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In den nächsten Dekaden wird die Bevölkerung nicht nur in Deutschland immer älter. Gibt es einen statistischen Zusammenhang zwischen der Altersstruktur einer Gesellschaft und zentralen makroökonomischen Variablen? Welche Konsequenzen hat die gesellschaftliche Alterung für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland bis 2050? Wie stellen sich diese Entwicklungen im internationalen Vergleich dar?

Das Thema Demographie und Ökonomie steht schon seit langem auf der Agenda der Wirtschaftswissenschaften. Allerdings bezogen sich die Analysen der Zusammenhänge zwischen diesen beiden Bereichen in der Vergangenheit lediglich auf die Bevölkerungsgröße und deren Einfluss auf makroökonomische Größen wie das reale Wirtschaftswachstum, die volkswirtschaftliche Investitionstätigkeit und die gesamtgesellschaftliche Ersparnisbildung. Erst seit Beginn der 90er Jahre setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass weniger die Bevölkerungsgröße als vielmehr die Altersstruktur der Bevölkerung für die Entwicklung der wichtigsten ökonomischen Größen einer Volkswirtschaft von Bedeutung ist. Die nachfolgenden Ausführungen stellen erste vorläufige Ergebnisse einer umfassenden Studie dar, die den Einfluss der Altersstruktur der Bevölkerung auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland untersucht.1 Ziel der Studie, die das Institute for Future Studies im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erarbeitet, ist es in einem ersten Schritt herauszufinden, ob es in Deutschland derartige statistische Zusammenhänge gibt. Wenn sie sich nachweisen lassen, können diese Zusammenhänge in einem zweiten Schritt genutzt werden, um mit Hilfe von Bevölkerungsprognosen die zukünftige Entwicklung der ökonomischen Größen bis zum Jahr 2050 vorauszurechnen. Damit wird nicht behauptet, dass sich die gesamte wirtschaftliche Entwicklung mit Hilfe der Demographie erklären lässt. Die Modellrechnungen zeigen jedoch, in welche Richtung die Demographie die wirtschaftliche Entwicklung treiben kann.

Alterung und Konsum

Mit der Alterung der Gesellschaft ist eine Veränderung der Nachfragestruktur zu erwarten, weil ältere Konsumenten ein anderes Nachfrageverhalten aufweisen als jüngere Konsumenten.2 Ein altersbedingter Nachfragerückgang ist im Bereich der Güter des täglichen Bedarfs zu erwarten. Hierzu zählen vor allem die Bereiche Nahrungsmittel, Kleidung und andere Gegenstände zur Haushaltsführung. Auch die Nachfrage nach Verkehrsleistungen wird wegen des Rückgangs von Fahrten zur Arbeit und von Dienstreisen sinken. Gleichzeitig aber ist zu beachten, dass wegen der steigenden Qualifikationsanforderungen an alle Beschäftigten der berufliche Weiterbildungsbedarf erheblich zunehmen wird. Eine höhere Nachfrage kann darüber hinaus für Leistungen aus dem Bereich Freizeit und Tourismus erwartet werden. Zudem ist mit einer verstärkten Nachfrage nach personennahen Dienstleistungen zu rechnen, weil eine immer größere Zahl von älteren Menschen außerhalb des Familienverbands lebt und deshalb vermehrt Leistungen wie Einkaufshilfen, Reinigungen, Gartenpflege etc. benötigt. Ein Segment mit besonders hohen Nachfragezuwächsen ist der Gesundheitssektor. Insgesamt ist im Zuge der gesellschaftlichen Alterung mit einer tendenziell steigenden Nachfrage nach Dienstleistungen zu rechnen, während die Nachfrage nach Sachgütern eher zurückgeht.

Alterung und Ersparnisbildung

Grundsätzlich bedeutet ein Rückgang der Bevölkerung eine sinkende Zahl von Einkommensbeziehern mit einem sinkenden Sozialprodukt und damit auch einem Rückgang der Ersparnisbildung. Entscheidend ist aber weniger die Summe der Ersparnisse, sondern vielmehr die Sparquote, also der Anteil der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse am Sozialprodukt. Auf den ersten Blick könnte erwartet werden, dass die Ersparnisbildung älterer Menschen geringer ist als bei Personen, die im Erwerbsalter sind. Ausgangspunkt dieser These ist die Überlegung, dass private Haushalte vor allem sparen, um für das Alter vorzusorgen, sodass „die Sparquote im Alter zumindest geringer als im Erwerbsleben“ sei.3 Für eine alternde Gesellschaft bedeutet dies einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen privaten Sparquote, weil der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung zunimmt. Dieses Verhalten lässt sich mit der „Lebenszyklustheorie“ des Sparens erklären. Nach dieser Theorie wird während des Arbeitslebens ein Vermögen angespart, das „nach dem Renteneintritt gerade so abgebaut wird, daß bis zum Todeszeitpunkt das Vermögen verbraucht wird“.4

Tatsächlich aber zeigen empirische Untersuchungen der letzten Jahre, „daß privat angespartes Vermögen von Haushalten nach der Verrentung nicht oder nur zu einem Teil entspart wird“.5 Eine empirische Studie von Börsch-Supan u.a. kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass es im Alter sogar noch zu einer weiteren Vermögensbildung kommt, was „eine erstaunliche Abweichung von der traditionellen Lebenszyklushypothese ist“.6 Dieses Verhalten lässt sich u.a. durch das Motiv des Vererbens und die Sorge um das Wohlergehen der eigenen Kinder und Enkel erklären. Hinzu kommt die Überlegung, dass bei älteren Menschen der Bedarf an langlebigen Sachgütern zurückgeht, weil diese Gegenstände bereits im Laufe des Erwerbslebens gekauft wurden. Dies senkt die Konsumquote mit zunehmendem Alter und erhöht entsprechend die Sparquote. Gleichzeitig bedeutet dies für die Erben, dass sie entweder – ohne eigene Finanzmittel aufwenden zu müssen – langlebige Sachgüter erhalten, oder durch einen Zufluss an Geldmitteln ihr verfügbares Einkommen erhöhen. Beides erlaubt eine höhere Ersparnisbildung ohne materielle Einschränkungen. Insgesamt zeigen diese Ausführungen, dass der theoretische Zusammenhang zwischen dem Sparverhalten bzw. der Sparquote und der gesellschaftlichen Alterung nicht eindeutig ist.

