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Die Geburt von Kindern geht bei Frauen in Deutschland in der Regel mit einer zumindest zeitweise eingeschränkten Berufstätigkeit einher. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren 2008 hierzulande nur rund sechs von zehn Frauen mit minderjährigen Kindern unter 15 Jahren erwerbstätig, dagegen neun von zehn Männern. Mit zunehmendem Alter des Kindes steigt die Erwerbsbeteiligung der Mütter. Allerdings arbeiteten fast drei Viertel (73%) von ihnen im Jahr 2008 auf Teilzeitbasis; auch mit jüngstem Kind zwischen 10 und 14 Jahren waren es noch immer mehr als zwei Drittel (70%).1 Es liegt auf der Hand, dass durch die Familienpause Lohnverluste entstehen. Doch: Wie hoch sind diese Verluste tatsächlich? Und von welchen Faktoren hängt ihr Umfang ab? Lassen sich Zusammenhänge zum Arbeitsangebots- und Geburtenverhalten von Frauen erkennen, und welche familienpolitischen Implikationen ergeben sich hieraus?

Die Einbußen lassen sich quantifizieren, indem die Lohn­entwicklung einer ausreichenden Zahl von Personen mit der beruflichen und familiären Entwicklung derselben Personen verknüpft und auf ökonomisch plausible und zugleich statistisch signifikante Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge hin überprüft wird. Diese Analyse wurde auf Basis eines Paneldatensatzes durchgeführt, der anhand der Rohdaten der Wellen 1984-2005 des Deutschen Sozio-ökonomischen Panels (GSOEP) gebildet wurde. Der Datensatz enthält erwerbsbiografische Informationen und Lohndaten von 1038 westdeutschen Frauen im Alter von 16 bis 55 Jahren. Dabei wurden unterschiedliche Spezifikationen des ökonometrischen Modells unter Berücksichtigung von Selektionsverzerrungen und unbeobachteten Individualeffekten geschätzt. Hinsichtlich der erwerbsbiografischen Informationen kamen fünf Variablensets unterschiedlicher Gliederungstiefe zur Anwendung.2

Die Ergebnisse zeigen, dass Erwerbserfahrung in Vollzeit eine höhere Lohnprämie als Teilzeiterfahrung erzielt, insbesondere, wenn es sich um unterbrechungsfreie Vollzeit handelt. In Teilzeitphasen wird das bestehende Humankapital zwar gehalten, aber nicht ausgebaut; die Lohnzuwächse sind nahezu Null. Erwerbsunterbrechungen führen zu deutlichen Lohnabschlägen zum Zeitpunkt des Wiedereinstiegs – erst recht, wenn sie im Erstgeburtszusammenhang erfolgen und die Kinder bei der Berufsrückkehr der Mutter noch klein sind.3 Dies deutet darauf hin, dass neben Humankapitaleffekten auch Produktivitätssignale lohnbestimmend sein könnten, da Mütter mit kleinen Kindern aus Arbeitgebersicht als weniger zuverlässig, belastbar und motiviert gelten könnten.

Auf Basis der geschätzten Regressionskoeffizienten können idealtypische Lohnverläufe für drei Musterfrauen niedriger, mittlerer und hoher Bildung simuliert werden.4 Die Lohnverluste lassen sich dabei als Lohnlücke zu einer Referenzfrau gleicher Bildung, die eine durchgängige Vollzeiterwerbskarriere verfolgt, konzipieren. Sie wurden zum einen auf Stundenlohnebene und zum anderen als insgesamt verlorene Lohnsumme bis zum 46. Lebensjahr der Frau berechnet.5

Es zeigt sich, dass die Höhe der Verluste wesentlich von den drei Faktoren Zeitpunkt, Art und Dauer der Unterbrechung bestimmt wird. Auf Stundenlohnebene wird deutlich, dass die Frauen der drei Bildungstypen nicht nur unterschiedlich erfolgreich darin sind, ihren eigenen früheren Lohnsatz wiederzuerlangen; darüber hinaus sind sie es auch in ihren Anstrengungen, zur Lohnentwicklung der Referenzfrau aufzuschließen. Für Frauen niedriger und mittlerer Bildung ist der Entwertungseffekt des Humankapitals während der Familienpause für das Gros der erlittenen Lohnverluste verantwortlich. Bei Akademikerinnen hingegen sorgen vor allem die entgangenen Erträge nicht getätigter Nettoinvestitionen in Humankapital für massive Lohnverluste: Findet die Babypause in den ersten Jahren nach Erwerbseinstieg statt, führen die in dieser Phase am Markt erzielbaren hohen Lohnwachstumsraten der Akademikerinnen zu massiven Opportunitätskosten. Für alle drei Bildungstypen gilt: Trotz merklicher Aufholeffekte insbesondere in der nachgeburtlichen Vollzeitphase wird der Bruttostundenlohn der Referenzfrau bis zum 46. Lebensjahr nicht wieder erreicht.

