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Die hohen Flüchtlingszahlen und die wachsende Nachfrage nach Wohnungen in den Ballungsräumen haben die Politik veranlasst, die lange vernachlässigte öffentliche Wohnraumförderung wieder in den Blick zu nehmen. Um rasch neuen Wohnraum anzubieten, schlagen die Autoren unterschiedliche Maßnahmen vor. Dabei kommt es darauf an, sie effizient auf die Zielgruppe zuzuschneiden. Welche Gewichtung die Objekt- und die Subjektförderung dabei haben sollte, wird unterschiedlich bewertet. Genossenschaften sollten in dem Maßnahmenbündel nicht vergessen werden.

Mehr Wohnraum für alle statt öffentlicher Mangelwirtschaft

Ansteigende Mieten in den Ballungsräumen und fehlender Wohnraum für Flüchtlinge haben reflexartig zur Forderung nach mehr öffentlichem Wohnungsbau geführt. Nur so glaubt man, ein ausreichendes Angebot bezahlbaren Wohnraums gewährleisten zu können. Sogleich sind auch entsprechende Programme in Bund und Ländern aufgelegt worden:

  • Bundesbauministerin Barbara Hendricks hat angekündigt, die Bundeszuschüsse an die Länder für den sozialen Wohnungsbau von bisher 1 Mrd. Euro pro Jahr zu verdoppeln. Auch ohne die Flüchtlinge hätten rund 30% der Bevölkerung aufgrund ihres geringen Einkommens Anspruch auf eine Sozialwohnung, jedoch stünden nur für 8% der Bevölkerung Sozialwohnungen bereit.1
  • Auch die für den sozialen Wohnungsbau seit 2006 eigentlich allein zuständigen Länder haben entsprechende Maßnahmen angekündigt. So will das Land Nordrhein-Westfalen den sozialen Wohnungsbau sowie den „Flüchtlingsbau“ mit hohen Tilgungsnachlässen und niedrigeren Standards – z.B. was die Balkon- und Stellplatzpflicht betrifft – ankurbeln.2

Diese Reaktion ist aus politischer Sicht durchaus rational. Die Wähler erwarten schnelle und für sie angenehme Lösungen, und der politische Aktionismus gaukelt ihnen genau dieses vor. Ob die Maßnahmen aber wirklich an den Ursachen der Probleme ansetzen und was ihre längerfristigen Folgen sind, bleibt dabei weitgehend außen vor. Insoweit gleicht das politische Handeln oft dem Verschreiben eines schnell wirkenden Schmerzmittels, statt die Krankheit zunächst einmal ordentlich zu diagnostizieren und darauf eine nachhaltig wirkende Therapie aufzubauen. Der Wissenschaft bleibt dann meist die undankbare Aufgabe, die nüchternere Wirklichkeit dem schönen Schein entgegenzuhalten.

Staat als Kostentreiber

Zu dieser Wirklichkeit gehört zunächst, dass der Staat selbst der größte Kostentreiber auf den Wohnungsmärkten ist. Wenn es also um bezahlbaren Wohnraum geht, wäre zuallererst hier anzusetzen. So sind die Gesamtkosten im Wohnungsbau nach einer Analyse der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen ARGE e.V. zwischen 2000 und 2014 in Ballungsgebieten um 39% gestiegen.3 Nur knapp die Hälfte dieses Kostenanstiegs (49%) war aber auf die eigentlichen Baupreise einschließlich Nebenkosten zurückzuführen. Allein 28,4% gingen auf verschärfte Vorgaben von Bund und Ländern zurück, weitere 9,4% auf entsprechende kommunale Verschärfungen und nochmals 13,2% auf steigende Baulandpreise (vgl. Abbildung 1). Letztere liegen zumindest mittelbar ebenfalls in der Verantwortung des Staates, denn nur er kann über die Ausweisung von zusätzlichem Bauland die Bodenknappheit auf den Wohnungsmärkten verringern. Insgesamt sind die Kosten einer Neubauwohnung seit 2000 allein durch die staatlichen Auflagen, Gebühren und Steuern (ohne den Baulandpreiseffekt) um rund 24 000 Euro gestiegen.4

Abbildung 1
Kostentreiber für den Wohnungsbau
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Quelle: D. Wahlberg: Kostentreiber für den Wohnungsbau, ARGE e.V. Kiel, April 2015.

Auch bei den laufenden Wohnkosten ist der Staat der größte Preistreiber. So schlagen sich die Kosten der Energiewende, speziell die Förderung des Solarstroms nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), voll in den Ausgaben für Wohnen nieder. Nach Angaben des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) sind zwischen 2000 und Ende 2014 die Verbraucherpreise für Haushaltsenergie (ohne Strom), die in die warmen Betriebskosten einfließen, um 95% gestiegen. Dagegen haben die Nettokaltmieten nur um 20% zugenommen, das war deutlich weniger als die allgemeine Inflationsentwicklung (+25%).5 Nicht zuletzt haben die Kommunen auch die Grundsteuern kräftig erhöht, die als sogenannte umlagefähige Nebenkosten auch die Mieter belasten. So sind die Hebesätze der Grundsteuer allein 2015 im Bundesdurchschnitt um 3,4% (bzw. 17 Hebe­satzpunkte) angestiegen, am stärksten in Nordrhein-Westfalen mit 7,8% (bzw. 40 Hebesatzpunkten).6

Negative Erfahrungen mit sozialem Wohnungsbau

Vor diesem Hintergrund gehört schon ein gehöriges Maß an politischer Chuzpe dazu, die steigenden Wohnkosten „dem Markt“ in die Schuhe zu schieben und daraus wiederum neue politische Interventionen abzuleiten. Dies umso mehr, als die bisherigen Erfahrungen mit dem sozialen Wohnungsbau überwiegend negativ sind. Eine Ausnahme davon bildet allerhöchstens der soziale Wohnungsbau in den 1950er und 1960er Jahren, als staatliche Investitionshilfen den erschwerten Zugang zum Kapitalmarkt abfedern konnten. Angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus kann davon heute jedoch keine Rede sein. Spätestens seit den 1970er Jahren zeigten sich zunehmend die Nachteile der staatlichen Wohnraumbewirtschaftung in Form von sozialen Brennpunkten, ausufernden Kosten und Fehlbelegungen.7

Trotz mancher Reformen hat sich an diesen grundsätzlichen Schwächen des sozialen Wohnungsbaus bis heute wenig geändert. So sind nach einer kürzlich vorgelegten Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft anhand von SOEP-Daten 54% der Sozialwohnungen fehlbelegt – d.h. nicht einmal jeder zweite Haushalt, der in einer Sozialwohnung lebt, bekäme heute einen Wohnberechtigungsschein.8 Es gibt auch keinerlei Belege dafür, dass sozialer Wohnungsbau kostengünstiger oder schneller zu erstellen wäre als vergleichbarer Wohnraum auf dem freien Markt. So vergehen von der Planung bis zum Bezug einer Sozialwohnung rund sieben Jahre.9 Die Sozialmieten sind auch keineswegs niedriger als entsprechender Wohnraum im freien Altbestand. Stattdessen kommt es durch den sozialen Wohnungsbau sogar zur Verdrängung von frei finanzierten (hochwertigeren) Wohnungen, die durch Sickereffekte ebenfalls Wohnraum in Form von älteren Bestandswohnungen für Einkommensschwächere geschaffen hätten.10

Besonders problematisch ist dies hinsichtlich der Flüchtlinge. Sie wären nämlich im Bestand viel preisgünstiger und integrationsfreundlicher unterzubringen als in neuen Hochhäusern („vertikalen Dörfern“) des sozialen Wohnungsbaus, wie sie derzeit etwa die nordrhein-westfälische Landesregierung plant. Schon deshalb sind spezielle Wohnungsbauprogramme für diese Nachfrager der falsche Weg. Hier kämen die ohnehin meist vorliegende gesellschaftliche Isolation der Betroffenen und eine räumliche Segregation in gefährlicher Weise zusammen. Ohnehin sollten die Flüchtlinge nicht bevorzugt in den Großstädten untergebracht werden, wo ohnehin schon die Wohnungsmärkte am stärksten angespannt sind und zudem die größten sozialen Probleme bestehen.

Frei finanzierter Wohnungsbau

Richtig wäre es stattdessen, den frei finanzierten Wohnungsbau zu nutzen, und zwar auch in ländlichen Gebieten. Dazu müsste die Ausweisung von Bauland vorangetrieben werden, und zwar ohne Zwangsanteile für den sozialen Wohnungsbau, die immer weiter um sich greifen. Auch sollte der Wohnungsmarkt ein Stück weit von den künstlichen Fesseln befreit werden, die man ihm angelegt hat. Die Wohnungswirtschaft hat dazu umfangreiche Vorschläge gemacht, von der Aussetzung überzogener Lärmschutz- und Abstandsgebote bis hin zur Beschleunigung und Standardisierung von Genehmigungsverfahren.

Hier passiert derzeit noch viel zu wenig, und es wird zudem konterkariert durch neue Hemmnisse und Kos­tentreiber. Allein die zu Jahresbeginn in Kraft getretene nächste Stufe der Energieeinsparverordnung EnEV 2016 wird den Wohnungsbau um schätzungsweise 7% bis 9% verteuern.11 Zudem plant Justizminister Maas weitere Verschärfungen des Mietrechts. Nach dem Inkrafttreten der sogenannten Mietpreisbremse soll künftig die Umlage von Modernisierungskosten auf die Mieter nur noch mit 8% der Kosten pro Jahr statt wie bisher 11% möglich sein. Zusätzlich soll eine weitere Kappungsgrenze Mietsteigerungen auf höchstens 50% in acht Jahren und maximal 4 Euro je Quadratmeter begrenzen. Während also der Staat einerseits Wohnungsnot und steigende Mieten beklagt, tut er gleichzeitig alles, um private Investoren noch stärker als bisher zu verschrecken.

Besteuerung von Immobilien

Zum Ausgleich sollen steuerliche Erleichterungen dienen, insbesondere die degressive Abschreibung auf Wohngebäude wieder eingeführt werden. Über deren Berechtigung kann man durchaus streiten, zumal sie im Verein mit der steuerfreien Veräußerung von Wohnungen durch mehrfache Käufe und Verkäufe über 100% des Anschaffungspreises betragen kann.12 In jedem Fall verursachen steuerliche Anreize aber staatliche Einnahmeausfälle und sind darum keine echte Kostenersparnis, sondern nur eine Verschiebung der Lasten auf den Steuerzahler.

Wohnungen sind zudem Investitionen auf Jahrzehnte, während die Steuerpolitik sehr sprunghaft ist. So war die degressive Abschreibung aus fiskalischen Gründen erst 2006 abgeschafft worden, und es scheint nur eine Frage der Zeit, wann das politische Pendel hier erneut umschlägt. Dagegen bewegt sich der wohnungspolitische Ordnungsrahmen ziemlich verlässlich immer weiter in planwirtschaftliche Richtung. Langfristig wird sich dies trotz gelegentlicher steuerlicher Bonbons negativ auf die Investitionsbereitschaft auswirken. Einschlägige Erfahrungen in anderen Ländern können hier als Warnung dienen. So ist in Ländern wie Großbritannien, Spanien und Österreich durch vergleichbare Politik der frei finanzierte Mietwohnungsbau weitgehend verschwunden. Was sich vordergründig als soziale Wohnungspolitik darstellt, bewirkt damit auf längere Sicht das genaue Gegenteil.13 Ist der Markt erst einmal außer Kraft gesetzt, bleiben nur noch staatliche Zuteilungswirtschaft und Wohneigentum (für den, der es sich leisten kann) als Alternativen.