Alterung und Produktivität

Mit der Alterung der Gesellschaft und der eingesetzten Arbeitskräfte ist häufig die Befürchtung verbunden, dass die durchschnittliche Produktivität der Erwerbstätigen zurückgeht. Hintergrund dieser Befürchtung ist das Argument, ältere Menschen seien weniger produktiv und leistungsfähig als jüngere Menschen. Diese Einschätzung entspringt dem so genannten „Defizitmodell“, das von einer Abnahme der generellen Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter ausgeht.7 Tatsächlich aber belegen nur sehr wenige Studien, dass das Altern im Arbeitsleben zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit führt. Verschiedene Untersuchungen zeigen vielmehr, dass mit zunehmenden Alter „kulturgebundene Fertigkeiten und Fähigkeiten wie Sprache, berufliches Wissen und soziale Intelligenz, erhalten bleiben“ und dass darüber hinaus sogar ein „verbessertes Wissen über Problemlösungsstrategien und ein Zuwachs an sozialer Intelligenz“ feststellbar sind. Auch die These einer Abnahme kognitiver Kompetenzen im Alter ist empirisch überprüft und widerlegt worden. Außerdem verfügen ältere Beschäftigte „über deutlich mehr Erfahrung als jüngere, was dem Aktualitätsverlust des Wissens entgegenwirkt bzw. diesen sogar überkompensieren kann“.8 Des Weiteren „wird älteren Mitarbeitern eher die Beherrschung komplexer Prozesse und ein Standhalten in chaotischen Situationen zugetraut“, was dazu führt, dass ältere Mitarbeiter in vielen Betrieben einen Aktivposten im Innovationsgeschehen darstellen.9 Für die Entwicklung der Produktivität in einer alternden Gesellschaft ist schließlich nicht nur die Produktivität des Faktors Arbeit relevant. Wenn die im Zuge der demographischen Entwicklung knapper werdende menschliche Arbeitskraft zunehmend durch Maschinen ersetzt wird, ist nicht auszuschließen, dass die gesamte Produktivität steigt. Alles in allem sind auch die theoretischen Aussagen zum Zusammenhang zwischen einer gesellschaftlichen Alterung und der Produktivität daher nicht eindeutig.

Alterung und Inflation

Der Einfluss einzelner Altersgruppen auf die Inflationsrate lässt sich u.a. mit Hilfe der von dieser Altersgruppe produzierten Gütermenge im Vergleich zur konsumierten Gütermenge abschätzen. Wenn eine bestimmte Altersgruppe mehr Güter konsumiert als sie selber herstellt, hat dies einen preiserhöhenden Effekt. Dies ist bei Kindern und Rentnern der Fall, sodass von beiden Altersgruppen theoretisch eine inflationserhöhende Wirkung zu erwarten ist. Die Altersgruppen, deren Mitglieder in großer Zahl an der Produktion von Gütern beteiligt sind, haben hingegen eher einen inflationsdämpfenden Effekt. Wenn diese Zusammenhänge zutreffend sind, ist bei einer gesellschaftlichen Alterung mit einem Anstieg der Inflation zu rechnen. Ob sich dieser demographisch bedingte Inflationsdruck letztendlich auch in einem Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus widerspiegelt, hängt entscheidend von den Reaktionen der Zentralbank ab. Durch geeignete geldpolitische Gegenmaßnahmen lässt sich ein Inflationsanstieg verhindern bzw. zumindest abmildern. Dennoch ändert dies nichts an dem Umstand, dass es im Zuge des demographischen Wandels einen alterungsbedingten Inflationsdruck geben dürfte.

Fragestellung und Zielsetzung des Beitrags

Schon diese wenigen Ausführungen zu den möglichen Auswirkungen einer gesellschaftlichen Alterung auf volkswirtschaftliche Kernvariablen verdeutlichen, dass die theoretischen Wirkungszusammenhänge zwischen Alterung und ökonomischer Entwicklung komplex sind. Wenn theoretische Überlegungen zu keinem eindeutigen Ergebnis kommen, können empirische Untersuchungen weiterhelfen. Dieses Vorgehen hat sich bereits für die schwedische Volkswirtschaft bzw. für die OECD bewährt.10

Ziel des Beitrags ist es, in einem ersten Schritt statistische Zusammenhänge zwischen dem Alter (gemessen durch den Anteil einzelner Altersgruppen an der gesamten Bevölkerung) und ökonomischen Kernindikatoren zu identifizieren. Das dafür verwendete Modell arbeitet mit sechs Altersgruppen: 0- bis 14-Jährige (Kinder), 15- bis 29-Jährige (junge Erwachsene), 30- bis 49-Jährige, 50- bis 64-Jährige, 65- bis 74-Jährige (junge Rentner und Pensionäre) sowie 75-Jährige und älter (alte Rentner und Pensionäre). Untersucht werden die statistischen Zusammenhänge zwischen diesen sechs Altersgruppen und den folgenden sechs makroökonomischen Kernindikatoren: Wirtschaftswachstum, Ersparnisbildung, Kapitalbildung, Leistungsbilanzsaldo und Inflationsrate. Die Zusammenhänge zwischen demographischen und wirtschaftlichen Größen werden in einem Modell untersucht, das mit den Daten von 19 Volkswirtschaften arbeitet (EU15, USA, Japan, China und Indien). Die Identifikation der gesuchten statistischen Zusammenhänge erfolgt mit Hilfe von Korrelationsanalysen.

