Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Für das vergangene Jahr 2015 wird mit einem mäßigen Aufschwung gerechnet, der sich auch 2016 fortsetzt. Nach wie vor gefährden geopolitische Risiken und die nachlassende konjunkturelle Dynamik in den Schwellenländern die Entwicklung der Ausfuhren, der geringe Ölpreis und der niedrige Eurowechselkurs werden aber positiv bewertet. Binnenwirtschaftlich wird von der Digitalisierung der Industrie viel erwartet, die geringen Investitionen und die aufgrund der Energiewende gestiegenen Energiekosten stellen sich aber als ein Problem dar. Die Versicherungswirtschaft leidet nach wie vor unter den niedrigen Zinssätzen.

Deutsche Automobilindustrie steigert 2015 Absatz, Umsatz, Produktion, Export und Beschäftigung

Das Autojahr 2015 wurde vor allem von der positiven Entwicklung in den drei großen Automobilmärkten – Westeuropa, USA und China – geprägt. Sie sorgen dafür, dass der Pkw-Weltmarkt 2015 zugelegt hat – um 1% auf 76,9 Mio. Einheiten. Der US-Markt überschritt die 17-Mio.-Marke und wuchs um 5% auf 17,2 Mio. Light Vehicles. Das ist der höchste Wert seit 2000; er zeigt die Vitalität des nordamerikanischen Marktes. China hat im vergangenen Jahr ein Auf und Ab erlebt. Die besonders hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre sind wohl vorbei, doch bleibt dieser weltweit größte Pkw-Markt weiterhin auf Wachstumskurs, wenn auch mit geringerer Geschwindigkeit. 2015 stieg das Marktvolumen dennoch auf über 19 Mio. Pkw. Die eigentliche Überraschung war Westeuropa: Der Markt legte 2015 um satte 7% auf fast 13 Mio. Pkw zu. Damit hatte vor zwölf Monaten niemand gerechnet.

Westeuropa kam 2015 also auf breiter Front wieder voran. Die fünf größten Automobilländer in Westeuropa waren durchweg im Plus: Deutschland wuchs um 4%, Frankreich um 5%. Großbritannien erreichte mit einem Zuwachs von 6% ein neues Rekordniveau. Italien und Spanien wuchsen jeweils zweistellig. Auch die kleineren westeuropäischen Märkte setzten ihren Erholungskurs fort, wie etwa Portugal (+26%) oder Irland (+25%) zeigen.

Doch es gibt andere Länder, die die Weltautomobilkonjunktur bremsten. Dazu gehörten vor allem Russland ­(-35%) und Brasilien (-20%). Auch in Japan war ein Rückgang zu verzeichnen.

In Deutschland stiegen die Pkw-Neuzulassungen im Gesamtjahr 2015 auf knapp 3,2 Mio. (+4%). Damit setzte sich das leichte Wachstum des vergangenen Jahres fort. Die Pkw-Inlandsproduktion erhöhte sich im Gesamtjahr auf 5,7 Mio. (+2%), das war der dritte Zuwachs in Folge. Die Auslandsproduktion stieg 2015 leicht auf 9,45 Mio. Pkw (+1%). Die Welt-Pkw-Produktion der deutschen Konzernmarken überschritt damit erstmals die 15-Mio.-Marke.

Beim Export brachte 2015 ebenfalls ein Plus von 2% auf 4,4 Mio. Neuwagen. Die Exportquote betrug 77%. Damit gingen gut drei von vier Autos, die in Deutschland produziert wurden, in andere Länder. Getragen wird die Exportnachfrage von Westeuropa und den USA.

Erfreulich ist die Beschäftigungssituation der Automobilindustrie am Standort Deutschland: Zuletzt waren 800 800 Mitarbeiter in den Stammbelegschaften beschäftigt, das sind rund 17 000 Personen mehr als vor einem Jahr. Der Zuwachs ist in allen drei Herstellergruppen zu beobachten – bei den Automobilherstellern, den Zulieferern und der Trailer-Industrie. So erhöhte sich die Beschäftigtenzahl bei den Zulieferern um 5100 auf 303 300 Mitarbeiter. Der Umsatz der deutschen Automobilindustrie stieg bis September um rund 11% auf 300 Mrd. Euro.

Doch es gibt durchaus Wolken am Horizont, die das strahlende Bild eintrüben könnten: Die expansive Geldpolitik der EU und der niedrige Ölpreis überdecken manche Strukturschwäche. Und der Gesetzentwurf, den Bundesarbeitsministerin Nahles zu Zeitarbeit und Werkverträgen vorgelegt hat, birgt Risiken für den Standort Deutschland und seine Arbeitsplätze. In der Automobilindustrie wären davon besonders die Entwicklungsdienstleister betroffen. Die Unternehmen brauchen aber die notwendige Flexibilität, um auf Marktschwankungen reagieren zu können. Auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr Autos an internationalen Standorten gefertigt werden, muss die Politik selbst ein Interesse daran haben, den Produktionsstandort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten.

Ein Blick auf das Nutzfahrzeug: Sehr positiv ist die Entwicklung des westeuropäischen Nutzfahrzeugmarktes (über 6 t), der 2015 um 10% auf rund 251 000 Einheiten zulegte. Getragen wurde das Wachstum vor allem von der Dynamik in Südeuropa und Großbritannien. In Deutschland erhöhte sich das Marktvolumen moderat um 2% auf 81 200 Einheiten. Die Effizienz moderner Nutzfahrzeuge ist beeindruckend. Erst kürzlich konnte in einem Praxisversuch nachgewiesen werden, dass sich der Dieselverbrauch mit einem ganzheitlich optimierten Truck schon heute um bis zu 14% senken lässt.

Insgesamt betrachtet, hat sich das Automobiljahr 2015 – trotz zahlreicher Turbulenzen – in stabiler Aufwärtsbewegung gezeigt: Die Branche hat Absatz, Umsatz, Produktion, Export und Beschäftigung gesteigert. Noch nie haben die deutschen Automobilhersteller weltweit so viele Autos gebaut wie in diesem Jahr. Doch für uns ist das kein Grund, um in Jubelstürme auszubrechen.

Ein Blick in die Zukunft

Wir richten den Blick nach vorn. Denn wir wissen: Der Gegenwind wird stärker, die Herausforderungen nehmen im kommenden Jahr zu. Die Weltkonjunktur hat viele Unwägbarkeiten, die politischen Spannungen im Nahen und Mittleren Osten wachsen, der Kampf gegen den Terror fordert die Industriestaaten besonders. Daher sind alle Prognosen für das kommende Jahr unter der Annahme getroffen, dass die Rahmenbedingungen sich nicht verschlechtern. Dann kann der Pkw-Weltmarkt 2016 nach unserer Erwartung um 2% auf 78,1 Mio. Einheiten zulegen. Und die drei großen Automobilmärkte – Westeuropa, USA und China – werden auch im nächsten Jahr wachsen. Doch der Weg wird steiniger. Der US-Markt wird 2016 aller Voraussicht nach um 1% auf 17,4 Mio. Light Vehicles steigen. In China erwarten wir ein Plus von 2% auf 19,5 Mio. Pkw. Und für Westeuropa rechnen wir 2016 mit einem Zuwachs von 1% auf knapp 13,1 Mio. Einheiten.

Warum fällt das Wachstum in Westeuropa so verhalten aus? Großbritannien hat eine über dreijährige Hochlaufphase hinter sich, da gibt es kaum noch Spielraum nach oben. In Italien und Frankreich wird sich die Erholung mit geringerer Drehzahl fortsetzen. In Spanien erwarten wir eher eine Seitwärtsbewegung. Russland sollte im kommenden Jahr das bereits sehr niedrige Niveau von 2015 halten können. In Brasilien gehen die Minusraten aller Voraussicht nach zumindest in den einstelligen Bereich zurück (-5%). Natürlich steckt in der Prognose für Russland und Brasilien auch ein Quäntchen Hoffnung.

Der westeuropäische Nutzfahrzeugmarkt (über 6 t) dürfte 2016 um 5% auf 262 400 Einheiten steigen, für Deutschland erwarten wir einen Zuwachs von 1% auf 82 000 Fahrzeuge. Das sind ordentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche 66. Internationale Automobil-Ausstellung IAA Nutzfahrzeuge, die im September in Hannover stattfindet.

Wenn es keine Verschlechterungen bei den Rahmenbedingungen gibt, wird der deutsche Pkw-Markt 2016 leicht auf rund 3,2 Mio. Neuzulassungen zulegen. Beim Export rechnen wir mit einem Zuwachs von 1% auf knapp 4,5 Mio. Pkw. Die Inlandsproduktion dürfte ebenfalls um 1% auf rund 5,8 Mio. Einheiten steigen. Bei Umsatz und Beschäftigung erwarten wir eine stabile Entwicklung. Die Auslandsproduktion wird voraussichtlich ein Volumen von 9,7 Mio. Pkw erreichen (+3%).

Dieseltechnologie für Klimaschutz wichtig

Die Manipulationen an Dieselmotoren bei Volkswagen haben die Automobilindustrie in diesem Jahr besonders beschäftigt. Keine Frage: Dieser Missbrauch hat Vertrauen gekostet – in das betroffene Unternehmen, in die gesamte Branche und nicht zuletzt in die Dieseltechnologie. Wir nehmen das sehr ernst. Die Geschehnisse widersprechen dem Selbstverständnis der Automobilindustrie. Der Missbrauch von Software, um Abgaswerte zu schönen, kann nicht akzeptiert werden. Volkswagen hat zusagt, dieser Vertrauenskrise mit maximaler Transparenz und einer schnellen und lückenlosen Aufklärung zu begegnen. Daran wird intensiv gearbeitet, erste Ergebnisse liegen vor. Das ist richtig und notwendig. Und ebenso wichtig ist natürlich, dass die CO2- und Verbrauchswerte auf dem Prüfstand zur Zertifizierung korrekt ermittelt werden.

Allerdings wenden wir uns gegen jeden Versuch, Automobilindustrie und Diesel unter Generalverdacht zu stellen. Der Diesel ist kein Auslaufmodell, ganz im Gegenteil: Er ist notwendig zur Erreichung der CO2-Ziele. Denn er verbraucht 20% weniger Kraftstoff als ein Benziner – und seine CO2-Emissionen sind im Schnitt um 10% niedriger. Keine Frage – der bisherige Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ-Normzyklus) ist in die Jahre gekommen. Deshalb sprechen wir uns auch für den neuen Normzyklus Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedures (WLTP) aus, der näher an der Realität sein wird. Klar ist aber auch, dass es – physikalisch-technisch bedingt – auch künftig Unterschiede zwischen einem „CO2-Laborwert“ und dem auf der Straße geben wird. Der Spritverbrauch und damit die CO2-Emissionen hängen im „echten Leben“ von vielen Faktoren ab. Und ebenso klar ist, dass die Abgas­emissionen, insbesondere die Stickoxidemissionen, im normalen Straßenverkehr nicht die sein können, die auf dem Rollenprüfstand erreicht werden. Fahrverhalten und Fahrprofil sind einfach zu unterschiedlich. Hinzu kommen Messtoleranzen.

Umso wichtiger ist es, dass die EU nun ein zusätzliches Testverfahren „Real Driving Emissions“ (RDE) beschlossen hat, mit dem die Abgasemissionen ab 2017 auf der Straße gemessen werden, zusätzlich zum Labor. Wir begrüßen RDE, allerdings müssen auch hier die Rahmenbedingungen stimmen. Die Vorgaben sind ambitioniert.

