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Die Hartz-Reformen stellten zweifelsohne eine bedeutende Wende in der Entwicklung des Arbeitsmarktes dar. Obwohl die Reformen aus vier Teilen bestanden, war es hauptsächlich die Hartz-IV-Reform, die zu intensiven politischen und öffentlichen Debatten führte. Andrey Launov und Klaus Wälde zeigen, dass die Reform der Bundesanstalt für Arbeit (Hartz III), die ein Jahr vor der Hartz-IV-Reform implementiert wurde, einen viel größeren Beitrag zur Verringerung der Arbeitslosigkeit leistete.

Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist über das letzte Jahrzehnt so stark gesunken wie in fast keinem anderen Land in Europa oder der OECD. In dieser Zeit ist es Deutschland gelungen, sich vom „kranken Mann Europas“ zum Vorzeigeland zu mausern. Ein Teil dieses Erfolgs kann zweifellos den umfassenden Reformen des Arbeitsmarkts, die in der breiten Öffentlichkeit als Hartz-Reformen bekannt sind, zugeschrieben werden. Die Hartz-Reformen traten in den Jahren 2003 bis 2005 in Kraft, also kurz vor dem starken Rückgang der Arbeitslosigkeit. Sie haben im Wesentlichen an den drei zentralen Stellschrauben des Arbeitsmarktes gedreht: bei den Arbeitnehmern, bei den Arbeitgebern und am Vermittlungsprozess zwischen den beiden. Der meist diskutierte und äußerst umstrittene Teil der Reformen war die Hartz-IV-Reform, die die Lohnersatzleistungen der Arbeitnehmer (im Durchschnitt) gekürzt hat. Dagegen sind die restlichen Reformteile in den öffentlichen Medien und in gewisser Weise auch in den wissenschaftlichen Kreisen vergleichsweise im Schatten geblieben – zu Unrecht, wie eine aktuelle Studie zeigt.1

Die Studie widmet sich dem Vermittlungsprozess. In diesem Suchen und Finden von Arbeitnehmer und Arbeitgeber spielt die Bundesagentur für Arbeit eine entscheidende Rolle. Es wird gezeigt, dass die Reform der Bundesanstalt für Arbeit im Jahr 2004, die damit einhergehend in Bundesagentur für Arbeit umbenannt wurde, einen beachtlichen Beitrag zur Reduktion der Arbeitslosigkeit geleistet hat. Der Beitrag dieser Reform, auch als Hartz-III-Reform bekannt, ist deutlich höher als der Beitrag der Kürzung der Lohnersatzleistungen unter Hartz IV. Wie sich herausstellt, ist der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit mit einem 20%igen Rückgang der Arbeitslosigkeit zwischen 2005 und 2008 verbunden, während die Harz-IV-Reform lediglich 5% der Verringerung der Arbeitslosenquote in der gleichen Zeitperiode erklärt.

Bisherige Studien und ihre Grenzen

Wie effektiv ist eine öffentliche Agentur bei der Vermittlung arbeitsuchender Fachkräfte? Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, erst ein Kriterium für die Effektivität der Agentur festzulegen, wozu die Betrachtung der Elastizitäten dienen kann. Als natürliches Kriterium bietet sich die Elastizität der Arbeitslosenquote bezüglich der Vermittlungseffizienz der Agentur an: um wie viel Prozent sinkt also die Arbeitslosigkeit, wenn die Vermittlungseffizienz um 1% steigt. Bisherige Studien der Hartz-III-Reform, wie z.B. von Fahr und Sunde oder von Klinger und Rothe,2 berichten über eine hohe und hoch signifikante positive empirische Elastizität der Neueinstellungen in Bezug auf die Reform der Bundesanstalt für Arbeit. Da zunehmende Neueinstellungen eine Verringerung der Arbeitslosigkeit implizieren, lassen die Ergebnisse von Fahr und Sunde sowie Klinger und Rothe den Schluss zu, dass die Arbeitslosenquote in Deutschland infolge der Hartz-III-Reform eindeutig sinken sollte.3

Obwohl dieses Ergebnis an sich sehr überzeugend ist, können die beiden Studien nicht beurteilen, um wie viel die Arbeitslosenquote tatsächlich gesunken ist. Dies lässt sich mit der Lucas-Kritik begründen. Seit Lucas ist bekannt, dass der Effekt einer Politikmaßnahme ohne Verwendung eines Gleichgewichtsmodells mit optimierenden Agenten nicht geschätzt werden kann.4 Ein konsistenter Schätzwert der Wirkung des Eingriffs fehlt, da die resultierenden Gleichgewichtsanpassungen und die optimale Reaktion ökonomischer Akteure nicht berücksichtigt werden.