Korrelationen stellen statistische Zusammenhänge dar, die nichts über kausale Zusammenhänge aussagen. Wenn jedoch davon ausgegangen wird, dass die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Altersgruppen und den makroökonomischen Daten auch in Zukunft gelten, dann können diese Korrelationen verwendet werden, um mit Hilfe vorliegender Bevölkerungsprognosen die zukünftige Entwicklung der makroökonomischen Größen zu projizieren. Für die Vorausberechnung der wirtschaftlichen Entwicklungen sind Kausalzusammenhänge nicht erforderlich. Notwendig ist lediglich, dass die Zusammenhänge zwischen Altersgruppen und ökonomischen Größen stabil sind. Dies wird hier angenommen, sodass die gefundenen statistischen Zusammenhänge in einem zweiten Schritt mit den Bevölkerungsvorausberechnungen der 19 Volkswirtschaften bis zum Jahr 2050 kombiniert werden, um damit die zukünftige Entwicklung der ökonomischen Größen bis zum Jahr 2050 zu projizieren.

Grundlegende Modellannahmen

Die statistischen Zusammenhänge zwischen verschiedenen Altersgruppen und makroökonomischen Variablen werden mit Hilfe partieller linearer Korrelationen geschätzt.11 Der statistische Zusammenhang zwischen einer bestimmten makroökonomischen Variablen (y) und dem Anteil (s) einer bestimmten Altersgruppe (j) an der Gesamtbevölkerung lässt sich mit folgender Grundgleichung beschreiben: yit = a0 + Σ aj sjit + Σ bk xkit + vit + εt. Die Länder werden dabei mit i bezeichnet, die Jahre mit t, andere Kontrollvariablen mit x, v ist eine länderspezifische Konstante und ε steht für die stochastische Störgröße. Die gesuchten Korrelationskoeffizienten werden mit aj und bk bezeichnet, wobei der hier interessierende Zusammenhang, also der zwischen dem Anteil einer bestimmten Altersgruppe an der Bevölkerung (sj) und einer bestimmten makroökonomischen Größe (y), mit dem partiellen Korrelationskoeffizienten aj geschätzt wird. Das Ausgangsniveau der makroökonomischen Größe wird durch a0 ausgedrückt.

Für die Schätzungen der partiellen Korrelationen werden Paneldaten, d.h. Zeitreihendaten aus den 19 Volkswirtschaften, verwendet. Paneldatenmodelle haben gegenüber reinen Zeitreihenanalysen unter anderem den Vorteil, dass die Zahl der Beobachtungen größer ist, dass das bei Zeitreihenanalysen immanente Problem der Multikollinearität (Multikollinearität liegt vor, wenn zwei oder mehr erklärende Variablen stark miteinander korrelieren) reduziert werden kann, und dass die Schätzungen damit insgesamt belastbarer werden. Alle Daten fließen dabei mit dem gleichen Gewicht in die Berechnungen ein. Länderspezifische Unterschiede, also z.B. institutionelle, politische und geographische Unterschiede zwischen den betrachteten Volkswirtschaften, werden durch die länderspezifische Konstante (v) geschätzt. Die Heterogenität der Länder wird also nur durch eine Niveauverschiebung modelliert, d.h. es wird angenommen, dass der statistische Zusammenhang zwischen den verschiedenen Altersgruppen und den ökonomischen Größen in allen Volkswirtschaften identisch ist (Fixed-Effects-Modell).

Diese vereinfachte Modellspezifikation hat den Vorteil, dass die geschätzten partiellen Korrelationskoeffizienten sämtliche direkten und indirekten Zusammenhänge zwischen einer Altersgruppe und einer ökonomischen Größe umfassen. Wenn z.B. in der oben beschriebenen Modellgleichung die Korrelation zwischen der Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts je Einwohner als makroökonomischen Variablen (y) und der Gruppe der 50- bis 64-Jährigen (sj) berechnet wird, deckt der entsprechende Korrelationskoeffizient alle direkten und indirekten Einflüsse dieser Altergruppe auf das Wirtschaftswachstum ab: die Alterung der Belegschaft, Auswirkungen auf die Produktivität, das geänderte zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Erwerbstätigen und den nicht mehr erwerbstätigen Personen, die gesellschaftliche Akzeptanz technologischer Änderungen, die Veränderung der Nachfragestruktur bei Konsumgütern, Änderungen der Exportfähigkeit bzw. Terms-of-Trade-Effekte, Änderungen bei der Ersparnis und den Investitionen, den Einfluss auf staatliche Einnahmen und Ausgaben, Auswirkungen auf die Einkommensverteilung und die Arbeitslosigkeit, den Zusammenhang zwischen der Altersgruppe und der Kapazitätsauslastung etc. Die einfach wirkende Grundgleichung ist also nicht so zu verstehen, dass mit ihr ein einfacher direkter Zusammenhang zwischen der Altersstruktur und einer ökonomischen Variablen unterstellt wird.

Empirische Zusammenhänge zwischen dem Alter und ökonomischen Größen

Die nachfolgenden Ergebnisse resultieren aus Modellrechnungen, die auf den Daten der 19 genannten Volkswirtschaften basieren. Die statistischen Zusammenhänge zwischen den sechs Altersgruppen und den sechs behandelten makroökonomischen Größen sind grafisch in Abbildung 1 dargestellt. Die Bedeutung der einzelnen Balkendiagramme kann exemplarisch an der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen verdeutlicht werden: Wenn der Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung um einen Prozentpunkt zunimmt, steigt die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes pro Kopf um rund 0,25 Prozentpunkte, während die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes um rund 0,3 Prozentpunkte zunimmt und der Anteil der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse am Bruttoinlandsprodukt um rund einen Prozentpunkt steigt. Zudem steigt der Anteil der gesamtwirtschaftlichen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt um rund 0,56 Prozentpunkte. Der Leistungsbilanzsaldo, angegeben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts, geht um rund 0,03 Prozentpunkte zurück, und die Inflationsrate sinkt um rund 0,6 Prozentpunkte. Bei diesen Werten ist jedoch zu beachten, dass es sich um partielle statistische Zusammenhänge handelt. Wenn der Anteil der 30- bis 49-Jährigen an der Gesamtbevölkerung um einen Prozentpunkt steigt, muss der Anteil von mindestens einer anderen Altersgruppe zurückgehen. Der Gesamteffekt eines höheren Anteils einer bestimmten Altersgruppe an der Bevölkerung lässt sich also erst nach Betrachtung der geänderten Bevölkerungsanteile aller Altersgruppen bestimmen.

