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Der Anfang der Finanz- und Eurokrise liegt nun bald zehn Jahre zurück. Angesichts der drastischen geldpolitischen Maßnahmen zur Eindämmung der Krise hatten viele Marktteilnehmer mit einer schnelleren Normalisierung der Situation gerechnet. Warum hat die Geldpolitik nicht mehr Wirkung gezeigt? Die Autoren untersuchen den Zinskanal als einen der wichtigsten Transmissionsmechanismen der Geldpolitik auf die Realwirtschaft und deren Kreditnachfrage. Neben einer kurzen Darstellung der theoretischen Wirkungsweise wird die Wirkungskette des Zinskanals analysiert und auf hemmende Faktoren hin untersucht.

Ausgangspunkt der Transmission über den Zinskanal sind die kurzfristigen nominalen Zinsen, die von der Zentralbank durch geldpolitische Impulse direkt beeinflusst werden. Die Zentralbank kann dafür die Leitzinsen verändern oder auf die Bankenliquidität einwirken. Leitzinsänderungen betreffen unmittelbar die kurzfristige Refinanzierung der Geschäftsbanken. Die Bankenliquidität kann die Zentralbank beispielsweise über Offenmarktgeschäfte steuern. Veränderungen der Liquiditätssituation der Geschäftsbanken ziehen Konditionenveränderungen nach sich, die in Zinsänderungen bei der Refinanzierung sichtbar werden.

Die veränderten Konditionen der kurzfristigen Refinanzierung bei der Zentralbank geben die Geschäftsbanken am Interbankenmarkt weiter. Eine expansive Geldpolitik führt zu einer Senkung der Zinsen am Geldmarkt, während restriktive Zentralbankmaßnahmen die Geldmarktzinssätze erhöhen. Die Tagesgeldsätze am Interbanken-Geldmarkt stellen dabei die operative Zielgröße für die Zentralbank dar, über welche die Primärziele, insbesondere die Preisniveaustabilität, gesteuert werden sollen. Die Veränderungen der Tagesgeldzinsen am Interbankenmarkt bedingen gleichzeitig Zinsänderungen bei sämtlichen Geldmarktanlagen (z.B. Commercial Paper) sowie bei kurzfristigen Termineinlagen der Nichtbanken, da diese für die Geschäftsbanken ein Substitut für die Refinanzierung bei der Zen­tralbank oder bei anderen Geschäftsbanken darstellen. In der Folge passen sich sämtliche kurzfristigen Zinsen an die veränderten Konditionen der Zentralbank an. Über die kurzfristigen Zinsen werden durch Arbitrageprozesse auch die langfristigen Zinsen beeinflusst. Denn damit Arbitragefreiheit am Kapitalmarkt besteht, darf es keine Preisdifferenzen zwischen mehrfacher kurzfristiger Geldanlage und einmaliger langfristiger Geldanlage geben.1 Die langfristigen Zinsen ermitteln sich daher aus dem Durchschnitt der zukünftigen kurzfristigen Zinsen. Sinken nun die kurzfristigen Zinsen, müssen auch die langfristigen Zinsen sinken und umgekehrt. Es besteht daher eine Interdependenz zwischen den Zinssätzen.

Die langfristigen Zinssätze sind wiederum vorrangig ausschlaggebend für die Kreditaufnahme der Nichtbanken. Dabei trifft der private Sektor seine Investitions- und Konsumentscheidungen auf Basis der langfristigen Realzinsen.2 Preissteigerungen senken ceteris paribus die Kaufkraft der Nichtbanken, weshalb die um die erwartete Inflationsrate bereinigten Realzinsen maßgeblich für die Vorteilhaftigkeit der Kreditaufnahme sind. Die Realzinsen verändern sich in der Theorie gleichläufig mit den Nominalzinsen, da sich die Inflation und damit die erwartete Inflationsrate erst langsam und verzögert anpasst.3 Die Veränderung der Realzinsen muss dabei nicht zwangsläufig über die nominalen Zinssätze erfolgen, sondern kann auch über die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte ablaufen.4 So kann beispielsweise eine Geldmengenausweitung das erwartete Preisniveau erhöhen. Die erhöhte erwartete Inflation führt gleichzeitig zu einem Rückgang der Realzinsen, ohne dass die Zentralbank die Leitzinsen verändert hat.

