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Mit der Wahl Donald Trumps hat sich die Unsicherheit über die zukünftige US-Wirtschaftspolitik erhöht, gleichzeitig hat aber die Hoffnung auf wirtschaftspolitische Impulse die Aktienmärkte beflügelt und zu einem merklichen Anstieg der Stimmungsindikatoren geführt (vgl. Abbildung 1). Das vom Conference Board ausgewiesene Konsumentenvertrauen ist auf dem höchsten Stand seit knapp 17 Jahren. Der vom Institute for Supply Management erstellte Einkaufsmanagerindex des Verarbeitenden Gewerbes hat seit November ebenfalls kräftig zugelegt.

Bislang hat sich dies allerdings noch nicht in einer deutlichen Beschleunigung der realwirtschaftlichen Aktivität niedergeschlagen. Trotz Rekordstimmungswerten war der Absatz von langlebigen Konsumgütern in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres rückläufig, und die Kreditvergabe hat sich an den Unternehmenssektor seit der Wahl merklich verlangsamt. Möglicherweise wird angesichts der Unsicherheit über die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik der neuen Administration bei Investitionen eine abwartende Haltung eingenommen. Immerhin lassen die bisherigen Budgetplanungen einen vielfach erwarteten Impuls durch staatliche Ausgaben vermissen, und hinsichtlich der Pläne für eine Steuerreform sind die Unsicherheiten über Umfang und Zeitplan nach wie vor groß.1

Abbildung 1
USA: Stimmungsindikatoren
USA: Stimmungsindikatoren

1 National Federation of Independent Business (NFIB). 2 Purchasing Managers Index (PMI) des Institute for Supply Management (ISM). Standardisierte Werte.

Quelle: Conference Board; Institute for Supply Management; National Federation of Independent Business; eigene Berechnungen.

Besonders deutlich wird die Divergenz zwischen realwirtschaftlicher Entwicklung einerseits und Stimmungsindikatoren andererseits im Segment der kleineren Unternehmen. Der von der National Federation of Independent Business (NFIB) erhobene Stimmungsindikator für diesen Bereich ist seit November sprunghaft angestiegen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dieses plötzliche Stimmungshoch ökonomische Entscheidungen bislang kaum beeinflusst hat. So ist der Anteil der Unternehmen, die vorhaben, ihre Kapitalausgaben zu erhöhen, seit November nur geringfügig gestiegen. Hinsichtlich der Beschäftigung geben zwar nun deutlich mehr der befragten Unternehmen an, neue Stellen schaffen statt alte abbauen zu wollen (seit der Wahl beträgt die Differenz durchschnittlich 16%, in den Monaten Januar bis Oktober 2016 waren es 10%), der Anteil von Unternehmen, die angeben die Beschäftigung tatsächlich erhöht zu haben, hat sich hingegen kaum verändert.

In dieses Bild passen die Ergebnisse der ersten Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2017. Demnach expandierte die gesamtwirtschaftliche Produktion um annualisiert 0,7% gegenüber dem Vorquartal – und damit deutlich langsamer als im Schlussquartal 2016 (vgl. Abbildung 2). Dabei legten die privaten Investitionen recht kräftig (um 4,3%) zu, während der private Konsum nur verhalten stieg (0,3%). Allerdings bestehen offenbar seit geraumer Zeit Probleme mit der Saisonbereinigung: In den vergangenen sieben Jahren war das erste Quartal vier Mal das schwächste des gesamten Jahres. Die offiziellen Zahlen dürften daher die tatsächliche konjunkturelle Dynamik etwas unterzeichnen.2 Im ersten Quartal 2017 könnte etwa die außergewöhnlich milde Witterung eine Rolle gespielt haben. So sanken Produktion und Nachfrage im Bereich der Strom- und Gaserzeugung um knapp 5%, während im Verarbeitenden Gewerbe und im Bergbau Produktionszuwächse von 0,7% bzw. 2,9% verzeichnet wurden. Für die kommenden Quartale ist daher wieder mit etwas höheren Expansionsraten des Bruttoinlandsprodukts zu rechnen. Dabei wird die konjunkturelle Grundtendenz in den USA auch durch eine Belebung der Weltwirtschaft gestützt. Derzeit ist die Konjunktur zum ersten Mal seit mehr als fünf Jahren in nahezu allen wichtigen Wirtschaftsräumen gleichzeitig aufwärts gerichtet.3

Abbildung 2
USA: Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts
USA: Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts

Annualisierte Veränderung gegenüber dem Vorquartal.

Quelle: Bureau of Economic Analysis National Income and Product Accounts.