Abbildung 1
Einflüsse der sechs Altersgruppen auf zentrale makroökonomische Größen
(in %)
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Erläuterungen:

1 Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (pro Kopf und absolut) in % pro Jahr.

2 Gesamtwirtschaftliche Ersparnisse ausgedrückt als Anteil der Ersparnisse am Bruttoinlandsprodukt in %.

3 Gesamtwirtschaftliche Investitionen ausgedrückt als Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt in %.

4 Leistungsbilanzsaldo in % des Bruttoinlandsprodukt.

5 Inflationsrate gemessen durch den Konsumentenpreisindex und in % pro Jahr.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten aus 19 Volkswirtschaften. Die Daten stammen von der Weltbank (World Development Indicators). Die verwendeten Zeitreihen umfassen in mehr als der Hälfte aller Daten mindestens 45 Beobachtungen für den Zeitraum von 1960 bis 2006, ansonsten mindestens 30 Beobachtungen. Die Angaben zur Bevölkerungsentwicklung kommen von den Vereinten Nationen (World Population Prospect 2006).

Die hier gefundenen Korrelationen sind zum größten Teil Zusammenhänge, die zumindest vom Vorzeichen der Korrelationskoeffizienten her auch theoretisch zu erwarten sind. Im Folgenden werden die in Abbildung 1 dargestellten Korrelationen kurz dahingehend diskutiert, ob es für die Modellergebnisse nachvollziehbare Erklärungen gibt.12 Für die berechneten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Altersgruppen und den makroökonomischen Größen bieten sich folgende Erklärungen an:

Da Kinder (0- bis 14-Jährige) in entwickelten Volkswirtschaften heutzutage keinen Beitrag zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen (Bruttoinlandsprodukt) leisten, hat ein steigender Anteil von Kindern an der Gesamtbevölkerung einen Rückgang des Wirtschaftswachstums (sowohl pro Kopf als auch absolut) zur Folge. Da Kinder somit auch kein eigenes Einkommen beziehen, aber trotzdem Güter und Dienstleistungen konsumieren, bewirkt ein Anstieg des Anteils der Kinder an der Gesamtbevölkerung gesamtwirtschaftlich einen Rückgang der Sparquote, weil der Konsum der Kinder von deren Eltern finanziert wird und daher deren Ersparnisbildung verringert. Weil die inländischen Ersparnisse eine zentrale Quelle zur Finanzierung von Investitionen sind, können Kinder auch keinen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Investitionstätigkeit leisten, sodass sich eine Erhöhung des Anteils von Kindern an der Bevölkerung negativ auf die Investitionen auswirkt. Schließlich hat der Umstand, dass Kinder mehr Güter konsumieren als sie herstellen zur Folge, dass diese Altersgruppe einen preiserhöhenden Effekt hat.

Auch junge Erwachsene (15- bis 29-Jährige) befinden sich häufig noch in der Ausbildungsphase und leisten daher nur einen geringen Beitrag zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Die Gruppe der jungen Erwachsenen hat somit nur einen schwach positiven Einfluss auf die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (absolut und pro Kopf). Junge Erwachsene verfügen darüber hinaus in der Regel nur über ein relativ geringes Einkommen. Langlebige Konsumgüter wie Autos, Möbel etc. können von dieser Altersgruppe daher häufig nur über Kredite finanziert werden. Da diese Altersgruppe per Saldo also mehr Güter konsumiert als sie herstellt, besitzt auch sie einen preiserhöhenden Effekt. Der berechnete Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Ersparnisbildung ist schwach positiv. Etwas stärker ausgeprägt ist der positive Einfluss der 15- bis 29-Jährigen auf die gesamtwirtschaftliche Investitionstätigkeit. Dies dürfte allerdings vor allem darin begründet sein, dass in diesem Alter Wohneigentum erworben wird, der in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als Investition eingestuft wird.

Die stärksten positiven Einflüsse auf das Wirtschaftswachstum und die Ersparnisse berechnet das Modell für die Gruppe der 30- bis 49-Jährigen. Mitten im Erwerbsleben stehend, verfügen die Mitglieder dieser Altersgruppe über hohe Einkommen, die eine hohe Ersparnisbildung erlauben. Damit hat diese Altersgruppe auch auf die gesamtwirtschaftliche Investitionstätigkeit eine positive Wirkung. Der Umstand, dass die 30- bis 49-Jährigen mehr Güter herstellen als sie konsumieren hat zur Folge, dass diese Altersgruppe inflationsmildernd wirkt. Von allen sechs Altersgruppen hat diese Gruppe den größten positiven Effekt auf die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandprodukts, sowohl absolut als auch pro Kopf gerechnet.

Auch Erwerbstätige im fortgeschrittenen Lebensalter von 50 bis 64 Jahren verfügen in der Regel über ein relativ hohes Einkommen. Gleichzeitig haben sie die meisten langlebigen Konsumgüter bereits erworben. Dies erlaubt ihnen eine relativ hohe Ersparnisbildung. Die hohen Ersparnisse stehen der Volkswirtschaft für Investitionen zur Verfügung, sodass sich ein steigender Anteil dieser Altergruppe an der Gesamtbevölkerung positiv auf die Investitionen auswirkt. Hohe Investitionen in Sachkapital erhöhen in der Regel die gesamtwirtschaftliche Produktivität, was sich wiederum positiv auf das reale Wirtschaftswachstum auswirkt. Da diese Altersgruppe per Saldo mehr Güter herstellt als sie konsumiert, kommt es zu einem preissenkenden Effekt. Die wachstumsfördernden Effekte (Ersparnisbildung, Investitionstätigkeit, Inflationsdämpfung) dieser Altersgruppe sind den Modellberechnungen zur Folge etwas geringer als bei den 30- bis 49-Jährigen, aber größer als bei den jungen Erwachsenen. Ein steigender Anteil der 50- bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung hat daher einen positiven Einfluss auf die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes.

