch den Bund übernommen; im Gegenzug verpflichten sich die Länder zu einer Tilgung ihrer jeweiligen Schulden innerhalb von 50 Jahren, wobei die Tilgungsleistungen primär aus den eingesparten Zinsausgaben finanziert werden sollen.
  2. das Modell von Heinemann:7 Der Vorschlag entspricht mit Blick auf die Übernahme der Zinszahlungen durch den Bund dem Modell von Bovenschulte et al., jedoch sollen die Tilgungsleistungen nach diesem Vorschlag von der Ländergesamtheit getragen werden. Der jeweilige Länderanteil ergibt sich dabei durch Anwendung der Verteilungsregelungen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs.
  3. das Modell von Carstensen:8 Hiernach werden die Zins- und Tilgungszahlungen grundsätzlich durch die Ländergesamtheit getragen, wobei der Finanzierungsbeitrag der einzelnen Länder durch ihren Anteil an der eingebrachten Schuld bzw. höchstens ihrem Anteil an der aggregierten Finanzkraft der Bundesländer (nach Finanzausgleich) determiniert ist. Verbleibende Beträge übernimmt auch hier der Bund.

Nachrichtlich werden die beiden erstgenannten Modelle dabei auch unter dem Aspekt untersucht, welche Änderungen sich ergeben, wenn nicht der Bund, sondern die Ländergesamtheit die Zinszahlungen übernimmt.

Den Berechnungen liegen die Angaben der Finanzstatistik (Kassenstatistik bzw. Schuldenstandsstatistik) für das Jahr 2012 zugrunde. Betrachtet werden dabei die Kernhaushalte von Ländern und Gemeinden; es wird nicht zwischen Kassenkrediten und regulärer Kreditmarktverschuldung unterschieden. 2012 beliefen sich die Zinszahlungen auf 22,5 Mrd. Euro. Ermittelt werden lediglich die jeweiligen Umverteilungseffekte im Basisjahr; eine Veränderung künftiger Zinsbelastungen durch Tilgungszahlungen oder durch Zinsänderungen wird nicht berücksichtigt. Sofern erforderlich, wird im Einklang mit den vorliegenden Entschuldungsmodellen eine Tilgung mit gleichbleibender Rate über einen Zeitraum von 50 Jahren angenommen; die jährliche Tilgungsrate beläuft sich damit auf 2% des anfänglichen Schuldenstands (dies entspricht einem Betrag von 13,3 Mrd. Euro). Außer Betracht bleibt, dass einzelne Länder bereits heute netto Schulden tilgen; hier geht es lediglich darum, die grundlegenden Verteilungswirkungen herauszuarbeiten. Dabei werden grundsätzlich die im Jahr 2012 geltenden Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes zugrundegelegt, allerdings mit der Modifikation, dass die fortgeschriebenen Einwohnerzahlen gemäß Zensus 2011 berücksichtigt werden.

Grundsätzlich gilt, dass eine Entlastung einzelner hochverschuldeter Länder von Zinsbelastungen nur möglich ist, wenn der Bund oder die Ländergemeinschaft deren Zinszahlungen ganz oder teilweise übernehmen. Entlastende Wirkungen aufgrund einer höheren Bonität oder einer höheren Effizienz des Schuldenmanagements bei Bündelung der Altschulden sind zwar denkbar, dürften aber in der Realität keine große Rolle spielen. Entscheidend für die Bewertung ist daher, wie die künftigen Zahlungsverpflichtungen (Zins- und gegebenenfalls Tilgungsleistungen) bei einer Vergemeinschaftung der Altschulden auf den Bund bzw. die einzelnen Länder aufgeteilt werden; hier sind beliebige Aufteilungsverhältnisse möglich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch eine formale Übernahme der Zahlungsverpflichtungen durch den Bund dann die Ländergesamtheit belastet, wenn im Gegenzug eine Anpassung der vertikalen Steuerverteilung (in erster Linie durch Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile zugunsten des Bundes/zulasten der Länder) erfolgt. Wie hoch die einzelnen Länder in diesem Fall belastet sind, ergibt sich aus den Verteilungsregeln des bundesstaatlichen Finanzausgleichs.

