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Schließungen nicht wettbewerbsfähiger Betriebe sind ein wesentliches Element der Marktwirtschaft, werden aber oft kontrovers diskutiert. Wie hoch ist das Risiko einer Betriebsschließung überhaupt und wie hat es sich im Lauf der Zeit entwickelt? Welche Betriebe sind besonders gefährdet? Sterben Betriebe eher einen plötzlichen Tod oder zeichnen sich Betriebsschließungen oft schon Jahre im Voraus ab?

Wenn große, bekannte Unternehmen wie Quelle oder Schlecker schließen müssen, wird dies in den Medien meist intensiv diskutiert und von der Politik wegen der damit verbundenen Beschäftigungsverluste oft auch zu verhindern versucht. Das tägliche Sterben vieler kleiner und junger Betriebe findet dagegen weniger Aufmerksamkeit. Auch die wissenschaftliche Literatur zu Betriebsschließungen ist deutlich überschaubarer als die zu Betriebsgründungen, obwohl Gründungen und Schließungen für die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft gleichermaßen von Bedeutung sind. Bereits Schumpeter wies mit seinem Konzept der „schöpferischen Zerstörung“ darauf hin, dass Ein- und Austritte von Firmen wichtige Triebkräfte der Innovation, der Ressourcen(re)allokation und des Strukturwandels darstellen.1

Die bisherige Literatur zu Betriebsschließungen in Deutschland bezog sich meist nur auf relativ kurze Zeiträume und häufig nur auf Westdeutschland oder einzelne Bundesländer. Demgegenüber werden in diesem Artikel einige neue Erkenntnisse zu Betriebsschließungen in West- und Ostdeutschland vorgestellt, die auf verschiedenen Analysen umfangreicher administrativer Daten basieren und einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren umfassen.2 Neben dem Ausmaß von Betriebsschließungen werden wesentliche Einflussfaktoren und der Verlauf des Betriebssterbens thematisiert sowie einige politische Schlussfolgerungen gezogen.

Datenbasis

Um das Schließungsgeschehen in Deutschland möglichst umfassend und über einen langen Zeitraum hinweg abbilden zu können, wurde für die im Folgenden dargestellten empirischen Untersuchungen das Betriebs-Historik-Panel (BHP) verwendet, das vom Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur Verfügung gestellt wird. Das BHP entsteht durch die Aggregation von Personendaten, die aus dem Meldeverfahren zur Sozialversicherung stammen, auf Betriebsebene und enthält alle Betriebe, die mindestens einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben.3 Da jedem Betrieb eine Betriebsnummer zugewiesen wird, die sich normalerweise über die Zeit hinweg nicht ändert, können Gründungen und Schließungen anhand neu im Datensatz auftauchender bzw. verschwindender Betriebsnummern identifiziert werden. Ein potenzielles Problem besteht jedoch darin, dass bestimmte Ereignisse (z.B. Eigentümerwechsel oder Änderung der Rechtsform) dazu führen können, dass sich die Betriebsnummer ändert, obwohl der Betrieb weiterhin existiert. Um solche Betriebsnummernwechsel von echten Schließungen unterscheiden zu können, werden vom Forschungsdatenzentrum Zusatzmodule zur Betriebshistorik zur Verfügung gestellt, die auf einer Analyse von Beschäftigtenströmen in den zugrundeliegenden Personendaten basieren.4 Verschwindet beispielsweise eine Betriebsnummer in den Daten und ist annähernd die gesamte Belegschaft dieses Betriebes im nächsten Jahr in einem neu in den Daten auftauchenden Betrieb beschäftigt, so kann man davon ausgehen, dass es sich dabei um denselben Betrieb handelt.5 Die folgenden empirischen Auswertungen basieren auf einer repräsentativen 50%-Stichprobe des BHP und beschränken sich auf den privaten Sektor.

Abbildung 1
Jährliche Schließungsraten von Betrieben
in %
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Quelle: eigene Berechnungen auf Basis des Betriebs-Historik-Panels.