Zu den positiven Maßnahmen der aktuellen Wohnungspolitik gehört die Anfang 2016 in Kraft getretene Wohngeldreform. Sie hat nicht nur zu einer kräftigen Erhöhung des Wohngeldes um 39% im Durchschnitt geführt (nach allerdings langer Zeit unveränderter Sätze), sondern die Sätze sind jetzt auch regional gestaffelt. Das Wohngeld ist nach nahezu einhellig vertretener Auffassung in der Wissenschaft sozial treffsicherer als künstlich verbilligter Wohnraum, und es treten auch keine Zuteilungsprobleme wie beim sozialen Wohnungsbau auf. Denn wenn tatsächlich nur für jeden vierten Anspruchsberechtigten eine Sozialwohnung vorhanden ist, treten zwangsläufig Warteschlangen und politische Zuweisungskriterien an die Stelle von Angebot und Nachfrage. Dagegen erhöht das Wohngeld die Kaufkraft der Wohnungsnachfrager und trägt damit dazu bei, das Angebot zu erhöhen. Es reißt allerdings ebenfalls Löcher in die öffentlichen Kassen und ist insoweit der echten Kostensenkung durch Deregulierung und Bereitstellung von mehr Bauland unterlegen.

Was die steuerlichen Sonderlasten für Immobilien wie Grundsteuer und Grunderwerbsteuer betrifft, sollten diese einmal grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden. Sie stammen noch aus einer Zeit, in der es keine umfassende und ausgefeilte Besteuerung des Einkommens wie heute gab. Speziell die Grunderwerbsteuer ist steuersystematisch kaum zu rechtfertigen, auch nicht als Ersatz für die Mehrwertsteuer, von der Immobilienverkäufe ja nicht betroffen sind. Denn in den Bauleistungen und damit im Wert der Immobilien ist die Mehrwertsteuer ja bereits enthalten. Zudem wirkt die Grunderwerbsteuer (konträr zu mobilitätssteigernden zinsgünstigen Darlehen der Landesförderinstitute) als gravierendes Mobilitätshemmnis, da sie bei jedem Eigentumswechsel erneut in voller Höhe anfällt und somit den Wohnortwechsel privater Wohneigentümer stark belastet. Nach der Freigabe des früher einheitlichen Steuersatzes von zuletzt 3,5% im Jahr 2006 ist dieser in fast allen Bundesländern massiv erhöht und teilweise nahezu verdoppelt worden.

Auch bei der Grundsteuer kennen die Hebesätze praktisch nur den Weg nach oben. Sie ist zudem immer wieder Gegenstand von Verfassungsklagen und ständig neuer Reformvorschläge. Das Grundproblem besteht hier in der Bewertung des Immobilienvermögens, die entweder pauschal (und damit tendenziell ungerecht) oder aber im Einzelfall (und damit verwaltungskostenintensiv und streitanfällig) erfolgen kann. Hinzu kommt, dass es sich um eine Substanzsteuer handelt, die auf die Leistungsfähigkeit des Steuerbürgers keine Rücksicht nimmt. So wird sie über die Nebenkostenumlage beispielsweise auch von geringverdienenden Mietern mitgetragen, und sie belastet auch den im Eigentum lebenden kleinen Rentner unabhängig davon, wie prekär möglicherweise seine Einkommensverhältnisse sind.

Eine Abschaffung dieser speziellen Steuern auf Immobilien würde nicht nur den Wohnungsbau attraktiver machen, sondern wäre auch mit erheblichen Einsparungen an Verwaltungskosten verbunden. Die Steuerausfälle wären überschaubar, sie würden im Fall der Grundsteuer rund 12 Mrd. Euro bzw. 1,2% des gesamten Steueraufkommens ausmachen. Da allerdings das Aufkommen den Kommunen (bzw. im Fall der Grunderwerbsteuer den Ländern) zusteht, müsste man gleichwohl eine entsprechende Kompensation schaffen. Für die Kommunen böte sich hier ein Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer an, was in Art. 106 Abs. 5 S. 3 GG ohnehin bereits als Option vorgesehen ist. Ein solcher Zuschlag könnte für natürliche Personen recht einfach von den Finanzämtern nach dem Wohnsitzprinzip erhoben werden und müsste im Durchschnitt bei ca. 5,5% der Steuerschuld liegen. Sein besonderer Charme läge darin, dass er im Gegensatz zur Grundsteuer streng dem Leistungsprinzip folgen und somit z.B. geringverdienende Mieter überhaupt nicht belasten würde. Zudem wäre die Immobilie als solche kein Steuergegenstand mehr, so dass insoweit auch die negativen Investitionswirkungen der Besteuerung entfallen würden.

Da die Grunderwerbsteuer den Ländern zusteht, könnte man hier im Prinzip eine analoge Kompensation mit einem länderspezifischen Zuschlag zur Einkommensteuer schaffen. Ein solcher ist allerdings im Grundgesetz bisher nicht vorgesehen, seine Schaffung wäre daher politisch möglicherweise zu aufwändig im Vergleich zum Steuervolumen von rund 8 Mrd. Euro, um das es hier geht. Der einfachste Weg wäre natürlich, den Wegfall dieser Steuer einfach als Steuersenkung für die Bürger zu betrachten und auf eine Kompensation zu verzichten. Alternativ müssten gegebenenfalls die Anteile der Länder an den Gemeinschaftssteuern erhöht und letztere entsprechend angehoben werden. Bei der Umsatzsteuer böte sich die ohnehin erforderliche Vereinheitlichung des Steuersatzes als ein möglicher Weg an, bei der Einkommensteuer könnte die Kompensation im Rahmen der nächsten Tarif­anpassung erfolgen.

Wie auch immer man hier vorgehen will, in jedem Fall würde der Verzicht auf die spezielle Besteuerung von Immobilien mehreren Zielen zugleich dienen. Der Wohnungsbau würde belebt, es würde ein Beitrag zur Vereinfachung des Steuersystems geleistet, und überdies würden auch die Verteilungswirkungen in die richtige Richtung gehen, jedenfalls wenn man dabei das Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung als Maßstab zugrunde legt.

  • 1 Vgl. o.V.: Koalition streitet über sozialen Wohnungsbau, in: ZEIT online 20.1.2016.
  • 2 Vgl. o.V.: NRW will sozialen Wohnungsbau ankurbeln: 50.000 neue Wohnungen, in: Aachener Zeitung, az-web.de vom 2.10.2015.
  • 3 Vgl. D. Walberg: Kostentreiber für den Wohnungsbau, ARGE e.V. Kiel, April 2015, S. 94.
  • 4 Vgl. ebenda.
  • 5 Vgl. GdW: GdW Jahresstatistik 2014 – Ausgewählte Ergebnisse, Berlin 2015, S. 6.
  • 6 Vgl. DIHK: Rekordanstieg bei den Realsteuer-Hebesätzen, Pressemitteilung, o.O. 2015.
  • 7 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2013/14, Wiesbaden, November 2013, S. 473.
  • 8 Vgl. M. Schier, M. Voigtländer: Soziale Wohnraumförderung auf dem Prüfstand, in: IW-Trends, 43. Jg. (2016), S. 29.
  • 9 Nach Angaben des Vorsitzenden des Verbandes freier Wohnungsunternehmen in NRW, M. Dornieden, http://www1.wdr.de/nachrichten/wohnungsbau-initiative-bauministerium-100.html.
  • 10 Vgl. R. Braun: „Wer Wohnungen sät, wird Einwohner ernten“ – Skizze einer rationalen Wohnungspolitik, Berlin, Dezember 2014, S. 7.
  • 11 Vgl. D. Walberg, a.a.O., S. 39 f. Mehrkosten von 86 240 Euro stehen in dem dort durchgerechneten Beispielfall Heizkostenersparnisse von lediglich 29 610 Euro (in 20 Jahren) gegenüber.
  • 12 Vgl. N. Hiller, D. Schultewolter: Quo Vadis Wohnungspolitik?, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jg. (2014), H. 1, S. 34-40.
  • 13 Vgl. Vgl. M. Voigtländer: Mietwohnungsmarkt und Wohneigentum: Zwei Seiten einer Medaille, Köln 2006.

Deutschland braucht den Zweiklang: eine starke soziale Wohnraumförderung und ein dynamisches Wohngeld

Bezahlbarer Wohnraum wird in den Ballungsregionen immer knapper, Sozialwohnungen gibt es in Deutschland immer weniger. Die Nachfrage nach Wohnungen im mittleren und unteren Preissegment ist in den Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten – den sogenannten Schwarmstädten – so hoch wie selten zuvor. Dieses Phänomen hat drei Dimensionen: Eine Ursache für den hohen Wohnungsbedarf ist die Binnenwanderung – d.h. die Wanderungsbewegungen innerhalb des Landes. Zudem spielen die hohen Zuwanderungszahlen gerade in den Jahren 2012 bis 2014 eine entscheidende Rolle. Die dritte Dimension der Wanderungsbewegungen besteht im starken Zuzug von Flüchtlingen, von denen ein großer Teil in Deutschland bleiben wird. Die aktuelle Notlage bei der Versorgung mit Wohnraum hat dabei einen einfachen Grund: In den vergangenen Jahren wurde viel zu wenig gebaut. Wir brauchen in Deutschland dringend bezahlbare Wohnungen für alle Menschen. Deshalb ist ein Zweiklang aus einer starken sozialen Wohnraumförderung und einer Subjektförderung, wie einem dynamisch weiterentwickelten Wohngeld, unverzichtbar.

Derzeit beläuft sich das Wohnungsdefizit in Deutschland insgesamt auf mindestens 800 000 Wohnungen. Die Gründe dafür: kaum bezahlbares Bauland, zu hohe Baukosten und zu wenig Förderung. Die Binnenwanderung innerhalb Deutschlands und die hohen Zuwanderungszahlen von rund 1,4 Mio. Menschen in den Jahren 2012 bis 2014 – die mit der jetzigen Flüchtlingssituation nichts zu tun haben – verstärken die Notwendigkeit, das Wohnraumangebot in den Ballungsregionen auszuweiten. Die momentan steigenden Baugenehmigungen reichen nicht aus, um den hohen Bedarf an günstigem Wohnraum auch nur annähernd decken zu können.

Insbesondere in den Wachstumsregionen hat die Flüchtlingszuwanderung den Handlungsdruck enorm erhöht. Konkret müssten in Deutschland bis 2020 jährlich insgesamt rund 400 000 Wohnungen und damit rund 140 000 Mietwohnungen mehr als in diesem Jahr gebaut werden – davon 80 000 Sozialwohnungen und 60 000 Einheiten im bezahlbaren Wohnungssegment. Diese Wohnungen fehlen insbesondere in Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten. Diese Herausforderungen können nur mit einer klar formulierten, passgenauen Bau- und Wohnstrategie bewältigt werden.

Soziale Wohnraumförderung – ein deutsches Erfolgsrezept

Die Wohnungsbauförderung hat in Deutschland in der Nachkriegszeit das Wohnungsangebot maßgeblich geprägt. Sie hat bis heute dazu geführt, dass der Mietwohnungsbestand in Deutschland qualitativ hochwertig und attraktiv ist. Mit dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz (beide aus den 1950er Jahren) wurde viel geleistet, um der kriegsbedingten Wohnungsnot entgegenzuwirken. Ziel dieser Förderung war es, breite Schichten der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum zu versorgen. Beide Gesetze sahen bei der Neubauförderung noch ganz klar Objektförderung vor, d.h. die Förderung mit in der Regel niedrigverzinslichen oder unverzinslichen Darlehen und Aufwendungszuschüssen.

Mit dem Inkrafttreten des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) zum 1. Januar 2002 erfolgte in der vom Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg geprägten wohnungspolitischen Gesetzgebung eine erste politische Zäsur. Das Gesetz folgt nicht länger dem Ziel der Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung. Als Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung werden Haushalte definiert, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind (WoFG § 1 Abs. 2).

Mit der Förderalismusreform fiel das Recht der sozialen Wohnraumförderung ab 1.1.2007 in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Begründet wurde dieser Systemwechsel mit der Notwendigkeit einer stärkeren Teilmarktorientierung und der Notwendigkeit, die Förderinstrumente sozial treffsicherer und zugleich volkswirtschaftlich effizienter zu gestalten.

Der Bund leistet bis 2019 einen finanziellen Beitrag an die Länder von 518,2 Mio. Euro jährlich. Im vergangenen Jahr wurde dieser Betrag angesichts der immer angespannteren Lage auf vielen großstädtischen Wohnungsmärkten um weitere 500 Mio. Euro jährlich erhöht – ein klares politisches Bekenntnis zum langfristigen Erfolg dieses Instruments. Da die Zuwanderung in die wirtschaftlich attraktiven Regionen unseres Landes auch deutlich über 2019 hinaus anhalten wird, wie aktuelle Prognosen zeigen, ist eine langfristige Fortführung der sozialen Wohnraumförderung auf hohem Niveau absolut notwendig.