Die deutsche Automobilindustrie ist führend in der Dieseltechnologie. Und sie ist weltweit Marktführer in dieser Antriebsart. Jeder zweite Neuwagen, der in Westeuropa verkauft wird, ist ein Diesel. Und jeder zweite Diesel, der in Westeuropa verkauft wird, kommt von deutschen Herstellern. Mit der modernsten Abgasnachbehandlungstechnologie – NOx-Speicherkat und SCR – erfüllt der Euro-6-Diesel die strengsten Abgasnormen, auch bei Stickoxiden. Es wäre daher umwelt- und klimapolitisch ein großer Fehler, wenn der Diesel in Misskredit geraten würde. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wer den Klimaschutz ernst nimmt, muss für eine rasche Durchdringung des Marktes mit modernen Euro-6-Diesel sein.

Innovationen und Elektromobilität

Unsere Unternehmen setzen ihren Innovationskurs unvermindert fort. Rund 34 Mrd. Euro investiert die deutsche Automobilindustrie pro Jahr weltweit in Forschung und Entwicklung, davon über 50% am Standort Deutschland. Das ist ein gutes Drittel der gesamten industriellen Forschungsleistung im Inland. Ein Großteil dieser Investitionen fließt in die Umsetzung der Fächerstrategie. Die Automobilindustrie setzt also nicht nur auf eine bestimmte Antriebsart, sondern investiert in die gesamte Palette: von der Optimierung der klassischen Antriebe über Plug-in-Hybrid und rein batterie-elektrische Fahrzeuge bis hin zu Wasserstoff und Brennstoffzelle.

Bei der Elektromobilität ist die Automobilindustrie, was die Frage „Leitanbieter“ betrifft, sehr gut vorangekommen. Unsere Hersteller bieten zahlreiche Serienmodelle mit elektrischem Antrieb an. Und dies in allen wichtigen Marktsegmenten, vom Kleinwagen über den Kompaktwagen bis zum SUV. Mehr als 17 Mrd. Euro hat die Industrie in den letzten Jahren dafür investiert, allein die deutsche Automobilindustrie nahm 12 Mrd. Euro in die Hand. Vom zweiten Ziel – Deutschland als Leitmarkt für Elektromobilität – sind wir jedoch noch weit entfernt. Um diesem Ziel näherzukommen, muss die Politik rasch die notwendigen Rahmenbedingungen setzen. Das betrifft Anreize bei der Beschaffung. Und das betrifft auch den Aufbau der Lade­infrastruktur in Deutschland und Europa.

Wir wissen: Ohne wirksame Impulse durch die Politik hat noch kein Land der Welt den Markthochlauf gemeistert. Der Vergleich Norwegen-Deutschland zeigt das eindrucksvoll: In dem skandinavischen Land, dessen Pkw-Markt 20-mal kleiner ist als der deutsche, wurden in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres rund 24 900 E-Autos neu zugelassen – das sind zwei Drittel mehr als in Deutschland (14 900). Ergebnis: In Norwegen entfallen 22% des Gesamtmarktes auf E-Autos, in Deutschland hingegen sind wir unterhalb der 1%-Marke (0,7%). Auch in den Niederlanden kommt die E-Mobilität schneller in Fahrt: Dort liegt der E-Anteil an den Neuzulassungen bei über 6%. Die Elektromodelle der deutschen Hersteller kommen weltweit beim Kunden gut an. So stieg der deutsche Marktanteil im Segment E-Autos in Westeuropa von Januar bis September 2015 von 27% auf 43%. In den beiden wichtigen westeuropäischen Märkten für Elektrofahrzeuge, in den Niederlanden und in Norwegen, sind wir mit 59% beziehungsweise 55% Anteil Marktführer. Auch in den USA, dem weltgrößten Markt für Elektrofahrzeuge, sind wir sehr gut unterwegs. Dort konnten wir unseren Marktanteil von 8% auf 20% mehr als verdoppeln. Jedes fünfte Elektroauto, das in den USA verkauft wird, kommt heute von deutschen Herstellern. Im Heimatmarkt Deutschland liegt der Marktanteil deutscher Hersteller bei 55%.

Globale Stellung der deutschen Automobilindustrie

Das Megathema Vernetztes und Automatisiertes Fahren hat die 66. IAA Pkw geprägt. Die deutschen Hersteller und Zulieferer sind hier weiter mit hoher Geschwindigkeit unterwegs. Wir haben den Anspruch, bei der Digitalisierung Innovationstreiber zu sein. Allein in den kommenden drei bis vier Jahren investieren deutsche Hersteller und Zulieferer 16 Mrd. bis 18 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung für das Vernetzte und Automatisierte Fahren. Die Digitalisierung bringt enorme Vorteile: Autofahren wird noch sicherer, komfortabler und effizienter.

Aber auch hier gilt: Der Wandel durch Digitalisierung kann nicht allein von der Automobilindustrie gemeistert werden, dies geht nur in Kooperation mit anderen Industrien und Branchen sowie mit Unterstützung der Politik. Der volkswirtschaftliche Nutzen intelligenter Mobilität lässt sich nur realisieren, wenn der technische und regulatorische Rahmen für die digitale Infrastruktur und deren Nutzung ausgestaltet wird. Die entsprechende Infrastruktur muss rasch ausgebaut werden. Außerdem ist ein rechtssicherer Rahmen für alle Beteiligten im europäischen und globalen Rahmen notwendig.

Der Weltklimagipfel in Paris hat die Welt vor einigen Wochen besonders bewegt. Die deutsche Automobilindustrie hat den Abschluss eines Klimaabkommens sehr begrüßt. Das ist eine große Chance, die genutzt werden sollte. Europa setzt sich schon heute die ehrgeizigsten CO2-Ziele überhaupt. Es ist richtig, dass wir vorangehen, aber wir dürfen den Bogen nicht überspannen. Nur wenn auch andere Kontinente mehr als Absichtserklärungen liefern, wird eine weltweite CO2-Reduzierung wirksam. Eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik braucht eine Industrie mit starker Innovations- und Investitionskraft. Deswegen gilt es, die Balance zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung zu wahren.

Abschließend hier ein erneutes Plädoyer für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP: Damit wir international erfolgreich bleiben können, sind Unternehmen nicht zuletzt auf offene Märkte angewiesen. TTIP ist eines der ganz großen strategischen Projekte unserer Zeit. Die Debatte darüber sollte 2016 konstruktiv geführt werden.

Baujahr 2016: Leichte Wachstumsbeschleunigung

2015 hat sich wieder einmal gezeigt, dass die deutsche Bauproduktion stark von den Witterungsbedingungen beeinflusst wird. Jedes dritte Unternehmen im Bauhauptgewerbe meldete für die ersten vier Monate witterungsbedingte Produktionsausfälle, die Quote war damit doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor. Daher blieben auch die Umsätze hinter dem Vorjahresergebnis zurück. Danach setzte allerdings ein deutlicher Aufholprozess ein, so dass für das Gesamtjahr unsere Wachstumsprognose von 2% nahezu erreicht wurde.

Die – gegenüber dem schwächeren zweiten Halbjahr 2014 – bessere Entwicklung wirkte sich auch positiv auf die Stimmungslage in der Branche aus. In den Umfragen des ifo-Instituts und des DIHK wurden im Spätherbst bzw. zum Jahresende deutlich bessere Werte für Geschäftslage und Geschäftserwartungen gemeldet als ein Jahr zuvor.

Der Arbeitsmarkt im Bauhauptgewerbe entwickelte sich im Vorjahr stabil. Nach sechs Jahren einer ununterbrochenen Beschäftigungszunahme lag im Jahresdurchschnitt die Zahl der Beschäftigten mit rund 760 000 auf dem Niveau von 2014. Gleichzeitig sah im Herbst jede zweite Baufirma im Fachkräftemangel das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung des eigenen Unternehmens. Allerdings stellt der Arbeitsmarkt die für den geplanten Beschäftigungsaufbau notwendigen Fachkräfte nur noch eingeschränkt zur Verfügung. Im November 2015 gab es nur noch 22 500 arbeitslose Baufacharbeiter, dies waren gut 12% weniger als Ende 2014.

Die Rahmenbedingungen für die Bautätigkeit im neuen Jahr können zum Jahreswechsel als positiv eingestuft werden. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und die Wirtschaftsforschungsinstitute gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im neuen Jahr preisbereinigt mit einer Jahresrate von 1,8% zulegt, womit das Niveau des vergangenen Jahres wieder erreicht wird. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass einige geopolitische Risiken (Russland/Ukraine, Schuldenkrise Griechenlands) noch nicht überwunden sind. Wie sich die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) vor dem Hintergrund der ersten, kleinen Schritte der Federal Reserve (Fed) entwickelt, bleibt abzuwarten.

Wohnungsbau einmal mehr Treiber der Baukonjunktur

Wie bereits seit 2010 wird auch im neuen Jahr der Wohnungsbau die höchste Wachstumsrate im Bauhauptgewerbe ausweisen. Darauf deuten die relevanten Vorlaufindikatoren hin:

  • Genehmigte Neubauwohnungen (Baukosten) Januar bis Oktober 2015: +6,2%
  • Auftragseingang Januar bis Oktober 2015: +13,2%
  • Auftragsbestand Ende September 2015: +27,5%

Die fundamentalen Antriebskräfte dürften auch 2016 weiter wirken. Eine nochmals steigende Nachfrage nach kostengünstigem Wohnraum in den Ballungsgebieten und ihrem Umland, ein stabiler Arbeitsmarkt mit steigenden Beschäftigungszahlen und real zulegenden verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte, ein anhaltend niedriges Zinsniveau für Hypothekarkredite sowie ein deutlicher Zinsvorsprung der Mietrenditen gegenüber festverzinslichen Anlagen werden vor allem den Neubau weiter antreiben.

Anders als in den Vorjahren wird 2016 zudem auch der Eigenheimbau das Wachstum beflügeln. Nach einem schwachen Jahresbeginn haben 2015 die Genehmigungszahlen ab dem Juni mit zweistelligen Raten zugelegt. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass für Genehmigungen, die ab dem Januar 2016 ausgesprochen werden, wieder schärfere Vorgaben der Energieeinsparverordnung greifen werden. Diese dürften beim Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern die Baukosten nochmals um nahezu 10 000 Euro pro Einheit in die Höhe treiben.

Die Entwicklung bei den Mehrfamilienhäusern wird entscheidend davon abhängen, ob es in den zuzugsstarken Großstädten gelingt, ausreichend Bauland zur Verfügung zu stellen. In diesen Kommunen ist 2015 das starke Genehmigungswachstum der Vorjahre nahezu zum Stillstand gekommen, was vor allem mit der Kombination stark steigender Baulandpreise und der mangelnden Verfügbarkeit von Bauland begründet wird.

Die Zahl der Fertigstellungen wird insgesamt weiter steigen. Inklusive der Maßnahmen im Bestand hat im Vorjahr die Zahl aller fertiggestellten Wohnungen bei etwa 260 000 Einheiten gelegen, für das neue Jahr gehen wir von einer weiteren Zunahme auf knapp 300 000 Wohnungen aus. Die Umsätze des Bauhauptgewerbes im Wohnungsbau dürften 2016 um etwa 5% zulegen.

Öffentlicher Bau: Wachstum legt deutlich zu

Wie auch beim Wohnungsbau war die Entwicklung bei den Vorlaufindikatoren insgesamt positiv, wenn auch nicht auf einem so hohen Niveau:

  • Baugenehmigungen (Baukosten) Januar bis Oktober 2015: +7,2%
  • Auftragseingang Januar bis Oktober 2015: +1,6%
  • Auftragsbestand Ende September 2015: +6,9%

Zumindest auf Bundesebene wurde die seit Jahren fällige Investitionswende nun endlich eingeleitet. Davon profitieren vor allem die Investitionen in die Bundesverkehrswege. Die Investitionslinie Verkehr steigt von 10,8 Mrd. Euro (2015) auf 12,3 Mrd. Euro (2016). Davon profitieren vor allem die Bundesfernstraßen sowie – in abgeschwächter Form – auch die Eisenbahnen des Bundes.