Entwicklung im Zeitablauf und im innerdeutschen Vergleich

Betriebsschließungen können anhand des BHP derzeit für den Zeitraum 1975 bis 2008 (Westdeutschland) bzw. 1993 bis 2008 (Ostdeutschland) zuverlässig abgebildet werden. Betrachtet man zunächst die Entwicklung der jährlichen Schließungsraten in Westdeutschland (vgl. Abbildung 1), so fällt auf, dass diese im Lauf der Zeit angestiegen sind. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre mussten jedes Jahr nur rund 6% der Betriebe im privaten Sektor schließen. In den 1980er Jahren betrugen die durchschnittlichen jährlichen Schließungsraten in der Regel zwischen 6% und 7%, in den 1990er Jahren meist zwischen 7% und 8%, und seit der Jahrtausendwende liegen sie stets über 8%. Detailliertere Auswertungen deuten darauf hin, dass der steigende Trend bei Betriebsschließungen nicht in erster Linie auf Veränderungen der Branchenstruktur oder der Betriebsgrößen im Zeitablauf zurückgeführt werden kann.6 Schwankungen, die konjunkturell verursacht wurden, finden sich nur vereinzelt. Lediglich die mit 9,4% verhältnismäßig hohe Schließungsrate im Jahr 2002 könnte auf den Abschwung der Jahre 2001 bis 2003 zurückzuführen sein. Zudem macht sich am Ende des Beobachtungszeitraums vermutlich der Einfluss der Großen Rezession 2008/2009 bemerkbar.

In Ostdeutschland liegen die Schließungsraten meist deutlich höher und weisen einen anderen zeitlichen Verlauf auf als in Westdeutschland. In den Jahren 1993 bis 1997 sind die Schließungsraten in Ostdeutschland ungefähr 3 Prozentpunkte höher als in Westdeutschland. Ein wesentlicher Grund hierfür ist vermutlich ein höherer Anteil junger Betriebe, da in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung zahlreiche neue Firmen gegründet wurden, die oft nicht lange überlebten (die Schließungen alter DDR-Unternehmen fanden meist schon vor 1993 statt). In den Jahren 1998 und 1999 ist ein starker Anstieg der Schließungsrate in Ostdeutschland zu beobachten. Da eine solche Entwicklung in Westdeutschland nicht zu erkennen ist, erscheint es plausibel, dies auf eine Politikänderung zurückzuführen, die Betriebe in Ost-, jedoch nicht in Westdeutschland betraf. Hierfür infrage kommt das Auslaufen des Fördergebietsgesetzes Ende 1998, dessen Ziel es war, durch steuerliche Anreize (Sonderabschreibungen in Höhe von bis zu 50%) Investitionen in ostdeutschen Betrieben zu fördern. Dabei handelte es sich um eine der teuersten Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung Ostdeutschlands. Ihr Auslaufen wirkte sich maßgeblich auf die Profitabilität und Liquidität ostdeutscher Betriebe aus und trug damit offenbar auch zum Anstieg der Schließungsraten von (vor allem kleineren) Betrieben in Ostdeutschland bei.7 Im Zeitraum 2000 bis 2008 nimmt der Unterschied in den Schließungsraten zwischen West- und Ostdeutschland deutlich ab und beträgt seit 2006 weniger als 1 Prozentpunkt.

Abbildung 2
Schließungsraten nach Branchen, 1993 bis 2008
in %
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Quelle: eigene Berechnungen auf Basis des Betriebs-Historik-Panels.

Welche Betriebe sind besonders schließungsgefährdet?

Die Schließungsraten der Betriebe variieren nicht nur im Zeitablauf, sondern unterscheiden sich auch deutlich zwischen den Branchen. Beschränkt man sich auf den Zeitraum 1993 bis 2008, in dem Daten für West- wie Ostdeutschland vorliegen, zeigt Abbildung 2, dass im Westen die durchschnittlichen Schließungsraten im Sektor Verkehr und Nachrichtenübermittlung am höchsten und im Bergbau am geringsten ausfallen. Im Osten sind dagegen Schließungen besonders selten in der Land- und Forstwirtschaft und besonders häufig im Handel und im Baugewerbe.8 Letzteres dürfte die abnehmende Bedeutung von Infrastrukturinvestitionen im ostdeutschen Transformationsprozess widerspiegeln.