Die demografische Entwicklung in Deutschland trifft nicht alle Landesteile in gleichem Maße, sondern tritt regional in sehr unterschiedlichen Ausprägungen auf, die zum Teil sogar gegenläufig sind und zu einer Gleichzeitigkeit ungleicher Entwicklungen führen. So werden sich durch das Wanderungsverhalten und die bereits alterslastigen Strukturen zahlreiche Gebiete in strukturschwachen Regionen immer weiter entleeren, gleichzeitig wird es eine Reihe wirtschaftlich starker Regionen mit großer Anziehungskraft geben, in denen weiterhin Bevölkerungswachstum zu verzeichnen sein wird. Dies sind vor allem Regionen, in denen Arbeitskräfte gesucht werden.

Die Struktur der Nachfrage wird sich daher auf den regionalen Wohnungsmärkten weiter ausdifferenzieren. Einerseits werden Wohnungen benötigt, die der alternden Bevölkerung das „Wohnen für ein langes Leben“ in den Beständen ermöglichen. Andererseits sind aber auch Angebote für junges Wohnen, für Studenten und für Familien erforderlich. Das heißt: Es existiert ein hoher Bedarf an Neubau- und vor allem auch an Bestandsinvestitionen.

Die wirtschaftliche Situation der privaten Haushalte in Deutschland entwickelt sich dabei sehr unterschiedlich. Gegenwärtig zählen rund 20% der Haushalte zu den Niedrigeinkommensbeziehern. Diese Gruppe wird künftig eher wachsen. Die Versorgung einkommensschwacher Haushalte wird daher eine zentrale Aufgabe der Wohnungswirtschaft und eine große Herausforderung für die Wohnungspolitik bleiben. Vor allem die zukünftigen Seniorenhaushalte werden ein deutlich geringeres Einkommen haben als die heutigen Rentnerhaushalte.

Abnahme beim gebundenen Mietwohnungsbestand

Bundesweit gibt es immer weniger Sozialwohnungen. Waren es 2002 noch rund 2,6 Mio. Wohnungen mit Preisbindung, verringerte sich die Zahl bis 2014 auf nur noch rund 1,4 Mio. Wohnungen. Aktuelle Zahlen des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) unterstreichen diesen Trend. Die Unternehmen im GdW bewirtschaften knapp 61% der Sozialwohnungen in Deutschland. Im Jahr 2014 gab es bei den GdW-Unternehmen insgesamt nur noch 855 000 Wohnungen mit Mietpreis- oder Belegungsbindung (vgl. Abbildung 1). Das sind über 44 000 Wohnungen weniger als noch 2013. Diesem Minus stehen nur 3077 Wohnungen gegenüber, die im Jahr 2014 mit Mietpreis- oder Belegungsbindung, also als „Sozialwohnungen“, neu errichtet wurden. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Abbildung 1
Mietwohnungen mit Mietpreis- oder Belegungsbindung bei den Unternehmen im GdW
Mio. Wohnungen
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Quelle: Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) Jahresstatistik.

Um auch finanziell schwächer gestellte Menschen weiterhin ausreichend mit bezahlbarem Wohnraum versorgen zu können, ist es zudem von zentraler Bedeutung, dass die Bundesländer die ihnen vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für die Wohnraumförderung in voller Höhe unbedingt zweckgebunden einsetzen. Wenn das aktuell vielerorts verkündete politische Engagement für bezahlbaren Wohnraum ernst gemeint ist, muss es hier eine Selbstverpflichtung geben. Ohne einen zweckgebundenen Einsatz dieses Geldes wird die Situation für alle Wohnungsunternehmen in Boom-Regionen noch schwerer. Auch die kommunalen Wohnungsunternehmen als starke Partner der Städte und Gemeinden, wenn es um den Wohnraumversorgungsauftrag und die Daseinsvorsorge geht, können den Rückgang des gebundenen Mietwohnungsbestandes nur teilweise über freiwillige Belegungsbindungen auffangen.

Betrachtet man die Bedarfe im Bereich des Wohnungsbestandes, die weitere Differenzierung der Haushaltseinkommen und die Zunahme des Anteils der Transfereinkommensbezieher sowie die gleichzeitige Abnahme des Bestandes an Sozialwohnungen sowie das bislang niedrige Neubauniveau, wird deutlich, dass eine soziale Wohnraumförderung zumindest in den Ballungsgebieten, in denen heute schon Wohnungsmangel auftritt, und in den Wachstumsregionen dringend erforderlich ist (vgl. Abbildung 2). Zudem ist in vielen Wohnungsteilmärkten der Umbau von Bestandswohnungen für das bezahlbare familien- oder altengerechte Wohnen notwendig. Auch durch die zunehmende energetische Sanierung der Bestandsgebäude steigen in den Beständen die Mieten, was sich vor allem in einer steigenden Mietbelastungsquote der einkommensschwachen Bevölkerungsteile niederschlägt. Hier liegt die Mietbelastungsquote zum Teil schon bei oder über 50% des verfügbaren Haushaltseinkommens.

Abbildung 2
Bedarf an bezahlbaren Wohnungen – Neustart des sozialen Wohnungsbaus
1000 Wohnungen

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Wohnungsbau 2011 bis 2015 sowie Wohnungsbedarf 2016 bis 2025 zur Abdeckung des aktuellen Bedarfes und zum Abbau des Wohnungsdefizits.

Quelle: Pestel-Institut: Modellrechnungen zum sozialen Wohnungsbau, Hannover 2015.

Wohngeld muss dynamisch angepasst werden

Damit auch Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen weiterhin bezahlbare Wohnungen finden, brauchen wir in Deutschland zudem ein starkes Wohngeld. Der soziale Zusammenhalt der Quartiere steht auf dem Spiel und die finanzielle Belastung der Kommunen steigt weiter enorm an, wenn das Wohngeld weiterhin nicht dynamisch an die Preis- und Lohnentwicklung angepasst wird. Wir brauchen hier eine rechtsverbindliche Regelung, die eine jährliche Überprüfung wie bei der Mindestsicherung festschreibt.

Aktuell werden nur die Kosten der Unterkunft an die jährliche Preis- und Lohnentwicklung angepasst, nicht aber das Wohngeld. Das führt zwangsläufig dazu, dass immer weniger Haushalte Wohngeld beziehen und immer mehr Haushalte Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II). Ohne Unterstützung sind diese Menschen am freien Mietmarkt verloren. Durch das Wohngeld sind Haushalte mit geringem Einkommen nicht auf das enge Wohnungssegment mit besonders günstigen Mieten beschränkt, sondern haben auch Zugang zu Wohnungen mit durchschnittlichen Mieten. Darüber hinaus spricht sich die Wohnungswirtschaft dafür aus, eine Heiz- und Energiekostenkomponente einzuführen, um den in den letzten Jahren gestiegenen Kosten in diesem Bereich Rechnung zu tragen.

„Wohnungsbauförderung für die Mitte“ notwendig

Eine Ankurbelung des sozialen Wohnungsbaus ist dringend notwendig – allein reicht das aber nicht aus. Wir brauchen zusätzlich eine „Wohnungsbauförderung für die Mitte“. Das hat eine Studie des Berliner Forschungsinstituts RegioKontext schon im Jahr 2013 eindrücklich gezeigt.1 Ein Zuwachs an bezahlbaren Wohnungen in Deutschland ist laut der Studie nur mit einem Bündel von Maßnahmen zu erreichen. Dabei müssen Bund, Länder und Kommunen ihre „wohnungsbaupolitischen Hausaufgaben“ machen. Dazu gehöre eine temporäre Verschnaufpause bei der Energieeinsparverordnung (EnEV) ebenso wie eine Vereinfachung und stärkere Regionalisierung der Länder-Förderprogramme. Auf kommunaler Ebene müsse es schnellere Genehmigungs- und Planungsverfahren geben. Bei ihrer Studie stützen sich die Wissenschaftler vom Institut Regio­Kontext auf qualitative Aussagen von Wohnungsbauexperten – unter anderem von Mietervereinen, Wohnungsunternehmen, Bauverantwortlichen von Kommunen und Ländern und Investoren. Durch zahlreiche Interviews, die in den vergangenen Monaten bundesweit geführt wurden, ist die Studie zu einem „Wohnungsbau-Seismografen“ für Deutschland geworden.

Wohnungsbauoffensive braucht Bündel von Maßnahmen

Nur mit einer ganzen Reihe von gleichzeitig ergriffenen Maßnahmen können die Wohnqualität in Deutschland erhalten und verbessert, der Wohnungsbau aktiviert und der Wohnungsmangel vielerorts nachhaltig beseitigt werden (vgl. Kasten 1). Das zeigen neben der RegioKontext-Studie auch ganz aktuell die Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen. Die Instrumente für mehr bezahlbaren Wohnungsneubau in den deutschen Ballungszentren liegen seit März 2016 auf dem Tisch – jetzt darf die Umsetzung nicht mehr auf sich warten lassen.

Darüber hinaus sind auch neue Wege und unkonventionelle Strategien nötig, um mehr Wohnungsbau zu erreichen. Dazu zählt unter anderem eine zeitgemäße Rückkehr zur Idee der „Mitarbeiterwohnungen“ – also ein stärkeres Engagement von Unternehmen, Wohnraum für ihre Beschäftigten zu bauen. Wie eine brandaktuelle Studie, ebenfalls von RegioKontext, im Auftrag der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ zeigt, kann eine Renaissance des früheren Werkswohnungsbaus ein wichtiger Baustein sein, Wohnen in Deutschlands Ballungsregionen wieder bezahlbarer zu machen.2

Kasten 1
Maßnahmen zur Wohnungsbauoffensive

Forderungen an die Bundesregierung:

  1. Überarbeitung der Baunutzungsverordnung hinsichtlich Aufstockung, Nachverdichtung und Durchmischung.
  2. Umsetzung einer bundeseinheitlichen Musterbauordnung.
  3. Neukonzeption/Zusammenführung der Energieeinsparverordnung und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes.
  4. Normungswesen auf den Prüfstand stellen.

Forderungen an Bund/Länder:

  1. Erhöhung der linearen AfA auf mindestens 3%.

Forderungen an Bund/Länder/Kommunen:

  1. Vergünstigte Bereitstellung von Bauland und Grundstücken der öffentlichen Hand unter Voraussetzung der Konzeptqualität.
  2. Senkung der Grunderwerbsteuersätze.

Forderungen an die Kommunen:

  1. Genehmigungsverfahren beschleunigen.
  2. Senkung der Grundsteuer.
  3. Bezahlbares Bauen zur Chefsache erklären/Wohnungsbaubeauftragten etablieren.

Ein Mittel, um das Mitarbeiterwohnen voranzutreiben, wäre eine Sonderabschreibung für den sozialen Wohnungsbau. Durch die Wiedereinführung des früheren § 7k Einkommensteuergesetz (EStG) über „erhöhte Absetzungen für Wohnungen mit Sozialbindung“ könnten die wohnungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Vermietung an Personen mit Wohnberechtigung auch auf das Mitarbeiterwohnen ausgedehnt werden. Um das Modell des Mitarbeiterwohnens, das auch für den Gesamt-Wohnungsmarkt wichtige Entlastungseffekte bewirken kann, zu unterstützen, könnte zudem an die Einführung eines speziellen steuerlichen Freibetrages gedacht werden – z.B. 100 Euro bis 150 Euro im Monat. Aktuell entsteht für Arbeitnehmer im Fall einer verbilligten Überlassung einer Wohnung durch deren Arbeitgeber ein geldwerter Vorteil, der lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig ist.