Ob eine vollständige Übernahme von Zinsverpflichtungen aus Altschulden erfolgt oder lediglich ein Teil vergemeinschaftet werden soll (z.B. die über die durchschnittliche Zinsbelastung aller Länder hinausgehenden Zinszahlungen oder jene Zinsen, die auf nicht durch Infrastrukturinvestitionen bedingten Kreditaufnahmen der Vergangenheit beruhen), ist dabei eine politisch zu entscheidende Frage, die natürlich für die quantitative Bewertung von erheblicher Bedeutung ist. Für die nachfolgenden Berechnungen wird – um die Extremwerte aufzuzeigen – jedoch eine vollständige Übernahme der Altschulden aller Länder unterstellt.

Verteilungswirkungen der ausgewählten Lösungsvorschläge

Die Vorschläge von Bovenschulte et al. sowie Heinemann zielen darauf ab, dass der Bund die Zinszahlungen für die Länder und ihre Kommunen vollständig übernimmt und hierfür keine Kompensation – beispielsweise durch Anpassung der Umsatzsteuerverteilung – erhält. Somit wäre der Bundeshaushalt im Basisjahr 2012 mit 22,5 Mrd. Euro (279 Euro/Einwohner) zusätzlich belastet. Die Länder wiederum wären – sieht man von einer weitergehenden Verpflichtung zur Tilgung zunächst einmal ab – entsprechend entlastet. Beide Modelle gehen aber von einer Verpflichtung der Länder zur Tilgung ihrer Schulden über einen Zeitraum von 50 Jahren aus (vgl. Tabelle 1, Spalte 1 und 2).9 Bei individueller Tilgung (Modell von Bovenschulte et al.) erfahren zwar alle Länder noch eine Entlastung von Schuldendienstausgaben, jedoch fallen diese – in Abhängigkeit vom jeweiligen Schuldenstand – geringer aus als im Falle ohne Tilgungsleistungen. Werden die Tilgungszahlungen hingegen von der Ländergesamtheit übernommen und entsprechend den Verteilungsregeln des Finanzausgleichs umgelegt (Heinemann-Vorschlag), so werden die gering verschuldeten Länder Bayern und Sachsen sogar zusätzlich belastet. Somit erscheint hier eine Kompensationsregel notwendig, will man diesen Vorschlag umsetzen. Die höchste Entlastung pro Kopf erfahren in beiden Modellen die hochverschuldeten Länder Bremen und Saarland sowie mit geringem Abstand auch Berlin, im Heinemann-Vorschlag allerdings rund doppelt so stark wie im Vorschlag von Bovenschulte et al., weil zusätzlich zur Zinsentlastung hier auch eine Entlastung von Tilgungszahlungen vorgesehen ist.

Tabelle 1
Belastungen (+) und Entlastungen (-) von Bund und Ländern in verschiedenen Altschuldenentlastungsmodellen
in Euro je Einwohner
Land Einbeziehung von Zins- und Tilgungszahlungen Einbeziehung nur von Zinszahlungen
  Boven­schulte et al. Heinemann Carstensen modifi­zier­tes Mo­dell von Boven­schulte et al. modifizier­tes Modell von Heine­mann analog Boven­schulte et al./Heine­mann analog Carstensen
  (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)
Baden-Württemberg -92 -19 61 184 257 -183 -30
Bayern -58 39 53 218 373 -125 -13
Brandenburg -94 -96 169 178 41 -256 11
Hessen -127 -156 127 150 68 -320 -39
Mecklenburg-Vorpommern -118 -103 128 153 26 -264 -18
Niedersachsen -118 -132 134 154 104 -293 -25
Nordrhein-Westfalen -109 -149 116 164 205 -310 -43
Rheinland-Pfalz -96 -157 105 176 44 -318 -52
Saarland -268 -424 -160 4 -14 -585 -318
Sachsen -62 58 6 209 126 -103 -34
Sachsen-Anhalt -152 -201 62 120 15 -362 -95
Schleswig-Holstein -147 -202 62 125 19 -363 -96
Thüringen -157 -163 99 115 22 -323 -58
Berlin -261 -412 -55 99 -16 -625 -267
Bremen -342 -722 -370 18 -22 -935 -580
Hamburg -216 -263 132 111 11 -455 -86
Bund 279 279 86 0 0 279 54

Quelle: Statistisches Bundesamt: Fachserie 4, Reihen 2 und 5, (Berichtsjahr 2012); eigene Berechnungen.

