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Die Höhe der Managervergütungen widerspricht seit Jahren dem Gerechtigkeitsempfinden großer Teile der Bevölkerung. Insbesondere die Koinzidenz von Millionengehältern und üppigen Bonuszahlungen einerseits, staatlichen Hilfen für Banken, Lohnkürzungen, Kurzarbeit und Stellenabbau andererseits erregt die Gemüter. Die Politik zeigt sich fest entschlossen, den als unangemessen hoch angesehenen Vergütungen einen Riegel vorzuschieben. Wie dieser Riegel ausgestaltet und wo er angesetzt werden sollte, wird nachfolgend diskutiert.

Das Aktiengesetz schreibt vor, dass Vorstände angemessen zu entlohnen sind. Dennoch empfindet der weitaus größte Teil der Bevölkerung die Managervergütung nicht als angemessen. Das zeigen Umfragen seit Jahren.1 Für Aufsichtsräte und Unternehmenseigner ist offensichtlich eine höhere Vergütung angemessener als für den ungleichheitsaverseren Durchschnittsbürger. Bevor nun diskutiert wird, ob und wie sich die Auffassungen einer angemessenen Entlohnung wieder annähern können, ist es hilfreich, einen Überblick über die zahlreichen gesetzlichen und außergesetzlichen, bereits umgesetzten und geplanten Initiativen zur Regulierung der Managervergütung zu bekommen. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal dieser Initiativen ist der Adressatenkreis. Aktuell stehen im Zuge der Bankenkrise Initiativen im Fokus, die sich der variablen Vergütung von Managern in Finanzinstituten annehmen. Einen hinsichtlich der betroffenen Hierarchieebene engeren, hinsichtlich der einbezogenen Branchen weiteren Adressatenkreis haben Initiativen, die sich auf die Vergütung von Vorständen in börsennotierten Gesellschaften beziehen. Zu letztgenannter Gruppe zählen die Änderungen im Aktiengesetz mit dem Gesetz zur Offenlegung der Vorstandsgehälter (VorstOG aus dem Jahr 2005) und dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütungen (VorstAG aus dem Jahr 2009). Das VorstOG verpflichtet börsennotierte Aktiengesellschaften zur individuellen Offenlegung der Vorstandsvergütungen, es sei denn die Hauptversammlung verhindert dies mit einer Dreiviertelmehrheit. Das VorstAG sieht einen ganzen Katalog an Maßnahmen vor. Zu den wichtigsten Neuerungen zählen die Einführung eines verbindlichen Selbstbehalts bei der Managerhaftpflichtversicherung und die Einführung einer zweijährigen Karenzzeit für den Wechsel bisheriger Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat. Die Hauptversammlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft erhält mit dem VorstAG offiziell das Recht, über das System der Vorstandsvergütung beraten und – rechtlich nicht bindende – Beschlüsse fassen zu können.2

Viele der Maßnahmen des VorstAG wurden zuvor bereits vom Deutschen Corporate Governance Kodex aufgegriffen. Mit diesem Kodex hat sich die Wirtschaft verpflichtet, Regeln zur „guten“ Unternehmensführung und -kontrolle zu generieren. Der Kodex enthält derzeit etwa 70 Empfehlungen und Anregungen für die Leitung und Überwachung von Unternehmen. Er hat keinen Gesetzescharakter. Börsennotierte Unternehmen sind aber verpflichtet, sich bezüglich der Einhaltung der Kodex-Empfehlungen zu äußern und die Nichteinhaltung von einzelnen Empfehlungen zu begründen.