Ein wirksames Instrument für mehr Wohnungsbau im Allgemeinen wäre die steuerliche Sonderabschreibung (Sonder-AfA). Angesichts der kürzlich im Bundestag verschobenen Abstimmung über die Sonder-AfA sollte die Zeit nun genutzt werden, diese nachzubessern. Als gleichwertiges Instrument sollte eine Investitionszulage eingeführt werden, damit Wohnungsunternehmen – insbesondere Vermietungsgenossenschaften –, sich ebenfalls verstärkt für den Wohnungsbau engagieren können. Auch Ausbauten von Dachgeschossen und Aufstockungen von bestehenden Mietwohngebäuden sollten wie bei Büroimmobilien durch die Sonder-AfA förderbar werden. Die Bundesregierung muss nun jedoch aufpassen, dass sie die geplanten Anreize für den bezahlbaren Wohnungsbau nicht gleich wieder durch überhöhte energetische Gebäudeanforderungen im Zuge der Neukonzeption der Energieeinsparverordnung (EnEV) oder unsachgerechte Neuregelungen im Hinblick auf die derzeit in der Diskussion stehenden Mietrechtsverschärfungen ausbremst. Die aktuell zu beobachtende „Push-and-Pull-Strategie“ der Bundesregierung beim Wohnungsbau muss dringend aufhören. Hier verfolgt das Bundesbauministerium einerseits im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen zahlreiche erfolgversprechende Vorschläge, diese werden aber andererseits von den Mietrechts- und EnEV-Plänen des Bundesjustiz- und Bundeswirtschaftsministeriums wieder zunichte gemacht. Auf dem Weg zu mehr Wohnungsbau für alle Menschen müssen alle Beteiligten dringend an einem Strang ziehen, eine klare politische Strategie muss her.

Pragmatische Lösungen sind jetzt entscheidend

In Zeiten, in denen sofort gehandelt werden muss, ist Pragmatismus entscheidend. Dies gilt besonders für den Wohnungsbau. Die Wohnungswirtschaft hat das Wissen, die Erfahrung, die Kontakte. Wir könnten schnell bauen. Wir können und wollen dies auch. Dafür benötigen wir von der Politik die genannten besseren Rahmenbedingungen.

Der gut ausbalancierte deutsche Wohnungsmarkt mit seiner Mischung von Eigentum, Miete und genossenschaftlichem Wohnen war eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Deutschland gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen ist. In anderen Ländern war der Immobilienmarkt Auslöser der Krise, bei uns dagegen wirkt er bis heute stabilisierend. Deshalb muss die Politik ein hohes Eigeninteresse haben, die Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes und die Investitionskraft der Wohnungsunternehmen zu erhalten.

  • 1 RegioKontext: Strategien für bezahlbares Wohnen in der Stadt, Berlin 2013.
  • 2 RegioKontext: Wirtschaft macht Wohnen, Berlin 2016.

Alternativen zur sozialen Wohnraumförderung

In deutschen Großstädten und begehrten Universitätsstädten steigen seit einigen Jahren die Mietpreise deutlich an. Gerade für Haushalte, die wenig Einkommen haben, ist dies mit einer deutlichen Mehrbelastung verbunden. Die Bundesregierung sucht daher nach Ansätzen, um die Lage zu entspannen. Vor allem plant sie eine Ausweitung der Anreize für den Neubau von Mietwohnungen. Neben einer stärkeren steuerlichen Förderung soll im Besonderen die soziale Wohnraumförderung wieder gestärkt werden. Die Programmmittel des Bundes sollen von derzeit jährlich 518 Mio. Euro auf über 1 Mrd. Euro pro Jahr erhöht werden, gegebenenfalls sogar auf 2 Mrd. Euro. Ergänzt werden diese Mittel in den einzelnen Bundesländern durch Landesmittel. Gerade Nordrhein-Westfalen hat die Mittel für die soziale Wohnraumförderung deutlich ausgeweitet, allein im Jahr 2015 investierte das Land 510 Mio. Euro in die soziale Wohnraumförderung.1

Mit der sozialen Wohnraumförderung erhalten Investoren vergünstigte Kredite oder Zuschüsse, sofern sie Wohnungen bauen, die bestimmte Mieten für einen festgelegten Zeitraum (Belegungsbindung) nicht überschreiten. Vermietet werden darf nur an Mieter, die einen Wohnberechtigungsschein vorweisen. Mit der sozialen Wohnraumförderung, früher sozialer Wohnungsbau, sollen also gleichzeitig zwei Probleme gelöst werden: Zum einen soll mehr gebaut werden, und zum anderen sollen Haushalte mit geringem Einkommen günstigen Wohnraum nutzen können. Das Instrument soll also sozialpolitisch, aber auch baukonjunkturell wirken, wobei sich die folgende Diskussion vor allem auf den ersten Aspekt konzentriert.

Unter Politikern und in der Öffentlichkeit genießt die soziale Wohnraumförderung eine große Akzeptanz. Dies liegt sicherlich auch an den guten Erfahrungen, die mit diesem Instrument in den 1950er und 1960er Jahren gemacht wurden. Schließlich konnte der Wohnungsmangel in dieser Zeit relativ schnell behoben werden. Die Rahmenbedingungen haben sich seitdem aber massiv geändert. Zwar herrscht in Teilen Deutschlands auch heute noch Wohnungsmangel, aber dieser ist mit der damaligen Situation nicht vergleichbar, zumal es anders als in den 1950er Jahren heute auch nicht an Investoren fehlt, sondern vielmehr an Bauland in den Großstädten.2 Schließlich ist aufgrund der niedrigen Zinsen und der steigenden Preise die Investition in Immobilien sehr attraktiv. Die soziale Wohnraumförderung muss sich daher vor allem an ihrer sozialen Treffsicherheit messen lassen, die jedoch als problematisch einzuschätzen ist. Als Alternativen zur sozialen Wohnraumförderung werden daher das Wohngeld und die Wohneigentumsbildung diskutiert.

Treffsicherheit der sozialen Wohnraumförderung

Mit der sozialen Wohnraumförderung soll Haushalten mit geringem Einkommen Zugang zu günstigem Wohnraum verschafft werden. Seit jeher gibt es aber eine intensive Debatte über die Treffsicherheit der sozialen Wohnraumförderung.3 Schließlich dürfen Haushalte auch dann in den Wohnungen bleiben, wenn sich ihre Einkommenssituation verbessert hat. Gleichzeitig gibt es aber genügend Fälle, in denen Haushalte mit sehr geringem Einkommen keine Sozialwohnung finden. Eine Fehlbelegungsabgabe, wie sie derzeit in Hessen diskutiert wird, löst dieses Problem nur teilweise, weil sie nur in wenigen Fällen bewirken wird, dass Haushalte die Wohnungen freigeben. In der Regel müssen Haushalte bei einer Fehlbelegungsabgabe die Differenz zwischen der ortsüblichen Vergleichsmiete und der Sozialmiete zahlen. Da in vielen Großstädten die ortsübliche Vergleichsmiete deutlich unter dem Marktniveau liegt, bleibt die Wohnung attraktiv.4 Um die Treffsicherheit der sozialen Wohnraumförderung zu untersuchen, wurde im Folgenden auf Daten des SOEP zurückgegriffen, eine jährliche und umfangreiche Befragung von Haushalten, durchgeführt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.5

Als arm gelten nach einer häufig verwendeten Definition Haushalte, die über ein Netto-(Äquivalenz-)Einkommen verfügen, das weniger als 60% des Medians beträgt. Dieser Wert lag im Jahr 2013 bei 944 Euro. Insgesamt liegt das Einkommen von 16,5% aller Haushalte unterhalb dieses Niveaus. Dies entspricht einer Zahl von knapp 6,6 Mio. Haushalten. Je nach Schätzung hat somit nur jeder vierte bis sechste Haushalt mit geringem Einkommen die Chance, eine Sozialwohnung zu nutzen. Tatsächlich ist der Versorgungsgrad bedürftiger Haushalte jedoch deutlich schlechter.

Nur knapp 46% der Haushalte in Sozialwohnungen verfügen über ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze (vgl. Abbildung 1). Gemessen an dem Bedürftigkeitskriterium beträgt die Fehlbelegungsquote damit rund 54%. Weitere 14,6% der Haushalte liegen zwischen 60% und 70% des Median-Einkommens, 7,7% verfügen sogar über ein Einkommen oberhalb des Medians. Im Durchschnitt beträgt das Äquivalenzeinkommen der Haushalte in Sozialwohnungen 1043 Euro, der Höchstwert im SOEP liegt bei einem Äquivalenzeinkommen von über 5900 Euro pro Monat.

Abbildung 1
Einkommen der Mieter von Sozialwohnungen
Einkommensverteilung der Mieter von Sozialwohnungen im Verhältnis zum Median-Einkommen der Gesamtbevölkerung in %
65180.png

Quellen: SOEP; Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Ein wesentlicher Grund für die hohe Fehlbelegung lässt sich bei Betrachtung des Erwerbsstatus der Nutzer der Sozialwohnungen erkennen, besonders wenn dabei auch die Personen oberhalb der Armutsgrenze betrachtet werden. Der Großteil der Nutzer der Sozialwohnungen ist nicht erwerbstätig, da viele Haushalte Rentner und/oder Bezieher von Grundsicherung und ALG II sind. Unter den Fehlbelegern ist der Anteil der Nicht-Erwerbstätigen mit 43,6% jedoch deutlich geringer als unter allen Nutzern der Sozialwohnungen. Dies spricht dafür, dass ein Teil der Haushalte aus Personen besteht, die zunächst arbeitslos sind, in eine Sozialwohnung ziehen und später aufgrund einer Arbeitsaufnahme die Armutsgrenze überschreiten. Entsprechend ist der Anteil der voll Erwerbstätigen unter den Haushalten über der Armutsgrenze mit 35,4% deutlich höher als in der gesamten Stichprobe. Dass überdies Personen in Haushalten, die einen Wehrdienst oder ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr leisten, schnell wieder aus der Bedürftigkeit herausfallen, ist wenig überraschend. Dies betrifft zusammen aber fast 5% der Haushalte in Sozialwohnungen.

Viele Haushalte sind nur temporär unterstützungsbedürftig und können ihre Einkommenssituation durch eine Arbeitsplatzaufnahme verbessern. Anders als in anderen Sozialsystemen endet in der sozialen Wohnraumförderung damit aber nicht die Förderung. Da es aufgrund der hohen Qualität der geförderten Wohnungen attraktiv bleibt dort weiter zu wohnen, ist die Fehlbelegung entsprechend hoch. Dies kann, wie bereits erläutert, auch eine Fehlbelegungsabgabe kaum verhindern, da die Höhe der Abgabe in der Regel nicht ausreichen wird, die Kosten eines Umzugs zu übertreffen. Der Staat nimmt zwar Geld ein, der Bau von neuen Sozialwohnungen kann hiervon aber nur teilweise finanziert werden. Auch gilt es dabei zu beachten, dass letztlich aufgrund der geringen Treffsicherheit zwei Sozialwohnungen bereitgestellt werden müssen, um einen bedürftigen Haushalt zu unterstützen.