Denkbar ist es natürlich, die zusätzliche Belastung des Bundes dadurch zu mindern, dass die vergemeinschafteten Zinszahlungen ganz oder teilweise von der Ländergesamtheit übernommen werden und entsprechend den Verteilungsregeln des bundesstaatlichen Finanzausgleichs aufgeteilt werden (vgl. Tabelle 1, Spalte 4 und 5). Eine hypothetische Neuberechnung des Vorschlags von Bovenschulte et al., bei der die Zinszahlungen komplett bei der Ländergesamtheit verbleiben, zeigt, dass in diesem Falle beinahe alle Länder teils erhebliche Zusatzbelastungen hinzunehmen hätten; lediglich für das Saarland sowie für Bremen sind diese vernachlässigenswert. Etwas geringer sind die Zusatzbelastungen für die meisten Länder, wenn der Heinemann-Vorschlag entsprechend modifiziert wird; das Ziel eine spürbaren Zinsentlastung für die hochverschuldeten Länder wird aber auch hier nur noch ansatzweise erreicht. Zielführend (und politisch vorstellbar) sind angesichts dieses Bildes daher bestenfalls Lösungen, in denen die Belastungen zwischen Bund und Ländern in einem wie auch immer festgelegten Verhältnis aufgeteilt werden.

Alternativ kann – wie von Carstensen vorgeschlagen – die Aufteilung der Zins- und Tilgungsleistungen auf die einzelnen Länder grundsätzlich nach ihrer jeweiligen Finanzkraft vorgenommen werden (vgl. Tabelle 1, Spalte 3). Der Bund ist nach diesem Modell nur in dem Maße zu beteiligen, in dem die Zahlungen der Ländergemeinschaft nicht zur Deckung aller Zahlungsverpflichtungen ausreichen. Im Ergebnis kommt es bei diesem Vorschlag für fast alle Länder zu einer zusätzlichen Belastung gegenüber dem Status quo, weil zusätzlich zu den Zinsausgaben auch die Tilgungsleistungen zu schultern sind. Lediglich das Saarland sowie die Stadtstaaten Bremen und Berlin können eine Entlastung verzeichnen. Der Bund müsste nach diesem Modell Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 6,9 Mrd. Euro übernehmen. Mehrheitsfähig scheint dieser Vorschlag jedoch nicht, weil die meisten Länder – auch solche mit geringer Finanzkraft – gegenüber der gegenwärtigen Situation mit erheblichen Mehrbelastungen zu rechnen hätten.

Alle Modelle kämen dann zu einer günstigeren Entwicklung für die Länder, wenn auf Tilgungsleistungen verzichtet würde (vgl. Tabelle 1, Spalte 6 und 7): In den Vorschlägen von Bovenschulte et al. und Heinemann würden die Länder jeweils genau entsprechend ihrer heutigen Zins­ausgaben entlastet (der Bund allerdings entsprechend belastet); im Modell von Carstensen beliefe sich die Entlastung der Ländergesamtheit auf immerhin 4,3 Mrd. Euro (die vom Bund beizusteuern wäre), wobei nahezu alle Länder hiervon (wenn auch in unterschiedlichem Umfang) profitieren könnten. Allerdings würde der Verzicht auf Tilgungsleistungen auch bedeuten, dass die Zusatzbelastung des Bundes dauerhaft wären, weshalb kaum damit zu rechnen ist, dass sich der Bund hierauf einlassen würde.

Gegenfinanzierung

Eine Entlastung einzelner oder aller Länder von Zinszahlungen setzt voraus, dass andere deren Zahlungsverpflichtungen übernehmen. Insoweit bedarf es in jedem Falle einer Gegenfinanzierung durch Ausgabenkürzungen oder Steuermehreinnahmen. Nach Lage der Dinge scheint eine Lösung des Altschuldenproblems dabei nur erreichbar, wenn sich der Bund in signifikanter Höhe an den Zinsverpflichtungen der Länder beteiligt. Im Maximum würde der Bund dabei mit anfänglich 22,5 Mrd. Euro belastet. Der Betrag würde lediglich dann niedriger ausfallen, wenn ein Teil der Zinszahlungen bei den Ländern verbleibt – in diesem Falle sind beliebige andere Summen möglich, die nur politisch ausgehandelt werden können.

Es stellt sich somit die Frage, wie die benötigten Beträge aufgebracht werden können. Immer wieder genannt wird in diesem Zusammenhang der Solidaritätszuschlag als alleinige Bundessteuer; dessen Aufkommen belief sich 2013 auf 14,4 Mrd. Euro, und in den nächsten Jahren ist bei weiterhin günstiger Wirtschaftsentwicklung mit einem Zuwachs (auf annähernd 20 Mrd. Euro im Jahr 2020) zu rechnen. Zwar besteht politisch – nicht aber juristisch – ein Zusammenhang zwischen den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag und den (überproportionalen) Ausgaben für die neuen Länder, doch läuft der Solidarpakt II – mit einem Volumen von 11,9 Mrd. Euro im Jahr 2012 (7,3 Mrd. Euro in Korb 1; 4,6 Mrd. Euro in Korb 2) – in den kommenden Jahren sukzessive aus. Spätestens ab 2020 könnte das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag ausreichen, eine weitgehende (wenn auch nicht vollständige) Übernahme der Zinsen auf Altschulden durch den Bund abzudecken.