Zum Teil reflektieren diese Branchenunterschiede auch Unterschiede in der Betriebsgröße, die einen wesentlichen Einfluss auf das Überleben von Betrieben hat. Eine gesicherte Erkenntnis aus der internationalen wie nationalen Literatur ist, dass kleine Betriebe eine höhere Schließungswahrscheinlichkeit aufweisen als größere (die sogenannte „liabilitiy of smallness“).9 Dies mag unter anderem damit zusammenhängen, dass kleinere Betriebe keine Größenvorteile in der Produktion realisieren können, stärkeren Finanzierungsbeschränkungen unterliegen sowie schwerer qualifizierte Arbeitskräfte und Manager anlocken und behalten können als Großbetriebe. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen, dass derartige Unterschiede im Betriebssterben auch in West- und Ostdeutschland zu beobachten sind. In Kleinbetrieben mit maximal fünf Beschäftigten liegen die durchschnittlichen Schließungsraten nicht selten im zweistelligen Bereich, während größere Betriebe mit mehr als 100 Mitarbeitern meist nur Schließungsraten von 1% bis 3% verzeichnen. Dieser Zusammenhang bestätigt sich auch in multivariaten Analysen, die neben der Betriebsgröße weitere Einflussfaktoren von Betriebsschließungen wie Branchenzugehörigkeit, Betriebsalter und Struktur der Belegschaft berücksichtigen. Für West- wie Ostdeutschland zeigt sich, dass die Schließungswahrscheinlichkeit mit steigender Betriebsgröße deutlich abnimmt.10

Abbildung 3
Schließungsraten nach Betriebsgrößenklassen (Zahl der Mitarbeiter), Westdeutschland
in %
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Quelle: eigene Berechnungen auf Basis des Betriebs-Historik-Panels.

Abbildung 4
Schließungsraten nach Betriebsgrößenklassen (Zahl der Mitarbeiter), Ostdeutschland
in %
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Quelle: eigene Berechnungen auf Basis des Betriebs-Historik-Panels.

Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor des Betriebssterbens ist das Alter eines Betriebes. Schon lange ist bekannt, dass neue bzw. junge Betriebe eine überdurchschnittlich hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen, die ersten Jahre nach ihrer Gründung nicht zu überleben („liability of newness“).11 Gründe dafür mögen unter anderem sein, dass neue Betriebe zunächst einmal effiziente Betriebsabläufe einrichten sowie Beziehungen zu Kunden und Lieferanten aufbauen müssen oder dass sie größere Finanzierungsprobleme haben als etablierte ältere Betriebe. Abbildung 5 zeigt, dass es in West- wie Ostdeutschland deutliche Unterschiede im Schließungsverhalten nach Betriebsalter gibt. In jungen Betrieben, die maximal fünf Jahre alt sind, liegen die Schließungsraten ungefähr doppelt so hoch wie im Durchschnitt der älteren Betriebe. Ein deutlich erhöhtes Sterberisiko von jungen Betrieben zeigt sich auch in multivariaten Analysen, die weitere Einflussfaktoren von Betriebsschließungen einbeziehen und dabei auch berücksichtigen, dass junge Betriebe meist zugleich auch klein sind. Zusätzlich zu dem oben beschriebenen Nachteil einer kleinen Betriebsgröße stellt also ein geringes Betriebsalter einen weiteren Risikofaktor dar, der das Überleben eines Betriebes weniger wahrscheinlich macht. Allerdings zeigt eine genauere Betrachtung, dass der Zusammenhang von Betriebsalter und Schließungswahrscheinlichkeit etwas komplexer ist. Eine ökonometrische Analyse für Westdeutschland deutet darauf hin, dass die Schließungswahrscheinlichkeit eines Betriebes insbesondere in den ersten fünf Jahren stark sinkt, für Betriebe, die zwischen 15 und 18 Jahre alt sind, am niedrigsten ist und danach wieder zunimmt. So ist das Sterberisiko eines Betriebes, der älter als 25 Jahre ist, in etwa so hoch wie das eines sechs Jahre alten Betriebes.12 Diese Zunahme der Schließungswahrscheinlichkeit für ältere Betriebe („liability of aging“) mag auf zunehmende Verkrustungen, überholte Strukturen und entsprechende Ineffizienzen in älteren Betrieben zurückzuführen sein.13

Neben der Größe und dem Alter eines Betriebes scheint auch die Struktur seiner Belegschaft eine Rolle für sein Überleben zu spielen. Betriebe mit besser qualifizierten Mitarbeitern weisen im Allgemeinen niedrigere Schließungswahrscheinlichkeiten auf als solche mit einer gering qualifizierten Belegschaft. Gleiches gilt für Betriebe mit einem höheren Frauenanteil an der Belegschaft. Beide Zusammenhänge sind in jungen Betrieben besonders ausgeprägt.14

Abbildung 5
Schließungsraten nach Betriebsalter
in %
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Quelle: eigene Berechnungen auf Basis des Betriebs-Historik-Panels.