Alternative I: Wohngeld und Belegungsrechte

Über Sozialwohnungen sollen bedürftige Haushalte entlastet werden; hierfür steht mit dem Wohngeld aber schon lange ein Instrument zur Verfügung, das deutlich zielgerichteter wirkt. Beim Wohngeld wird das Einkommen der Haushalte streng geprüft, und es wird auch nur so lange gezahlt, wie die Kriterien erfüllt sind. Die Höhe wird an die Wohnkosten und das Einkommen angepasst. Darüber hinaus gibt es einen Rechtsanspruch auf das Wohngeld, d.h., jeder Haushalt, der die Bedingungen erfüllt, erhält auch Wohngeld.6 Schließlich liegt ein weiterer Vorteil darin, dass die Haushalte den gesamten Wohnungsmarkt nutzen können und nicht auf eine kleine Auswahl an Sozialwohnungen beschränkt sind. Die Mittel aus der sozialen Wohnraumförderung könnten genutzt werden, um die Wohngeldzahlungen zu erhöhen. Außerdem könnte damit auch eine Dynamisierung finanziert werden, also eine Anpassung der Wohngeldzahlungen an die Mietentwicklung.7

Es bleibt dann letztlich nur die Sicherstellung des Zugangs für benachteiligte Gruppen. Die Daten aus dem SOEP sprechen dafür, dass die soziale Wohnraumförderung hier einen gewissen Effekt hat, da große Familien und Haushalte mit Migrationshintergrund überrepräsentiert sind. Wie systematisch tatsächlich Sozialwohnungen zur Überwindung von Zugangsbeschränkungen genutzt werden, ist jedoch unbekannt. Allerdings ist zu erwarten, dass nur wenige Haushalte trotz ausreichender Zahlungsfähigkeit keinen Zugang zu Wohnraum finden. Würde der Bestand an Sozialwohnungen vorrangig hierfür verwendet, wäre er vermutlich vollkommen ausreichend. Hinzu kommt, dass auch kommunale Gesellschaften bevorzugt an Haushalte mit Zugangsproblemen vermieten können. Bei einer Privatisierung können die Kommunen dies über die Vereinbarung von Belegungsrechten sichern, wie dies die Stadt Dresden umgesetzt hat.8

Alternative II: Wohneigentum

Die Preise für Wohneigentum steigen zwar seit 2010 kräftig an, aber letztlich überkompensiert die Zinsentwicklung diesen Preisanstieg. Auf Basis des Wohnnutzerkostenkonzepts9 lässt sich zeigen, dass die laufenden Kosten von Wohneigentümern – unter Berücksichtigung der Zinskosten, der Opportunitätskosten, der laufenden Instandsetzungs- und Abnutzungskosten sowie der Grundstückspreisentwicklung – im Bundesdurchschnitt etwa 30% unter den Kosten der Mieter liegen. Dies gilt auch für Städte wie Berlin, Hamburg, Köln oder Frankfurt am Main, wie eine aktuelle Studie des IW Köln zeigt.10 Selbst in Stuttgart und in München liegt der Vorteil noch bei über 20%. Es ist daher naheliegend, diese Entwicklung auch sozialpolitisch zu nutzen. Schließlich können auch Geringverdiener von diesem Kostenvorteil profitieren, wenn sie eine entsprechende Unterstützung bekämen. In anderen Ländern sind solche Modelle schon häufiger erprobt worden.11

Neben dem reinen Kostenvorteil wäre die verstärkte Wohneigentumsbildung auch mit zwei weiteren Vorteilen verbunden.

  • Erstens könnten damit die Vermögensbildung angeregt und folglich auch die Altersvorsorge gestärkt werden. Deutsche Haushalte verfügen im internationalen Vergleich über relativ geringe Vermögen, insbesondere auch aufgrund der geringen Wohneigentumsquote. Da außerdem das Rentenniveau abgesenkt wurde, die Verzinsung bei kapitalgedeckten Systemen wie Lebensversicherungen eher gering ist, und die Erwerbsverläufe unstetiger geworden sind, werden viele Haushalte in der Zukunft nur geringe Renten erhalten. Ein bis zum Rentenalter abbezahltes Eigenheim kann dann eine essenzielle Ergänzung darstellen.
  • Ein zweites Argument trifft insbesondere für Großstädte zu. Dort sind die Sorgen über Gentrifizierungen, also die Verdrängung schwacher sozialer Schichten aus attraktiven Stadtvierteln, besonders groß. In vielerlei Hinsicht sind die Sorgen über die Gentrifizierung übertrieben, da zunächst eine gewollte Mischung der Einkommensschichten stattfindet, von der gerade auch sozial schwächere Schichten profitieren. Dies zeigen unter anderem Studien für die USA.12 Trotz alledem wird es aber schwieriger, Mieten in begehrten Lagen zu bezahlen, insbesondere für Haushalte, die weniger dynamische Einkommenszuwächse haben. Selbstnutzer entkoppeln sich von der allgemeinen Marktentwicklung und können de facto nicht mehr verdrängt werden. Die Wohneigentumsbildung ist daher deutlich effizienter und wirksamer als Milieuschutzsatzungen, die aufgrund ihrer restriktiven Ausgestaltung die Gefahr beinhalten, dass nicht mehr ausreichend in die Bestände investiert wird.

Da Wohneigentum aktuell günstiger ist als das Wohnen zur Miete, stellt sich die Frage, warum Haushalte mit geringem Einkommen bislang wenig Wohneigentum erwerben. Die Antwort ist dabei einfach: Es fehlt an dem notwendigen Eigenkapital. Wer eine Immobilie erwirbt, muss rund 20% Eigenkapital in die Finanzierung einbringen. Darüber hinaus fallen in erheblicher Weise Nebenkosten durch die Grunderwerbsteuer, Grundbucheintragung, Notarkosten und gegebenenfalls Maklerkosten an, die sich auf über 10% des Kaufpreises addieren können. Alles in allem braucht ein Haushalt also rund 30% des Kaufpreises in liquiden Vermögenswerten, um eine Wohnung kaufen zu können. Bei einem Kaufpreis von 150 000 Euro sind dies bereits 45 000 Euro – zu viel für die genannte Zielgruppe. Insgesamt verfügen nur rund 20% der Mieterhaushalte über ein Finanzvermögen von 50 000 Euro und mehr.13

Es ist daher zu überlegen, ob der Staat Geringverdiener bei der Eigentumsbildung unterstützen kann. In der Vergangenheit wurden die Haushalte vor allem über Zulagen unterstützt, wie etwa die Eigenheimzulage. Die Zahlung einer Zulage ist hilfreich und senkt den Eigenkapitalbedarf der Haushalte. Allerdings ist eine Zulage in nennenswerter Höhe auch mit erheblichen Kosten verbunden, und die soziale Treffsicherheit ist nicht unbedingt gegeben.14 Einen alternativen Weg haben die USA und andere angelsächsischen Staaten gewählt, indem die Kreditstandards gesenkt wurden. Gerade in den USA konnten Haushalte mit geringem Einkommen auch Darlehen mit Beleihungsausläufen von 100% erhalten, sodass auch ohne angespartes Kapital Eigentum erworben werden konnte.15 Außerdem wurde die anfängliche Zinsbelastung durch die Wahl variabler Darlehen reduziert. Diese Strategie endete jedoch letztlich in der Überschuldung zahlreicher Haushalte, da die Zinserhöhungen Mitte der 2000er Jahre zu einer Überforderung zahlreicher Haushalte führte, was bekannterweise der Ausgangspunkt für die globale Finanzkrise ab 2007 war.

Gefragt ist damit eine Förderungspolitik, die eine finanzielle Belastung sowohl für den Steuerzahler als auch den Kreditnehmer begrenzt. Ein solches Modell könnte über staatliche Garantien ermöglicht werden. Gewährt der Staat in einem definierten Einkommensbereich garantierte Darlehen, könnten die Haushalte ohne wesentliche Zinserhöhungen die Beleihungsausläufe erhöhen. Wichtig sind dabei zwei Voraussetzungen:

  • Erstens, die Bank trägt weiterhin einen Teil des Risikos, d.h. die Garantien sind begrenzt, damit die Kreditvergabe nicht zu lax wird.
  • Zweitens ist eine kontinuierliche Tilgung notwendig, die eine Überschuldung im Fall steigender Zinsen nach der Zinsbindung verhindert.

Aufgrund der derzeit niedrigen Zinsen könnten die Haushalte trotz einer insgesamt hohen Fremdkapitalquote damit ihre Wohnkosten im Vergleich zur Miete reduzieren. Der Staat könnte zur Unterstützung der Tilgung auch das sozialpolitische Instrumentarium verwenden. So könnten einerseits Mittel aus der sozialen Wohnraumförderung für die Tilgung der Kredite eingesetzt werden, und andererseits könnte das Wohngeld in die Finanzierung eingebracht werden. Sinnvoll wäre es aber außerdem, Anreize für eine schnelle Rückführung der Kredite zu setzen. Ähnlich wie beim BAföG könnten schnelle Tilgungen mit weiteren Tilgungszuschüssen honoriert werden. Auf diese Weise hätten die Haushalte einen besonderen Anreiz, viel zu sparen.

Schlussfolgerungen

Die soziale Wohnraumförderung ist aufgrund ihrer eingeschränkten sozialen Treffsicherheit kein angemessenes sozialpolitisches Instrument. Statt die Mittel für dieses Programm auszuweiten, sollte besser das Wohngeld erhöht werden, das Haushalte mit hohen Wohnkosten zielgenau unterstützt. Ergänzt werden sollte das sozialpolitische Instrumentarium durch eine Unterstützung von Geringverdienern bei der Eigentumsbildung. Aufgrund der geringen Zinsen, die nach Einschätzung vieler Ökonomen auch mittelfristig gering bleiben werden,16 ist das selbst genutzte Wohneigentum vielfach günstiger als das Wohnen zur Miete. Diesen Vorteil sollte man auch Geringverdienern mit wenig Eigenkapital ermöglichen. Aufgrund der Erfahrungen der Subprime-Krise erscheint ein solches Vorgehen möglicherweise als gefährlich. Werden aber die Anreize und Rahmenbedingungen richtig gesetzt – lange Zinsbindungen, Unterstützung der Tilgung und staatliche Übernahme eines Teils der Risiken –, sind die Gefahren für die Finanzstabilität überschaubar, die Entlastung der Haushalte und der Beitrag zur Altersvorsorge bedeutend.

  • 1 Vgl. MBWSV: Bau von sozialen Mietwohnungen steigt um rund ein Drittel. Minister Groschek: „Tilgungsnachlässe machen sozialen Mietwohnungsbau wieder attraktiv“, Pressemitteilung, vom 15.1.2016, Düsseldorf. Weiterführende Information: Programmvolumen und Programmergebnisse der sozialen Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen (Neubau und Bestand) 2012 bis 2015.
  • 2 Vgl. M. Schier, M. Voigtländer: Soziale Wohnraumförderung auf dem Prüfstand, in: IW-Trends, 43. Jg. (2016), H. 1, S. 21-35.
  • 3 Vgl. J. Eekhoff: Wohnungspolitik, Tübingen 2002.
  • 4 Vgl. P. Deschermeier et al.: A first analysis of the new German rent regulation, in: International Journal of Housing Policy (2016), S. 1-23.
  • 5 Die folgende Analyse zur Treffsicherheit der sozialen Wohnraumförderung fußt auf M. Schier, M. Voigtländer, a.a.O.
  • 6 Vgl. T. Clamor et al.: Bestandsaufnahme und Wirkungsanalyse des Wohngeldes, Gutachten für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Bonn 2015.
  • 7 Vgl. R. Henger: Reform des Wohngelds, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Wohngeldrechts und zur Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes, 2015.
  • 8 Vgl. M. Voigtländer: Die Privatisierung öffentlicher Wohnungen, in: Wirtschaftsdienst, 87. Jg. (2007), H. 11, S. 748-753.
  • 9 Das Wohnnutzerkostenkonzept geht auf Poterba zurück. Vgl. J. M. Poterba: Tax Subsidies to Owner-Occupied Housing: An Asset-Market Approach, in: The Quarterly Journal of Economics, 99. Jg. (1984), H. 4, S. 729-752.
  • 10 Vgl. M. Voigtländer, B. Seipelt: Implikationen der Niedrigzinsphase für die Wohneigentumsbildung, IW Gutachten, Köln 2016. Die folgende Argumentation beruht ebenfalls in wesentlichen Teilen auf dieser Studie.
  • 11 Vgl. S. Monk, C. Whitehead (Hrsg.): Making Housing More Affordable: The role of intermediate tenures, Oxford (United Kingdom) 2010.
  • 12 Vgl. J. Cortright, D. Mahmoudi: Lost in Place: Why the persistence and spread of concentrated poverty – not gentrification – is our biggest urban challenge, Portland 2014.
  • 13 Vgl. D. Bendel, M. Demary, M. Voigtländer: Eine erste Bewertung makroprudenzieller Instrumente in der Immobilienfinanzierung, IW policy paper, Köln 2016.
  • 14 Vgl. J. Eekhoff, a.a.O.
  • 15 Vgl. M. Jäger, M. Voigtländer: Hintergründe und Lehren aus der Subprime-Krise, in: IW-Trends, 35. Jg. (2008), H. 3, S. 17-29.
  • 16 Vgl. L. Rachel, D. Smith: Secular drivers of the global real interest rate, Staff Working Paper, Nr. 571, London 2015.