„Sorgenkind“ für unsere Branche bleiben allerdings weiterhin die Kommunen, auf die rund 60% der öffentlichen Ausgaben für Baumaßnahmen entfallen. Zwar sollen die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden im laufenden Jahr nochmals um rund 1 Mrd. Euro höher ausfallen. Allerdings kommen diese Steuermehreinnahmen vor allem Kommunen zugute, die ohnehin schon über eine gute Finanzlage verfügen und ein vergleichsweise hohes Investitionsniveau ausweisen. Zudem ist bislang noch nicht absehbar, wie sich der starke Zustrom von Flüchtlingen im neuen Jahr auf die Finanzlage der Kommunen auswirken wird.

Es bleibt daher zu hoffen, dass mittelfristig auch Länder und Gemeinden dem Beispiel des Bundes folgen und ihre Investitionen – vor allem in die Infrastruktur – deutlich ausweiten. Immerhin lagen die Nettoanlageinvestitionen des Staates in Bauten seit 2003 um 60 Mrd. Euro unter den Abschreibungen. Dieser Infrastrukturbetrieb „auf Verschleiß“ muss ein Ende haben, wenn Deutschland seiner Rolle als Verkehrsdrehscheibe mitten in Europa gerecht werden und den Unternehmen im Inland weiterhin gute Standortbedingungen bieten will.

Aufgrund der regen Investitionstätigkeit des Bundes erwarten wir für das Bauhauptgewerbe im laufenden Jahr ein Umsatzplus im Öffentlichen Bau von 3,5%. Damit wird die Stagnationsphase des Vorjahres deutlich überwunden.

Wirtschaftsbau: Investitionsschwäche setzt sich fort

Die anhaltende Investitionsschwäche der gewerblichen Wirtschaft, wo sich die Nettoanlageinvestitionen mittlerweile bedenklich der Null-Linie nähern, wirkt sich auch auf den Wirtschaftsbau aus. Dies belegen die Vorlaufindikatoren:

  • Baugenehmigungen (Baukosten) Januar bis Oktober 2015: -2,4%
  • Auftragseingang Januar bis Oktober 2015: -1,9%
  • Auftragsbestand Ende September 2015: -3,8%

Analysiert man die Entwicklung nach einzelnen Wirtschaftsbereichen wird augenfällig, dass vor allem energieintensive Branchen (Chemische Industrie, Metallerzeugung und -bearbeitung, Verarbeitung von Steinen und Erden) im Inland bereits seit gut zehn Jahren negative Nettoanlageinvestitionen aufweisen. Es handelt sich hierbei – so gesehen – um die Verlierer der Energiewende. Vor allem aus Angst vor einem weiteren Energiepreisanstieg im Inland verlagern mehr und mehr Konzerne ihre Investitionstätigkeit auf ausländische Standorte. Dies zeigt sich auch in einem weiteren Genehmigungsrückgang (Baukosten) bei Fabrik- und Werkstattgebäuden im Vorjahr von rund 15%.

Es sollte darüber hinaus zu denken geben, dass das Motiv der Kostenersparnis als Schwerpunkt geplanter Auslandsinvestitionen der deutschen Industrie seit zwei Jahren wieder an Bedeutung gewinnt. Das Motiv der Kapazitätserweiterung bleibt bei inländischen Investitionen dagegen seit vier Jahren unverändert. Zusammen mit einer lediglich durchschnittlichen Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe sorgt dies zumindest nicht für eine steigende Investitionstätigkeit im Wirtschaftshochbau.

Positiv auswirken werden sich dagegen im Wirtschaftstiefbau die erhöhten Investitionszuschüsse des Bundes an die Deutsche Bahn AG. Diese fallen im neuen Jahr um 400 Mio. Euro höher aus als 2015. Für die Folgejahre sind zudem weitere Steigerungen in der Haushaltplanung des Bundes vorgesehen. Alles in allem ist im laufenden Jahr im Bauhauptgewerbe bestenfalls mit einer Stagnation der Umsätze im Wirtschaftsbau zu rechnen.

Für die Branche insgesamt ergibt sich eine Umsatzprognose von +3%. Das Wachstumstempo erhöht sich damit gegenüber dem Vorjahr.

Herausforderung für Bauwirtschaft und Politik: Kostengünstige Wohnungen

Der zunehmende Mangel an kostengünstigem Wohnraum ist das derzeit beherrschende Thema der Politik. Besonders stark betroffen sind Ballungsgebiete, in denen besonders junge Familien, Studierende, Auszubildende und Senioren den Mangel zu spüren bekommen. Der Zustrom der Migranten nach Deutschland verschärft die angespannte Situation weiter. Alle vorliegenden Berechnungen gehen davon aus, dass wir bis 2020 jährlich etwa 350 000 bis 400 000 Wohnungsfertigstellungen benötigen. Darauf wird sich die Wohnungsbaupolitik neu ausrichten müssen!

Die deutsche Bauindustrie bietet schon heute kostengünstige Wohnlösungen an, die schnell realisierbar, flexibel nutzbar, aber auch nachhaltig sind. Voraussetzung ist die Standardisierung: Statt dem Leitbild der Unikatfertigung zu folgen, sollten künftig stärker Prototypen geplant werden, die dann deutschlandweit in Serie umgesetzt werden können. Die gewünschten Kostensenkungseffekte ergeben sich dann durch Optimierung der Planung und der Produktionsprozesse bei verstärktem Einsatz von Fertigelementen.

Aber: Kostensenkungseffekte lassen sich nicht allein durch Standardisierung und Serienfertigung erzielen; es gilt auch, die Rahmenbedingungen auf kostentreibende Standards zu durchforsten. Dazu gehören für uns: die zeitlich befristete Aussetzung der letzten Umsetzungsstufe der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2014 zum 1. Januar 2016, das Überdenken der Lärmschutzstandards und der Abstandsflächenregelungen, die Lockerung der Anforderungen an die Bereitstellung von Stellplätzen, der Verzicht auf Vorgaben zur Fassaden- und Dachbegrünung und die temporäre Aussetzung von Anforderungen an die Barrierefreiheit.

Gleichzeitig müssen wir darüber nachdenken, wie die Förderpolitik mit Blick auf den dramatisch steigenden Wohnungsbedarf neu ausgerichtet werden sollte. Ganz oben auf der Prioritätenskala steht für uns die Erhöhung der linearen Abschreibungssätze im Neubau auf mindestens 3%. Für uns ist dies jedoch kein Fördertatbestand, weil es hier lediglich um eine Anpassung der Abschreibungssätze an den tatsächlichen Werteverzehr geht, insbesondere an die wesentlich kürzere Nutzungszeit der technischen Gebäudeausrüstung.

Darüber hinaus lassen sich auch gezielt förderpolitische Akzente setzen. Beispielsweise durch die befristete Wiedereinführung der degressiven Absetzung für Abnutzungen (AfA), allerdings nicht flächendeckend, sondern bezogen auf Gebiete mit besonders hohen Wohnungsengpässen, sowie die Einführung einer erhöhten AfA für neu errichtete Wohnungen mit Sozialbindung nach dem Muster des früheren § 7k Einkommensteuergesetz, auch diese befristet und regionalisiert.

Bundesfinanzminister Schäuble hat sich mittlerweile – nach langem Zögern – steuerlichen Anreizen geöffnet, falls die Bundesländer bereit sind, ebenfalls ihren Beitrag zu leisten. Eine Sonderabschreibung von jeweils 10% für das Jahr der Herstellung und das Folgejahr sowie eine von 9% für das dritte Kalenderjahr liegen auf dem Tisch. Zusammen mit der üblichen linearen Abschreibung von 2% könnte der Investor 35% der Kosten in den ersten drei Jahren geltend machen. Für die Bauindustrie wäre das ein wichtiger Schritt nach vorn, der jedoch nicht durch mietrechtliche Belastungen aus dem Bundesjustizministerium konterkariert werden darf.

Eine große Herausforderung bleibt zudem, dass die Baubranche den eingeschlagenen Weg der Digitalisierung konsequent weiter beschreitet. Hier hat die Wertschöpfungskette Bau mit der Gründung der Planen-Bauen-4.0-GmbH ein wichtiges Signal gesendet. Unter dem Stichwort BIM (Building Information Modeling) streben wir an, Planen, Bauen und Betreiben besser miteinander zu verzahnen. Mit der Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette Bau werden wir in der Lage sein, den gesamten Planungs- und Bauprozess inklusive der späteren Bewirtschaftung von Gebäuden zu optimieren.

Chemie: Nach durchwachsenem Jahr leichtes Wachstum in Aussicht

2015 war kein einfaches Jahr für die Chemie. Die Branche zeigte sich robust, aber der Gesamtumsatz stagnierte. Gleichzeitig gibt es für die längerfristige Zukunft Alarmzeichen.

Die Produktion in der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist 2015 um 1% leicht gestiegen. Ohne Pharmazeutika sank die Produktion aber. Gleichzeitig sind die Preise für Chemieprodukte gefallen. Der Umsatz der chemisch-pharmazeutischen Industrie blieb so mit insgesamt 190,8 Mrd. Euro auf dem Niveau von 2014.

Bei genauerer Betrachtung ergibt sich eine durchwachsene Bilanz: Im Inland ging der Chemieumsatz 2015 um 1,5% auf 74,6 Mrd. Euro zurück. Im Ausland stiegen die Erlöse unter anderem wegen der Euro-Abwertung um 1% auf 116,2 Mrd. Euro. Es fehlten aber durchgreifende Impulse von der Weltwirtschaft. Vor allem die Entwicklung in den Schwellenländern blieb hinter den Erwartungen zurück: Russland und Brasilien befanden sich in einer Rezession, in China schwächte sich das Wachstum deutlich ab. Diese Kombination wirkte lähmend auf die übrige Welt und bremste gleichzeitig die Industrieproduktion. Entsprechend langsam wuchs die globale Nachfrage nach Chemikalien. Davon hoben sich die Verkäufe nach Nordamerika ab. Vor allem der Umsatz mit den NAFTA-Staaten konnte um 13% gesteigert werden. Das Geschäft mit Pharmazeutika lieferte hier positive Impulse.

Die Chemikalienpreise gingen 2015 um insgesamt 2,5% zurück. Wie im Vorjahr war dafür die Preisentwicklung beim Rohöl ausschlaggebend. Im Jahresdurchschnitt lag der Preis pro Barrel rund 45% unter dem Vorjahr. Durch die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar fiel die Entlastung für die Unternehmen geringer aus. Die niedrigeren Rohstoffpreise haben die Chemiebetriebe an ihre Kunden weitergegeben, um die Kapazitäten auslasten zu können.

Die Nachfrage nach Basischemikalien belebte sich zwar. Der zunehmende Importdruck machte den Unternehmen aber zu schaffen. Zudem mussten einige Anlagen in der Grundstoffchemie wegen technischer Probleme vorübergehend abgeschaltet werden. Diese Faktoren haben mit dazu beigetragen, dass sich die Chemieproduktion im vergangenen Jahr insgesamt nur schwach entwickelt hat.

Die dynamischste Entwicklung gab es in der Pharmaproduktion mit einem starken Plus von 4,5%. In der Fein- und Spezialchemie setzte sich der Aufwärtstrend des Vorjahres fort. Dazu zählen z.B. Pflanzenschutzmittel, Lacke und Farben oder Desinfektionsmittel. Ein Plus gab es auch bei den anorganischen Grundstoffen. Polymere und Petrochemikalien verzeichneten dagegen einen Rückgang, obwohl sich die Nachfrage im Jahresverlauf belebte. Auch die Produktion konsumnaher Chemikalien lag 2015 unter dem Niveau des Vorjahres. Die Konsumnachfrage in Deutschland stieg zwar insgesamt an. Aber durch einen steigenden Importdruck konnten die Hersteller von Seifen, Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika nicht davon profitieren. Die Hersteller mussten daher die Produktion drosseln.