Kapazitätsauslastung ist bereits recht hoch

Die Phase der konjunkturellen Expansion in den USA geht inzwischen bereits in das achte Jahr. Die spürbare Abschwächung, die im Winterhalbjahr 2015/2016 zu verzeichnen war und im Ergebnis dazu führte, dass die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2016 von 2,6% auf 1,6% zurückging, erwies sich als vorübergehend. Sie war größtenteils auf eine Korrektur bei der Lagerhaltung privater Unternehmen zurückzuführen sowie auf die Konsolidierung in der Schieferölbranche in Reaktion auf den drastischen Rückgang der Ölpreise,4 eine Entwicklung, die sich dank wieder etwas höherer Rohstoffnotierungen und erheblicher Effizienzsteigerungen in den vergangenen Monaten umgekehrt hat. Der private Verbrauch legte demgegenüber in diesem Zeitraum weiter kräftig zu, und der Beschäftigungsaufbau setzte sich in kaum vermindertem Tempo fort.

Die Arbeitslosenquote sank bis zuletzt kontinuierlich und war im März 2017 mit 4,5% kaum mehr höher als an ihrem Tiefpunkt vor der Großen Rezession. Während nach gängigen Schätzungen die Arbeitslosenquote damit in etwa auf ihrem „natürlichen“ Niveau liegt, wird häufig nach wie vor eine beträchtliche Unterauslastung der Kapazitäten am Arbeitsmarkt diagnostiziert. Zur Begründung wird angeführt, dass die Partizipationsquote – der Anteil der Beschäftigten am Arbeitskräftepotenzial – immer noch deutlich niedriger und die Zahl der unfreiwillig in Teilzeit Beschäftigten deutlich höher ist als 2007. Dies ist aber wohl überwiegend nicht konjunkturell, sondern strukturell bedingt.5

So ist der Rückgang der Partizipationsquote offenbar vor allem auf den demografischen Wandel, insbesondere das allmähliche Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge der 1950er Jahre („baby boomer“) aus dem Erwerbspersonenpotenzial zurückzuführen. Zu einem Teil hängt er aber wohl auch damit zusammen, dass die Zahl der sogenannten „Entmutigten“ gestiegen ist, also jener, die aufgrund geringer Beschäftigungsaussichten nicht mehr aktiv nach Arbeit suchen. So ist nicht nur die Partizipationsquote insgesamt, sondern auch jene der „prime age men“ (24-54 Jahre) von knapp 91% im Jahr 2007 auf 88,1% im Jahr 2014 gesunken. Seitdem ist hier aber ein klarer Aufwärtstrend erkennbar; einzelne Firmen berichten inzwischen von zunehmenden Schwierigkeiten, selbst bei geringen Qualifikationsanforderungen offene Stellen mit geeigneten Bewerbern zu besetzen.6

Die Lohndynamik ist zwar noch verhalten, sie hat sich aber in der Grundtendenz beschleunigt, so dass von einer verbreiteten Unterauslastung am US-Arbeitsmarkt nicht mehr gesprochen werden kann. In dieser Situation erscheint ein Tempo der wirtschaftlichen Expansion von etwas mehr als 2%, wie es gegenwärtig angelegt ist, aus konjunkturpolitischer Sicht als angemessen. Kräftige fiskalische Impulse sind auf kurze Sicht nicht zu erwarten, wären aber wohl das Resultat, falls die Regierung eine umfassende Steuerreform beschließt. Dies würde vermutlich rasch in eine Überhitzungssituation führen und die Notenbank veranlassen, ihren geldpolitischen Kurs rascher und stärker zu straffen als bislang geplant war, was letztlich in einer Stabilisierungsrezession münden könnte.

  • 1 Vgl. R. Döhrn, F. Fichtner, O. Holtemöller, S. Kooths, T. Wollmershäuser: Aufschwung in Deutschland trotz weltwirtschaftlicher Risiken, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 4, S. 256-260.
  • 2 Vgl. K. G. Lunsford: Lingering Residual Seasonality in GDP Growth, Federal Reserve Bank of Cleveland, Economic Commentary, 2017-06, 28. März 2017.
  • 3 Vgl. Internationaler Währungsfonds: World Economic Outlook, April 2017.
  • 4 Die Einschnitte bei Produktion und Investitionen im Ölsektor hatten im Verlauf des Jahres 2016 auch zunehmend auf andere Wirtschaftsbereiche ausgestrahlt; vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Frankfurt a.M., Februar 2017.
  • 5 Vgl. hierzu K.-J. Gern, S. Fiedler, P. Hauber, S. Kooths, G. Potjagailo, U. Stolzenburg: Weltkonjunktur: Aufwärts trotz Risiken, Kieler Konjunkturberichte, Nr. 27, 2017|Q1.
  • 6 Vgl. Board of Governors of the Federal Reserve: Beige Book April 2007, Washington DC 2017.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2147-9