Ein steigender Anteil von Rentnern und Pensionären (die Altersgruppe 65 Jahre und älter) an der Gesamtbevölkerung bedeutet, dass die Erwerbstätigen die von ihnen produzierten Güter und Dienstleistungen mit einer wachsenden Zahl von altersbedingt nicht mehr erwerbstätigen Personen teilen müssen. Dies hat zur Folge, dass das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf langsamer wächst oder sogar zurückgeht. Die Gruppe der Rentner und Pensionäre hat somit einen negativen Einfluss auf die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (absolut und pro Kopf). Der Umstand, dass Rentner Güter und Dienstleistungen nachfragen, aber nicht mehr produzieren, hat zur Folge, dass die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen tendenziell stärker wächst als das Angebot. Dies bewirkt einen allgemeinen Preisanstieg, die Gruppe der Rentner und Pensionäre hat somit eine inflationserhöhende Wirkung. Die wachstumsdämpfenden Effekte sind bei den Personen im Alter von 75 Jahren und älter besonders groß. Ein Anstieg dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung hat daher eine besonders negative Auswirkung auf die gesamtwirtschaftliche Ersparnisbildung und Investitionstätigkeit und führt dazu, dass die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandprodukts (sowohl pro Kopf als auch absolut) zurückgeht.

Globale Entwicklungstendenzen bis zum Jahr 2050

Die identifizierten statistischen Zusammenhänge zwischen den Altersgruppen und den ökonomischen Indikatoren können in einem zweiten Schritt genutzt werden, um in Verbindung mit der Bevölkerungsprognose eine Abschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung in den 19 Volkswirtschaften zu berechnen. Die Resultate dieser Projektionen werden im Folgenden präsentiert.

Die für die Projektion der Wirtschaftsdaten notwendigen demographischen Entwicklungen bis zum Jahr 2050 lassen sich in den 19 betrachteten Volkswirtschaften wie folgt skizzieren. Zum einen zeichnen sich alle Länder durch einen Rückgang des Anteils der Kinder (0 bis 14 Jahre) sowie durch einen Anstieg des Anteils der Rentnergenerationen im Alter von 65 und älter aus. In einigen Ländern wächst der Anteil der Personen im Alter von 75 Jahren und älter auf bis zu 20% an. Zum anderen bilden die geburtenstärksten Jahrgänge, also die so genannten „Baby-Boomer“, in allen Ländern außer Indien zwischen 1990 und 2010 die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen. In Indien werden die Baby-Boomer erst um 2030 das Alter zwischen 30 und 49 erreichen. 15 Jahre später bilden die Baby-Boomer dann jeweils die Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen, um nochmals 15 Jahre später zur Gruppe der Rentner und Pensionäre zu werden. Die Abfolge der relativen Stärke der Altersgruppen ist wegen der gefundenen statistischen Zusammenhänge zwischen den Altersgruppen und den ökonomischen Indikatoren wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung. Ein großer Anteil der Personen im Alter zwischen 30 und 49 Jahren hat einen besonders positiven Effekt auf die Produktion, Ersparnisbildung und Investitionstätigkeit einer Gesellschaft. Deshalb bewirkt ein hoher Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung statistisch gesehen hohe Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts. Ein großer Anteil der Rentnergeneration im Alter von 75 Jahren und mehr hat hingegen besonders negative Konsequenzen für die Produktion, Ersparnisbildung sowie Investitionstätigkeit, und damit auch negative Auswirkungen auf das reale Wirtschaftswachstum.

Die Modellrechnungen kommen angesichts dieser demographischen Entwicklung und der mit den internationalen Daten berechneten statistischen Zusammenhänge zu Ergebnissen, die sich wie folgt skizzieren lassen (für drei ausgewählte Länder sind die Entwicklungen in Abbildung 2 dargestellt): Mit Ausnahme von Indien wird für die nächsten drei bis vier Jahrzehnte in allen Volkswirtschaften ein Rückgang der langfristigen Rate des realen Wirtschaftswachstums vorausberechnet,13 weil der Anteil der für das Wirtschaftswachstum besonders wichtigen Altersgruppen von 30 bis 64 Jahren zurückgeht. Die Abschwächung des Wirtschaftswachstums ist besonders stark in Japan, Italien, Deutschland, Spanien und Portugal. Für mehr als die Hälfte der betrachteten Volkswirtschaften – darunter auch Deutschland – berechnet das Modell sogar negative Wachstumsraten für das reale Bruttoinlandsprodukt. Für alle Volkswirtschaften außer Indien werden den Berechnungen zufolge die Anteile der Ersparnisse und der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt zurückgehen. Der Grund hierfür ist der starke Zuwachs der Personen im Alter von 75 Jahren und älter, weil diese Altersgruppe einen besonders negativen Einfluss auf die Bildung von Ersparnissen und auf die Investitionstätigkeit hat. Faktisch bedeutet dies, dass zukünftig ein größerer Anteil des Bruttoinlandsprodukts für den Konsum verwendet wird, sodass weniger Investitionen möglich sind.

Abbildung 2
Demographieabhängige Entwicklung zentraler makroökonomischer Größen in ausgewählten Ländern
(in %)
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Quelle: Eigene Berechnungen.