Beschäftigungsentwicklungen vor der Schließung

Ein weitere interessante Frage ist, ob Betriebsschließungen eher plötzlich und unerwartet stattfinden (wie im Fall Schlecker) oder ob bereits einige Zeit vor der Schließung Entwicklungen vonstatten gehen (wie z.B. eine sinkende Produktivität oder Beschäftigtenzahl), die auf eine baldige Schließung hindeuten. Tabelle 1 zeigt Beschäftigungswachstumsraten schließender Betriebe in den letzten fünf Jahren vor der Schließung verglichen mit einer Kontrollgruppe überlebender Betriebe mit ähnlichen Eigenschaften, die anhand eines Matching-Ansatzes gebildet wurde. Die Periode t stellt dabei das Schließungsjahr dar.15 Es zeigt sich sowohl für West- als auch für Ostdeutschland, dass die Beschäftigtenzahl bereits mehrere Jahre vor der Schließung sinkt und dass dieser Effekt mit dem Herannahen der Schließung immer stärker wird. So schrumpft die Belegschaft schließender Betriebe im letzten Jahr vor der Schließung um ca. 40%.

Tabelle 1
Beschäftigungswachstumsraten schließender und überlebender Betriebe
in %
Periode Westdeutschland Ostdeutschland
Schließende Betriebe Über-
lebende Betriebe
Differenz Schließende Betriebe Über-
lebende Betriebe
Differenz
t, t-1 -40,35 -0,49 -39,86 -39,98 -3,82 -36,16
t-1, t-2 -12,69 0,20 -12,89 -15,46 -2,53 -12,93
t-2, t-3 -7,54 0,54 -8,09 -9,31 -1,65 -7,66
t-3, t-4 -5,15 0,81 -5,96 -5,46 0,28 -5,74
t-4, t-5 -4,16 0,13 -4,30 -3,65 2,87 -6,52
N 62,674 62,674 --- 5,401 5,401 ---

Anmerkungen: Westdeutschland 1980 bis 2003, Ostdeutschland 1998 bis 2003, privater Sektor ohne Landwirtschaft und Bergbau, Betriebe mit mindestens zehn Beschäftigten in t-5.

Quelle: D. Fackler, C. Schnabel, J. Wagner: Lingering illness or sudden death? Pre-exit employment developments in German establishments, in: Industrial and Corporate Change, 23. Jg. (2014), H. 4, S. 1130.

Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass sich die mit Betriebsschließungen verbundenen Beschäftigungsverluste üblicherweise über mehrere Jahre erstrecken und nicht in für alle Beteiligten unerwarteten Massenentlassungen gipfeln. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sowohl das Management als auch die Beschäftigten lange davor auf eine drohende Schließung reagieren. So wäre beispielsweise denkbar, dass die Geschäftsleitung versucht, durch einen Beschäftigungsabbau die wirtschaftliche Lage eines Betriebes zu verbessern, oder dass sich Beschäftigte angesichts eines drohenden Arbeitsplatzverlustes bereits frühzeitig um eine neue Stelle bemühen. Diese Überlegungen lassen vermuten, dass ein Rückgang der Beschäftigung vor der Schließung auch mit Veränderungen der Beschäftigtenstruktur verbunden ist. Empirische Ergebnisse für Deutschland zeigen, dass vor der Schließung von Betrieben im Durchschnitt das Qualifikationsniveau, das Alter der Belegschaft sowie der Frauenanteil ansteigen.16 Der Anstieg des Qualifikationsniveaus könnte auf den Versuch hindeuteten, höher qualifizierte Arbeitnehmer im Betrieb zu halten und bevorzugt geringer qualifizierte zu entlassen. Der Anstieg des Durchschnittsalters der Belegschaft sowie der steigende Frauenanteil sind vermutlich Ausdruck einer geringeren Fluktuationsneigung von älteren Arbeitnehmern bzw. Frauen.17

Fazit und Ausblick

Die Auswertungen des Betriebs-Historik-Panels haben gezeigt, dass Betriebsschließungen in Westdeutschland seit 1975 tendenziell zugenommen haben und dass sie in den neuen Bundesländern lange Zeit deutlich häufiger waren als in den alten. Die Wahrscheinlichkeit von Betriebsschließungen variiert zwischen den Branchen und zwischen verschiedenen Gruppen von Betrieben. Kleine und junge Betriebe weisen ein besonders hohes Risiko der Schließung auf, wohingegen Betriebe mit überdurchschnittlich qualifizierten Mitarbeitern deutlich seltener sterben. Betriebsschließungen kommen selten völlig unerwartet, sondern werfen meist in Form eines schleichenden Beschäftigungsabbaus und von Veränderungen der Belegschaftsstruktur deutliche Schatten voraus.