Speziell mit Blick auf den Finanzmarkt verschärfte die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) 2009 zweimal die Anforderungen an die Vergütungssysteme.3 Die BaFin will künftig kontrollieren, ob variable Vergütungen auch mögliche negative Entwicklungen berücksichtigen und keine Anreize zu unverhältnismäßig hohen Risiken setzen. Die BaFin nimmt damit einige der auf EU-Ebene geplanten Änderungen an der so genannten Eigenkapitalrichtlinie vorweg. Mit der Änderung der Eigenkapitalrichtlinie werden wiederum Vorgaben der G20-Staats- und Regierungschefs umgesetzt. Das von den G20 eingerichtete Financial Stability Board (FSB) sieht unter anderem vor, variable Vergütungsbestandteile an den langfristigen Erfolg des Unternehmens und der Geschäftseinheit zu koppeln. Boni sollen verzögert, bevorzugt in Aktien und nicht mehrjährig garantiert ausgezahlt werden. Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen zusätzliche Kompetenzen bekommen, um Regelmissachtungen effektiv sanktionieren zu können. Diese bereits umgesetzten Maßnahmen werden ergänzt durch meist länderspezifische Diskussionen wie die in Großbritannien geplante Sondersteuer auf Bonuszahlungen für Banker.

Um die zahlreichen bereits umgesetzten, geplanten und diskutierten Maßnahmen strukturiert bewerten zu können, ist eine Unterscheidung nach der Eingriffsebene hilfreich.

Eingriffe in die private Vertragsgestaltung auf der Handlungsebene

Eine Kategorie von Maßnahmen umfasst diskretionäre Eingriffe in die Handlungsebene der privaten Vertragsgestaltung. Typische Eingriffe dieser Art sind absolute und starre Vergütungsobergrenzen aber auch relative Vorgaben etwa in Form eines festen Verhältnisses von variablen und fixen Vergütungsbestandteilen. Eingriffe in die Handlungsebene stellen auch die Vorgaben des VorstAG dar, nach denen variable Vergütungsbestandteile auf einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage basieren und Aktienoptionen mit einer mindestens vierjährigen Haltefrist verknüpft werden müssen.

Maßnahmen auf der Handlungsebene tragen dem großen öffentlichen Bedürfnis nach klaren Begrenzungen Rechnung. Klare Vorgaben lassen zudem weniger Spielraum für unterschiedliche Interpretationen, was insbesondere die wettbewerbsneutrale Umsetzung von internationalen Vorgaben (etwa auf G20-Ebene) erleichtert. Die Nachteile diskretionärer Eingriffe sind allerdings schwerwiegend: Pauschale, starre Vorgaben können die besondere Situation in einzelnen Ländern, Branchen, Unternehmen und bei der individuellen Vertragsgestaltung nicht reflektieren. Der Gesetzgeber ist nicht in der Lage, komplexe anreizoptimale Verträge zu gestalten und den angemessenen Wert von Managementdienstleistungen zu bestimmen. Nimmt der Gesetzgeber sich dennoch das Recht heraus, in die unternehmerische Freiheit bei der Bestimmung der Managergehälter direkt einzugreifen, so ist dies ein massiver Eingriff in die für ein marktwirtschaftliches System und eine freie Gesellschaft grundlegende Vertragsfreiheit.

Änderungen der Anreizstrukturen auf der Regelebene

Eine zweite Kategorie von Maßnahmen verzichtet auf direkte Eingriffe in die private Vertragsgestaltung und konzentriert sich auf Anpassungen der Rahmenbedingungen, um insbesondere Probleme der Unternehmenskontrolle zu mindern. Diese haben ihren Ausgangspunkt in der Prinzipal-Agenten-Problematik, nach der die Eigentümer als Prinzipale nur unvollständig sicherstellen können, dass die Manager als Agenten sich so verhalten, als wäre es ihr Unternehmen bzw. ihr Geld, über welches sie verfügen.4 Die Managervergütung ist gleichzeitig ein zentrales Instrument zur Lösung als auch selbst ein Teil des Prinzipal-Agenten-Problems. Zur Lösung des Problems muss die Vergütung konsequent Verhalten belohnen, das im Interesse der Eigentümer liegt, und im gleichen negativen Maße widerspiegeln, wenn ein Verhalten den Interessen der Eigentümer zuwiderläuft. Wenn sich Manager aber eine Machtposition aufbauen, aus der sie Kontrollmechanismen umgehen und direkten Einfluss auf ihre eigene Vergütung nehmen können, wird die Vergütung selbst Teil des Problems.