Trotz der schwachen wirtschaftlichen Dynamik haben die Chemieunternehmen 2015 weiter Beschäftigung aufgebaut. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche stieg gegenüber dem Vorjahr um 0,5%. Die deutsche Chemieindustrie beschäftigt aktuell 447 000 Mitarbeiter. Allerdings kam der Beschäftigungsaufbau im Jahresverlauf zum Erliegen.

Forschungsaufwendungen stagnieren

Die Forschungsaufwendungen der Chemie verharrten 2015 auf dem Niveau des Vorjahres. Rund 10,4 Mrd. Euro gaben die Unternehmen für Forschung und Entwicklung aus. Dieser Wert muss mittel- und langfristig wieder steigen, denn Innovationen sind eine Stärke unseres Industriezweiges. Die Unternehmen selbst brauchen klare Strategien für neue Produkte und müssen eine lebendige Kultur für Innovationen pflegen. Die Politik ist gefordert, den Innovationsstandort Deutschland stark für die Zukunft zu machen. Dazu gehören vorrangig drei Projekte: Ein Wagniskapitalgesetz, um mehr Investoren davon zu überzeugen, dass sich ihr Engagement auszahlt. Eine steuerliche Forschungsförderung, die Unternehmen aller Größen hilft, mehr in Innovationen zu investieren. Und nicht zuletzt ein Fitness-Check für die Regulierung, damit Innovationen nicht gehemmt, sondern gefördert werden.

Politik muss Investitionen fördern

In Sachanlagen investierte die Chemie im vergangenen Jahr im Inland mit 7,2 Mrd. Euro (+1,0%) kaum mehr als im Vorjahr. Die Auslandsinvestitionen der Unternehmen erreichten dagegen mit 8,6 Mrd. Euro (+2,0%) einen neuen Rekordwert. Vor allem energieintensive Produktionsanlagen werden zunehmend im Ausland errichtet. Hier machen sich die hohen Kosten der Energiewende in Deutschland unmittelbar als Standortnachteil bemerkbar. Außerdem registrieren wir, dass der Mittelstand zurückhaltend mit Investitionen in Sachanlagen geworden ist. Diese Entwicklungen bedrohen die Leistungsfähigkeit der gesamten Wertschöpfungsketten. Wir brauchen dringend eine industriepolitische Initiative in Deutschland, um das Investitionsklima deutlich zu verbessern – nicht nur für die Chemie, sondern für die gesamte deutsche Industrie.

Perspektiven 2016

In diesem Jahr wird die deutsche Wirtschaft voraussichtlich weiterhin von niedrigen Zinsen, billigem Öl und einem schwachen Euro profitieren. Der VCI rechnet deshalb damit, dass sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland leicht beschleunigt. Das kommt der Chemie unmittelbar zugute. Im Inland kann die Branche auf ein positives Mengengeschäft hoffen. Die Industrieproduktion sollte ebenso zulegen wie das Baugewerbe. Dadurch steigt die inländische Nachfrage nach Chemikalien.

Auch für das Exportgeschäft sind die Aussichten verhalten optimistisch. Denn die Weltwirtschaft dürfte 2016 etwas stärker wachsen. Die globale Industrieproduktion wird voraussichtlich um 2,5% zulegen. Dies führt zu einer Belebung der Chemienachfrage, von der auch die deutsche Branche profitieren wird.

Vor diesem Hintergrund rechnet der VCI für das Gesamtjahr 2016 mit einem Zuwachs der Chemieproduktion von 1,5%. Die Erzeugerpreise dürften stagnieren. Für den Umsatz der chemisch-pharmazeutischen Industrie ergibt sich daraus ein Anstieg um 1,5% auf 193,6 Mrd. Euro.

Handlungsdruck bei Energiekosten und Klimaschutz

Die Energiewende in Deutschland bleibt für die chemisch-pharmazeutische Industrie auch 2016 eine wirtschaftliche Herausforderung. Steigende Kosten drohen aus mehreren Richtungen. So zahlt die Branche trotz der EEG-Reform von 2014 und Entlastungen für besonders energieintensive Betriebe rund 1 Mrd. Euro EEG-Umlage. Wenn die Umlage – wie zu erwarten ist – steigt, wird auch diese Summe weiter zunehmen. Die finanzielle Bürde trägt im Wesentlichen der nicht entlastete Mittelstand. Aber auch für bisher entlastete Unternehmen haben sich die verbleibenden EEG-Umlagekosten mindestens verdoppelt.

Die jüngste Erhöhung der EEG-Umlage auf ein neues Rekordniveau war eine besonders schlechte Nachricht für den Standort Deutschland. Sie hat belegt, dass die Bundesregierung die Kosten der Energiewende nicht in den Griff bekommt. Noch immer gibt es keine wirksame Kostenbremse für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die große Mehrheit der nicht entlasteten Unternehmen ist vielmehr einem stetig steigenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Die Politik müsste dringend an einem anderen Finanzierungssystem für die Förderung der Erneuerbaren arbeiten, um Wirtschaft und Verbraucher nicht weiter zu belasten.

Für den globalen Klimaschutz und die Wettbewerbsfähigkeit Europas bleibt 2016 ebenfalls noch sehr viel zu tun. Die Klimaschutzkonferenz COP 21 hat zwar ein neues globales Klimaschutzabkommen auf den Weg gebracht. Und noch nie haben so viele Staaten ihre Zustimmung für den internationalen Klimaschutz gegeben. Die gemeinsamen Beschlüsse von Paris führen aber immer noch nicht zu einer Minderung des globalen Ausstoßes von Treibhausgasen. Dazu haben die Zusagen weder genügend Tiefgang noch ausreichende Verbindlichkeit.

Auch mit dem neuen Abkommen ist die Welt beim Klimaschutz weiterhin in zwei Kategorien geteilt: Die EU hat durch strenge Regeln erhebliche Vorleistungen erbracht und setzt weiter die höchsten Ziele. Der Rest der Welt bekennt sich zur Notwendigkeit, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen – will aber nur solche Aktionen durchführen, die man als wirtschaftlich vertretbar für die eigene Entwicklung ansieht. Beim Mindern von CO2-Emissionen müssen die Länder außerhalb Europas massiv aufholen.

Die EU hat heute bereits ein sehr viel ambitionierteres Klimaziel ausgegeben als alle anderen Industrieregionen. Sie verfolgt Klimaschutz weitgehend unabhängig von den Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft. In anderen Ländern hat auch nach Paris wirtschaftliches Wachstum Priorität: Viele Industrieländer mindern ihre Emissionen deutlich weniger als die EU, Schwellenländer wie China und Indien werden den Ausstoß von Treibhausgasen in den kommenden Jahren sogar noch deutlich steigern.

Hier genau liegt der Zielkonflikt für die deutsche Chemie: Einerseits tragen wir maßgeblich zur positiven Klimabilanz der EU bei. Unsere Branche hat den Ausstoß von Treibhausgasen seit 1990 fast halbiert, bei gleichzeitiger Produktionssteigerung von 60%. Andererseits tragen wir zusätzliche Kosten durch den Emissionshandel in der EU. Damit fehlt auch nach Paris zwischen Europa und den übrigen Chemiestandorten in der Welt die Chancengleichheit für fairen Wettbewerb. Dabei gehören wir zu den Akteuren, die den Klimaschutz aktiv vorantreiben. Klimaschutz darf uns nicht auf Dauer als Nachteil im globalen Wettbewerb belasten.

Elektroindustrie: Gegenwind von der Welt­wirtschaft, Rückenwind durch die Digitalisierung

Nunmehr sechs Jahre nach der globalen Finanzkrise ist die Weltwirtschaft immer noch nicht zu robustem Wachstum zurückgekehrt. 2015 wird sie um rund 3% und damit schwächer als im Vorjahr und erneut nur unterdurchschnittlich gewachsen sein. Konjunkturell war das Jahr 2015 geprägt von einer Schwäche der Schwellenländer und dabei insbesondere auch langsamerem Wachstum in China sowie Rezessionen in Brasilien und Russland. Bildlich gesprochen befinden sich die Schwellenländer derzeit zwischen Baum und Borke – nämlich dem Ende des Rohstoff-Superzyklus einerseits und der Zinswende in den USA andererseits. Dagegen steht eine Art Renaissance der Industrieländer: Insbesondere die USA und Großbritannien sind 2015 sehr ordentlich gewachsen, und trotz Fortsetzung des Gezerres um Griechenland konnte der Euroraum um solide 1½% zulegen – befördert vom schwächeren Euro und billigeren Öl. Vor allem Spanien stach hervor.

Gemischtes Konjunkturbild 2015

Die deutsche Elektroindustrie ist bekanntermaßen eine sehr globale, international aufgestellte Branche. Sie steht für ein Siebtel aller deutschen Ausfuhren sowie für ein Sechstel des Bestandes aller Direktinvestitionen der gesamten deutschen Industrie im Ausland. Entsprechend hat sich die weltwirtschaftliche Entwicklung auch 2015 in den Zahlen der Elektroindustrie widergespiegelt, die unterjährig teils stark schwankten. In den ersten zehn Monaten 2015 wuchs die preisbereinigte Produktion lediglich um ½% gegenüber Vorjahr. Der Umsatz – der auch Dienstleistungen und Software umfasst sowie Währungseinflüssen unterliegt – stieg allerdings deutlich stärker um 3½% auf 146,1 Mrd. Euro. Getrieben wurde der Erlöszuwachs dabei mehr oder weniger ausschließlich vom Geschäft mit ausländischen Abnehmern. Der Inlandsumsatz kam praktisch nicht von der Stelle.

Die einzelnen Fachbereiche der Elektroindustrie haben sich 2015 erneut sehr unterschiedlich entwickelt. Im mit Abstand größten Teilbereich Automation lag der Umsatz zwischen Januar und Oktober um 5% über dem Vorjahreswert. Die Energietechnik und die elektronischen Bauelemente verzeichneten Erlöszuwächse von 3% bzw. knapp 9%, die Medizintechnik sogar von 15%. Rückgänge gab es unter anderem im – besonders stark von Großaufträgen abhängigen – Segment der elektrischen Schienenfahrzeuge (-11%) und im Hardwarebereich der Informations- und Kommunikationstechnik (-8%).

Die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Elektroindustrie ist seit Anfang 2015 erneut um mehr als 7000 auf 852 000 gestiegen. Damit bleibt die Branche der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber hierzulande. Mehr als 180 000 der Mitarbeiter sind Ingenieure, weitere drei Fünftel Fachkräfte. Entsprechend stellt der Fachkräftemangel für uns nach wie vor eine Herausforderung dar. Nach einer aktuellen Umfrage des ZVEI ist allerdings erst ein Fünftel der Branchenunternehmen der Ansicht, dass der gegenwärtige Zustrom von Flüchtlingen mittel- bis langfristig einen substanziellen Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels wird leisten können. Ganz entscheidend ist also, ob die zügige Integration in den Arbeitsmarkt gelingt.