Sinkende Geldmarktzinsen durch expansive Geldpolitik

Die stark expansiv ausgerichtete Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat bewirkt, dass die Geschäftsbanken ihre finanziellen Mittel auf der Passivseite grundsätzlich günstiger aufnehmen können. Im Gegenzug bieten sie gemäß dem theoretischen Modell des Zinskanals auf der Aktivseite günstigere Geldmarktkonditionen im Interbankenhandel an. Somit können sich die Banken auch über den Geldmarkt im kurzfristigen Bereich günstiger refinanzieren. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des bedeutendsten Referenzzinssatzes für europäisches Tagesgeld, dem Euro Overnight Index Average (EONIA).

Abbildung 1
Entwicklung des EONIA im Zinskorridor
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Entwicklung des EONIA im Zinskorridor

Quelle: eigene Darstellung, Daten: EZB.

Die Entwicklung des EONIA seit 2008 macht deutlich, dass die Tagesgeldzinsen in der Eurozone durch die Leitzinssenkungen der EZB zurückgegangen sind. Während die Tagesgeldzinssätze vor der Umstellung auf eine Vollzuteilung bei Refinanzierungsgeschäften im Oktober 2008 noch in der Mitte des Zinskorridors zwischen Einlage- und Spitzenrefinanzierungssatz schwankten, liegen sie seit der unbegrenzten Liquiditätsbereitstellung am unteren Rand des Zinskorridors. Grund dafür ist die hohe Überschussliquidität in der Eurozone. Viele Banken haben aufgrund der Vertrauenskrise im Interbankenmarkt während der Finanzkrise mehr Liquidität bei der Zentralbank nachgefragt als sie zur Erfüllung der Mindestreservepflicht benötigten. Die überschüssige Liquidität wurde dann über die Einlagefazilität wieder bei der EZB angelegt.5 Dies führt dazu, dass die EZB die Tagesgeldzinsen als operative Zielgröße nicht mehr mit dem Hauptrefinanzierungssatz steuern kann. Vielmehr orientieren sich die Konditionen für Tagesgelder am Zinssatz der Einlagefazilität, weshalb sich der Einlagesatz im derzeitigen Geldmarktumfeld zum wichtigsten Leitzins in der Eurozone entwickelt hat.6

Simultan mit den Tagesgeldzinssätzen sind die Zinssätze für Geldmarktanlagen sämtlicher Laufzeiten wie beispielsweise die Euro Interbank Offered Rate (Euribor) mit Laufzeiten von drei, sechs und zwölf Monaten gesunken. Insbesondere die längerfristig ausgelegten Refinanzierungsgeschäfte und Kaufprogramme haben dazu beigetragen, dass im Geldmarkt über die Laufzeit von Tagesgeldern hinaus niedrigere Zinsen erwartet wurden. Auf diese Weise haben die unkonventionellen Maßnahmen die Unsicherheit im Geldmarkt abgebaut und damit die Übertragung der durch die Zinspolitik beeinflussten Tagesgeldsätze auf alle Geldmarktzinssätze unterstützt.7 Die kurzfristigen Zinsen konnten demnach durch das Maßnahmenbündel der EZB wesentlich gesenkt werden, sodass sich die Transmission über den Zinskanal bis zu diesem Punkt als effektiv erweist.

Auch die langfristigen Zinsen sinken

Inwieweit haben die rückläufigen kurzfristigen Geldmarktzinsen die langfristigen Kreditzinsen beeinflusst? Die allgemeine Zinsentwicklung wird anhand der Zinsstrukturkurven von AAA-eingestuften Staatsanleihen der Eurozone deutlich (vgl. Abbildung 2). Diese gelten als weitgehend risikolose Geldanlage, weshalb die Zinssätze nicht durch bonitätsabhängige Risikoprämien verzerrt werden. Die Zinsstrukturkurven bilden somit näherungsweise die reine Zinsentwicklung am Fremdkapitalmarkt ab. Vor dem Ausbruch der Finanzmarktkrise und den geldpolitischen Interventionen der EZB wiesen AAA-eingestufte Staatsanleihen eine relativ flache Zinsstrukturkurve auf einem vergleichsweise hohen Niveau auf. Die mehrfachen Zinssenkungen der Zentralbank 2008 und 2009 führten dazu, dass die kurzfristigen Zinsen zurückgingen, während die langfristigen Zinsen nur marginal unter das Vorkrisenniveau gesunken sind. Die Zinspolitik der EZB hat demnach in erster Linie die Zinsen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve beeinflusst. Übergreifende Effekte auf die langfristigen Anleihezinsen sind weitgehend ausgeblieben.