Erschwert wird das Prinzipal-Agenten-Problem, da erstens der „Markt“ für Führungskräfte zu wenig transparent und funktionsfähig ist, um zuverlässig die Höhe einer angemessenen Vergütung vorzugeben und es sich zweitens für die meisten (Klein-)Aktionäre nicht lohnt, die Vergütungspolitik im Detail zu verfolgen. Geeignete Maßnahmen auf der Regelebene müssen daher bei den Transparenz- und Kontrollproblemen ansetzen, um eine Vorteilsnahme der Manager zu Lasten der Unternehmenseigner zu vermeiden. So sind Anreize zu setzen, damit die Kontrolle von Vergütungsentscheidungen sowohl in der Hauptversammlung als auch im Aufsichtsrat sorgfältiger wahrgenommen und breiter abgestützt wird. Das VorstAG enthält solche Maßnahmen mit der Einführung einer Karenzzeit für den Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat und der Vorgabe, künftig den gesamten Aufsichtsrat mit der Bestimmung der Vorstandsvergütung zu befassen. Ein ordnungspolitisch positiv zu bewertender Schritt ist auch die Hervorhebung der persönlichen Haftung eines jeden Mitglieds des Aufsichtsrats für das Festsetzen einer unangemessenen Vergütung. Allerdings sollte eine gesetzliche Betonung der Haftung der Aufsichtsräte mit Maßnahmen verbunden werden, die zur Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit beitragen. Dazu gehört, die Größe der Aufsichtsräte und die Zahl gleichzeitig wahrnehmbarer Aufsichtsratsmandate weiter zu beschränken. Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP angekündigt, über die Größe der Aufsichtsräte in Gespräche einzutreten. Zudem will die neue Bundesregierung Hauptversammlungen über die durch das VorstAG geschaffene Möglichkeit eines unverbindlichen Beschlusses hinaus ein Mitspracherecht über die Eckpunkte von Vorstandsvergütungen einräumen.

Kosten der Informationsbeschaffung senken

Es reicht allerdings nicht aus, die Hauptversammlung mit formalen Möglichkeiten zur Einflussnahme auszustatten. Um ihre Kontrollfunktion wahrnehmen zu können, müssen die Aktionäre die individuelle Vorstandsvergütung und die Grundzüge des Vergütungssystems unschwer erkennen und in einen transparenten Managermarkt einordnen können. Dazu bedarf es eines übersichtlichen und verständlichen Vergütungsberichts, der seit dem VorstOG verbindlich die individuelle Vorstandsvergütung enthalten muss. Die gesetzliche Grundlage für eine transparente Vorstandsvergütung ist damit gelegt.5 Die Aktionäre haben es in der Hand, eine übersichtliche Darstellung der zur Beurteilung eines Vergütungssystems notwendigen Informationen einzufordern.

Der Informationsbedarf des Aufsichtsrats geht der Aufgabenteilung entsprechend über den der Hauptversammlung hinaus. Denn die Aufsichtsratsmitglieder stehen in der Verantwortung, Vorstandsmitglieder auszuwählen und Vorstandsverträge im Detail auszuhandeln. Sie müssen daher im Gegensatz zur Hauptversammlung auch über alle Detailinformationen verfügen, die Aufschluss über die Angemessenheit einer Managervergütung geben.6 Zu diesen Informationen gehört die Akzeptanz der Vergütung der eigenen Führungskräfte im Unternehmen und in der Öffentlichkeit.