Das Problem hierbei liegt allerdings darin, dass eine Verwendung der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag schon für eine Vielzahl weiterer Zwecke diskutiert wird – so für Investitionen in die Infrastruktur oder die Übernahme kommunaler Sozialleistungen durch den Bund. Politisch ist es daher völlig offen, ob eine Umwidmung in dem hier diskutierten Sinne durchsetzbar ist. Hinzu kommt, dass eine dauerhafte Fortführung des Solidaritätszuschlags vermutlich auch juristisch angefochten werden würde.

Denkbar wäre alternativ auch eine Anhebung von Steuersätzen bei anderen Steuerarten. Hierfür kommen allein von ihrer Ergiebigkeit her lediglich die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer in Frage. So würde eine Steigerung des Aufkommens der Einkommensteuer um 1% Steuermehreinnahmen von immerhin 2,3 Mrd. Euro induzieren, die allerdings nach den bundesstaatlichen Verteilungsregeln zwischen allen drei föderalen Ebenen aufgeteilt werden müssen. Schätzungen zufolge wäre der erforderliche Betrag nur zu erzielen, wenn alle Grenzsteuersätze um ca. 3 Prozentpunkte angehoben würden und das Mehraufkommen bei Ländern und Gemeinden durch Veränderung der Umsatzsteuerverteilung auf den Bund übertragen würde.10 Ob sich für eine solche Steuererhöhung politische Mehrheiten finden, scheint jedoch fraglich.

Eher geeignet scheint demgegenüber eine Anpassung der Umsatzsteuersätze: Eine Anhebung sowohl des ermäßigten als auch des vollen Umsatzsteuersatzes um jeweils 1 Prozentpunkt würde rechnerisch zu einem Mehraufkommen von 10 Mrd. bis 12 Mrd. Euro führen (wovon allerdings nur rund die Hälfte auf den Bund entfällt). Bei einer Anhebung der Umsatzsteuersätze um 2 Prozentpunkte und einer entsprechenden Neujustierung der Verteilungsregeln in § 1 FAG ließe sich also der maximal erforderliche Betrag für den Bund einwerben. Alternativ wäre es auch denkbar, den ermäßigten Steuersatz (mit Ausnahme für Nahrungsmittel) abzuschaffen; dies würde ebenfalls Mehreinnahmen von rund 21 Mrd. Euro erbringen, die dann durch Anpassung des §1 FAG an den Bund übertragen werden müssten.11

Möglich wäre auch eine Reaktivierung der seit 1997 nicht mehr erhobenen Vermögensteuer in Deutschland. Bei einem Steuersatz von 1% und einem Freibetrag von 2 Mio. Euro würde diese unter Berücksichtigung von Ausweichreaktionen nach Schätzungen des DIW ein Aufkommen von knapp 12 Mrd. Euro erbringen.12 Allerdings ist die Vermögensteuer nach Art. 106 Abs. 2 GG eine Ländersteuer. Um den Bund zu entlasten, wäre also eine Änderung dieser grundgesetzlichen Vorschrift notwendig.

Zu prüfen sind auch Einsparmöglichkeiten des Bundes auf der Ausgabenseite; immerhin belaufen sich die Gesamtausgaben des Bundes (Kernhaushalte) 2013 auf 335 Mrd. Euro. Dennoch ist hier vor allzu großer Euphorie zu warnen, denn um eine vollständige Übernahme der Zinszahlungen der Länder durch den Bund zu finanzieren, müssten rund 6,7% der Ausgaben eingespart werden – was kaum möglich erscheint. Eine Kürzung von Ausgaben ist daher bestenfalls als ergänzender Beitrag zur Refinanzierung von Altschuldenhilfen möglich. Hier bieten sich am ehesten noch die Subventionszahlungen des Bundes an (Gesamtvolumen Finanzhilfen und Steuerermäßigungen 2013: 21,3 Mrd. Euro); auch dort sind aber nicht nur aus politischen Gründen weitergehenden Einsparungen enge Grenzen gesteckt.