Abbildung 2
Ausgewählte Zinsstrukturkurven von AAA-eingestuften Staatsanleihen der Eurozone
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Ausgewählte Zinsstrukturkurven von AAA-eingestuften Staatsanleihen der Eurozone

Quelle: eigene Darstellung, Daten: EZB.

Infolge der Bereitstellung der ausgeweiteten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte, den Ankäufen der EZB über die Kaufprogramme CBPP (Covered Bond Purchase Programme) 1 und 2 und SMP (Securities Markets Programme) sowie der Ankündigung des Outright-Monetary-Transactions-(OMT)-Programms haben sich die Anleihezinsen dann allgemein rückläufig entwickelt. Ebenso haben die Ankäufe über das erweiterte Wertpapierankaufprogramm APP die Zinsstrukturkurve weiter geglättet und nach unten verschoben. Ähnlich wie beim SMP und OMT-Programm vollzieht sich die Zinswirkung hierbei in erster Linie über die Erwartungshaltung der Investoren. Arbitrageeffekte von der kurzen in die lange Frist erfolgen nur, wenn auch in Zukunft fortwährend niedrige kurzfristige Zinsen erwartet werden. Mit ihren Ankäufen signalisiert die EZB, dass die expansive Geldpolitik langfristig anhalten wird. Dadurch sinken die Zinssätze nicht nur in den kurzfristigen, sondern in allen Laufzeitsegmenten.8

Zinsrückgang bei Konsumkrediten weniger ausgeprägt

Fremdkapital wird in der Eurozone jedoch insbesondere über Bankkredite und nicht über den Kapitalmarkt aufgenommen.9 Die Zinssätze für Unternehmenskredite in der Eurozone haben sich dem rückläufigen Trend der Geldmarktsätze angepasst. Zwischen den in Basispunkten gemessenen absoluten Veränderungen der monatlich gemittelten EONIA-Tagesgeldsätzen und denen der durchschnittlichen Unternehmenskreditzinsen in der Eurozone besteht seit 2008 eine Korrelation von ca. 0,75. Dieser positive lineare Zusammenhang suggeriert, dass die Zinsrückgänge im kurzfristigen Bereich übergreifende Effekte auf die Konditionen für längerfristige Unternehmenskredite haben. Andere empirische Studien kommen zu vergleichbaren Ergebnissen.10 Dabei wurde jedoch auch festgestellt, dass das Ausmaß der Übertragung in den langfristigen Zinsbereich vermindert ist. Die Banken geben die gesunkenen Geldmarktsätze zwar an den privaten Sektor weiter, allerdings nicht vollständig. Die Transmission ist an dieser Stelle partiell gehemmt. Bei den Zinssätzen für Konsumkredite in der Eurozone ist dagegen kein wesentlicher linearer Zusammenhang mit den kurzfristigen Geldmarktzinsen festzustellen. Hier besteht zwischen den absoluten Veränderungen von EONIA und Kreditzinsen seit 2008 lediglich eine Korrelation von ca. 0,12. Die Zinsdifferenz zwischen dem Vorkrisenniveau und dem aktuellen Niveau beträgt knapp 2 Prozentpunkte, während der EONIA im gleichen Zeitraum um rund 4,5 Prozentpunkte rückläufig war. Die Zinssätze für Konsumkredite haben sich nur bedingt den rückläufigen Geldmarktsätzen angepasst.