Einen Ausweg bietet ein Schätzverfahren, das die Wirkung der Reform der Bundesanstalt für Arbeit in einem Gleichgewichtsmodell betrachtet. Die Grundstruktur von Modellen dieser Art ist seit Längerem bekannt und geht auf Diamond und Pissarides zurück.5 Dieser Rahmen wird hier weiterentwickelt, um eine Auswertung der Hartz-III-Reform durchführen zu können.6 Die Reform der Bundesanstalt für Arbeit lässt sich in einem solchen Gleichgewichtsmodell nur schwer evaluieren, vor allem weil es unmöglich ist, die Modellparameter, die für die Vermittlungsproduktivität verantwortlich sind, direkt zu schätzen. Es gibt leider keine objektiven Messungen der Vermittlungsproduktivität. Daher muss ein indirekter Weg gegangen werden, der es erlaubt, die Veränderung der Vermittlungsproduktivität aus verwandten Daten zu schätzen.7 Launov und Wälde betrachten in einem Gleichgewichtsmodell die Dynamik der Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit von der Vermittlungsproduktivität der Agentur. Die Veränderung der Arbeitslosenquote aufgrund der durch Hartz III verursachten Änderung der Vermittlungsproduktivität wird unter Heranziehen der empirischen Elastizitäten nach Fahr und Sunde sowie Klinger und Rothe geschätzt.8 Ökonometrisch gesehen richtet sich diese Schätztechnik nach Gourieroux et al.,9 die als erste das Konzept der indirekten Schätzung eingeführt haben.10

Quantitatives Modell und ökonometrische Spezifikation

Die Berechnungen werden auf Basis eines dynamischen stochastischen Gleichgewichtsmodells durchgeführt, das speziell für die Evaluierung der Hartz-III-Reform konzipiert wurde. Als Ausgangspunkt diente das Modell der Studie von Launov und Wälde. Es wird erweitert durch die Berücksichtigung der Vermittlungseffekte einer öffentlichen Arbeitslosenvermittlungsagentur.11 Der allgemeine Rahmen des Gleichgewichtsmodells folgt einer Diamond-Mortensen-Pissarides-Struktur.

Zwei wichtige Aspekte des Gleichgewichtsmodells sollen besonders betont werden. Zum einen wird explizit die unterschiedliche Intensität der Betreuung von Kurz- und Langzeitarbeitslosen durch die öffentliche Vermittlungsagentur modelliert. Dies ist nötig, da die Hartz-III-Reform eine solche getrennte Behandlung explizit vorsah. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass Arbeitslose die Intensität ihrer Stellensuche unter Berücksichtigung aller Kosten und voraussichtlicher Erträge optimal festlegen. Diese Annahme erlaubt es, der Lucas-Kritik zu entgehen und die Verhaltensreaktion auf die verbesserten Vermittlungsaktivitäten der Agentur, getrennt für Kurzzeit- und Langzeitarbeitslose, abzubilden. Ein solcher Modellrahmen sagt dann vorher, dass eine Veränderung der Vermittlungseffektivität der Agentur als Folge der Hartz-III-Reform die individuelle Jobsuchaktivitäten der Arbeitslosen beeinflusst und sich somit die aggregierte Arbeitslosenquote ändert. Dadurch etabliert das Modell einen kausalen Zusammenhang zwischen der Reform der öffentlichen Vermittlungsagentur und der Arbeitslosenquote in Deutschland.

Dabei wird die zeitabhängige Struktur der Lohnersatzleistungen (erst Arbeitslosengeld I, dann Arbeitslosengeld II) ebenfalls berücksichtigt.12 Dadurch kann die auf Hartz III folgende Hartz-IV-Reform im gleichen Modellrahmen analysiert werden. Das ermöglicht einen Vergleich der beiden Reformen und eine Beurteilung, welche der beiden einen stärkeren Effekt auf die Verringerung der Arbeitslosigkeit hatte.