Die Abbildung offenbart – beispielhaft für andere Bildungstypen und Unterbrechungszeitpunkte – die insgesamt verlorene Lohnsumme einer Frau mittleren Bildungsgrades im Alter von 45 Jahren, wenn die Erstgeburt im Alter von 30 Jahren stattfand.6

Bruttolohnverluste1 bis zum 46. Lebensjahr nach Art und Dauer der Erwerbsunterbrechung

1 Als Lohndifferenz zu einer ununterbrochenen vollzeitbeschäftigten Referenzfrau gleicher Bildung (mittlere Bildung mit Erstgeburt im Alter von 30 Jahren).

Quelle: SOEP 1984-2005, Berechnungen HWWI; Darstellung angelehnt an C. Boll: Einkommenseffekte von Erwerbsunterbrechungen – mit besonderer Berücksichtigung möglicher Elterngeldeinflüsse auf das Unterbrechungsmuster, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, HWWI Policy Paper, Hamburg 2009, S. 18.

Wie aus der Abbildung hervorgeht, entstehen bei einer sechsjährigen Unterbrechung der Vollzeittätigkeit Bruttolohnverluste in Höhe von annähernd 194 000 Euro. Die Einbußen sinken mit abnehmender Dauer der Unterbrechung, insbesondere der Auszeitphase: Rund ein Drittel (33%) der Verluste der dargestellten sechsjährigen Familienpause lässt sich vermeiden, wenn die Mutter insgesamt nur drei Jahre lang ihrer Vollzeittätigkeit fern bleibt und davon nur ein Jahr ganz aussetzt. Von diesen Verlusten wiederum kann mehr als ein weiteres Drittel (37%) vermieden werden, wenn die dreijährige Pause ganz ohne Auszeit auskommt, mithin nur aus einer dreijährigen Teilzeitphase besteht.

In der öffentlichen Wahrnehmung am weitesten unterschätzt wird möglicherweise die Dimension der Folgekosten: Die Lohneinbußen gegenüber der Referenzfrau, die auch nach Rückkehr der Mutter in ihren Vollzeitjob noch entstehen, erreichen in den hier dargestellten Simulationen allein bis zum 46. Lebensjahr eine Größenordnung von bis zu 77 000 Euro.

Dabei nehmen die Folgekosten mit zunehmender Aufschiebung der Erstgeburt ab, und dies nicht nur wegen des näher rückenden Endes des Simulationshorizontes: Da sich die Referenzfrau in ihrer fortgeschrittenen Erwerbstätigkeit bereits in einer Phase geringer Lohnwachstumsraten befindet, sind die Aufholeffekte der Unterbrechungsfrau stärker, mithin die Verluste geringer. Dieser Effekt wiegt bei Akademikerinnen hinreichend schwer, um eine Aufschiebung der Geburt bis an den Rand des Fruchtbarkeitsfensters als ökonomisch rational erscheinen zu lassen, da diese Strategie die Gesamtverluste minimiert. Damit liefern die empirischen Befunde einen Beleg für das Phänomen später Elternschaft insbesondere unter westdeutschen Akademikerinnen.

In der öffentlichen Diskussion wird oftmals eher der Einkommenseffekt der Kindernachfrage für späte Geburten verantwortlich gemacht: In Zeiten, in denen der Berufseinstieg durch eine längere Ausbildungsdauer auch von Frauen immer später erfolgt, wird auch das für eine Familiengründung als ausreichend angesehene Einkommen erst in höherem Lebensalter erreicht. Die Berechnungen zeigen jedoch, dass die Geburtenaufschiebung auch unter dem Aspekt der Opportunitätskosten durchaus rational sein kann. Mehr noch: Der Aufschiebungsanreiz wird durch das Elterngeld tendenziell weiter verstärkt. Denn die Anbindung der Lohnersatzleistung an das letzte Nettoeinkommen führt dazu, dass die Höhe des Elterngeldes mit steigendem Erstgeburtsalter zunimmt, was den absoluten Anstieg der unmittelbaren Lohneinbußen abmildert. Im Zusammenwirken mit den ohnehin aufschiebend wirkenden Folgekosten wird der optimale Geburtszeitpunkt eher noch später erreicht.