Innerhalb der Eurozone sind unterschiedliche Entwicklungen bei den Kreditzinsen zu verzeichnen. Die Zinssätze in den Kernländern liegen dabei überwiegend unter dem Eurozonen-Durchschnitt (vgl. Deutschland und Frankreich in Abbildung 3), während die Zinssätze in den Peripherieländern meist über dem Durchschnittszins der Eurozone liegen (vgl. Italien und Spanien in Abbildung 3). Ursächlich für diese Abweichungen sind insbesondere die divergierenden Kreditrisiken in den einzelnen Ländern. Da die Bonität der Kreditnehmer in Peripherieländern meist schlechter ist, verlangen die Banken höhere Risikoaufschläge, um ihre Zinsmargen zu erhalten.11

Abbildung 3
Nominalzinsen für Unternehmens- und Konsumkredite in der Eurozone
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Nominalzinsen für Unternehmens- und Konsumkredite in der Eurozone

Quelle: eigene Darstellung, Daten: EZB.

Realzinsen sinken nicht so stark

Die Kreditnachfrage des privaten Sektors orientiert sich theoriegemäß nicht an den Nominalzinsen, sondern an den Realzinsen. Bei der Bestimmung der Realzinsen für Unternehmens- und Konsumkredite treten gleichwohl methodische Probleme auf. Zum einen ist die erwartete Inflationsrate nicht exakt kalkulierbar, da sie in der Realität nicht beobachtet werden kann. Zum anderen ist die Höhe der Realzinsen abhängig vom jeweils gewählten Preisindex.12

Um die erwartete Inflationsrate abzubilden, wird bei der Analyse vergangenheitsbezogener Datensätze mit langfristigen Beobachtungszeiträumen oftmals die Annahme getroffen, dass die aktuelle Inflationsrate mit der Inflationserwartung der Vorperiode übereinstimmt.13 Auf dieser gängigen Methodik aufbauend berechnen sich die Realzinsen als nominale Kreditzinsen des jeweiligen Jahres abzüglich der im folgenden Jahr gemessenen Inflationsrate. Für die Berechnung der Realzinsen ab Mitte 2015 werden die Inflationsprognosen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verwendet. Als Inflationsrate für die Unternehmenskredite wird der BIP-Deflator gewählt. Da für die Investitionsentscheidungen von Unternehmen je nach Branchenzugehörigkeit eine Vielzahl unterschiedlicher Preise relevant ist, eignet sich der BIP-Deflator, durch den sämtliche Preisänderungen einer Volkswirtschaft abgebildet werden, zur Darstellung der Preisentwicklung aus Unternehmenssicht. Konsumentenentscheidungen basieren dagegen vorrangig auf den erwarteten Verbraucherpreisen, weshalb bei den Konsumkrediten der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) als Inflationsrate gewählt wird.

Die Entwicklung der Realzinsen zeigt, dass die nominalen Zinssenkungen teilweise durch Inflationsrückgänge kompensiert wurden (vgl. Abbildung 4). Nachdem die Realzinsen bei Unternehmenskrediten in der Eurozone zunächst mit den Leitzinssenkungen bis Ende 2009 abnahmen, stagnieren sie im weiteren Zeitverlauf weitgehend. Seit 2013 ist ein leicht rückläufiger Trend zu erkennen. Bei den Konsumkrediten in der Eurozone ist nach dem Rückgang der Realzinsen von 2009 bis 2011 wieder ein Anstieg auf das Vorkrisenniveau zu verzeichnen. Seit 2014 sinken die Realzinsen für Konsumkredite dann wieder. Insgesamt ist jedoch seit 2010 in der Eurozone kein allgemein rückläufiger Trend in der Entwicklung der Realzinsen zu beobachten. Der Einfluss der Geldpolitik der EZB auf die Realzinsen ist demnach gehemmt und die Stimulierung der Kreditnachfrage über die Zinsen eingeschränkt. Zudem zeigt sich anhand der Realzinsen die hohe Heterogenität in der Eurozone. Die Divergenzen zwischen den Realzinsen der einzelnen Länder sind umfassender als bei den Nominalzinsen. In den Kernländern konnten dabei tendenziell fallende Realzinsen festgestellt werden, während die Realzinsen in den Peripherieländern nach der Finanzkrise teils stiegen. Obwohl die EZB die kurzfristigen Nominalzinsen einheitlich steuert, sind in der Eurozone unterschiedliche langfristige Kreditzinsen und noch weiter divergierende Realzinsen zwischen Kern- und Peripherieländern festzustellen.