Exporte trotzen globalem Gegenwind

Beim Außenhandel dürfte das Jahr 2015 ein neuerliches Rekordjahr gewesen sein. Die Exporte (einschließlich Re-Exporte) erhöhten sich zwischen Januar und September insgesamt um 7% auf 128,4 Mrd. Euro. Dabei nahmen die Ausfuhren in die Industrieländer (+7,5%) stärker zu als die in die Schwellenländer (+6,7%). Nicht zuletzt begünstigt durch den Wechselkurs zogen die Elektroexporte in die USA um 18% an. Der Euroraum nahm um 6%, Spanien sogar um 13% höhere Ausfuhren ab. Die Branchenexporte nach China übertrafen ihr Vorjahresniveau nur noch um 1½%, und das Land fiel im Abnehmer-Ranking wieder auf Position zwei hinter die USA zurück. Laut der bereits genannten ZVEI-Umfrage vom November 2015 erwarten 72% der Branchenunternehmen zukünftig eine geringere Dynamik in ihrem China-Geschäft. Allerdings sind größere Schwankungen bei den Elektroexporten in das Reich der Mitte, die sich seit 2000 immerhin versechsfacht haben, in den vergangenen Jahren nicht ungewöhnlich gewesen.

Die Exporte nach Frankreich nahmen von Januar bis September lediglich um ½% gegenüber dem Vorjahr zu. Zweistellige Wachstumsraten gab es dagegen bei den Ausfuhren in andere große Abnehmerländer wie Großbritannien (+12,3%), die Niederlande (+12,9%), Tschechien (+10,2%) oder die Schweiz (+10,6%). Indien nahm 10% mehr Elektroerzeugnisse ab als ein Jahr zuvor. Die Ausfuhren nach Brasilien (-9,5%) und Russland (-34,4%) waren dagegen stark rückläufig. Diesen beiden Volkswirtschaften machte – wie zahlreichen anderen wenig diversifizierten Schwellenländern auch – das vorläufige Ende der Rohstoffhausse besonders schwer zu schaffen. Absolut betrachtet konnten die Rückgänge beim Russland- und Brasilien-Geschäft allerdings allein vom starken Exportgeschäft mit Polen (+25,6%) ausgeglichen werden!

Die Einfuhren elektrotechnischer und elektronischer Erzeugnisse nach Deutschland legten in den ersten drei Quartalen 2015 mit +13% auf 117,5 Mrd. Euro trotz der Euro-Schwäche noch schneller zu als die Ausfuhren.

Globaler Aufschwung lässt weiter auf sich warten

Was 2016 anbelangt, so dürfte der globale Aufschwung weiterhin auf sich warten lassen. Der Internationale Währungsfonds geht von einer Zunahme der Weltwirtschaftsleistung um gut 3½% aus.1 Das wären immer noch spürbar weniger als die durchschnittlichen mehr als 4% in den zehn Jahren vor der Finanzkrise. Es kristallisiert sich immer stärker heraus, dass die Probleme der Schwellenländer, die inzwischen mehr als ein Drittel der deutschen Elektroausfuhren aufnehmen, nicht von kurzfristiger Natur sind. Sie müssen mit dem gleichen marktwirtschaftlichen Reformeifer angegangen werden, der einst zum imposanten Aufschwung in diesen Ländern beigetragen hat. Auch in Deutschland, dessen Wachstum neben dem privaten Konsum zuletzt wesentlich vom niedrigen Ölpreis und vom günstigen Wechselkurs – und damit also Sonderfaktoren – getragen wurde, braucht es weitere zukunftsorientierte Weichenstellungen. Die Reformen der Agenda 2010, von denen das Land heute immer noch profitiert, liegen nun bereits zehn Jahre zurück. Jetzt gilt es, die Chancen der Digitalisierung im Allgemeinen und von Industrie 4.0 im Besonderen zu suchen und zu ergreifen.

Die derzeit herrschenden globalen Rahmenbedingungen, die national eben nicht beeinflussbar sind, sowie die Frühindikatoren für die Elektroindustrie lassen uns mit insgesamt verhaltenem Optimismus auf das neue Jahr blicken. Der jüngsten ZVEI-Konjunkturumfrage zufolge erwartet mehr als die Hälfte der Elektrounternehmen 2016 ein Wachstum ihrer Erlöse von 0% bis 2%, knapp zwei Fünftel der Firmen haben höhere Erwartungen, rund ein Zehntel geringere. Die Auftragseingänge der Branche haben ihren Vorjahreswert in den ersten zehn Monaten 2015 – insbesondere auch getrieben durch Großaufträge – um insgesamt 6% übertroffen. Während die Bestellungen aus dem Ausland um kräftige 11% zunahmen, stiegen die Aufträge aus dem Inland nur um knapp 1½%. Das Geschäftsklima in der Elektroindustrie hat sich seit November 2015 nach davor fünf Rückgängen in Folge wieder merklich verbessert.

Elektroindustrie: Eine Branche im Geiste Schumpeters

Von der konjunkturellen Lage strikt zu unterscheiden ist die strukturelle Situation. Hier steht die deutsche Elektroindustrie in mehrfacher Hinsicht gut da. Die globale, internationale Aufstellung der Branche wurde bereits genannt. Hinzu kommen die sehr soliden betriebswirtschaftlichen Grundlagen. Quer über alle Fachbereiche hinweg beläuft sich die durchschnittliche Umsatzrendite auf 6%, die Gesamtkapitalrendite sogar auf 9%. Die aggregierte Eigenkapitalquote der heimischen Elektrounternehmen beträgt 41%. Das sind gut zehn Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes insgesamt.

Zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Elektroindustrie hatte der große, österreichisch-amerikanische Nationalökonom Joseph A. Schumpeter bereits in den 1930er Jahren einmal gesagt, dass die elektrische Energie „zweifellos neue Industrien und Waren, neue Einstellungen, neue Formen sozialen Handelns und Reagierens hervorgerufen hat.“2 Damit habe die Branche – ganz im Sinne der von ihm geprägten „schöpferischen Zerstörung“ – die industriellen Standortbedingungen umgeworfen. Die Elektroindustrie entwickelt innovative Produkte, Systeme und Lösungen, die auch und gerade heute für die Bewältigung drängender globaler Aufgaben unverzichtbar sind. Grundlage dafür sind ihre „Zukunftsaufwendungen“, die sich aus jährlichen 15 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung, 6 Mrd. Euro für Investitionen und 2 Mrd. Euro für Aus- und Weiterbildung zusammensetzen und damit mehr als ein Achtel des Branchenumsatzes ausmachen.

Von den wesentlichen Trends, die in Wirtschaft und Gesellschaft zukünftig eine zentrale Rolle spielen werden, dürfte die Elektroindustrie in besonderem Maße profitieren, zumal sie diese Trends selbst aktiv vorantreibt. So wird die Digitalisierung die Industrie umwälzen. Als zentraler Anbieter der Kernkompetenzen für Industrie 4.0 verfügt die deutsche Elektroindustrie über eine gute Ausgangsposition, um die Entwicklung in diesem Bereich in führender Position zu gestalten. Gleichzeitig wird etwa die weltweit voranschreitende Urbanisierung ein effizienteres Wirtschaften und eine intelligentere Vernetzung erfordern und damit die Nachfrage nach Infrastrukturen, neuen Formen der Mobilität, Kommunikation oder Sicherheit antreiben. Zudem wächst der globale Energiehunger ungebremst und damit der Bedarf an energieeffizienten Lösungen. Nicht zuletzt werden der sich vielerorts abzeichnende demografische Wandel sowie der steigende Wohlstand in zahlreichen aufstrebenden Volkswirtschaften die Anforderungen an die Gesundheitsversorgung grundlegend verändern.

In einem kurzen Fazit heißt das: Die Herausforderungen, vor denen Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie stehen, sind groß. Nur mit den zukunftsträchtigen Technologien der Elektroindustrie werden sie zu bewerkstelligen sein.

  • 1 International Monetary Fund: World Economic Outlook. Washington, Oktober 2015.
  • 2 W. Fischer (Hrsg.): Die Geschichte der Stromversorgung. Verlags- und Wirtschaftsgesellschaft der Elektrizitätswerke m.b.H., Frankfurt a.M. 1992.

Maschinen- und Anlagenbau: Weiterhin kaum Unterstützung von der Konjunkturf

Der Maschinen- und Anlagenbau blickt zum Jahresende 2015 auf vier Jahre ohne nennenswertes Produktionswachstum zurück. Das ist in Anbetracht des für die Investitionsgüternachfrage üblichen, teils heftigen zyklischen Auf und Ab mehr als ungewöhnlich. Allenfalls die 1990er Jahre wiesen eine ähnliche lustlose Maschinenbaukonjunktur auf. Doch während die deutschen Maschinenbauer sich seinerzeit forciert auf den Weltmärkten tummelten und ihr Geschäft kräftig internationalisierten, bietet ihnen dieser Ausweg aktuell deutlich weniger Chancen. Denn die jüngste Krise war und ist, anders als ihre Vorgängerinnen, nicht auf bestimmte Wirtschaftsregionen – Beispiel: Asienkrise – oder Wirtschaftssektoren – Beispiel: IT-Krise – begrenzt. Durch die Finanzkrise wurden die Märkte weltweit durcheinander geschüttelt. Und die Reparaturarbeiten und Anpassungsprozesse halten an. Allein die geldpolitischen Notmaßnahmen gehen ins siebte Jahr, verbunden mit ständigen Verunsicherungen der wirtschaftlichen und politischen Akteure. Mangelndes Vertrauen in die Stabilität der Rahmenbedingungen ist keine solide Basis für weitreichende Investitionsvorhaben. Die Folge: Nahezu weltweit hat sich eine ausgeprägte und hartnäckige Investitionsschwäche herausgebildet.

Maschinenproduktion 2015: Abermals Stagnation

2% realer Zuwachs der deutschen Maschinenproduktion lautete die Maßzahl der VDMA-Volkswirte für 2015. Noch Ende Juni gab es keinen Anlass, an der Erreichbarkeit dieser Vorgabe grundlegend zu zweifeln. Die Branche schien den vielfältigen Herausforderungen und Belastungen erfolgreich zu trotzen. Doch mit Beginn des zweiten Halbjahres verkehrte sich das Plus auch aufgrund drastischer Revisionen des Produktionsindex für den Maschinenbau durch das Statistische Bundesamt ins Minus. Nach aktuellem Datenstand liegt die preisbereinigte Maschinenbauproduktion in den ersten zehn Monaten des Jahres um 0,5% unter dem Vorjahreswert. Es bleibt somit bei der revidierten Einschätzung, dass die Maschinenbaubranche 2015 ihren Produktionsrekord des Vorjahrs von 198 Mrd. Euro nicht wesentlich wird toppen können.

Es waren im Wesentlichen drei Faktoren, welche die Konjunkturauguren vor einem Jahr etwas optimistischer für die Weltwirtschaft im Allgemeinen und die Exportchancen europäischer Hersteller im Besonderen stimmten: erstens eine leicht anziehende Weltkonjunktur, zweitens niedrige Rohstoffpreise sowie drittens ein schwächerer Euro. Als eindeutig positiv hat sich für den Maschinenbau lediglich die wechselkursbedingt verbesserte preisliche Wettbewerbsfähigkeit erwiesen.

Die Expansion der Weltwirtschaft wird vom Internationalen Währungsfonds für 2015 aktuell mit rund 3% taxiert. Das ist deutlich weniger als ursprünglich erwartet. Die für das Frühjahr avisierte Beschleunigung blieb aus, und sie hat bisher auch nicht eingesetzt. Mehr noch: Die sich bereits 2014 herausbildenden Unterschiede zwischen den Regionen haben sich nochmals verschärft. Die Konjunktur in den meisten fortgeschrittenen Industrieländern ist zwar recht robust. Demgegenüber hat sich die wirtschaftliche Lage in zahlreichen Schwellenländern teils deutlich verschlechtert. Namentlich leiden von Erdöl und wichtigen Industrierohstoffen abhängige Länder unter einem erneuten Preisverfall.