Der demographisch bedingte Inflationsdruck ist in fast allen Ländern gegenwärtig noch gering, weil die Altersgruppen im erwerbstätigen Alter (30 bis 64 Jahre) einen preissenkenden Effekt aufweisen. Mit Erreichen des Rentenalters nimmt der Inflationsdruck dann aber zu. Für Länder mit einem relativ frühen Baby-Boom (z.B. Finnland und Schweden) wird daher schon jetzt ein demographisch bedingter Anstieg der Inflationsrate errechnet, während Länder mit einem späten Baby-Boom (z.B. Spanien, Portugal und Italien) noch bis 2025 oder sogar 2030 mit einer Phase der Preisniveaustabilität rechnen können und erst danach mit steigenden Inflationsraten konfrontiert werden. Auch hier bildet Indien wiederum eine Ausnahme. Dort sinkt die Inflationsrate demographisch bedingt über den gesamten betrachteten Zeitraum und wird ab etwa 2020 sogar negativ (Deflation). Die Entwicklung des Leistungsbilanzsaldos stellt grob das Spiegelbild der Inflationsentwicklung dar. Die Personen, die einen besonders großen inflationssteigernden Einfluss haben (65- bis 74-Jährige), verschlechtern den Leistungsbilanzsaldo, weil sie mehr konsumieren als produzieren. Außerdem wirkt sich eine hohe Inflationsrate negativ auf die Exportchancen eines Landes aus. Für Länder mit einer hohen bzw. steigenden Inflationsrate berechnet das Modell daher eine Passivierung der Leistungsbilanz.

Entwicklungstendenzen in Deutschland bis 2050

Die demographisch bedingte Wirtschaftsentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2050 lässt sich noch etwas detaillierter skizzieren. Ausgangspunkt ist dabei die demographische Entwicklung bis entsprechend 2050, die in Abbildung 3 dargestellt wird.

Abbildung 3
Anteil verschiedener Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland

(in %)

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Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten der 11. Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes.

Die treibende Altersgruppe für einen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse ist den Korrelationsrechnungen folgend die Gruppe der 30- bis 49-Jährigen, gefolgt von der Gruppe der 50- bis 64-Jährigen. Der Anteil der letztgenannten Gruppe steigt noch bis etwa 2020, während der Anteil der 30- bis 49-Jährigen bis dahin zurückgeht. In der Summe bleibt der Anteil der 30- bis 64-Jährigen in etwa konstant. Dennoch verringert sich die Sparquote, weil der Anteil der 30- bis 49-Jährigen kontinuierlich sinkt. Um 2020 herum schwächt sich der Rückgang der Sparquote etwas ab, aber schon ab etwa 2025 beschleunigt sich dieser Rückgang wieder. Kurz nach 2030 ist den Modellrechnungen zufolge sogar mit einer negativen Sparquote in Deutschland zu rechnen. Dies bedeutet, dass Deutschland dann gesamtwirtschaftlich betrachtet in eine Phase des Entsparens kommt, d.h. es werden mehr Güter für den Konsum und für Investitionen verbraucht als hergestellt werden.

Die Investitionen folgen der Entwicklung der Sparquote mit einer leichten zeitlichen Verzögerung. Die Investitionsquote sinkt ebenfalls bis etwa 2020 und verharrt dann einige Jahre auf einem mehr oder weniger konstanten Niveau. Eine sinkende Investitionsquote bedeutet, dass die Gesellschaft als Ganzes weniger Ressourcen für die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität verwendet. Ab 2025 sinkt die Investitionsquote wieder und wird ab etwa 2035 sogar negativ. Dies bedeutet, dass der gesamtwirtschaftliche Kapitalstock in Deutschland ab diesem Zeitpunkt demographisch bedingt schrumpft.

Für den materiellen Wohlstand entscheidend ist schließlich die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts. Da sich die Gruppe der 30- bis 49-Jährigen besonders positiv auf das reale Wachstum auswirkt, ist mit dem Rückgang dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung auch ein Rückgang der Wachstumsrate verbunden. Bis etwa 2020 bleibt die Wachstumsrate aber noch positiv. Danach überwiegen jedoch die wachstumsdämpfenden Effekte der Rentnergenerationen, sodass das reale Bruttoinlandsprodukt schrumpft. Spätestens 2025 kommt es – den Modellrechnungen zufolge – zu einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts.

Grenzen des Modells

Die entscheidende Modellgröße der hier präsentierten Ergebnisse bilden die Korrelationskoeffizienten. Bei der Berechnung eines Korrelationskoeffizienten handelt es sich zwar um ein mathematisch exaktes Verfahren, jedoch ist das Ergebnis aufgrund der Schwankungen der Messwerte mit Risiken behaftet. Man spricht daher auch vom Korrelationskoeffizient als einer geschätzten Größe (Schätzer). Die Ergebnisse von Regressions- oder Korrelationsanalysen sind folglich stets mit Unsicherheiten bezüglich der Aussagekraft der Schätzergebnisse verbunden. Hinzu kommt das schon erwähnte Problem der Multikollinearität.14 Es könnte daher sein, dass die hier berechneten Korrelationen rein zufällige Zusammenhänge abbilden. Gerade bei Zeitreihenanalysen besteht die Gefahr, dass der berechnete Zusammenhang zwischen zwei Größen lediglich eine Scheinkorrelation darstellt, weil beide Größen von einer dritten, nicht beobachteten Variablen, abhängen. Die für die Modellberechnungen verwendeten Daten beziehen sich jedoch auf Zeitreihen von 19 Volkswirtschaften. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Altersgruppen und ökonomischen Größen in den betrachteten Ländern dem gleichen Muster folgen und dennoch zufällig sind, ist relativ gering. Zudem haben die berechneten Korrelationskoeffizienten plausible Vorzeichen. Auch dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die berechneten Korrelationen keine reinen Zufallsergebnisse darstellen.