Die Veränderung der Betreuungsintensität der Bundesagentur aufgrund der Hartz-III-Reform wird in zwei Schritten geschätzt. Der erste Schritt schätzt alle Modellparameter vor der Reform direkt, nicht aber die Produktivitätsparameter der Bundesagentur. Dabei kommt ein strukturelles Maximum-Likelihood-Schätzverfahren zum Einsatz. Im zweiten Schritt wird die Veränderung der Produktivitätsparameter der Bundesagentur aufgrund der Reform unter Verwendung von empirischen Elastizitäten indirekt geschätzt.

Die indirekte Schätzung bedient sich zunächst einer sogenannten Hilfsregression. Diese Regression beschreibt den empirischen Zusammenhang zwischen der Zielvariablen, wie z.B. der Zahl an Neueinstellungen von Kurzzeitarbeitslosen, und den wichtigsten erklärenden Variablen. Letztere sind z.B. die Zahl der Kurzzeitarbeitslosen, die Zahl der offenen Stellen sowie Hilfsvariablen, mit denen die Effekte der Implementierung jeder einzelnen Stufe der Hartz-Reformen gemessen werden. Die Hilfsregression wird verwendet, um die empirische Elastizität der Hartz-III-Reform mithilfe von Daten der Bundesagentur für Arbeit zu schätzen.

Nach dieser Schätzung greift man auf das Gleichgewichtsmodell zurück, dann wird die vermutete Veränderung der Betreuungsintensität der Agentur für die Kurzzeitarbeitslosen bestimmt, der Verlauf der Neueinstellungen, der Gesamtzahl der Kurzzeitarbeitslosen und der offenen Stellen vor und nach der Hartz-III-Reform simuliert, die simulierten Daten werden in die Hilfsregression eingesetzt und der Schätzwert der Elastizität der Reform aus den simulierten Daten wird mit dem empirischen Schätzwert verglichen. Unterscheiden sich die Schätzwerte zu stark, wird die vermutete Veränderung der Betreuungsintensität für die Kurzzeitarbeitslosen angepasst und die Schätzung wird wiederholt. Wenn die Schätzwerte der empirischen Elastizitäten in der Hilfsregression mit simulierten Daten und mit den beobachteten Daten vollständig übereinstimmen, dann ist die vermutete Veränderung der Betreuungsintensität der wahren Veränderung gleich. Für die Langzeitarbeitslosen wird das gleiche Verfahren angewandt.

Auf diesem indirekten Weg werden die Veränderungen der Vermittlungseffektivität der Bundesagentur für Kurz- und Langzeitarbeitslose geschätzt, ohne tatsächlich auf empirische Beobachtungen für diese Effektivität zurückgreifen zu können. Unter Verwendung dieser geschätzten Veränderungen der Vermittlungseffektivität werden dann die resultierenden Veränderungen der Arbeitslosenquote berechnet.

Empirische Auswertung

Die Arbeitslosenquote in Deutschland ging von 11,7% im Jahr 2005 auf 7,8% im Jahr 2008, also um 3,9 Prozentpunkte, zurück.13 Um zu bestimmen, welcher Anteil dieses Rückgangs durch die Reform der Bundesanstalt für Arbeit erklärt wird, ist es zunächst wichtig, einen Blick auf die Wirkung der Reform auf die Vermittlungseffektivität zu werfen. Die Hartz-III-Reform hat die Vermittlung von Kurzzeitarbeitslosen von der von Langzeitarbeitslosen getrennt. Die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen, die zunächst durch die neu gestaltete Bundesagentur für Arbeit durchgeführt wurde, ist später mit Einführung von Jobcentern an diese übergeben worden. Diese Trennung der Betreuung von Kurz- und Langzeitarbeitslosen hat dazu geführt hat, dass die Vermittlungseffektivität der Agentur für die Kurzzeitarbeitslosen um 7,6% und für die Langzeitarbeitslosen um 23,0% gestiegen ist. Verglichen mit sonstigen Produktivitätsgewinnen sind dies beachtliche Größen.

Was implizieren diese Verbesserungen in der Vermittlungsqualität für die Dynamik der Arbeitslosenquote? Tabelle 1 zeigt die simulierte Wirkung der Reform. In der Simulation 1 wird die Vermittlungseffektivität um die geschätzten 7,6% für Kurzzeit- und die 23,0% für Langzeitarbeitslose erhöht. Dies ruft eine Verringerung der gleichgewichtigen Arbeitslosenquote um 0,88 Prozentpunkte hervor. Somit werden 22,5%, also fast ein Viertel, des tatsächlichen Rückganges der Arbeitslosigkeit (die oben erwähnten 3,9 Prozentpunkte) nach den Hartz-Reformen und vor der Finanzkrise erklärt. Dies ist ein sehr hoher Wert und zeigt wie wichtig die Reform der Bundesagentur für Arbeit für den Vermittlungsprozess zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist.