Maschinenexport: Licht und Schatten

Dies ist alles in allem eine Mixtur, die sich nahezu eins zu eins in den Exporten der deutschen Maschinenbauer niederschlägt. Auf der Plusseite stehen eindeutig die Maschinenausfuhren in die USA sowie in wichtige europäische Nachbarländer. Die größten Einbußen müssen die deutschen Maschinenbauer wenig überraschend in Russland und in der Ukraine verkraften. Der russische Markt verkörpert für Maschinenbauer aktuell alle nur denkbaren Probleme: eine große Abhängigkeit von Rohstoffexporten, eine kräftige Abwertung des Rubel, die Güterimporte für russische Kunden massiv verteuert, schlechte Finanzierungsbedingungen mit exorbitant hohen Zinsen, das alles garniert mit wirtschaftlichen Sanktionen sowie einem hohen Maß an politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit. Prozentual im mittleren einstelligen Bereich, wegen des hohen Volumens aber durchaus empfindlich spürbar sind ferner die so nicht erwarteten Rückgänge der Exporte in die Volksrepublik China.

Unterm Strich verbleibt in den ersten drei Quartalen 2015 immerhin noch ein kleines Exportplus von knapp 1% real. Nicht auszumalen, wie es ohne den kräftigen Rückenwind der Euro-Abwertung aussehen würde. Die durchaus unterschiedlich ausfallende Exportperformance deutscher Maschinenbauer in China und den USA, beides Märkte, auf denen Anbieter aus dem Euroraum dank der Abwertung gegenüber den heimischen Währungen erhebliche preisliche Vorteile nutzen können, zeigt jedoch wieder einmal: Der Wechselkurs allein ist nicht imstande, eine Konjunktur zu drehen. Die Nachfrage ist entscheidend. Wenn sie nicht auf Touren kommt, kann die Produktion nicht zulegen. Zudem birgt ein niedriger heimischer Wechselkurs bei allgemein schwacher Nachfrage für den Anbieter die Gefahr, dem Kunden allzu sehr im Preis entgegenzukommen. Ein süßes Gift, denn der dergestalt gewonnene preisliche Wettbewerbsvorteil zerrinnt bei wieder steigendem Kurs und muss dann durch ein technisch deutlich verbessertes Angebot an den Kunden und Kosteneinsparungen verteidigt werden.

Auftragseingang: Insgesamt knapp unter Vorjahr

Anhaltspunkte für die Analyse der wenig befriedigenden konjunkturellen Performance liefert neben der regionalen Differenzierung die Entwicklung des Auftragseingangs nach Teilbranchen. Für den Auftragseingang des deutschen Maschinenbaus insgesamt steht in den ersten zehn Monaten des Jahres preisbereinigt eine Null. Im Inland und im Euroraum läuft es dabei etwas besser als auf den Märkten außerhalb des gemeinsamen Währungsgebietes. Die bereits beschriebenen Unterschiede zwischen fortgeschrittenen Volkswirtschaften und aktuell wenig dynamischen Schwellen- und Entwicklungsländern setzen sich offenbar fort.

Diese Einschätzung findet ihre Bestätigung in der Detailbetrachtung. Grob kategorisiert müssen Teilbranchen des Maschinen- und Anlagenbaus mit überdurchschnittlichem Engagement in Schwellen- und Entwicklungsländern und einem vornehmlich auf die Förderung und Weiterverarbeitung von Rohstoffen spezialisierten Kundenstamm teils heftige Einbußen verkraften. Dagegen schlagen sich Maschinenbauunternehmen mit einer vergleichsweise starken Ausrichtung auf die klassischen Industrieländer und einem breit gefächerten, vornehmlich auf Automatisierungsaufgaben, Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung ausgerichteten Angebot recht gut.

Maschinenproduktion 2016: Zyklus lässt abermals auf sich warten

Nach vier Jahren nahezu Stillstand und drei prognostischen Fehlversuchen fällt ein allzu optimistischer Blick in die nahe Zukunft schwer. Allerdings gibt es aktuell auch keinen Anlass für einen übertriebenen Pessimismus. Die Weltwirtschaft expandiert, wenn auch verhalten, und bietet so dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau weiterhin Absatzchancen – fachlich differenziert vor allem in automatisierungsnahen Bereichen und auf regionaler Ebene im Export in die EU-Partnerländer und – mit Einschränkungen – in die USA. Förderlich wirkt sich dabei die den deutschen Herstellern eigene Fähigkeit aus, in einem insgesamt eher schwierigen Umfeld Erfolge in der Nische aufzuspüren und immer wieder neue Länder für ihre Produkte zu erschließen. Grundstoffnahe Bereiche werden demgegenüber weiter auf ein Ende der Durststrecke warten müssen und das Gesamtergebnis belasten. Kurz: Es dürfte wieder einmal auf die Verteidigung des Status quo hinauslaufen, nicht mehr, aber auch nicht unbedingt weniger. Die VDMA-Volkswirte erwarten für die deutsche Maschinenproduktion 2016 insgesamt eine preisbereinigte Null, also Stagnation.

Industrie 4.0: Chancen der Digitalisierung der Produktion aktiv ergreifen

Wir leben und arbeiten in schwierigen Zeiten: Ukraine, Syrien, Irak, Nordafrika – die Nachrichten sind Tag für Tag voll davon. Die Terroranschläge von Paris zeigen, wie schnell und unmittelbar sich diese Krisen nicht nur auf unsere Geschäfte, sondern auch auf unser Leben auswirken können. Ganz zu schweigen vom Strom der Flüchtlinge, der unser Land erreicht hat. Das schafft ein Klima der Unsicherheit, dessen politische und ökonomische Auswirkungen ungewiss sind. Gleichzeitig wirkt Deutschland scheinbar wie ein Ort der Stabilität. Die deutsche Wirtschaft läuft insgesamt recht solide. Das mag beruhigend wirken, sollte aber niemanden dazu verleiten, sich in „gefühlter“ Sicherheit zu wiegen und sich bei der Vorbereitung auf morgen auf die Verteidigung des Status quo zu beschränken.

Über eben diesen Status quo reden wir aber bei der Betrachtung der Investitionstätigkeit in Deutschland. In Deutschland wird zu wenig investiert, und zwar nicht nur von der sogenannten öffentlichen Hand, auch in der Industrie. Der Kapitalstock des Verarbeitenden Gewerbes – genauer: das reale Nettoanlagevermögen als Ergebnis der früheren Investitionstätigkeit inklusive der F&E-Ausgaben unter Berücksichtigung des Wertverlustes und der Inflationsrate – lag im Verarbeitenden Gewerbe 2013 laut Berechnungen der Deutsche Bank Research um 0,8% unter dem Wert von 2000.1 Das ist selbst für eine sogenannte reife Volkswirtschaft alarmierend.

Nicht nur der exportstarke Maschinen- und Anlagenbau, die deutsche Industrie insgesamt lebt davon, Neues zu ersinnen, auszuprobieren und marktreif zu machen, kurz: von Innovation und Investition. Es mag zwar sein, dass über einen regen Konsum der privaten Haushalte ebenfalls neue Ausrüstungsinvestitionen angeregt werden. Kräftige Impulse sind hiervon aber nicht zu erwarten, zumal viele Konsumgüter importiert werden. Und was gut sein mag für den Konsum, kann fürs Investieren zum Problem werden. Löhne und Gehälter sind in Deutschland in den letzten Jahren kräftig gestiegen, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unseres ohnehin vergleichsweise teuren Industriestandorts hat sich verschlechtert.

Mit der Digitalisierung der Produktion bietet sich dem Maschinenbau – sowohl als Anbieter als auch als Anwender – eine Perspektive, diese Belastungen zu kompensieren und seine führende Rolle für maßgeschneiderte Produkte auf dem Weltmarkt erfolgreich zu verteidigen und auszubauen. Richtig ist, dass durch die Digitalisierung einfachere Arbeitsplätze gefährdet werden könnten. Hier steht, so müssen wir befürchten, die nächste öffentliche Erregung ins Haus. Doch anstatt Listen ins Internet zu stellen, mit Hilfe derer man mit einem Klick erfahren kann, wie gefährdet angeblich die eigene Position ist, sollten wir uns lieber auf unsere Erfahrung besinnen. Fakt ist, dass die fortschreitende Modernisierung von Produkten und industriellen Produktionsprozessen nicht nur höherwertige und gut entlohnte Arbeitsplätze mit sich bringt, sondern stets auch für einen spürbaren Stellenaufbau insgesamt sorgt. Wir sind überzeugt, dass diese Erkenntnis der Vergangenheit auch für die Zukunft der Industrie gilt. Schon heute lässt sich der Aufbau und der hohe Beschäftigungsstand im Maschinenbau und anderen Industrien nicht allein damit erklären, dass Unternehmen angesichts des demografischen Wandels bemüht sind, bewährte Mitarbeiter zu halten und qualifizierte Fachkräfte möglichst frühzeitig an sich zu binden. Hinzu kommen strukturelle Effekte: In den Unternehmen werden offenbar wissens- und damit beschäftigungsintensive Dienstleistungsbereiche ausgebaut. Industrie 4.0 wirkt.

Die politischen Entscheidungsträger können diesen Prozess unterstützen. Der Wille ist da, die Politik hat Industrie 4.0 für sich entdeckt. Doch sie ist gut beraten, sich darauf zu konzentrieren, förderliche Rahmenbedingungen im Sinne einer guten Ordnungspolitik für private Investitionen und Anreize für vorwettbewerbliche Forschung und Entwicklung zu schaffen. Auch hier gilt: Der Status quo muss überwunden werden.

  • 1 Vgl. E. Heymann: Kapitalstock vieler Industriebranchen bröckelt in Deutschland, Kommentar, Deutsche Bank Research, 13.11.2015

Einzelhandel 2016: Stabiles Wachstum

Der Einzelhandel kann sich in einem günstigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld gut behaupten. Das Bruttoinlandsprodukt wird 2016 wie schon 2015 um 1,7% zulegen. Eine wesentliche Wachstumsstütze ist und bleibt der Konsum. Die Ausgaben der privaten Haushalte werden im kommenden Jahr um 2% und damit wohl nochmals etwas stärker steigen als im Vorjahr. Das eröffnet Spielräume für den Handel.

Erfreulich zeigt sich die Situation am Arbeitsmarkt. Die Zahl der Erwerbstätigen wird im Jahresdurchschnitt 2015 einen Rekordwert von etwa 43 Mio. erreichen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung steigt deutlich an. Das Beschäftigungsniveau wird 2016 wohl noch einmal steigen, wenngleich bei leicht wachsenden Arbeitslosenzahlen.

Nach einem äußerst geringen Preisauftrieb 2015 – insbe-sondere bedingt durch den Rückgang der Energiepreise – wird die Inflationsrate 2016 wohl bei rund 1% liegen. Die Entwicklung bleibt damit sehr moderat.

Günstiges Umfeld

Angesichts eines Anstiegs der Reallöhne, hoher Erwerbstätigkeit und geringer Inflation wird der private Konsum auch in den kommenden Monaten einen wesentlichen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung leisten. Das Geschäftsklima im Einzelhandel bewegt sich laut Umfrage des ifo-Instituts auf einem guten Niveau, wenngleich zum Jahresende 2015 ein leichter Dämpfer zu verzeichnen war. Insbesondere die Geschäftslage wird jedoch weiterhin sehr gut bewertet. Dies deckt sich mit den Umsatzzahlen, die das Statistische Bundesamt ausweist. Danach konnte der Einzelhandel ohne Kraftfahrzeuge, Apotheken, Tankstellen und Brennstoffe seine Erlöse auch preisbereinigt spürbar steigern. Überdurchschnittlich entwickelte sich auf Basis der verfügbaren Zahlen für 2015 der Einzelhandel mit Kosmetik und Körperpflegeprodukten, Uhren und Schmuck, Unterhaltungselektronik und Wohnmöbeln. Die gute Lage gerade in diesen Branchen deutet darauf hin, dass die Verbraucher bereit waren, auch größere Anschaffungen zu tätigen und in ihr Wohnumfeld und ihre persönliche Ausstattung zu investieren.