Durch die Analyse umfangreicher administrativer Daten konnten einige Aspekte von Betriebsschließungen genauer beleuchtet werden als bisher möglich, doch sollen gewisse Beschränkungen der hier vorgestellten empirischen Analysen nicht außer Acht bleiben. Zum einen ist zu beachten, dass in den verwendeten Daten nur Betriebe mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten enthalten sind und Betriebe, die von Solo-Selbständigen geführt werden, somit nicht in die Untersuchung einbezogen werden konnten. Zum anderen konnte nicht zwischen freiwilligen Schließungen und Schließungen aufgrund von Insolvenzen unterschieden werden. In einer aktuellen Studie verknüpfen Müller und Stegmaier das BHP mit administrativen Daten, anhand derer Insolvenzen identifiziert werden können (Daten zum Insolvenzgeld, Meldung von Entlassungen infolge einer Insolvenz an die Sozialversicherungsträger, Insolvenzbekanntmachungen).18 Sie finden unter anderem heraus, dass Insolvenzen zum größten Teil in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten stattfinden und dass die Mehrzahl der insolventen Betriebe nicht älter als fünf Jahre ist. Die für diese Studie verwendeten Daten stehen externen Wissenschaftlern allerdings (noch) nicht zur Verfügung.

Auch wenn unsere Analysen deutliche Hinweise liefern, dass bestimmte Gruppen von Betrieben (insbesondere kleine, junge und früher auch ostdeutsche Betriebe) besonders häufig schließen müssen, sollte daraus nicht vorschnell der Schluss gezogen werden, hier müssten politische Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Solche Maßnahmen sind im Allgemeinen nur gerechtfertigt, wenn ein Marktversagen vorliegt (z.B. wenn junge Betriebe am Kapitalmarkt diskriminiert werden), nicht aber wenn die Geschäftsideen solcher Betriebe sich als nicht wettbewerbsfähig erweisen. Wenn Politiker entscheiden wollen, welche der sehr heterogenen jungen, kleinen oder ostdeutschen Betriebe subventioniert werden sollen, gleichen sie oft Glückspielern mit einer unbekannten Gewinnchance und verschwenden zudem aufgrund von (kaum vermeidbaren) Mitnahme- und Substitutionseffekten öffentliche Mittel.

Betriebsschließungen sind aus der Sicht von Politikern, Kapitaleignern und betroffenen Arbeitnehmern höchst unwillkommen und oft auch sehr schmerzhaft. Aus ökonomischer Sicht stellen sie aber ein wichtiges Element des Selektionsprozesses und des Strukturwandels dar, das wirtschaftspolitisch nicht konterkariert werden sollte. Dennoch gibt es Ansatzpunkte für politische Maßnahmen, wie z.B. bessere Möglichkeiten einer Sanierung im Falle einer Insolvenz sowie eine Verbesserung des Zugangs zu Kapital für junge Betriebe.19 Nicht zuletzt sollte die Politik versuchen, etwaige Marktzutrittsbeschränkungen abzubauen, so dass neben der „schöpferischen Zerstörung“ auch die Gründung neuer Unternehmen den wirtschaftlichen Wandel voranbringen kann.