Tabelle 1
Wirkung der Hartz-III- und Hartz-IV-Reformen auf die Arbeitslosenquote, 2005 bis 2008
    Verringerung der Arbeitslosenquote
Simulation Reform Absolut
(Prozentpunkte)
Relativ zu Gesamtverringerung (%)
1 Hartz III 0,88 22,51
2 Hartz IV 0,08 2,05
3 Hartz III und Hartz IV 1,06 27,11
4 Hartz IV nach Hartz III 0,18 4,60

Quelle: Eigene Berechnungen.

Simulation 2 stellt für Vergleichszwecke die Auswertung der Einführung der Hartz-IV-Reform dar.14 Die Hartz-IV-Reform erklärt laut Simulation 2 nur 2,05% der beobachteten Verringerung der Arbeitslosenquote. Dies ist deutlich weniger als der Einfluss von Hartz III. Dieses Ergebnis ist bemerkenswert, denn es zeigt, dass es sich vielmehr lohnt, die ineffiziente öffentliche Arbeitsvermittlungsagentur zu verbessern als monetärer Anreize durch Arbeitslosengeldkürzungen zu verschärfen.

Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass die zweite Simulation unter der Annahme durchgeführt wurde, dass es nur die Hartz-IV-Reform gab. Deswegen werden in der Simulation 3 zwei Reformen nacheinander abgebildet, erst Hartz III, dann Hartz IV. Die Ergebnisse beschreiben dann den kumulativen Effekt der beiden Reformen. Sie besagen, dass die Umsetzung von Hartz III und Hartz IV zusammengenommen die Arbeitslosigkeit um 1,06 Prozentpunkte gesenkt haben. Das erklärt 27,1% des gesamten beobachteten Rückgangs. Die wichtigste Implikation dieses Ergebnisses ist es, die Wirkung der Reform des Lohnersatzleistungssystems neu einzuschätzen: Simulation 4 zerlegt den kumulativen Effekt aus Simulation 3. Das Ergebnis in Zeile 4 zeigt den Unterschied zwischen Simulation 3 und Simulation 2. Danach ist der wahre Effekt von Hartz IV etwas höher als das vorher simulierte Ergebnis. Trotzdem ist auch dieser höhere Effekt der Hartz-IV-Reform nur für etwa 0,18 Prozentpunkte des Rückgangs der Arbeitslosenquote verantwortlich. Dies entspricht lediglich 4,6% des beobachteten Rückgangs.

Die Tatsache, dass die Wirkung von Hartz IV nach der Reform der Bundesanstalt für Arbeit einen höheren Wert erhält, deutet auf Synergieeffekte zwischen den beiden Reformen. Dies legt den Schluss nahe, dass es aus der Sicht des Staates vernünftig ist, nicht nur Lohnersatzleistungen zu kürzen, sondern vielmehr dies durch ein Verbessern der Vermittlungsproduktivität der Bundesagentur zu begleiten. Ohne ein verbessertes Vermittlungssystem wirken rein monetäre Anreize nur halb so gut. Trotz dieser Synergien zeigt Tabelle 1 eindeutig, dass die Reform der ineffizienten Arbeitsvermittlung mindestens einen viermal höheren Effekt (0,88 Prozentpunkte) auf die Reduktion der Arbeitslosigkeit hatte als die Kürzung der Lohnersatzleistungen (0,18 Prozentpunkte). Dies hebt noch einmal den Erfolg der Hartz-III-Reform hervor.

Arbeitslosigkeitsparadox

Interessanterweise ist nicht jede Verbesserung der Effektivität einer Vermittlungsagentur auch von Vorteil. Dieses auf den ersten Blick paradoxe Ergebnis wird am besten mit Hilfe der Abbildung 1 erklärt. Sie zeigt die aggregierte Arbeitslosenquote in Abhängigkeit von der Vermittlungseffektivität der Bundesagentur für Arbeit für Langzeitarbeitslose bei einer unveränderten Effektivität für Kurzzeitarbeitslose (normiert auf 1), sie erhält den Wert 1, wenn die Effizienz der Bundesagentur bei der Vermittlung von Kurzzeit- und Langzeitarbeitslosen identisch ist. Die Abbildung zeigt das Arbeitslosigkeitsparadox: Ein Anstieg der Effektivität der Vermittlung für Langzeitarbeitslose führt erst zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote, die dann irgendwann wieder fällt.