Auch die Ergebnisse der Konjunkturumfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) aus dem Sommer 2015 bestätigen das insgesamt erfreuliche Gesamtbild. Die Geschäftslage im ersten Halbjahr wurde von den Unternehmen etwas besser bewertet als noch im Vorjahr. Die Erwartungen für das zweite Halbjahr waren aufwärts gerichtet. 41% der befragten Händler rechneten mit einem Umsatzplus. Zu diesem Optimismus trugen nicht zuletzt die Einschätzungen zu den Online-Umsätzen bei. 61% der Multichannel-Händler erwarteten eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr.

Wachstumstreiber Online-Handel

Der Online-Handel ist weiterhin Wachstumstreiber im Einzelhandel. Der Gesamtumsatz liegt 2015 nach HDE-Prognose bei rund 42 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Plus von 12%. Während die Entwicklung in einigen Kategorien wie Unterhaltungselektronik nicht mehr mit der hohen Dynamik der Vorjahre verläuft, ist in anderen Warengruppen wie Heimwerkerbedarf sowie Auto- und Motorradzubehör ein deutliches Wachstum zu beobachten. Der Online-Marktanteil am Einzelhandel liegt aktuell bei rund 9% und könnte bis 2020 auf 15% bis 20% steigen, im Nonfood-Handel deutlich darüber hinaus.

Für den Einzelhandel insgesamt rechnet der HDE für 2015 mit einem Umsatz ohne Mehrwertsteuer von 471 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Anstieg zum Vorjahr von 2,7%. Preisbereinigt dürfte das Plus bei 2,5% liegen. Dies wäre das stärkste Umsatzwachstum seit 20 Jahren. Das ist eine erfreuliche Nachricht, aber kein Grund für Euphorie. Die Entwicklung verläuft trotz der außerordentlich guten Rahmenbedingungen ohne große Dynamik. Das Wachstumspotenzial im Einzelhandel bleibt überschaubar.

Stabile Beschäftigung

Der Einzelhandel baut als Folge der erfreulichen Branchenkonjunktur in moderatem Umfang Beschäftigung auf. Nach den aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren zum Stichtag 31. März 2015 insgesamt 30 000 Beschäftigte mehr tätig als noch im Vorjahr. Dabei ergibt sich die Zahl aus einem Zuwachs von 60 000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und einem Rückgang um 30 000 bei den Minijobs.

Die Minijobs im Handel haben sich seit 2011 um über 100 000 reduziert. Die Zahlen zeigten, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Handel nicht durch Minijobs verdrängt wurden. Minijobs federten vor allem die Spitzenbelastungen ab. Insgesamt machen Minijobs mit etwa 15% nur einen geringen Teil des gesamten Arbeitszeitvolumens im Einzelhandel aus.

Der Einzelhandel ist mit 3 Mio. Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in Deutschland und sichert indirekt weitere 1,4 Mio. Arbeitsplätze in anderen Branchen. Auch 2016 bleibt die Branche ein wichtiger Jobmotor. Die Unternehmen werden die Zahl der Beschäftigten um voraussichtlich 1% steigern.

Digitalisierung schreitet voran

Getrieben durch die fortschreitende Digitalisierung durchläuft der gesamte Einzelhandel einen grundlegenden strukturellen Veränderungsprozess. Alle Geschäftsbereiche und wirtschaftlichen Aktivitäten entlang der Lieferkette sind betroffen. Die Beziehungen zu Lieferanten und Kunden wandeln sich tiefgreifend. Zentraler Faktor ist die enge Vernetzung der Vertriebs- und Kommunikationskanäle – stationär, online und mobil. Der Einzelhandel erweist sich dabei abermals als eine äußerst wandlungsfähige Branche. Es bedarf deshalb neuer, moderner Regeln, damit Händler die im Zuge der Digitalisierung entstehenden Möglichkeiten optimal nutzen können. Auf nationaler und europäischer Ebene sind wichtige strategische Entscheidungen erforderlich, um die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung des Handels zu schaffen. Dabei bedeutet Digitalisierung für den Einzelhandel weit mehr als nur Online-Handel.

Es verändert sich das ganze Geschäftsmodell als Beziehungsgeflecht zwischen Erzeugern, Lieferanten, Dienstleistern, Händlern und Kunden. Dem Einzelhandel bieten sich dadurch neue Chancen. Er kann seine Strategie vertikal erweitern, indem er sich nicht mehr auf die reine Handelsfunktion beschränkt. 3D-Drucker zum Beispiel könnten in Zukunft die Möglichkeit bieten, Produkte selbst im Geschäft zu produzieren und sofort zu verkaufen. Auf der anderen Seite treten Hersteller, Dienstleister und Privatpersonen selbst auch als Händler auf und verschärfen damit den Wettbewerb.

Die Digitalisierung treibt die Internationalisierung des Handels voran. Auch aus diesem Grund ist der Einzelhandel ein überzeugter Verfechter des europäischen Binnenmarkts. Dessen Spielregeln müssen nicht neu geschrieben werden. Dabei geht es um Chancengleichheit: zwischen verschiedenen Ländern, großen und kleineren Unternehmen, sowie zwischen Vertriebswegen – also z.B. zwischen stationärem und mobilem Online-Handel oder neuen Handelsformen.

Die vielleicht weitreichendste Veränderung betrifft das Verhältnis zwischen dem Handel und seinen Kunden. Die Rolle der Akteure innerhalb der Wertschöpfungskette wird neu definiert: Egal, ob es um den Vertriebskanal, die Art der Lieferung oder des Bezahlens geht: Den Kunden stehen alle Möglichkeiten offen. Die Digitalisierung lässt Vertriebskanäle zusammenwachsen. Kunden bedienen sich ganz selbstverständlich mehrerer Kanäle parallel, verschaffen sich so ein nahtloses Shopping-Erlebnis. Das traditionelle Geschäft wird seine Bedeutung nicht verlieren, sondern sein Geschäftsmodell etwa um digitale Services erweitern. Gleichzeitig entdecken reine Online-Händler die Vorzüge der unmittelbaren Nähe zum Kunden und eröffnen Geschäfte bevorzugt in Großstädten. Die Grenzen zwischen den Vertriebskanälen verschwimmen immer mehr. Der Kunde gibt das Tempo vor.

Versicherungsbranche: Alte Herausforderungen, neue Chancen

Bereits im letztjährigen Zeitgespräch haben wir aus Sicht der Versicherungswirtschaft das Niedrigzinsumfeld kritisch beleuchtet. Kaum vorstellbar war aber das Ausmaß, in dem das Thema „Renditeverfall“ im Verlauf des Jahres 2015 zusätzlich an Bedeutung gewinnen würde. Auch wenn eine Reihe von Faktoren wie der Beinahe-Austritt Griechenlands aus der Währungsunion oder der weitere Verfall der Rohstoffpreise hierzu beigetragen haben, dürften wohl kaum Zweifel daran bestehen, dass es vor allem der geldpolitische Kurs der EZB war, der die Kapitalmarktzinsen derart stark unter Druck gebracht hat. Mit der Ankündigung des EZB-Rats im Januar 2015, ein großes Anleihekaufprogramm in Höhe von 1,15 Billionen Euro aufzulegen, entstand ein massiver Abwärtsdruck auf die Zinsen, in deren Folge die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe auf 0,05% im April 2015 fiel. Trotz eines leichten Wiederanstiegs in den Folgemonaten ist das Zinsumfeld für Sparer und Anleger nun mehr als ernüchternd: So liegen die Renditen von Bundesanleihen mit Laufzeiten von bis zu sechs Jahren zurzeit im negativen Bereich. Dies bedeutet, dass der deutsche Finanzminister für die meisten der 2015 aufgenommenen Kredite nicht einmal den Nominalbetrag zurückzahlen muss. Um das ganze Ausmaß dieser Situation deutlich zu machen: Bei einer angenommenen Inflation von nur 1% pro Jahr und einem Coupon von -0,1% erhält ein Investor nach sechs Jahren von 100 Euro in realer Rechnung gerade einmal 93,5 Euro zurück; ein stattlicher Verlust.

Quantitative Geldmengenlockerung

Da die Renditen von Staatsanleihen in den Kernmärkten so stark gefallen sind und die EZB zudem als großer Käufer auf allen Staatsanleihemärkten des Euro-Währungsgebiets auftritt, sind auch die Kapitalmarktzinsen in den früheren Problemländern des Euroraums zusammengeschmolzen. In Spanien oder Italien etwa lag die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen im Tief des letzten Jahres bei knapp über 1%, ein während der Finanzkrise (und wohl auch davor) unvorstellbar niedriges Niveau. Im Sog fallender Zinsen auf den Staatsanleihemärkten ist auch die Verzinsung von Unternehmensanleihen drastisch gefallen. Gemessen am „Bloomberg EUR Investment Grade Corporate Bond Index“ ist die durchschnittliche Verzinsung von Qualitätstiteln auf 0,75% gesunken. Seither sind die Renditen zwar leicht gestiegen, mit etwas über 1,2% befinden sie sich aber nach wie vor auf einem äußerst niedrigen Niveau. Hier spiegelt sich vor allem die Suche der Investoren nach höherverzinslichen Titeln – und nicht etwa ein fundamental gerechtfertigtes Zinsniveau.

Dies sind nur einige Beispiele der geldpolitisch induzierten Verzerrungen auf den Bondmärkten. Leider gibt es von der EZB bislang aber kaum Signale, dass sie von ihrem Kurs abrücken wird. Im Gegenteil: Auf ihrer Sitzung Anfang Dezember 2015 hat sie beschlossen, das Anleihekaufprogramm noch einmal zu verlängern, und zwar – mindestens – bis zum März des Jahres 2017. Auch wenn die monatlichen Anleihekäufe nicht erhöht wurden, bedeuten die zeitliche Verlängerung des Programms und die Entscheidung, Zinserträge zu reinvestieren, dass die EZB-Bilanz noch weiter anwachsen wird. Gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung des Euroraums wird die Bilanzsumme damit nach derzeitiger EZB-Planung über den Wert hinaus ansteigen, der im Zuge der quantitativen Geldmengenlockerung in den USA erreicht wurde (über 40% versus 26%). Dies ist insofern relevant, als wissenschaftliche Studien1 darauf verweisen, dass der zinsreduzierende Effekt der quantitativen Geldmengenlockerung vom Bestand und der Zusammensetzung an Anleihen abhängt, der auf der Zentralbankbilanz liegt.

Es ist davon auszugehen, dass die EZB nach Auslaufen des Programms ihre Käufe nicht unmittelbar einstellen, sondern sukzessive verringern wird, um Marktverwerfungen zu vermeiden. Sollte also die EZB ihre Käufe 2017 zurückführen, so ist damit wegen der zunächst noch weiter steigenden Bilanzsumme voraussichtlich noch kein Anstieg der Kapitalmarktzinsen verbunden. Dies wird derzeit in den USA sehr deutlich: Obwohl die Fed ihre Anleihekäufe bereits im Herbst des Jahres 2014 eingestellt und zudem im Dezember letzten Jahres die Zinswende eingeleitet hat, sind die Kapitalmarktzinsen immer noch sehr niedrig. Im 10-Jahres-Segment rentierten Treasuries zum Jahresende gerade einmal mit etwas über 2,2%, und damit immer noch auf dem Niveau vom Jahresbeginn 2015. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Treasury-Renditen nach der historischen Zinswende im Dezember sogar leicht gefallen sind.