Doch nicht nur für die Frage des optimalen Timings der Geburt sind die Lohneinbußen von Relevanz. Als implizite Kinderkosten betrachtet, die neben Kosten für Kleidung, Ernährung, Bildung etc. anfallen, mag dieser Schattenpreis auch für die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen ein Kind eine Rolle spielen. Die Zahl der Ehescheidungen pro 1000 Einwohner ist in Deutschland zwischen 1992 und 2008 von 1,7 auf 2,3 gestiegen.7 Im Kontext instabiler Eheverträge lassen sich die beschriebenen Lohnverluste als einseitiges Spezialisierungsrisiko von Frauen auf Hausarbeit und Kinderbetreuung abbilden, wenn eine Erwerbsunterbrechung im Zusammenhang mit der Geburt nicht vermieden werden kann. Denn die Vernachlässigung des weiblichen marktnahen Humankapitals ist nur dann risikolos, wenn die von der Frau während der Zeit, in der die Kinder klein sind, erbrachte Vorleistung durch eine seitens ihres Partners in späteren Jahren erbrachte Unterhaltsleistung erwidert wird. Wird ein Scheitern der Beziehung aber als ausreichend wahrscheinlich angesehen, sind Frauen nicht bereit, dieses einseitige Risiko einzugehen und entscheiden sich, zumal wenn sie gut ausgebildet sind, für die Karriere und gegen das Kind.

Ist das Kind bereits geboren, verdeutlicht die Dimension der drohenden Lohnausfälle, warum Mütter auch dann, wenn sich eine Erwerbstätigkeit in der kurzfristigen Netto-Haushaltseinkommens-Rechnung kaum lohnt, vermehrt einer bezahlten Tätigkeit nachgehen: Der damit bewerkstelligte Erhalt des individuellen marktnahen Humankapitals stärkt ihren „Drohpunkt“, mithin ihre finanzielle Situation außerhalb der Ehe. Damit verbessert sich zugleich auch ihre innereheliche Verhandlungsposition, von der wiederum die Verteilung der gemeinsam erwirtschafteten Güter unter den Partnern abhängt.

Freilich entstehen die berechneten Einkommensverluste nur in solchen Regionen, in denen die berufliche Auszeit nicht vermieden werden kann, weil Familie und Beruf nicht ausreichend miteinander vereinbar sind. Dies ist noch immer stärker in den alten als in den neuen Bundesländern der Fall. So betrug die Betreuungsquote von Kindern unter drei Jahren in den ostdeutschen Bundesländern im Jahr 2008 mit 46% mehr als das Dreifache der westdeutschen Quote (15%).8 Analog hierzu kehren Mütter im Osten Deutschlands nicht nur früher, sondern auch mit einer höheren Wochenarbeitszeit in den Job zurück. Außerdem ist das Phänomen der Kinderlosigkeit nur in Westdeutschland positiv mit dem Bildungsniveau korreliert.9

Welche familienpolitischen Implikationen ergeben sich aus den empirischen Befunden? Selbst das simulierte Muster der sechsjährigen Unterbrechung mit anschließender Rückkehr in die Vollzeittätigkeit muss für westdeutsche Verhältnisse noch als ambitioniert gelten: Hier fehlt es noch immer an einer flächendeckenden Betreuung insbesondere für Kinder im Krippen- und im Schulkindalter, auch am Nachmittag und in Ferienzeiten. Die Forderung, Mengenrationierungen auf dem Betreuungsmarkt abzuschaffen, ist allerdings keinesfalls mit jener nach der Abschaffung von KiTa-Gebühren gleichzusetzen. Frauen, die auskömmliche Markteinkommen erzielen, sind auch in der Lage, für eine in Anspruch genommene Betreuungsdienstleistung zu zahlen. Betreuungsgebühren abzuschaffen hieße im aktuellen politischen Ordnungsrahmen, ein knappes Gut – pädagogisch wertvolle Erziehungsarbeit – künstlich zu verbilligen und damit Fehlallokationen von Ressourcen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite der Dienstleistung Vorschub zu leisten. Solange vorschulische institutionelle Kinderbetreuung in Deutschland – jenseits eines staatlichen Bildungsauftrages – als Konsumgut aufgefasst wird, gibt es kein ökonomisch überzeugendes Argument für die Abschaffung von KiTa-Gebühren.