Abbildung 1
Intertemporales Arbeitslosigkeitsparadox
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Quelle: Eigene Berechnungen.

Der Grund für diesen vermeintlich paradoxen Verlauf liegt im Anreizeffekt für Kurzzeitarbeitslose. Grundsätzlich wird die Arbeitslosenquote durch zwei gegenläufige Kräfte bestimmt. Auf der einen Seite profitieren die Langzeitarbeitslosen von der steigenden Betreuungseffizienz. Dies reduziert die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe eindeutig. Allerdings sind sich die Kurzzeitarbeitslosen dieser besseren Vermittlungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose bewusst. Wird die Vermittlung nach einem Jahr Arbeitslosigkeit effizienter, sinken die Anreize für Kurzzeitarbeitslose, die nötige Energie und Eigenleistung aufzubringen, um eine Stelle zu finden. Dies drückt die Arbeitslosigkeit für Kurzzeitarbeitslose nach oben. Je nach relativer Stärke der Kräfte kann die aggregierte Arbeitslosenquote daher sowohl steigen als auch sinken.

Die Reform der Bundesanstalt für Arbeit legte mit der geschätzten 7,6%igen Erhöhung der Vermittlungseffektivität für Kurzzeit- und 23,0%igen Erhöhung für Langzeitarbeitslose einen viel höheren Wert auf die Verbesserung der Vermittlungseffizienz für Langzeitarbeitslose. Diese Ungleichbehandlung hat aufgrund der gegenläufigen Kräfte den Effekt der gesamten Hartz-III-Reform etwas gedämpft. Hätte die Vermittlungseffektivität für Langzeitarbeitslose auch nur um 7,6% zugenommen, dann wäre der Effekt der Hartz-III-Reform um weitere 0,2 Prozentpunkte stärker.15 Obwohl der Verlust durch die Ungleichbehandlung nicht besonders stark ist, deutet dieses Ergebnis darauf hin, dass eine Gleichbehandlung aller Arbeitslosen hinsichtlich Betreuungsintensität die deutlich bessere wirtschaftspolitische Alternative gewesen wäre.

Zusammenfassung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit hoher Arbeitslosigkeit umzugehen.16 Ein Land kann auf der einen Seite versuchen, direkt bei den Arbeitsuchenden anzusetzen und diese durch geringere Lohnersatzleistungen dazu anhalten, schneller wieder bezahlte Beschäftigung anzunehmen. Dies hat jedoch viele unerwünschte Implikationen und unterstützt unter anderem die Entwicklung eines zu großen Niedriglohnsektors und führt darüber hinaus zu größerer Ungleichheit. Ein Land kann auf der anderen Seite aber auch die Arbeitslosigkeit reduzieren, indem der Vermittlungsprozess effizienter gestaltet wird. Dann wäre es nicht mehr notwendig, Lohnersatzleistungen für Arbeitslose zu kürzen. Arbeitslosigkeit kann also verringert werden, ohne Ungleichheit und Armut zu erzeugen. Außerdem werden durch die effizientere Gestaltung des Vermittlungsprozesses bessere Arbeitsmarktperspektiven für sozial schwächere Schichten der Gesellschaft geschaffen, was eine große Bedeutung weit über die wirtschaftspolitischen Grenzen hinaus hat.

Die Hartz-III-Reform stellt ein überzeugendes Beispiel einer solchen Verbesserung der Effektivität einer öffentlichen Arbeitsvermittlungsagentur dar. Diese Reform sorgte für ungefähr ein Fünftel des gesamten beobachteten Rückgangs der Arbeitslosenquote zwischen 2005 und 2008. Der Effekt der Umstrukturierung der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit war viermal stärker als der Effekt der höchst umstrittenen Kürzung der Lohnersatzleistungen im Rahmen der späteren Hartz-IV-Reform. Der Erfolg der Hartz-III-Reform kann auch als positives Beispiel für andere Länder Europas gesehen werden, in denen Arbeitslosigkeit immer noch ein ernsthaftes Prob­lem darstellt.