  • 1 Vgl. J. A. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, München 1950.
  • 2 Zum großen Teil stammen diese Erkenntnisse aus dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt „Betriebsschließungen in Deutschland: Umfang, Verlauf und Einflussfaktoren“ (SCHN 730/5-1 bzw. WA 610/5-1).
  • 3 Eine ausführliche Beschreibung des Betriebs-Historik-Panel findet sich in A. Spengler: The Establishment History Panel, in: Schmollers Jahrbuch, 128. Jg. (2008), H. 3, S. 501-509.
  • 4 Vgl. T. Hethey-Maier, J. F. Schmieder: Does the Use of Worker Flows Improve the Analysis of Establishment Turnover? Evidence from German Administrative Data, in: Schmollers Jahrbuch, 133. Jg. (2013), H. 4, S. 477-510.
  • 5 Eine genauere Erläuterung der Identifikation von Betriebsschließungen im BHP findet sich in D. Fackler, C. Schnabel, J. Wagner: Establishment exits in Germany: the role of size and age, in: Small Business Economics, 41. Jg. (2013), H. 3, S. 683-700.
  • 6 Ebenda.
  • 7 Vgl. D. Fackler: Establishment Survival in East and West Germany: A Comparative Analysis, in: Schmollers Jahrbuch, im Erscheinen.
  • 8 Bei der Interpretation der Schließungsraten ist zu beachten, dass diese im Bergbau und in der Landwirtschaft stark politisch beeinflusst sein dürften (z.B. durch Subventionen und Betriebsaufgabeprogramme). Deshalb werden diese Sektoren in den im Folgenden diskutierten ökonometrischen Analysen ausgeschlossen.
  • 9 Vgl. z.B. P. A. Geroski: What do we know about entry?, in: International Journal of Industrial Organization, 13. Jg. (1995), H. 4, S. 421-440; und H. Strotmann: Entrepreneurial survival, in: Small Business Economics, 28. Jg. (2007), H. 1, S. 87-104.
  • 10 Vgl. D. Fackler, C. Schnabel, J. Wagner: Establishment exits …, a.a.O.; und D. Fackler, a.a.O.
  • 11 Vgl. z.B. A. Stinchcombe: Social structure and organizations, in: J. G. March (Hrsg.): Handbook of Organizations, Chicago 1965, S. 142-193; und J. Wagner: Firmenalter und Firmenperformance: Empirische Befunde zu Unterschiede zwischen jungen und alten Firmen in Deutschland, in: L. Bellmann, J. Wagner (Hrsg.): Betriebsdemographie, Nürnberg 2006, S. 83-111.
  • 12 Vgl. D. Fackler, C. Schnabel, J. Wagner: Establishment exits …, a.a.O.
  • 13 Vgl. D. N. Barron, E. West, M. T. Hannan: A time to grow and a time to die: growth and mortality of credit unions in New York City, 1914-1990, in: American Journal of Sociology, 100. Jg. (1994), H. 2, S. 381-421.
  • 14 Vgl. D. Fackler, C. Schnabel, J. Wagner: Establishment exits …, a.a.O.
  • 15 Für eine genauere Erläuterung der methodischen Vorgehensweise siehe D. Fackler, C. Schnabel, J. Wagner: Lingering illness or sudden death? Pre-exit employment developments in German establishments, in: Industrial and Corporate Change, 23. Jg. (2014), H. 4, S. 1121-1140.
  • 16 Da hier Betriebe fünf Jahre vor der Schließung einer Kontrollgruppe mit gleichem Frauenanteil und Qualifikationsniveau gegenübergestellt werden, stehen diese Ergebnisse nicht im Gegensatz zu den oben erwähnten Erkenntnissen, dass Betriebe mit vielen Frauen und besser qualifizierten Mitarbeitern im Allgemeinen eine geringere Schließungswahrscheinlichkeit aufweisen.
  • 17 Vgl. D. Fackler, C. Schnabel, J. Wagner: Lingering illness ..., a.a.O. Untersuchungen der Folgen von Entlassungen für betroffene Arbeitnehmer können also nicht davon ausgehen, dass es sich bei den Entlassenen um eine Zufallsauswahl von Arbeitnehmern handelt, wie dies in vielen Studien bisher angenommen wird.
  • 18 Vgl. S. Müller, J. Stegmaier: Economic failure and the role of plant age and size, in: Small Business Economics, online 14.11.2014.
  • 19 Vgl. J. Egeln, U. Falk, D. Heger, D. Höwer, G. Metzger: Ursachen für das Scheitern junger Unternehmen in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Mannheim, Neuss 2010.

Title:What Do We Know About Company Shutdowns? Findings for West and East Germany

Abstract:This paper reports the results of several investigations into the determinants of company shutdowns using administrative data for Germany. We show that between 1975 and 2008, the average shutdown rate has risen considerably in western Germany. For most of the time, shutdown rates in eastern Germany were higher, but they have converged to the western level recently. The shutdown risk falls with company size and is substantially higher for young companies. Shutdown rates initially decline as companies age, reaching a minimum at ages 15 to 18, and then rise again. Companies begin to shrink several years before closure, and the remaining workforce becomes on average more skilled, more female and older in companies about to close compared to surviving ones.

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DOI: 10.1007/s10273-015-1791-1