Abbildung 4
Realzinsen für Unternehmens- und Konsumkredite in der Eurozone
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Realzinsen für Unternehmens- und

Quelle: eigene Darstellung und Berechnungen, Daten: EZB, OECD.

Konjunktur und Verschuldung als hemmende Faktoren

Die Kreditnachfrage des privaten Sektors wird neben der Entwicklung der Realzinsen jedoch auch durch weitere Faktoren beeinflusst, die teils kompensierend oder gar konträr wirken können. So hat auch die konjunkturelle Entwicklung maßgeblichen Einfluss auf die Kreditnachfrage. Je stärker das aktuelle Wirtschaftswachstum ist, desto größer ist auch die Kreditnachfrage.14 Die Wirtschaftsentwicklung kann in diesem Zusammenhang auch die divergierende Entwicklung der Realzinsen verstärken. Denn in den konjunkturell anziehenden Kernländern der Eurozone führen die gesunkenen Realzinsen tendenziell zu einer höheren Kreditnachfrage und damit zu weiterem Wirtschaftswachstum. In den wirtschaftlich weitgehend stagnierenden Peripherieländern bewirken die höheren Realzinsen dagegen tendenziell eine geringere Kreditnachfrage und damit weiterhin ein geringes Wachstum.15 Da stimuliertes Wachstum in der Regel auch die Inflation antreibt, würde ein gedämpftes Wachstum in den Peripherieländern weiterhin zu unverändert hohen Realzinsen führen, während die Realzinsen in den Kernländern durch einen Wirtschaftsaufschwung weiter sinken würden. Somit kann aus der aktuellen einheitlichen Geldpolitik in Verbindung mit den konjunkturellen Divergenzen innerhalb der Eurozone ein gewisser Teufelskreis resultieren, durch den die Realzinsen zwischen den Ländern der Eurozone weiter auseinandergehen.

Einen hemmenden Einflussfaktor auf die Kreditnachfrage stellt zudem die Verschuldung des privaten Sektors dar. Es konnte ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der Höhe des Verschuldungsgrads und der Kreditnachfrage nachgewiesen werden.16 In der Eurozone stiegen insbesondere in den Peripherieländern im Vorfeld der Finanzkrise die Verschuldungsquoten des privaten Sektors. Dieses hohe Verschuldungsniveau führte durch die Neubewertung der Einkommens-, Vermögens- und Risikolage im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem Anpassungsbedarf in den Bilanzen des privaten Sektors. Der anschließende Abbau der Verschuldung vollzieht sich jedoch nur langsam, sodass die Verschuldungsquoten der meisten Länder noch nicht merklich unter das Vorkrisenniveau gesunken sind.17 Hohe Verschuldungsquoten können wiederum zu hohen Risikoaufschlägen bei der Kreditvergabe führen und damit die Kreditnachfrage und das Wachstumspotenzial einschränken. Ähnlich den Wechselwirkungen zwischen Wirtschaftswachstum und Realzinsen scheinen sich demnach auch die Effekte von Verschuldungsquoten und Risikoaufschlägen auf die Kreditnachfrage gegenseitig zu verstärken.

Fazit

Insgesamt wird die Transmission im Zinskanal von unterschiedlichen Faktoren beeinträchtigt, die sich teils gegenseitig bedingen. Die divergierende und im Trend nur leicht rückläufige Realzinsentwicklung scheint die geldpolitische Transmission über den Zinskanal zu hemmen. Zudem wurden das in einigen Ländern ausbleibende Wirtschaftswachstum, die weiterhin hohe Verschuldung des privaten Sektors und die bonitätsbedingten Risikoaufschläge auf die Kreditzinsen als Störfaktoren für die Kreditnachfrage ausgemacht. Die Untersuchung hat gezeigt, dass diese Faktoren in den Peripherie­ländern der Eurozone meist ausgeprägter sind als in den Kernländern.