Ein zweiter Kritikpunkt betrifft die Annahme, dass die statistischen Zusammenhänge zwischen der Altersstruktur und der wirtschaftlichen Entwicklung in allen 19 Volkswirtschaften identisch sind, länderspezifische Aspekte also lediglich durch eine Niveauverschiebung der jeweiligen ökonomischen Größen berücksichtigt werden. Angesichts der Heterogenität der betrachteten Länder – hier ist vor allem an China und Indien im Vergleich zu den restlichen Staaten zu denken – ist dies eine relativ restriktive Modellannahme. In der Langfassung der diesem Beitrag zugrunde liegenden Studie wurden daher für ausgewählte Länder Zeitreihenanalysen durchgeführt. Dabei weisen die Zeitreihen einzelner Länder zum Teil erhebliche strukturelle Brüche auf. Für Deutschland stellen die Wiedervereinigung und die Euro-Einführung derartige Brüche dar, auch die mehrfachen Revisionen bei der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sind in diesem Kontext zu nennen. Diese Strukturbrüche haben zwei Konsequenzen: Für die Vorausberechnung der Wendepunkte der ökonomischen Variablen im Zeitablauf bis 2050 sind die auf den Zeitreihenanalysen basierenden Modellrechnungen gut geeignet. Das Modell kann somit zeigen, in welche Richtung die demographische Entwicklung die ökonomischen Kernindikatoren treibt, d.h. ab wann beispielsweise die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes steigt oder sinkt. Für die Projektion des Niveaus der ökonomischen Variablen – also beispielsweise für die Frage, ob die Wachstumsrate des realen Pro-Kopf-Bruttoinlandsproduktes bei 1, 2 oder 3,5% liegt – sind die auf den Zeitreihenanalysen basierenden Modellrechnungen angesichts der genannten strukturellen Brüche allerdings weniger geeignet.

Bezüglich der Projektionen bis 2050 ist schließlich noch anzumerken, dass die Qualität der Projektionsergebnisse von der Qualität der verwendeten Bevölkerungsvorausberechnungen abhängt.15 Die demographische Entwicklung einer beliebigen Region hängt von drei Komponenten ab: erstens dem Geburtenverhalten bzw. der Fertilität, zweitens der Lebenswartung bzw. der Mortalität und drittens den Wanderungsbewegungen bzw. der Migration. Für alle drei Komponenten gibt es wiederum eine Reihe von Faktoren, die die Entwicklung der Komponenten beeinflussen, sodass Bevölkerungsprognosen mit Unsicherheiten behaftet sind. Bevölkerungsvorausberechnungen haben jedoch gegenüber anderen Projektionen den Vorteil, dass sich zentrale Einflussgrößen wie die Geburtenrate und die Lebenserwartung nur sehr langsam ändern. Dennoch hängt die Qualität der hier berechneten zukünftigen ökonomischen Entwicklung von der Qualität der verwendeten Bevölkerungsprognosen ab. Sollten letztere sich als unzutreffende Beschreibung der zukünftigen demographischen Entwicklung erweisen, so sind auch die mit ihnen berechneten ökonomischen Projektionen eine schlechte Beschreibung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungen.

Fazit und Ausblick

Ziel der hier kurz vorgestellten Studie war es herauszufinden, ob es belastbare statistische Zusammenhänge zwischen dem Alter (gemessen durch den Anteil einzelner Altersgruppen an der gesamten Bevölkerung) und verschiedenen ökonomischen Kernindikatoren gibt. Die Ergebnisse der Korrelationsanalysen deuten darauf hin, dass diese Zusammenhänge bestehen. Wenn die berechneten Zusammenhänge anschließend mit den Bevölkerungsprognosen bis zum Jahr 2050 kombiniert werden, lassen sich damit Vorausberechnungen für die ökonomischen Kernindikatoren bis zum Jahr 2050 erstellen.

Die Projektionen zur zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland wirken auf den ersten Blick bedrohlich, zumindest, wenn die Zeit ab 2020 betrachtet wird. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die präsentierten Resultate keine Voraussagen in dem Sinne sind, dass sie beschreiben, wie die Zukunft unweigerlich aussehen wird. Die Modellergebnisse geben vielmehr an, wie sich die ökonomischen Indikatoren im Zeitablauf entwickeln, wenn alle in die Rechnungen einfließenden Annahmen auch tatsächlichen so eintreffen wie angenommen. Für den hier gewählten Modellansatz bedeutet dies: Die Resultate geben an, wie sich die Wirtschaft bis 2050 entwickelt, wenn die demographische Entwicklung so wie angenommen abläuft und wenn darüber hinaus alle anderen Rahmenbedingungen konstant bleiben. Die skizzierten ökonomischen Entwicklungen verdeutlichen also, was geschieht, wenn die Gesellschaft nicht auf den demographischen Wandel reagiert.

Die Annahme der Konstanthaltung aller Rahmenbedingungen ist offensichtlich keine sehr realistische Annahme. Angesichts der ab 2020 zu erwartenden negativen wirtschaftlichen Entwicklungen ist zu erwarten, dass die Politik Maßnahmen ergreift, um der demographisch bedingten Wirtschaftsschwäche entgegenzuwirken. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Instrumenten, die vor allem auf dem Arbeitsmarkt ansetzen.16 Ein erstes Instrument betrifft die bessere Ausschöpfung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Neben einer Erhöhung der tatsächlichen Jahresarbeitszeit – Stellschrauben hierfür sind u.a. die wöchentliche Arbeitszeit, die Urlaubszeiten und die krankheitsbedingten Ausfallzeiten – ist hier vor allem an die Verringerung des faktischen Erwerbseintrittsalters und die Erhöhung des faktischen Rentenzugangsalters zu denken. Eine zweite Stellschraube besteht aus der Erhöhung der Erwerbsbeteilung. Hierbei ist vor allem an die Personengruppen zu denken, die im internationalen Vergleich eine nur unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung aufweisen. Dies ist in Deutschland bei den Frauen, bei jüngeren und bei älteren Personen der Fall. Eine dritte Stellschraube betrifft die Erhöhung der Produktivität. Erforderlich dafür ist an erster Stelle eine Verstärkung der Investitionen in das Humankapital. Dabei ist das gesamte Bildungssystem zu berücksichtigen. Es gilt jedoch nicht nur die Arbeitsproduktivität, sondern die gesamtwirtschaftliche Produktivität zu erhöhen. Hierzu bieten sich neben den genannten Investitionen in das Humankapital auch eine Erhöhung des Kapitalstocks – also eine vermehrte Ersparnisbildung und Investitionstätigkeit – und eine Intensivierung des technischen Fortschritts an.