Akzeptanz der Vergütung berücksichtigen

Die Akzeptanz der Vergütung ist ein wichtiger Gradmesser für die Angemessenheit der Vorstandsvergütung im Sinne des Gesetzgebers, der Gesellschaft und der Unternehmenseigner, da sie Einfluss auf die Außen- und Innendarstellung des Unternehmens hat. Die Innendarstellung ist bedeutsam, da die Belegschaft über Möglichkeiten verfügt, um ihr Unternehmen für empfundene Ungerechtigkeiten zu sanktionieren. Zu diesen Sanktionsmöglichkeiten gehören eine steigende Streikbereitschaft und ein sinkender Arbeitseinsatz. Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Belegschaft von diesen Möglichkeiten regen Gebrauch macht und ein als ungerecht empfundenes Lohngefüge in einer Firma Einfluss auf gewinnrelevante Faktoren wie das Ausmaß an Krankmeldungen7, das Engagement für die Firma8 oder die Kündigungsbereitschaft9 hat. Ein Verzicht des Managements auf einen Teil des Gehalts erhöht Studienergebnissen zufolge die Akzeptanz von Lohnkürzungen und Entlassungen und senkt die Streikbereitschaft von Gewerkschaftsmitgliedern.10

Folgen wahrgenommener Ungerechtigkeit bei der Managerentlohnung: Ergebnisse einer linearen Regression
Abhängige Variablen Unabhängige Variable: GI Managerentlohnung1
  Beta Koeffizient N aufgeklärte Varianz
Steuern ungelernte Arbeiter 0,1321*** 5004 0,045 0,0175
(1 = Steuern zu niedrig ... 3 = Steuern zu hoch) (0,0204)      
Steuern Manager -0,2353*** 5132 0,094 0,0558
(1 = Steuern zu niedrig ... 3 = Steuern zu hoch) (0,0107)      
Zufriedenheit mit eigener Arbeit -0,0364*** 5366 0,022 0,0013
(0 = ganz & gar unzufrieden ... 10 = ganz & gar zufrieden) (0,0355)      
Zufriedenheit mit der Demokratie -0,1273*** 5496 0,042 0,0162
(0 = ganz & gar unzufrieden ... 10 = ganz & gar zufrieden) (0,0419)      
Sonntag bei Bundestagswahl wählen gehen 0,0759*** 5222 0,032 0,0058
(1 = auf jeden Fall wählen ... 5 = auf keinen Fall wählen) (0,0202)      
Sorgen um allgemeine wirtschaftliche Entwicklung -0,0588*** 5505 0,012 0,0035
(1 = große Sorgen ... 3 = keine Sorgen) (0,0100)      

1 GI Managerentlohnung bezeichnet einen Gerechtigkeitsindex, der die wahrgenommene Ungerechtigkeit bei der Managerentlohnung abbildet. Je größer der Gerechtigkeitsindex, desto mehr wird die Managerentlohnung als überhöht wahrgenommen.

Signifikanzniveaus: 10%*, 5%**, 1%***; Standardfehler in Klammern; N = Anzahl der Beobachtungen; R² = Erklärungsgehalt des ganzen Modells; aufgeklärte Varianz durch die abhängige Variable „GI“; Kontrollvariablen: Alter, Geschlecht und monatliches Nettoeinkommen.

Quelle: Langzeitstudie SOEP „Leben in Deutschland – Befragung 2005 zur sozialen Lage der Haushalte“, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin; N. Hesse: Managerentlohnung und die Reformbereitschaft der Bevölkerung. Ein Beitrag zur politischen Ökonomie sozialer Präferenzen, Marburg 2008, S. 152.