Banken, Zinsen, Staat bei der Baufinanzierung

Der aktuelle Bauboom in Deutschland ist ohne die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht zu verstehen. Die Niedrigzinspolitik der EZB wiederum ist ihrerseits ohne die internationale Finanzkrise und die seit 2010 anhaltende Eurokrise nicht zu verstehen. Kurzum, der Bauboom wird massiv durch Finanzkrisen befeuert. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland waren die Zinsen so niedrig. Dies gilt für Kredite ebenso wie für Einlagen. Schon diese Zinspolitik kann als eine öffentliche Wohnungsbauförderung begriffen werden.

In Deutschland ist das Baugewerbe inzwischen zu einer wichtigen Konjunkturstütze geworden.1 In den letzten Jahren waren es vor allem die Wohnungsbauinvestitionen, die hier zu Buche schlugen. Die Auftragseingänge der Bauwirtschaft im ersten Quartal 2016 lassen erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt. Ein großer Teil der Wohnungsbaufinanzierung wird über Kredite abgewickelt. Kredite für Immobilien haben aus der Sicht der Banken den Vorteil, dass dem Geschäft eine Sicherheit zugrunde liegt. Damit sinkt das Ausfallrisiko. Für Banken ist es folgerichtig, dass die Verzinsung von Immobilienkrediten unter der Verzinsung etwa für Konsumentenkredite liegt.2 Die Zinsstruktur kommt einer Wohnungsbauförderung von Seiten der Geschäftsbanken nahe.

Motive für Wohnungsbau – Versorgung mit Wohnraum, Vermögenssicherung, Rendite

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind in den letzten zehn Jahren unsicherer geworden. Wohneigentum bietet vordergründig Sicherheit. Die privaten Haushalte wählen den Wohnungsbau vielfach zur Befriedigung des eigenen Bedürfnisses „Wohnen“. An die Stelle der Miete für Wohnraum („Mietfreiheit“) tritt vielfach die Miete für das geliehene Geld, also der Zins für den Wohnungsbaukredit. Dazu kommt, dass mit Wohneigentum auch Vermögen geschaffen wird. Dies gilt gerade dann, wenn die Preise und damit der Wiederverkaufswert einer Immobilie steigen („Vermögenssicherung“). Die Vermögenssicherungsfunktion übernimmt der Wohnungsbau schon dann, wenn der reale Wiederverkaufswert der Wohnimmobilie konstant bleibt. Dazu kommt, dass nach der Abzahlung des Kredits für den eigenen Wohnraum, dann nur noch verhältnismäßig geringe monatliche Belastungen für das „Wohnen“ anfallen („Wohnkosten im Alter“). Darüber hinaus bietet Wohneigentum einen Schutz vor Kündigung oder starken Mietsteigerungen („Sicherheit“).3 Dem privaten Wohneigentum stehen allerdings auch diverse Nachteile gegenüber, so ist beispielsweise das Vermögen gebunden und die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt ist wenig vorhersagbar; Vermögen kann also auch vernichtet werden. Insgesamt geht es bei dem privaten Wohnungsbau nicht allein um die Versorgung mit dem Gut „Wohnen“.

Die privaten Haushalte haben sich teilweise in Genossenschaften organisiert. In einer Genossenschaft sind Anteile zu erwerben, die aber keine Titel und Beteiligungen an konkreten Wohnungen bedeuten.4 Genossenschaften stellen den Mitgliedern günstigen Wohnraum zur Verfügung; satzungsgemäß sind Genossenschaften dem Wohl der Mitglieder und nicht der Gewinnerwirtschaftung verpflichtet. Die Wohnungen werden zu einem günstigen Mietzins den Mitgliedern überlassen.

Der Staat agiert auf dem Wohnungsmarkt, indem er Spielregeln setzt und auch selbst als Akteur auftritt. Der Staat hat ein Interesse daran, dass die Bürger mit ausreichendem, bezahlbarem und angemessenem Wohnraum versorgt sind. Die Wohnraumversorgung kann über die Schaffung von Wohneigentum oder die Schaffung von Mietwohnungen abgewickelt werden. Sowohl für den Erwerb von privatem Wohneigentum als auch für die Wohnraumversorgung über Mietwohnungen wurden in der Vergangenheit staatliche Förderprogramme aufgelegt. Aktuell unterscheiden sich die staatlichen Wohnungsbauförderprogramme von Bundesland zu Bundesland erheblich;5 gemeinsam ist ihnen, dass sie in erster Linie auf die Schaffung von Mietwohnungen und die energetische oder altersgerechte Sanierung von Bestandsimmobilien zielen. Dazu kommen die vom Bund bereit gestellten Förderprogramme. Die aktuelle Programmvielfalt lässt sich kaum überblicken. Aus der Sicht des Staates kommt dazu, dass die mit dem Grunderwerb verbundenen Steuern und Gebühren zu höheren Einnahmen führen; hiervon profitieren vor allem die Bundesländer.

Investoren setzen beim Wohnungsbau auf Renditen. Diese lassen sich sowohl über den Handel mit Immobilien als auch über Mieten generieren. Die Zielfunktion von Investoren ist ganz klar – je höher die Rendite, desto besser. Die Wohnungswirtschaft bietet in bestimmten großen Segmenten derzeit einen Ansatzpunkt zur Realisierung hoher Renditen. In der aktuellen Situation gibt es in den Ballungsräumen Deutschlands eine Übernachfrage nach Immobilien. Investoren können also hier rasch beachtliche Renditen erzielen; dies gilt offenbar weniger beim Vermieten als besonders stark beim Verkauf von Wohnimmobilen. Aus der Sicht von Investoren können mit staatlichen Förderprogrammen die Kosten in einem ohnehin sehr stark von ihnen dominierten Markt gesenkt werden. Die Rendite steigt.

Datenlage zur Wohnungsbaufinanzierung ist begrenzt

Geld ist billig. Geld zum Bauen oder für den Erwerb einer Wohnimmobilie wird in allen Bankfilialen günstig angeboten. Die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten scheint ungebrochen. Trotz einer anzunehmenden hohen Nachfrage entsteht der Eindruck des Überangebotes von Wohnungsbaukrediten. In Deutschland gibt es jedoch weder konsistente Daten zur Kreditnachfrage noch zum Kreditangebot. Das gilt auch für Wohnungsbaukredite. Die Statistiken der Deutschen Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes liefern Datensätze zu den Resultaten von Marktprozessen und nicht den Marktprozess selbst. Dazu kommt, dass in erster Linie Daten zu den Kreditbeständen vorhanden sind; die hinter den Beständen liegenden Veränderungen müssen geschätzt werden.6 Bei der Analyse der vorhandenen Datensätze wird klar, dass in Deutschland die Finanzierung des Wohnungsbaus nach der internationalen Finanzkrise ein zentrales Geschäftsfeld für die Geschäftsbanken geworden ist.

Die gesamten Kredite der Geschäftsbanken in Deutschland an Nichtbanken, also an private Haushalte, Unternehmen und Staat, lagen Ende 2008 bei 3979,5 Mrd. Euro und sind bis Ende 2015 kaum gestiegen (Dezember 2015: 3985,4 Mrd. Euro).7 Das aggregierte Kreditgeschäft der Geschäftsbanken hat also demnach nicht von der Niedrigzinspolitik der Zentralbank profitiert. Anders dagegen die Wohnungsbaukredite an inländische Unternehmen und Privatpersonen. Lag der Bestand an privaten Wohnungsbaukrediten Ende 2008 bei 1093,4 Mrd. Euro, so ist er bis Ende 2015 auf 1230,2 Mrd. Euro gestiegen. Das ist ein Plus von 12,5%. Die Bestandsveränderung bei den Wohnungsbaukrediten liegt jedoch weit hinter der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt zurück; dies kann als ein Indikator dafür gelten, dass auch weiterhin Eigenkapital in einem erheblichen Maße herangezogen wird. Der Löwenanteil (72%) dieser Kredite für den Wohnungsbau wird von abhängig Beschäftigten getragen (Dezember 2015: 887,0 Mrd. Euro).

Kurzum: Bei einem gesamtwirtschaftlichen Kreditgeschäft, das eine geringe Dynamik zeigt, stabilisieren insbesondere die privaten Haushalte mit ihrer Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten die Geschäftsfelder der Banken. In anderen Worten: Inzwischen dürfte der Wohnungsbaufinanzierung der privaten Haushalte eine herausragende Bedeutung für den gesamten Bankensektor und damit auch für seine Stabilität zukommen. Dabei entwickelt sich das Wohnungsbaukreditgeschäft der einzelnen Säulen des deutschen Bankensystems höchst unterschiedlich. Insbesondere wird deutlich, dass sich gerade die Landesbanken und die Realkreditinstitute offenbar aus diesem Geschäft zurückziehen (vgl. Abbildung 1). Dies ist umso bemerkenswerter, als der Staat über die Landesbanken relativ zügig ein wohnungswirtschaftliches Programm auflegen könnte. Jedoch sind den einzelnen staatlichen Ebenen durch die sogenannte Schuldenbremse die Hände auch bei investiven Ausgaben gebunden. Die Wohnungswirtschaft wird damit immer stärker in den Privatsektor gedrängt.

Abbildung 1
Wohnungsbaukredite, Bestand
in Mrd. Euro
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Quelle: Deutsche Bundesbank.

Nach der internationalen Finanzkrise 2008 sind die Zinsen für den Wohnungsbau zunächst nur leicht gesunken. Der dramatische Zinsverfall ist erst seit 2010, dem Beginn der bis heute anhaltenden Eurokrise festzumachen (vgl. Abbildung 2). Bei diesen Zinsen handelt es sich um Nominalzinsen. Zieht man die Realverzinsung8 von Wohnungsbaukrediten heran, so lässt sich erkennen, dass die Wohnungsbaufinanzierung gerade nach dem Beginn der Europäischen Finanzkrise deutlich attraktiver geworden ist (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 2
Effektivzins Wohnungsbaukredite mit einer Laufzeit von 5 bis 10 Jahren
in %
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Quelle: Deutsche Bundesbank.

Abbildung 3
Realzins Wohnungsbaukredite mit einer Laufzeit von 5 bis 10 Jahren
in %
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Quellen: Deutsche Bundesbank; Destatis, eigene Berechnungen.

Geld sucht nach Anlagemöglichkeiten

Bei der Wohnungsbaufinanzierung scheint nicht nur der Einsatz von Fremdkapital, sondern auch der von Eigenkapital attraktiv. Denn derzeit lassen sich bei traditionellen Sparformen nur sehr geringe Nominalzinsen oder Nullzinsen realisieren (vgl. Abbildung 4). Für größere Guthaben werden von einzelnen Kreditinstituten sogar Negativzinsen erhoben.

Die Realverzinsung für Einlagen ist seit 2010 immer wieder über längere Zeiträume in den negativen Bereich gerutscht. Diese Zinsstruktur hat eine Signalwirkung – das Geld sucht Anlagemöglichkeiten. An dieser Stelle kommt die Vermögenssicherungsfunktion von Wohneigentum ins Spiel. Ein wichtiges Motiv bei der aktuell hohen Nachfrage nach Wohn­immobilien dürfte demnach nicht das Wohnen, sondern die renditeorientierte Vermögenssicherung sein – dies gilt auch für die privaten Haushalte.

Abbildung 4
Realzins für Einlagen privater Haushalte
in %
68449.png

Quellen: Deutsche Bundesbank; Destatis, eigene Berechnungen.

Fazit

Der Wohnungsbau und die Wohnungsbaufinanzierung übernehmen zahlreiche gesamtwirtschaftliche Funktionen. Diese reichen von der Bereitstellung von Wohnraum über Renditeziele bis zur Vermögenssicherung und Bankenstabilisierung. Der Wohnungsbau in Deutschland profitiert bezüglich seiner Fremdfinanzierungskonditionen massiv von der Krisenbewältigungsstrategie der EZB, die auf extrem niedrige Zinsen setzt. Endet diese Phase, wird es zu erheblichen Neubewertungen kommen müssen; etliche Schuldner von Wohnungsbaukrediten werden aber eine deutlich höhere Zinslast nicht tragen können.