  • 1 A. Launov, K. Wälde: The employment effect of reforming a public employment agency, in: European Economic Review, 84. Jg. (2016), S. 140-164.
  • 2 R. Fahr, U. Sunde: Did the Hartz reforms speed-up the matching process? A macro-evaluation using empirical matching functions, in: German Economic Review, 10. Jg. (2009), H. 3, S. 284-316; S. Klinger, T. Rothe: The impact of labour market reforms and economic performance on the matching of the short-term and long-term unemployed, in: Scottish Journal of Political Economy, 59. Jg. (2012), Nr. 1, S. 90-114.
  • 3 Ebenda.
  • 4 R. Lucas: Econometric Policy Evaluation: A Critique, in: Carnegie-­Rochester Conference Series in Public Policy, 1. Jg. (1976), Nr. 1, S. 19-46.
  • 5 P. Diamond: Wage determination and efficiency in search equilibrium, in: Review of Economic Studies, 49. Jg. (1982), Nr. 2, S. 217-227; C. Pissarides: Short-run equilibrium dynamics of unemployment, vacancies, and real wages, in: American Economic Review, 75. Jg. (1985), Nr. 4, S. 676-690.
  • 6 A. Launov, K. Wälde: Estimating incentive and welfare effects of non-stationary unemployment benefits, in: International Economic Review, 54. Jg. (2013), Nr. 4, S. 1159-1198.
  • 7 A. Launov, K. Wälde: The employment effect of reforming ..., a.a.O.
  • 8 R. Fahr, U. Sunde, a.a.O.; S. Klinger, T. Rothe, a.a.O.
  • 9 C. Gourieroux, A. Monfort, E. Renault: Indirect Inference, in: Journal of Applied Econometrics, 8. Jg. (1993), Nr. S1, S85-S118.
  • 10 Die letzten prominenten Anwendungsbeispiele indirekter Schätzung in ähnlichen Modellkontexten sind J. Lise: On-the-job search and precautionary savings, in: Review of Economic Studies, 80. Jg. (2013), Nr. 3, S. 1086-1113; und J. Bagger, F. Fontaine, F. Postel-Vinay, J.-M. Robin: Tenure, experience, human capital, and wages: A tractable equilibrium search model of wage dynamics, in: American Economic Review, 104. Jg. (2014), Nr. 6, S. 1551-1596.
  • 11 A. Launov, K. Wälde: Estimating incentive and welfare effects ..., a.a.O.
  • 12 A. Launov, K. Wälde: Estimating incentive and welfare effects ..., a.a.O.
  • 13 Die Studie betrachtet den Zeitraum von 2000 bis 2008, um die Auswirkungen der weltweiten Finanzmarktkrise und der großen Rezession zu umgehen. Obwohl die weltweite Finanzmarktkrise bereits 2007 ausbrach, waren ihre Folgen am deutschen Arbeitsmarkt erst Ende 2008 spürbar. Eine ergänzende Auswertung für den Zeitabschnitt von 2000 bis 2009 zur Abbildung der Rezession in Deutschland beeinflusst die Hauptergebnisse kaum. Dies hebt die Robustheit der Analyse hervor.
  • 14 Diese ist bereits in Launov und Wälde diskutiert worden, vgl. A. Launov, K. Wälde: Estimating incentive and welfare effects ..., a.a.O.; dies.: Folgen der Hartz-Reformen für die Beschäftigung, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jg. (2014), H. 2, S. 112-117.
  • 15 A. Launov, K. Wälde: The employment effect of reforming ..., a.a.O.
  • 16 Ebenda.

Title:Outstanding Success of the Hartz III Labour Market Reform in Germany

Abstract:The Hartz reforms of the labour market constitute an important turning point in the evolution of the labour market in Germany. While the reforms consisted of four parts, it was especially the reform of the unemployment benefit system – the Hartz IV reform – that led to a strong response in the public and the media. Andrey Launov and Klaus Wälde demonstrate that the Hartz III reform of the German public employment agency (the ‘Bundesagentur für Arbeit (BA)’), that took place one year earlier, was much more successful in reducing unemployment. The reorganisation or the BA accounts for around 20% of the reduction of unemployment between 2005 and 2008. By contrast, the Hartz IV reform can account for only 5% of this reduction.


DOI: 10.1007/s10273-016-2006-0