Ein alternativer Vorschlag

Ein alternativer Vorschlag wurde vom Institut für den öffentlichen Sektor erarbeitet.13 Hiernach sollte aus dem gesamtwirtschaftlichen Steueraufkommen vorab ein Anteil von 0,2% des Vorjahres-Bruttoinlandsprodukts (steigend auf maximal 2%) zur Tilgung der Schulden von Bund und Ländern abgeführt werden. Die Zinszahlungen sollten hingegen – wenn auch bei zentraler Verwaltung – weiterhin von den jeweiligen Schuldnern zu tragen sein.

Im Jahr 2013 hätte der vorgeschlagene Tilgungsbeitrag einem Wert von 5,3 Mrd. Euro (0,8% des Steueraufkommens) entsprochen; die Schulden wären damit um 0,3% reduziert worden. Auch wenn nach den Vorstellungen der Autoren der für die Tilgung zur Verfügung gestellte Beitrag im Zeitablauf auf bis zu 2% steigen soll (was den Verfassern der Studie zufolge den Steuermehreinnahmen aufgrund der „kalten Progression“ entspräche), ist erkennbar, dass das grundlegende Problem der hohen Zinsbelastungen der Länder (und des Bundes) nur langfristig gelöst werden kann. Da die Steuermehreinnahmen aufgrund der „kalten Progression“ Mikrosimulationsergebnissen14 zufolge lediglich etwa 2 Mrd. bis 2,5 Mrd. Euro jährlich ausmachen, kann ein hinreichend hohes Aufkommen überdies nur generiert werden, wenn über einen längeren Zeitraum keine Anpassung des Einkommensteuertarifs erfolgt.

Fazit

Eine (politisch gewollte) Entlastung der hochverschuldeten Länder von Zinsverpflichtungen aus Altschulden ist ohne größere Umverteilungswirkungen zwischen den Ländern nur möglich, wenn der Bund bereit ist, hierfür zusätzliche Mittel zuzuschießen. Da die Bereitschaft des Bundes hierfür wohl nur dann zu erreichen sein wird, wenn sich die Länder im Gegenzug zu substanziellen Tilgungsanstrengungen verpflichten, werden die Entlastungswirkungen für die Länder jedoch geringer ausfallen als es den Einsparungen bei den Zinsausgaben entspräche: Bei einer Tilgungsrate von 2% jährlich und einem Zinssatz von derzeit rund 3½% würde die Belastung auf der aggregierten Länderebene aber immerhin um 40% abnehmen. Eine weitergehende Entlastung für einzelne Länder ist möglich, wenn andere Länder bereit sind, im Gegenzug einen höheren Anteil an den aggregierten Tilgungsverpflichtungen zu übernehmen.

Unabhängig davon, in welchem Umfang der Bund tatsächlich Zinsverpflichtungen der Länder übernimmt, bedarf es einer Bereitstellung entsprechender Finanzierungsmittel. Ausgabeneinsparungen oder eine Erhöhung der Einkommensteuersätze sind kaum geeignet, diesen Betrag einzubringen und können deshalb bestenfalls ergänzend herangezogen werden. Auch Mehreinnahmen aus der „kalten Progression“ reichen zumindest kurzfristig in ihrer Höhe nicht aus, die zusätzlichen Ausgaben des Bundes zu decken. Für eine Refinanzierung kommen insoweit nur eine Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes (außer für Nahrungsmittel) oder eine Anhebung aller Mehrwertsteuersätze um rund 2 Prozentpunkte (gekoppelt mit einer in ihrer Höhe entsprechenden Verschiebung der Umsatzsteueranteile von den Ländern zum Bund) oder eine Beibehaltung (und Umwidmung) des Solidaritätszuschlags infrage. Ebenfalls könnte eine Wiedereinführung der Vermögensteuer in Erwägung gezogen werden; in diesem Falle bedarf es allerdings weitergehender Veränderungen der Steuerverteilung.

Natürlich gibt es gute Gründe gegen eine solche gemeinschaftliche Übernahme von Zinsverpflichtungen für Altschulden. Die finanzielle Lage einiger Bundesländer ist allerdings inzwischen so angespannt, dass kaum erkennbar ist, wie sich diese ohne massive Einschränkungen des öffentlichen Leistungsangebots aus eigener Kraft aus ihrer Situation befreien könnten. Gerade weil die Frage einer Altschuldenentlastung im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung15 eng mit der Frage der Neugestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs verknüpft und eine Lösung bis zur Mitte der Legislaturperiode angekündigt ist, bedarf es nunmehr nicht länger einer Diskussion über das „ob“, sondern eher über das „wie“ einer entsprechenden Regelung. Eine Einigung hierzu kann jedoch nicht ohne Kenntnis der jeweiligen Verteilungswirkungen gefunden werden.