Die Krisenbewältigungsstrategie der EZB zielt darauf, positive gesamtwirtschaftliche Impulse insbesondere für die Mitgliedsländer der Eurozone zu generieren, die in einem besonderen Maße in den Sog der internationalen und europäischen Finanzkrise geraten sind. Gerade in den aktuell krisenbetroffenen Ländern ließ sich in der Vorkrisenzeit der Aufbau einer Immobilienblase festmachen. Heute könnte sich Ähnliches für Deutschland andeuten. Bricht die Nachfrage nach Immobilien ein, so hat dies weitreichende Konsequenzen auch für die Finanzierungskonzepte. Banken, die heute verstärkt auf Wohnungsbaufinanzierung setzen, können morgen in einen Verschuldungsstrudel geraten. Es ist dringend geboten, dass der Staat hier klare Spielregeln setzt, die darauf zielen, Anreize für den Wohnungsbau und nicht für die Spekulation mit Wohnraum zu schaffen.

  • 1 Deutsche Bundesbank: Konjunkturlage, Monatsbericht April 2016.
  • 2 Im Februar 2016 waren für Konsumentenkredite mit einer Laufzeit von ein bis zu fünf Jahren im Durchschnitt Zinsen von 4,94% zu zahlen; bei einer längeren Laufzeit fielen noch weit höhere Zinsen an. Für Wohnungsbaukredite mit einer Laufzeit von ein bis zu fünf Jahren wurden zum gleichen Zeitpunkt durchschnittliche Zinsen von 1,86% berechnet. Bei einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahren lag der durchschnittliche Zins sogar noch darunter (1,79%). Vgl. Deutsche Bundesbank: Zinsstatistik. Zinsen für das Neugeschäft deutscher Banken, 2016.
  • 3 Vgl auch Stiftung Warentest: Immobilienpreise – Was Sie wirklich zahlen, 2011, https://www.test.de/Immobilienpreise-Was-Sie-wirklich-zahlen-4265122-4265128/.
  • 4 Wohnungsbaugenossenschaften gab es in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR.
  • 5 Wohnungswirtschaft im Netz: Wichtige Informationen zur Finanzierung, 2016, https://www.wowi.de/oeffentlichefoerderung.html.
  • 6 M. Schrooten: Wohnungsbau und Wohnungsbaukredite, in: Jahrbuch der Privaten Bausparkassen 2015. S. 38-45.
  • 7 Deutsche Bundesbank: Bankenstatistik, 2016.
  • 8 Hier wurde vereinfachend die Inflationsrate von dem Zinssatz abgezogen. Der aktuelle Realzins sagt nichts über den zukünftigen Realzins aus. Sollte sich die Inflationsrate zukünftig ändern, ist der zukünftige Realzins davon betroffen. Daher gibt die hier vorgenommene Berechnung nur eine grobe Tendenz an.

Wohnungsgenossenschaften für wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe

In der Kommentierung des Gesetzentwurfs der von der Bundesregierung geplanten Sonderabschreibung zur Förderung des Baus bezahlbarer Mietwohnungen besonders in Gebieten mit angespannter Wohnungslage finden auch die Wohnungsgenossenschaften Erwähnung.1 Faktisch gehören sie nämlich nicht zu den Zielgruppen, für die durch diese Maßnahme Anreize geschaffen werden sollen, sich am Mietwohnungsneubau zu beteiligen. Wohnungsgenossenschaften, deren Zielsetzung in der Schaffung von bezahlbaren und sicheren Wohnungsnutzungsrechten besteht und deren stabilisierende Funktion für Quartiere und Standorte außer Zweifel steht, würden keine Vorteile von einer steuerlichen Sonderabschreibung haben. Sie sind körperschaftsteuerbefreit, wenn mehr als 90% ihrer Einnahmen aus den für sie typischen Geschäften (Überlassung von Wohnungen an ihre Mitglieder) stammen. Im Ergebnis werden einkommensteuerunabhängige Investitionszulagen als alternatives oder ergänzendes Förderungsinstrument gefordert, die auch für kommunale Wohnungsunternehmen und für Wohnungsgenossenschaften die beabsichtigten Bauanreize bieten würden. Dieser Hintergrund legt die Klärung der Besonderheiten von Wohnungsgenossenschaften sowie deren Bedeutung bei der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum nahe.

Empirie der Wohnungsgenossenschaften

Wohnungsgenossenschaften verkörpern eine besondere Form des Wohnungseigentums, was sich in ihrer Governance, ihren einzelwirtschaftlichen Strategien und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung niederschlägt.2 Etwa 2000 Wohnungsgenossenschaften mit 2,2 Mio. Wohnungen, die etwa 10% des gesamten Mietwohnungsbestandes ausmachen und in denen über 5 Mio. Menschen leben, sind in Deutschland aktiv. Über 2,8 Mio. Menschen sind Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften. Viele Wohnungsgenossenschaften sind kleine und mittlere Unternehmen, wenn die Zahl der Wohnungen als Indikator herangezogen wird. Sie investierten im Durchschnitt der vergangenen Jahre etwa 3,5 Mrd. Euro pro Jahr. Im Vergleich zu den anderen Unternehmen der Wohnungswirtschaft zeichnen sich die Wohnungsgenossenschaften in ihrer Gesamtheit im vergangenen Jahrzehnt nicht nur durch ein sehr stetiges Investitionsverhalten, sondern auch durch steigende Investitionsvolumina aus. Ihre rege Investitionstätigkeit zeigt sich auch darin, dass sie bei den Investitionen in Neubau, bei den Instandhaltungsinvestitionen, bei den Modernisierungsinvestitionen sowie bei den Investitionen pro Wohnung jeweils vor den anderen Wohnungsunternehmen liegen.

Insgesamt weisen Wohnungsgenossenschaften ein gesundes wirtschaftliches Fundament auf, wenngleich nicht überraschend zwischen einzelnen Standorten und Unternehmen größere Unterschiede vorliegen. Ihre Gesamtkapitalrentabilität liegt über jener aller Wohnungsunternehmen, ihre Eigenkapitalrentabilität hingegen – bedingt durch ihre strategische Ausrichtung – darunter. Die Wohnungsgenossenschaften weisen in ihrer Gesamtheit eine kontinuierlich steigende und höhere Eigenmittelquote und einen geringeren langfristigen Verschuldungsgrad auf als die Gesamtheit der Wohnungsunternehmen. Konsistent mit der Governance der Wohnungsgenossenschaften ist die Mieterfluktuation geringer als bei anderen Wohnungsunternehmen. Auch ihre Leerstandquoten liegen unter jenen der anderen Wohnungsunternehmen. Die durchschnittliche Wohnungsgröße liegt bei Wohnungsgenossenschaften etwas über und die durchschnittliche Kaltmiete deutlich unter den Werten aller Wohnungsunternehmen.3

Wohnungsgenossenschaften werden nicht nur von ihren Mitgliedern, sondern auch von der Bevölkerung insgesamt positiv wahrgenommen und ihre Besonderheiten sind den Menschen, von denen über 72% wissen, dass in der Wohnungswirtschaft Genossenschaften aktiv sind, weitgehend bekannt.4 Der Informationsstand, das Interesse, aber auch die Anzahl der genossenschaftlichen Wohnungseigentümer haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Dies kann damit erklärt werden, dass die komparativen Stärken von Genossenschaften in Zeiten größerer Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft besonders deutlich werden.

Kollektives Nutzungseigentum mit spezieller Eigentümerkontrolle

Der Kern der genossenschaftlichen Governance ist eine besondere Ausprägung des Eigentums. Die genossenschaftlichen Mitglieder sind gleichzeitig Nutzer – also Mieter – und Eigentümer. Individuell nutzen sie die Leistungen der Wohnungsgenossenschaft, deren Eigentümer sie gemeinsam sind und deren strategische Weichenstellungen sie in den Mitglieder- oder Vertreterversammlungen festlegen. Genossenschaftliches Wohnungseigentum ist daher erstens zwar Privateigentum, jedoch zweitens kein Individualeigentum an dem bewohnten Wohnobjekt, sondern immer an der gesamten Genossenschaft, dies aber zusammen mit allen anderen Mitgliedern. Es handelt sich also um ein Kollektiveigentum. Drittens ist das genossenschaftliche Eigentum als ein Nutzungseigentum zu verstehen, denn es begründet keine isolierte Eigentümerschaft.

Die Geschäftsanteile (insgesamt etwa 3,3, Mrd. Euro) werden von den Mitgliedern daher nicht als Anlageinstrumente verstanden, sondern als Wohnnutzungsrechte, die ein lebenslanges Wohnrecht, den Schutz vor Eigenbedarfskündigungen sowie ausdifferenzierte Mitwirkungsrechte beinhalten. Das durch die Mitgliedschaft mit diesen multiplen Funktionen verkörperte Wohneigentum grenzt genossenschaftliches Wohneigentum also von privat genutztem Wohneigentum ebenso ab wie von „Nur-Mietbeziehungen“ zu privaten, staatlichen oder anderen Wohnungs­eigentümern. Wohnungs­genossenschaften sind privat­wirtschaftliche Unternehmen, die sich durch ihre spezielle Eigentumskonstellation von privaten Gesellschaften abgrenzen, die ihre Wohnungen „nur vermieten“, ohne dass die Mieter Eigentümer-Verfügungsrechte nutzen könnten.

Kombinierte Mieter- und Investoreninteressen

Die aufgezeigten Unterschiede führen dazu, dass die mit dem genossenschaftlichen Wohneigentum verbundenen Verfügungsrechte weniger konzentriert sind als jene eines privat genutzten Eigentums. Für die Wohnungsunternehmen bedeutet es, dass in der Entscheidungsfindung von Wohnungsgenossenschaften Investoreninteressen und Mieterinteressen stets simultan berücksichtigt werden. Dies geschieht bei privaten Wohnungseigentümern ebenso, wenn sie ihr Wohnungseigentum selbst nutzen. Werden hingegen Mietbeziehungen eingegangen, kommt es zu einer Trennung der Investoren- und Mieterinteressen.

Daraus resultiert eine spezielle Anreizstruktur für die Entscheidungsfindung in Wohnungsgenossenschaften. Einerseits sind durch die Personalunion von Eigentümern und Mietern konsistente Anreize gegeben, andererseits entstehen Herausforderungen, wenn sich die Mitglieder, die unabhängig von der Anzahl ihrer Geschäftsanteile jeweils über eine Stimme verfügen, durch heterogene Inte­ressen auszeichnen.

Werden Merkmale von Wohnungen sowie Einschätzungen von Bewohnern im Rahmen des Sozioökonomischen Panels ausgewertet, so zeigt sich, dass die Zufriedenheit von Genossenschaftsmitgliedern mit ihrer Wohnsituation höher ist als jene von Bewohnern kommunaler und anderer Wohnungen, jedoch weisen die Bewohner von Wohnungen privater Eigentümer einen höheren Grad der Zufriedenheit auf, wenngleich in den vergangenen Jahren mit einem kontinuierlich abnehmendem Abstand. Zusätzlich zeigt sich, dass Genossenschaftsmitglieder über ein geringeres Haushaltsnettoeinkommen verfügen, ihr Altersdurchschnitt höher und die persönliche Risikobereitschaft geringer ausgeprägt sind als bei Bewohnern von Wohnungen privater Eigentümer.5

MemberValue als genossenschaftlicher Eigentümerwert

Die skizzierten Eigentumsmerkmale enthalten gleichzeitig die Vorgaben für die strategische Orientierung von Wohnungsgenossenschaften. Die Orientierung an den Mitgliedern entspricht der gesetzlichen Vorgabe, ausschließlich Werte für die Mitglieder zu schaffen, indem deren Bedürfnisse zu erfüllen sind. Es gilt also einen MemberValue oder einen Mitgliederwert zu schaffen (§ 1 Genossenschaftsgesetz).6 Dieser ist ein Eigentümerwert, der den Gesamtwert der unternehmerischen Tätigkeit der Wohnungsgenossenschaft für die Mitglieder darstellt7 und sich aus drei Komponenten zusammensetzt:

  • Der unmittelbare MemberValue beruht auf dem Nutzungsverhältnis zwischen Mitglied und Wohnungsgenossenschaft und wird auf der Leistungsebene realisiert. Er entsteht aus den Wohnleistungen sowie den wohnrelevanten Dienstleistungen, jeweils unter Berücksichtigung der Wohn- und Servicequalität, der Nutzungsentgelte und Servicegebühren.
  • Der mittelbare MemberValue stammt aus der Eigentümerfunktion der Mitglieder, die das Unternehmen mit Eigenkapital ausstatten und somit zur finanziellen Basis beitragen. Die Bestandteile des mittelbaren MemberValues sind die Verzinsung des Eigenkapitals sowie die Ausschüttungen in Form von Dividenden, also die Vermögensrechte. Dazu kommen die Mitwirkungs-, Kontroll- und Gestaltungsrechte.
  • Der nachhaltige MemberValue korrespondiert mit der Investitionsbeziehung, also den langfristigen Elementen der Leistungs- und der Eigentümerfunktion. Er ermöglicht die Unternehmensentwicklung und entspricht einem Optionsnutzen für die Mitglieder durch die zukünftige Existenz und Leistungsfähigkeit der Wohnungsgenossenschaft. Er entsteht durch Investitionen in Leistungen, Prozesse und organisatorischen Strukturen.