  • 1 Beispielsweise müssen ein Kassageschäft mit Laufzeit von einem Jahr (0;1) und ein Termingeschäft mit Laufzeit von einem Jahr (1;2) denselben Zinsertrag bieten wie ein zweijähriges Kassageschäft (0;2).
  • 2 Vgl. F. S. Mishkin: The economics of money, banking, and financial markets, Boston 2007, S. 617.
  • 3 Vgl. J. B. Taylor: The monetary transmission mechanism: An empirical framework, in: Journal of Economic Perspectives, 9. Jg. (1995), H. 4, S. 11-26.
  • 4 Vgl. J. Boivin, M. T. Kiley, F. S. Mishkin: How has the monetary transmission mechanism evolved over time?, in: B. M. Friedman, M. Woodford (Hrsg.): Handbook of monetary economics, Amsterdam 2010, S. 369-422.
  • 5 Vgl. K. Ruckriegel: Das Verhalten der EZB während der Finanz­marktkrise(n), in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 2, S. 107-114.
  • 6 Vgl. M. Carmona Amaro, F. Eser, S. Iacobelli, M. Rubens: The use of the Eurosystem’s monetary policy instruments and operational framework since 2009, ECB Occasional Paper Series, Nr. 135, Frankfurt a.M. 2012, S. 47; vgl. P. Cour-Thimann, B. Winkler: The ECB’s non-standard monetary policy measures: The role of institutional factors and financial structure, ECB Working Paper Series, Nr. 1528, Frankfurt a.M. 2013, S. 20.
  • 7 Vgl. P. Abbassi, T. Linzert: The effectiveness of monetary policy in steering money market rates during the financial crisis, in: Journal of Macroeconomics, 34. Jg. (2012), H. 4, S. 945-954; vgl. M. Lenza, H. Pill, L. Reichlin: Monetary policy in exceptional times, in: Economic Policy, 25. Jg. (2010), H. 62, S. 295-339.
  • 8 Vgl. G. Georgiadis, J. Gräb: Global financial market impact of the announcement of the ECB’s extended asset purchase programme, Federal Reserve Bank of Dallas Working Paper, Nr. 232, Dallas 2015, S. 7 f.
  • 9 Vgl. P. Cour-Thimann, B. Winkler, a.a.O., S. 2.
  • 10 Vgl. A. Al-Eyd, S. P. Berkmen: Fragmentation and monetary policy in the Euro Area, IMF Working Paper, Nr. 13/208, Paris 2013, S. 15; vgl. G. Tondl: Interest rates, corporate lending and growth in the Euro Area, Wirtschaftsuniversität Wien Economics Working Paper, Nr. 227, Wien 2016, S. 23.
  • 11 Vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht September 2015, Frankfurt a.M. 2015, S. 34 ff.; vgl. G. Tondl, a.a.O., S. 23 f.
  • 12 Vgl. ECB: Monthly Bulletin March 1999, Frankfurt a.M. 1999, S. 16; vgl. M. King, D. Low: Measuring the „world“ real interest rate, NBER Working Paper, Nr. 19887, Cambridge 2014, S. 1.
  • 13 Vgl. ECB, a.a.O., S. 16.
  • 14 Vgl. S. Holton, M. Lawless, F. McCann: Credit demand, supply and conditions: A tale of three crises, Dublin 2012, S. 11.
  • 15 Vgl. P. De Grauwe: Macroeconomic policies in the Eurozone since the sovereign debt crisis, Katholieke Universiteit Leuven Euroforum Policy Paper, Nr. 13, Leuven 2014, S. 12.
  • 16 Vgl. S. Holton, M. Lawless, F. McCann, a.a.O., S. 11.
  • 17 Vgl. M. Demertzis, G. B. Wolff: The effectiveness of the European Central Bank’s Asset Purchase Programme, Bruegel Policy Contribution Issue 2016/10, Brüssel 2016, S. 3; vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Januar 2014, Frankfurt a.M. 2014, S. 59 ff.

Title:Transmission via the Interest Rate Channel: What Dampens the Demand for Credit?

Abstract:Through more favourable funding costs for commercial banks, the central bank can send expansionary monetary stimuli into the real economy to boost the demand for credit. In this regard, one of the most important channels for the transmission of monetary policy is the interest rate channel. This contribution analyses the effectiveness of the interest rate channel in the eurozone. It comes to the conclusion that the transmission of the expansive monetary stimulus into the banking sector works well, but that the transmission of the stimulus to the real economy is partly inhibited. The main factors that dampen credit demand are higher real interest rates as well as low growth and higher indebtedness, especially in the eurozone’s peripheral countries.


DOI: 10.1007/s10273-017-2134-1