Dass Menschen soziale Vergleiche anstellen und die Wahrnehmung einer höheren Entlohnung bei einem Kollegen oder Mitmenschen zu Verhaltensänderungen führt, wurde sowohl in zahlreichen experimentellen Studien als auch von der Hirnforschung bestätigt.11 Experimentelle Studien zeigen zudem, dass nicht nur der vertikale Vergleich mit Kollegen auf der gleichen Hierarchiestufe relevant ist, sondern auch die Bezahlung von Vorgesetzten bzw. leitenden Managern Einfluss etwa auf den eigenen Arbeitseinsatz hat.12 Eine von der Belegschaft als maßlos wahrgenommene Managerentlohnung kann demnach unmittelbar zu einer unternehmerischen Belastung werden.

Bedeutsam ist zudem die Wahrnehmung der Managervergütung von einer in dieser Frage zunehmend sensibilisierten Öffentlichkeit. In Folge von medial ausgiebig thematisierten Gehaltsexzessen nimmt nicht nur die Unternehmensreputation unmittelbaren nachhaltigen Schaden. Auch öffentliche Güter wie die Akzeptanz der Marktwirtschaft, die politische Reformbereitschaft und der soziale Frieden können Schaden nehmen. Dies betrifft in Deutschland ansässige Unternehmen zumindest mittelbar, wenn in Folge einer gesunkenen Akzeptanz von marktwirtschaftlichen Prozessen notwendige Strukturreformen ausbleiben und sich etwa in steigenden Lohnnebenkosten auswirken. Die Wirtschaft hat daher auch ohne gesetzliche Eingriffe ein Interesse, über freiwillige Selbstverpflichtungen bzw. über den Deutschen Corporate Governance Kodex das Gerechtigkeitsempfinden der Öffentlichkeit zu berücksichtigen.

Die Auswirkung der öffentlich wahrgenommenen Managervergütung auf gesellschaftspolitische Indikatoren zeigt das SOEP 2005. Demnach gibt es zwar einen breiten, durch alle Einkommensschichten und politische Lager gehenden Konsens darüber, dass Managergehälter ungerechtfertigt hoch sind. Doch an den Rändern des politischen Spektrums (PDS- bzw. NPD-Anhänger) ist das Ungerechtigkeitsempfinden nach Kontrolle soziodemographischer Unterschiede signifikant stärker ausgeprägt. Zudem plädieren Befragte mit einem hohen Ungerechtigkeitsempfinden hinsichtlich der Managerentlohnung für eine stärkere Steuerprogression (siehe Tabelle: Je stärker Befragte die Steuern für ungelernte Arbeiter für zu hoch halten, desto überhöhter empfinden sie die Entlohnung der Manager. Ein noch stärkerer, aber negativer, Zusammenhang besteht zwischen der Beurteilung der Steuern auf Managergehälter und der wahrgenommenen Ungerechtigkeit bei deren Entlohnung). Auch deuten die Umfrageergebnisse auf einen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit und die Demokratieverdrossenheit hin: Diejenigen, die ein hohes Ungerechtigkeitsempfinden bei den Managergehältern angeben, sind tendenziell unzufriedener mit ihrer eigenen Arbeitsstelle und der Demokratie in Deutschland. Zudem zeigt sich, dass mit steigendem Gerechtigkeitsindex die politische Partizipationsbereitschaft zurückgeht.

Die SOEP-Daten zeigen insgesamt ein hohes Niveau an Ungerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung in Bezug auf die Entlohnung der Manager. Dieses Bewusstsein geht einher mit einem niedrigen Vertrauen in die wirtschaftlichen und politischen Institutionen Deutschlands. Auch wenn Kausalaussagen aufgrund einer Momentaufnahme nicht möglich sind, werden damit gesellschaftspolitische Problemstellungen sichtbar, die mit der Wahrnehmung der Managerentlohnung zusammenhängen.13