Sorgen der Versicherungswirtschaft

Insgesamt ist deshalb davon auszugehen, dass die Kapitalmarktzinsen im Euroraum noch auf Jahre hinaus sehr niedrig bleiben werden, mit all den Gefahren, die sich hiermit verbinden. Große Sorgen bereiten aus Sicht der Versicherungswirtschaft dabei folgende Aspekte:

  • Die Kapitalmarktzinsen haben ihre volkswirtschaftliche Lenkungsfunktion verloren. Dies ist aus ordnungspolitischer Sicht für eine Markwirtschaft ein sehr kritischer Befund, denn mit den stark gestörten Preissignalen werden Fehlallokationen von Kapital begünstigt. Stichworte sind hier die „übermäßige Risikoneigung“ von Investoren oder die Existenz von „Zombie“-Firmen, die ohne valides Geschäftsmodell nur aufgrund des äußerst billigen Kapitals existieren. Die negativen Folgen der Niedrigzinspolitik zeigen sich bereits jetzt deutlich, auch wenn sie in ihrem ganzen Umfang wohl erst dann sichtbar werden, wenn die Geldpolitik ihren Kurs normalisiert.
  • Wegen des Niedrigzinsumfeldes sind Sparziele der privaten Haushalte zunehmend schwerer zu erreichen. Dabei ist eine stärkere kapitalgedeckte Altersvorsorge weiterhin dringend erforderlich. Zwar sind die Sozialsysteme aufgrund der guten Beschäftigungslage und der „demografischen Linse“ derzeit ausreichend finanziert. Dies dürfte sich aber schon bald ändern. Im Jahr 2013 gehörten 49,2 Mio. Menschen der Altersgruppe von 20 bis 64 Jahren an, wobei die starken Altersjahrgänge der 40- bis 60-Jährigen diese Gruppe dominierten.2 Diese Zahl wird selbst bei Annahme eines dauerhaft positiven Wanderungssaldos3 nach 2020 deutlich zurückgehen. Bis 2030 dürfte diese Zahl bis auf knapp unter 45 Mio. gefallen sein und bis 2060 weiter auf 38 Mio. Menschen schrumpfen. Der Altenquotient, der jetzt bei 34 liegt, läge dann bei 61. Die erheblichen negativen Konsequenzen für die sozialen Sicherungssysteme können nur aufgefangen werden, wenn frühzeitig ein entsprechender Kapitalstock aufgebaut wird, der zudem von einer hinreichend positiven Rendite profitiert.

Solvency II: Was lange währt, …

Neben dem Zinsumfeld war die Vorbereitung auf Solvency II in den letzten Jahren das beherrschende Thema für die Versicherungswirtschaft. Hier wird das Jahr 2016 einen historischen Wendepunkt markieren, denn nach 15 Jahren Vorbereitung wird das neue Regelwerk mit Jahresbeginn scharf geschaltet. Nun gilt es zu beobachten, inwieweit die zahlreichen Probeläufe dazu beigetragen haben, das neue Aufsichtssystem auch praxistauglich zu machen. Die deutschen Versicherer werden hier sehr genau hinschauen und die für das Jahr 2018 geplante Überprüfung konstruktiv begleiten. Ein besonderes Augenmerk wird zweifelsohne auf der Parametrisierung von Solvency II liegen. Die deutsche Versicherungswirtschaft verwaltet ein sehr großes Anlagevermögen von knapp 1,5 Billionen Euro. Gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung in Deutschland sind dies gut 50%. Damit können die Versicherer einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Wirtschaft leisten. Allerdings sind die geforderten Eigenmittelunterlegungen bei einigen Asset-Klassen immer noch hoch. Hier vertritt der Verband seit jeher die Auffassung, dass die Kapitalanforderungen zu den eingegangenen Risiken passen müssen. Dies gilt in einem Niedrigzinsumfeld umso mehr. Es wird also zu beobachten sein, ob das neue Aufsichtssystem neben der angestrebten Sicherheit auch die erforderlichen Freiräume für Investitionen in die Realwirtschaft lässt.

Zur Verbesserung der Kapitalmarkttiefe in Deutschland kann auch die von der Kommission im letzten Jahr angestoßene Europäische Kapitalmarktunion einen wesentlichen Beitrag leisten. Ziel der Initiative ist es, bis 2019 einen grenzüberschreitenden einheitlichen europäischen Kapitalmarkt zu schaffen. Eine der Auffälligkeiten in Europa ist, dass die Unternehmensfinanzierung immer noch sehr stark von der Bankenfinanzierung abhängt. Zwar decken Firmen aus den USA und Europa jeweils rund ein Fünftel ihrer Finanzierung über Bankkredite und Unternehmensanleihen ab, allerdings ist hier der Anteil der Bankkredite in Europa im Vergleich zu den USA mehr als doppelt so hoch.4 Auch deshalb ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die Fragmentierung der Finanzmärkte in Europa beseitigt werden soll. Soweit Finanzinstrumente, Kapitalmarktstandards und Investorenrechte in den Mitgliedstaaten angeglichen und alternative Finanzierungsquellen neben Bankendarlehen für die Finanzierung der Realwirtschaft erschlossen werden, kann dies zu einer Erweiterung und Diversifizierung der Anlagemöglichkeiten für institutionelle Investoren beitragen. Zu begrüßen ist dabei auch, dass sich die Harmonisierung des Kapitalmarktes nicht nur auf die Ausgestaltung der Kapitalmarktinstrumente beschränken soll, sondern sich die EU-Kommission der Notwendigkeit der Harmonisierung der für Investoren wichtigen Regelungen im Insolvenz-, Gesellschafts- und Steuerrecht bewusst ist und diese vorantreiben will.

In der Vertiefung der Europäischen Kapitalmärkte sehen die deutschen Versicherer eine große Chance, die von ihnen verwalteten Finanzmittel risiko- und ertragsgerecht anlegen zu können. Ein wesentliches Beispiel sind hier Infrastrukturinvestments. Wegen der geringen Investitionstätigkeit des Staates schrumpft der öffentliche Kapitalstock in Deutschland seit mehr als zehn Jahren. Um den entstandenen Investitionsstau aufzulösen, können Öffentliche und Private Partnerschaften (ÖPP) ein geeignetes Mittel sein. Wesentliche Voraussetzung für die Bereitstellung privaten Kapitals für langfristige Projekte ist Planungs- und Rechtssicherheit. Einmal getroffene politische Entscheidungen dürfen im Nachhinein nicht geändert werden. Aktuell liegt der Anteil von Infrastruktur­investments in den Portfolien der deutschen Versicherer bei unter 1%. Dieser Wert sollte in den kommenden Jahren merklich steigen.

Kräfte frei für Chancen der Zukunft

Nach dem Start von Solvency II ist für die Unternehmen sicher auch weiterhin ein hohes Maß an Konzentration auf dieses Thema erforderlich. Zudem stehen noch zahlreiche weitere regulatorische Reformen an, von der Reform der Vertriebsregulierung bis hin zur Neuordnung des europäischen Datenschutzrechts. Allerdings dürften mit der Aufnahme des neuen Aufsichtssystems in den Geschäftsbetrieb einige Kräfte für eine Fokussierung auf die Chancen der Zukunft frei werden. Hier ist vor allem die Digitalisierung der Gesellschaft zu nennen. Wie viele Bereiche des Lebens und Wirtschaftens wird sie auch die Versicherungsmärkte grundlegend verändern. Bereits jetzt treten die immensen Auswirkungen dieser technologischen Revolution für die Versicherungsmärkte immer stärker zutage. Alle Bereiche der Geschäftstätigkeit der Versicherer sind hier betroffen. Die Unternehmen sind derzeit dabei, ihre internen Prozesse, die Produkte, Kundenkommunikation und Vertriebsstrategien, aber etwa auch das Schadenmanagement an die neuen Gegebenheiten und Möglichkeiten anzupassen.

Sichtbar wird dies unter anderem in den zahlreichen Produktinnovationen, die auf den Markt kommen. Diese reichen vom zunehmenden Angebot an Cyber-Versicherungen zur Absicherung der mit der Digitalisierung verbundenen Risiken über verhaltensabhängige „Telematik“-Tarife in der Kfz-Versicherung bis hin zu mobil abschließbaren Kurzzeitversicherungen für situative Versicherungsbedarfe. Zwar steht die Versicherungswirtschaft dabei auch mit neuen Anbietern – z.B. den „InsureTechs“ – im Wettbewerb. Es besteht aber die große Chance für die Versicherer, die Produkte und Services so zu gestalten, dass sie die individuellen Bedürfnisse der Kunden noch besser abdecken können.

Konjunkturperspektiven positiv

Insgesamt wird die Versicherungswirtschaft auch im Jahr 2016 mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert sein, wobei das – mittlerweile extreme – Niedrigzinsumfeld und das neue Regelwerk Solvency II wichtige Themen bleiben werden. Umgekehrt eröffnet sich aber auch eine Reihe von Chancen. Hierzu zählt die Digitalisierung der Gesellschaft ebenso wie die Erschließung neuer Anlagepotenziale.

Und schließlich: Die Versicherungswirtschaft bewegt sich nicht im luftleeren Raum. Erfreulich ist, dass sich die deutsche Wirtschaft in guter Verfassung befindet. So sind die Preise stabil und der gesamtstaatliche Haushalt von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen dürfte im letzten Jahr erneut im Plus geschlossen haben (rund 0,7% gemessen am BIP, nach 0,4% im Jahr 2014). Trotz zahlreicher Störfeuer wie die spürbare Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern oder die sehr hohen geopolitischen Risiken rechnen wir damit, dass die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts 2016 rund 1,5% betragen wird und damit in etwa das Niveau des Vorjahres erreicht.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Wachstumskräfte zunehmend in Richtung Inlandsnachfrage verschieben. Während der Außenbeitrag schrumpft (und im Jahr 2016 sogar leicht negativ werden dürfte) ist die Inlandsnachfrage – und hier vor allem der private Verbrauch – robust. Allerdings, so erfreulich die Verbrauchskonjunktur derzeit auch erscheinen mag, mit einem durchschnittlichen Anstieg von 0,8% in den Jahren 2010 bis 2014 und rund 2% im letzten Jahr ist der reale private Konsum sowohl im internationalen Vergleich als auch mit Blick auf die sehr gute Arbeitsmarktentwicklung (Stichwort Vollbeschäftigung) immer noch eher schwach. Zur Immunisierung der deutschen Volkswirtschaft gegen externe Risiken wäre es wünschenswert, wenn die Finanzpolitik den privaten Haushalten zusätzliche Spielräume für eine dauerhafte Ausweitung des Konsums und eine Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge verschaffen würde. Sondereffekte wie der 2015 stark gesunkene Ölpreis (knapp 40%) werden nicht auf Dauer wirken.

  • 1 Vgl. S. Kozicki, E. Santor, L. Suchanek: Central Bank Balance Sheets and Long-term Forward Rates, Bank of Canada, 2010.
  • 2 Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060, 13. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden 2015.
  • 3 Unterstellt hat das Statistische Bundesamt hier einen jährlichen Saldo von plus 200 000 Menschen.
  • 4 European Commission: European Financial Stability and Integration, Staff Working Document, Brüssel 2015, S. 60-62.

Title:Economic Expectations of the German Economy for 2016

Abstract:Last year saw only a moderate economic upturn, which will continue in 2016. Geopolitical risks and the loss of momentum in the emerging economies are obstacles that may hinder a positive trend in exports. However, the falling crude oil price and the low euro currency rate give hope for better prospects. On the domestic front, there is a strong focus on the digitisation of all sectors. Meanwhile, many problems result from the low level of investments and the high energy costs resulting from the energy transition. The insurance industry views the low-yield environment, which greatly intensified last year, as its main challenge in 2016.


DOI: 10.1007/s10273-016-1920-5