Schließlich kann auch eine Bevölkerungszunahme einschließlich der damit verbundenen Erhöhung des Arbeitsangebots eine Maßnahme sein, mit deren Hilfe sich die demographisch bedingten Wachstumseinbußen abmildern lassen. Kurzfristig lässt sich eine Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials nur durch eine Steigerung der Nettozuwanderung aus dem Ausland erreichen. Langfristig kann auch eine Erhöhung der Geburtenzahlen zu einer Steigerung des Arbeitskräfteangebots führen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass steigende Geburtenraten erst mit einer zeitlichen Verzögerung von rund 20 bis 25 Jahren eine Erhöhung des Arbeitsangebots zur Folge haben.

Alles in allem beinhalten die vorgestellten Modellrechnungen für Deutschland sowohl positive als auch negative Ergebnisse. Die zentrale positive Nachricht lautet, dass Deutschland noch bis etwa 2020 eine relativ gute wirtschaftliche Entwicklung haben könnte, weil die Baby-Boomer bis dahin zu einem großen Teil noch erwerbstätig sind. Anschließend aber überwiegen die wachstumsdämpfenden Effekte der altersbedingt nicht mehr Erwerbstätigen. Deren Einfluss wird dann so stark, dass langfristig sogar negative Wachstumsraten nicht auszuschließen sind. Es gilt daher, das noch bestehende Zeitfenster zu nutzen, um die Zukunftsinvestitionen zu tätigen, die eine Abmilderung der langfristigen ökonomischen Folgen des demographischen Wandels ermöglichen.

  • 1 Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Ageing and the German Economy – Age Structure Effects Based on International Comparisons, Gütersloh 2009, im Erscheinen.
  • 2 2 Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Deutsche Bank Research 2002: Die demografische Herausforderung, Frankfurt am Main 2002, S. 32 f.; M. Distelkamp, B. Meyer, M. I. Wolter: Demographie und Ökonomie: Einfluss der Bevölkerungsstruktur auf die Konsumnachfrage, GWS Discussion Paper 2004/1, Osnabrück, S. 18.
  • 3 J. Matthes, C. Römer: Kapitalmärkte, in: Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.): Perspektive 2050 – Ökonomik des demographischen Wandels, Köln 2004, S. 293-319, hier S. 311.
  • 4 R. Rodepeter: Konsum- und Sparentscheidungen im Lebenszyklus, Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften der Universität Mannheim, Mannheim 1999, S. 2.
  • 5 Ebenda, S. 1.
  • 6 A. Börsch-Supan: Ersparnisbildung in Deutschland: Meßkonzepte und Ergebnisse auf Basis der EVS, Mannheim 1999, S. 18.
  • 7 K. Krey, B. Meier: Innovationsfähigkeit, in: Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), a.a.O., S. 159.
  • 8 OECD: Wahrung des Wohlstands in einer alternden Gesellschaft, Paris 1999, S. 96.
  • 9 J. Pack u.a.: Zukunftsreport demographischer Wandel – Innovationsfähigkeit in einer alternden Gesellschaft, Bonn 2000, S. 26-28.
  • 10 Vgl. z.B. T. Lindh, B. Malmberg: Age structure effects and growth in the OECD, 1950-1990, in: Journal of Population Economics, 12. Jg. (1999), S. 431-449; B. Malmberg, T. Lindh: Swedish post-war economic development – The role of age structure in a welfare state, Working Paper Nr. 4 des Institute for Future Studies, Stockholm 2003; T. Lindh, B. Malmberg: Effects of age structure on investment, saving and trade, in: R. Clark, N. Ogawa, A. Mason (Hrsg.): Population aging, intergenerational transfers and the macroeconomy, Cheltenham u.a. 2007, S. 163-191.
  • 11 Vgl. zu den methodischen Details B. Malmberg, T. Lindh: Swedish post-war economic development, a.a.O.; B. Malmberg, T. Lindh: Demographically based global income forecasts up to the year 2050, Working Paper Nr. 7 des Institute for Future Studies, Stockholm 2004.
  • 12 Dabei sei nochmals darauf hingewiesen, dass Korrelationen nichts über Kausalitäten aussagen und Begriffe wie Effekte, Einfluss und Auswirkung hier lediglich im Sinne einer ökonomischen Plausibilität zu verstehen sind. Wenn also in den nachfolgenden Ausführungen von „Effekten“ und „Wirkungen“ gesprochen wird, so sind diese stets als statistische Zusammenhänge zu verstehen, aber nicht als strenge Kausalitäten. Dennoch wird hier von Effekten gesprochen, um damit auch eine mögliche Erklärung für die gefundenen Korrelationen zu liefern.
  • 13 Sich entwickelnde Volkswirtschaften zeichnen sich in der Regel durch größere Wachstumsraten als entwickelte Industrienationen aus. Bei den hier vorgestellten Projektionen zum Wirtschaftswachstum wird dieser Umstand wie folgt berücksichtigt: Bei der Berechnung der Korrelationen zwischen den Altersgruppen und der Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts wurden die einzelnen Beobachtungen mit dem gegenwärtigen Niveau des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf gewichtet. Dies bedeutet, dass den Beobachtungen, die in einer frühen Phase der wirtschaftlichen Entwicklung gemacht wurden und weniger mit der demographischen Entwicklung zu tun haben als mit dem geringen Ausgangsniveau, ein geringeres Gewicht zugeordnet wird.
  • 14 Vgl. W. Assenmacher: Einführung in die Ökonometrie, 6. Aufl., München und Wien 2002, S. 126 ff.
  • 15 Vgl. dazu ausführlicher J. W. Vaupel, S. Schnabel, K. von Kistowski, J. Gampe: Möglichkeiten und Grenzen demographischer Prognosen, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Demographiemonitor, Bd. 2: Handlungsoptionen im demographischen Wandel, Gütersloh 2006, S. 35-59.
  • 16 Vgl. T. Petersen: Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt, in: Das Wirtschaftsstudium, 36. Jg. (2007), S. 1055-1061.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1023-7

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