Die vorgestellten empirischen Ergebnisse über die Auswirkungen der wahrgenommenen Managerentlohnung zeigen deutlich: Unternehmenseigner, die auf die Kooperations- und Verzichtsbereitschaft von Arbeitnehmern und Steuerzahlern angewiesen sind, schaden sich selbst, wenn sie deren Gerechtigkeitsempfinden bei der Managervergütung nicht berücksichtigen. Den Unternehmenseignern ist vor diesem Hintergrund anzuraten, regelmäßig durch Mitarbeiterbefragungen die Akzeptanz des Vergütungssystems innerhalb des Unternehmens zu überprüfen und bei der Bemessung der Managerentlohnung im Aufsichtsrat zu berücksichtigen. Beim Aufsetzen von Managerverträgen ist – übrigens auch von externen Vergütungsberatern – politische Sensibilität und ein Gespür für die aktuelle Stimmung im Unternehmen und der Öffentlichkeit gefordert. Mit etwas Vertrauen in die Lernfähigkeit der Unternehmenseigner und die disziplinierende Wirkung der Märkte besteht Hoffnung, dass sich das, was Unternehmen und Gesellschaft unter einer angemessenen Managervergütung vorstellen, wieder annähert – ganz ohne gesetzliche Eingriffe in die Handlungsebene.

Die besondere Situation bei Finanzinstituten

Insbesondere bei systemrelevanten Finanzinstituten treten neben dem klassischen Prinzipal-Agenten-Problem zwischen Eigentümer und Manager finanzmarktspezifische Beschränkungen des Haftungsprinzips auf. Diese betreffen zunächst die Bankeigentümer, die mit einem kleinen Eigenkapitalanteil voll an Gewinnen von riskanten Transaktionen beteiligt sind, mit systemischen Risiken verbundene Kosten jedoch nur teilweise tragen. Verstärkt werden solche asymmetrischen Risikostrukturen durch Finanzinstrumente, die es ermöglichen, den Kredithebel zu vergrößern und gleichzeitig die Anreize zur sorgfältigen Risikoprüfung einschränken. Wenn sich Kreditgeber etwa durch Verbriefungen von den Risiken der Kreditvergabe befreien können, um neue Risiken einzugehen, wird das Risiko unmittelbar auf mehrere Schultern verteilt. Der Anreiz, das Verlustrisiko zu prüfen, sinkt entsprechend. Mit dem Gesamtvolumen der nicht adäquat geprüften Risiken steigt das systemische Risiko. Für den Bankeigentümer bestehen wenige Anreize, den negativen externen Effekt „systemisches Risiko“ bei der Bestimmung der Managervergütungen zu berücksichtigen. Insbesondere bestehen wenige Anreize, auf kurzfristig orientierte und einseitig belohnende Bonuszahlungen zu verzichten. Die Kosten tragen die an stabilen Finanzmärkten interessierte Öffentlichkeit bzw. die Steuerzahler, die mit Kapitalhilfen Haftungslücken schließen müssen.

Da finanzmarktspezifische Haftungsprobleme zunächst den Eigentümer betreffen, sollten Regeländerungen auch an der ursächlichen Anreizstruktur der Eigentümer ansetzen. Tatsächlich zielen viele der derzeit in internationalen Gremien diskutierten Vorschläge zur Reform der Finanzmärkte darauf ab, das Haftungsprinzip auf Seiten der Eigentümer zu stärken und deren Risikoneigung mit dem Ziel der Finanzmarktstabilität in Einklang zu bringen. Im gleichen Maße, in dem sich durch eine umfassendere Finanzaufsicht, reformierte Rechnungslegungsstandards und höhere Eigenkapitalanforderungen die Entlohnungsstruktur der Bankaktionäre ändert, wird sich auch die Managervergütung anpassen.