Vielmehr gilt es, das vorhandene Fachkräftepotenzial unter den Eltern ausreichend auszuschöpfen, um höhere Familieneinkommen zu generieren. Es sind Arbeitszeitmodelle gefragt, die auch die Ausübung anspruchsvoller Tätigkeiten mit Familienaufgaben vereinbar machen. Denn auch immer mehr Männer möchten nicht nur Geld, sondern auch Zeit in ihre Familie einbringen. Die derzeit diskutierten Modelle vollzeitnaher Teilzeit bieten hier vielfache Chancen: Sie ermöglichen Männern Familienzeit, ohne beruflichen Abstieg und drastische Verdiensteinbrüche. Flankiert durch ein qualitativ und quantitativ überzeugendes Betreuungsangebot, bieten sie zugleich Frauen die Chance auf eine ausbildungsadäquate Beschäftigung, auch nach der Familienpause. Das verbesserte Job-Matching würde nicht nur bereits in der kurzen Frist positiv auf die Familieneinkommen wirken. Mittelfristig ließe sich auch die Altersarmut von Frauen reduzieren, und – dies legen die hier referierten Ergebnisse zumindest nahe – auch die Geburtenrate würde von den gesunkenen impliziten Kinderkosten profitieren.

  • 1 Vgl. Statistisches Bundesamt: Alles beim Alten: Mütter stellen Erwerbstätigkeit hinten an, in: STATmagazin vom 4.3.2010.
  • 2 Die Analyse wurde im Rahmen eines Dissertationsprojektes an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel durchgeführt und ist im Erscheinen. Einen Überblick über zentrale Ergebnisse liefern die HWWI-Publikationen http://www.hwwi.org/Familienoekonomie.5765.0.html.
  • 3 Testsimulationen zeigen, dass die Außerachtlassung von Effekten verminderter Beschäftigungswahrscheinlichkeiten und eines veränderten Job-Matchings nach Wiedereinstieg ebenso wie arbeitsplatzspezifischer (beispielsweise berufsbezogener) Lohnstrafen tendenziell zu einer Unterzeichnung der Lohnverluste von Frauen am oberen und unteren Rand des Bildungsspektrums führt. Hinzu kommt, dass die auf Basis des Modells mit zufälligen Effekten berechneten Verluste sich insgesamt auf einem niedrigeren Niveau als jene auf Basis des Modells mit festen Effekten berechneten bewegen, sodass auch von dieser Seite her die im Folgenden ausgewiesenen Verluste als konservative Schätzung aufgefasst werden müssen. Demgegenüber erwies sich die Struktur der Verluste als robust gegenüber Änderungen der Modellspezifikation, sodass die hier dargelegten Kernaussagen zu Lohnprämien und Lohnstrafen einzelner erwerbsbiografischer Entscheidungen von der Modellspezifikation unberührt bleiben.
  • 4 Diese Festlegung war notwendig, um die Anbindung der extrapolierten Lohneffekte an die Datenbasis sicherzustellen.
  • 5 Dabei wurden die Stundenlohnverluste auf die Jahresebene hochgerechnet und aggregiert.
  • 6 Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung, Nr. 251 vom 8.7.2009.
  • 7 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Familienreport 2010, S. 27.
  • 8 Statistisches Bundesamt: Kinderlosigkeit nimmt zu, Pressemitteilung vom 29.7.2009, Berlin/Wiesbaden.
  • 9 Dies gilt im Vergleich zu Auszeiten, denen der Geburtszusammenhang fehlt; siehe hierzu im Detail C. Boll: Lohneinbußen durch geburtsbedingte Erwerbsunterbrechungen – fertilitätstheoretische Einordnung, Quantifizierung auf Basis von SOEP-Daten und familienpolitische Implikationen, HWWI Research Paper, Hamburg 2009.


DOI: 10.1007/s10273-010-1138-x