  • 1 Vgl. I. Deubel: Schuldenbremse und Finanzausgleich, in: ifo Schnelldienst, Nr. 1/2014, S. 43-51. Nach den dort angestellten Berechnungen dürften die Belastungen aus Zinsen und Versorgungsleistungen in den am höchsten belasteten Ländern im Jahr 2020 zwischen 20% und 30% der verfügbaren Einnahmen nach Finanzausgleich liegen.
  • 2 Eine ähnliche Idee liegt auch dem „Schuldentilgungspakt für Europa“ zugrunde, der vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2011/12 (Tz. 184 ff.) für die Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion vorgeschlagen wurde.
  • 3 Denkbar wäre überdies auch die Privatisierung von Beteiligungsvermögen der Länder/Gemeinden, um auf diese Weise Schulden zu tilgen. Allerdings liegen schon die Buchwerte der Beteiligungen bei hochverschuldeten Länder deutlich unterhalb des jeweiligen Schuldenstands; insoweit sind die erforderlichen Einnahmen für eine spürbare Schuldenentlastung hierdurch nicht zu erwirtschaften.
  • 4 Vgl. C. Fuest, M. Thöne: Durchsetzung der Schuldenbremse in den Bundesländern, Kurzstudie im Auftrag des Bayrischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Köln 2013.
  • 5 Vgl. zu den einzelnen Vorschlägen zusammenfassend: Die gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen: Die Beratungen und ihre Ergebnisse, Berlin 2010, S. 118 ff.
  • 6 Vgl. A. Bovenschulte, R. Hickel, C. Sieling: Raus aus der Altschuldenfalle, in: Weiterdenken…, H. 2, Kiel, Bremen 2013; sowie O. Scholz: Stabilität, Sicherheit und Handlungsfähigkeit – Strukturelle Lösung für das Problem der Altschulden der Länder, Hamburg 2012.
  • 7 Vgl. A. W. Heinemann: Lösung des Altschuldenproblems als Schlüssel für eine „Föderalismusreform III“?, Bremen 2012.
  • 8 Vgl. P. H. Carstensen: Weiterentwickelter Vorschlag des Landes Schleswig-Holstein zur Einrichtung eines Altschuldenfonds, Föderalismusreformkommission II, Kommissions-Drucksache, Nr. 106, 2008.
  • 9 Die Zinsbelastung des Bundes vermindert sich im Zeitablauf natürlich, wenn die Länder Schulden tilgen. Dem steht allerdings das Risiko von Zinserhöhungen am Kapitalmarkt entgegen.
  • 10 Eigene Schätzung nach H. Bardt, R. Brügelmann, J. Niehues, T. Schäfer: Alternative Möglichkeiten der steuerlichen Finanzierung der EEG-Kosten. Aufkommens- und Verteilungseffekte, Kurzgutachten, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln 2012.
  • 11 Vgl. ebenda.
  • 12 Vgl. S. Bach, M. Beznoska: Vermögensteuer: Erhebliches Aufkommenspotential trotz erwartbarer Ausweichreaktionen, in: DIW-Wochenbericht, Nr. 42/2012.
  • 13 Vgl. Institut für den öffentlichen Sektor: Runter vom Schuldenberg, Plädoyer für eine nachhaltige und transparente Finanzpolitik, Berlin 2011.
  • 14 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft: Kalte Progression: Mikrosimulationsanalyse der Auswirkungen inflationsbedingter Einkommensteuererhöhungen, Köln 2013.
  • 15 Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode, Berlin 2013, S. 67.

Title:Redistributional Effects of a Restructuring of German States’ Long-Standing Debt

Abstract:Due to large public deficits in the past, many German states face high interest payments in their budgets today. Therefore, a restructuring of this outstanding debt will be a major topic in forthcoming negotiations on the future design of the fiscal equalisation scheme. This article presents some proposals that are currently being discussed and calculates their redistributional effects between the federal government and the states. It is shown that all models would lead to a significantly higher burden for the federal budget. The only way to afford this is either to increase the value added tax rates or to keep the so-called solidarity surcharge that was originally introduced to finance transfers to East Germany.


DOI: 10.1007/s10273-014-1726-2