Die drei Komponenten des MemberValues sind interdependent. Die Ausschüttung von Dividenden und das bewertete aktuelle Leistungsvolumen begrenzen z.B. die Möglichkeiten, zusätzliches Eigenkapital über Rücklagen zu bilden. Geplante Investitionsvolumina beschränken ihrerseits die Möglichkeit zur Ausschüttung von Dividenden. Empirische Untersuchungen zeigen, dass von den Mitgliedern eine klare Reihung der MemberValue-Komponenten erfolgt. An der Spitze steht der unmittelbare, dicht gefolgt vom nachhaltigen und deutlich vor dem mittelbaren MemberValue. Der unmittelbare MemberValue wird dominiert durch eine hohe Wohnsicherheit, gefolgt von einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, während erst dann die Verfügbarkeit zusätzlicher wohnrelevanter Dienstleistungen gewürdigt wird.8

Genossenschaftliche Finanzierungsbesonderheiten

Die MemberValue-Orientierung ermöglicht es, Werte für die Mitglieder zu schaffen, ohne mit den Herausforderungen kommunaler Eigentümer sowie den Nachteilen einer investorenorientierten ShareholderValue-Strategie konfrontiert zu werden. Letztere maximiert den Wert des Unternehmens durch die Mietverhältnisse mit den Mietern für die Eigentümer. Bei der MemberValue-Orientierung wird der Wert der Wohnungsgenossenschaft hingegen durch die Wohnungsnutzung der Mitglieder für die Mitglieder selbst bestimmt. Da Genossenschaftsanteile nicht gehandelt werden, können Finanzmarktentwicklungen mit ihrer Eigendynamik nicht in die Wohnungsgenossenschaften getragen werden. Es ist somit ausgeschlossen, dass Akteure mit isolierten Investoreninteressen unternehmerische Entscheidungen dominieren. Wohnungsgenossenschaften können nicht feindlich übernommen werden. Diese Governancestrukturen haben freilich Konsequenzen:

  • Erstens unterbleibt eine Disziplinierung des Managements durch die Investoren. Allerdings ist entgegenzuhalten, dass eine Disziplinierung über Wettbewerb auf dem Wohnungs-, Arbeits- und Managermarkt erfolgt sowie zusätzlich durch die Mitglieder über deren Entscheidungs- und Kontrollrechte.
  • Eine zweite Folge sind die Grenzen für die Beschaffung von Eigenkapital auf dem Finanzmarkt. Auch diese Restriktion könnte als ein Nachteil eingeschätzt werden, denn Eigenkapital kann nur von den Mitgliedern und aus thesaurierten Gewinnen kommen. Um zu investieren und die Genossenschaft weiter entwickeln zu können, ist daher eine gute wirtschaftliche Performance mit Gewinnen eine grundlegende Voraussetzung.
  • Drittens ermöglicht die MemberValue-Orientierung Wohnungsgenossenschaften eine langfristige Orientierung. Sie verfügen über ein inhärent nachhaltiges Geschäftsmodell. Die Entscheidungen werden von Stakeholdern getroffen, die ihre Vorteile aus den aktuellen und zukünftigen Leistungen der Genossenschaft erzielen. Dies verhindert es im eigenen Interesse, über eine isolierte Renditeorientierung das Investitionsbudget der Genossenschaft „auszutrocknen“. Zudem können Investitions- und Leistungsentscheidungen nicht zum Abzug von Eigenkapital führen, wenn Investoren eine Verringerung der Rendite befürchten. Das Nutzungseigentum der Genossenschaft kann über die drei Komponenten des MemberValue so lange genutzt und in Anspruch genommen werden, wie die Mitgliedschaft besteht. Mit der Kündigung der Mitgliedschaft erhält ein Mitglied dann konsequenterweise den ursprünglich bezahlten Betrag für seine Geschäftsanteile zurück und nicht mehr. Diese Regelung ist ein konsistentes Element der genossenschaftlichen Governance und unterscheidet diese vom nicht-genossenschaftlichen Wohneigentum. Die damit verbundenen inhärenten Anreize zu nachhaltigen Entscheidungen sind eine Stärke des genossenschaftlichen Eigentums.

Gesellschaftliche Wirkungen genossenschaftlicher MemberValue-Strategien

Aus den Aktivitäten von Wohnungsgenossenschaften entstehen positive gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Effekte, die über die einzelnen Genossenschaften hinauswirken. Diese können als Kollateraleffekte der genossenschaftlichen MemberValue-Orientierung verstanden werden.9 Durch ihre inhärente Langfristigkeit können Erwartungen stabilisiert und Unsicherheit reduziert werden, weil manche Verhaltensspielräume nicht genutzt werden können. Dies geschieht durch den Verzicht auf eine isolierte und kurzfristig orientierte Gewinnmaximierung sowie durch die Unterlassung eines kurzfristig motivierten Wechsels von Transaktionspartnern.

Wohnungsgenossenschaften sind daher in der Lage zu stabilisieren. Dies gilt für urbane Wohnquartiere ebenso wie für Standorte im ländlichen Raum. Besonders relevant ist dies in Zeiträumen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen wie aktuell. Dazu kommt, dass erfolgreiche Wohnungsgenossenschaften Arbeits- und Ausbildungsplätze mit den entsprechenden Einkommenserzielungsmöglichkeiten bieten. Sie beschäftigen knapp 24 000 Personen. Sie vergeben Aufträge, tragen zum Steueraufkommen bei und investieren in Infrastrukturen. Den genossenschaftlichen Aktivitätsfeldern entsprechend erfolgt dies vorwiegend auf der lokalen Ebene. Auf diese Weise können Lebens- und Wirtschaftsräume aufgewertet und die Lebensqualität von Menschen erhöht werden. Daraus folgt, dass die Aktivitäten von Wohnungsgenossenschaften teilweise staatliche Maßnahmen ersetzen oder ergänzen können, z.B. in der Sozialpolitik und in der Stadtentwicklungspolitik. Zusätzlich gehen viele Wohnungsgenossenschaften Partnerschaften im Rahmen sozialer, kultureller, ökologischer oder bildungsorientierter Projekte ein, auch aktuell bei der Unterbringung von Geflüchteten. Die angeführten Effekte sind sekundäre Effekte genossenschaftlicher MemberValue-Strategien, die die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung signalisieren. Dies ist natürlich auch kommunalen und privaten Wohnungsgesellschaften möglich. Doch nur bei Genossenschaften handelt es sich um Folgen, die direkt aus der Umsetzung ihrer einzelwirtschaftlichen Strategien entstehen.

Wohnungseigentümer statt Wohnungsmieter

Obwohl Wohnungsgenossenschaften weniger in der öffentlichen und politischen Diskussion stehen als private und kommunale Wohnungsgesellschaften, sollte klar geworden ein, dass sie sehr wichtige Akteure auf dem Wohnungsmarkt Deutschlands darstellen. Gerade sie sind es, die seit jeher bezahlbaren Wohnraum geschaffen haben und gleichzeitig in der Lage sind, nicht Mieter, sondern Eigentümer hervorzurufen. Deren Investoreninteresse verkörpert gleichzeitig die Mieterpräferenzen, was durch besondere Eigentumsmerkmale ermöglicht wird und eine außergewöhnliche Anreizkonsistenz zum Ausdruck bringt. Ihre besondere Governance spiegelt die Zeit, in der Wohnungsgenossenschaften entstanden sind, als bitterste Wohnungsnot verbunden mit staatlicher Enthaltsamkeit auf dem Wohnungsmarkt vorherrschte. Heute sollte es nur selbstverständlich sein, dass die öffentliche Wohnungsbauförderung Genossenschaften nicht ausklammern kann. Sie sind in besonderem Maße in der Lage, zu jenen Wirkungen beizutragen, die mit den beabsichtigten öffentlichen Maßnahmen erreicht werden sollen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Ausweitung der Teilhabe von Menschen in der Gesellschaft.

  • 1 Vgl. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus“, Deutscher Bundestag, Drucksache 18/7736, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/077/1807736.pdf; sowie zu den Stellungnahmen der Sachverständigen im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf, ­https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw17-pa-finanzen/419258.
  • 2 Vgl. dazu etwa Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): Wohnungsgenossenschaften: Potenziale und Perspektiven, Bericht der Expertenkommission Wohnungsgenossenschaften, Berlin 2004.
  • 3 Vgl. zur Empirie von Wohnungsgenossenschaften auf der Grundlage einer ausführlichen Datenbasis T. Theurl: Wohnungsgenossenschaften, in: M. Voigtländer, O. Depenheuer (Hrsg.): Wohneigentum – He­rausforderungen und Perspektiven, Berlin 2014, S. 77-94; sowie GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.: Wohnungswirtschaftliche Daten und Trends, Berlin, unterschiedliche Jahrgänge.
  • 4 Vgl. T. Theurl, C. Wendler: Was weiß Deutschland über Genossenschaften?, Aachen 2011.
  • 5 Vgl. T. Theurl, J. Wicher, C. Cappenberg: Merkmale und Einschätzungen der Bewohner von Wohnungsgenossenschaften – eine Charakterisierung auf Basis des Soziooekonomischen Panels, SOEPpapers on Multidisciplinary Panel Data Research, Nr. 524, DIW Berlin 2012.
  • 6 Genossenschaftsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2230), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1102) geändert worden ist, http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/geng/gesamt.pdf.
  • 7 Vgl. zu vielen Details T. Theurl: Genossenschaftliches MemberValue-Management, in: M. Gmür et al. (Hrsg.): Performance Management in Nonprofit-Organisationen, Bern u.a.O. 2013, S. 316-325.
  • 8 Vgl. J-M. Böttiger: MemberValue für Wohnungsbaugenossenschaften. Ein Ansatz zur Operationalisierung des MemberValues für Wohnungsbaugenossenschaften und Handlungsempfehlungen für ein MemberValue-Management, Aachen 2009.
  • 9 Vgl. dazu T. Theurl: Gesellschaftliche Verantwortung von Genossenschaften durch MemberValue-Strategien, in: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 63. Jg. (2013), Nr. 2, S. 1-14.

Title:Social Housing Promotion – On the Right Track?

Abstract:In Germany, in times of extreme low interest rates there is a boom in housing construction, housing demand and housing ­prices. In order to relieve the housing market, the Federal Government is planning to expand the funding for social housing considerably. Affordable housing has been decreasing in German metropolitan areas in recent years, the same applies to social housing. Meanwhile, the demand for dwellings in the lower and middle price segment is rising, partly due to an increased migration rate. This is why a strong social housing promotion needs to be combined with an effective direct subsidy, such as a dynamic housing allowance. However, the targeting of social housing is highly inaccurate. Thus, it would be better to strengthen housing allowances and to help low-income households to purchase homes in order to reduce living costs. Nowadays, property credits stabilize the banking sector. However, just a small increase in interest rates could result in a new financial crash. Ever since their foundation, housing cooperatives have created affordable private dwellings and a safe living place for their members. They are able to produce not only tenants but owners of the dwellings. Thus public assistance schemes and subsidies should not exclude housing cooperatives.


DOI: 10.1007/s10273-016-1976-2