Die Möglichkeiten der Finanzmarktregulierung bleiben allerdings begrenzt. Eine vollständige Internalisierung systemischer Risiken und eine vollständig symmetrische Risikostruktur für die Eigentümer kann nicht erreicht werden. Zwar rechtfertigt dieser Befund per se noch keine gesetzlichen Eingriffe in die Gestaltung von Managerverträgen. Er weist aber auf einen Zielkonflikt bei der Durchsetzung der grundlegenden marktwirtschaftlichen Prinzipien der Haftung und der Vertragsfreiheit hin. Um diesen Zielkonflikt zu lösen, bieten sich spezielle Regelmöglichkeiten über die Finanzaufsicht an. So könnten die Eigenkapitalanforderungen erhöht werden, wenn aufsichtsrechtliche Vorgaben bei der Ausrichtung der Vergütungssysteme nicht eingehalten werden. Ebenso ist es möglich, die Anforderungen an die Vergütungssysteme mit der Eigenkapitalausstattung zu verknüpfen. Den Vorgaben der G20 entsprechend sollen nationale Aufsichtsbehörden bei Unterschreitung der Eigenkapitalanforderungen die Auszahlung von variablen Vergütungen begrenzen können.

Einen noch direkteren Eingriff in die Vergütungsgestaltung stellen die G20-Vorgaben dar, nach denen Boni verzögert, vorwiegend in Aktien und nicht mehrjährig garantiert ausgezahlt werden sollen. Garantieboni erscheinen tatsächlich als Fehlkonstruktion, die die eigentliche Anreiz- und Belohnungsfunktion eines Bonus nicht erfüllen können. Die Notwendigkeit eines gesetzlichen Verbots der Garantieboni ergibt sich daraus allerdings nicht zwangsläufig. Zweifelhaft ist zudem, ob es einer vorgeschriebenen Streckung der Bonusauszahlung bedarf. Inderst und Pfeil14 zeigen in einem theoretischen Modell die Folgen einer verzögerten Bonusauszahlung, wenn ungeduldig auf ihr Geld wartende Vorstände das Interesse an den Boni verlieren. Dies könne zu einer höheren Vergütung und höheren Risiken führen. Beides wäre weder im Interesse der Unternehmen noch im Interesse der Gesellschaft. Ohne dass Inderst und Pfeil hierzu empirische Belege liefern, zeigen sie doch, welch unerwünschte Nebenwirkungen es haben kann, wenn der Staat in den Preismechanismus und die Vertragsfreiheit eingreift.

Graubereich Selbstverpflichtungen

Eine Reihe von Maßnahmen fällt in einen Graubereich zwischen der Handlungs- und der Regelebene. Dies gilt etwa für nicht quantitativ fixierte Vorgaben wie die Erfordernisse der Angemessenheit und der Ausrichtung an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung. Sie sind zwar bei der konkreten Ausgestaltung der Vergütungssysteme auf der Handlungsebene zu berücksichtigen, lassen aber noch Interpretationsspielräume bei der Umsetzung. Da in jedem Unternehmen eine andere Vergütung angemessen ist und sich die Kriterien hierzu im Zeitablauf ändern, ist eine gesetzliche, quantitative Konkretisierung dieser Vorgaben nicht wünschenswert.

Allgemeine, unkonkrete Vorgaben werden aber weder den politischen Zielen noch dem Bedürfnis der Unternehmen nach einer klaren Richtschnur, die bei der Bemessung und Ausweisung der Managerentlohnung Orientierung bieten kann, gerecht. Um diesen Zielkonflikt aufzulösen, bieten sich freiwillige Selbstverpflichtungen und Kodexempfehlungen an, wie sie in Deutschland der Corporate Governance Kodex enthält. Ein solcher Kodex kann flexibler und praxisnäher Verhaltensmaßstäbe setzen als gesetzliche Regelungen und gleichzeitig den Unternehmen als Code of Best Practice dienen. Dazu sollte der Deutsche Corporate Governance Kodex um konkrete Anweisungen und vorbildliche Beispiele erweitert werden.

Fazit

Wie hoch ist eine angemessene Entlohnung für Manager? Die Antwort kann letztlich nur von Unternehmenseignern gegeben werden, die ihre wichtige Kontrollfunktion im Sinne des Unternehmens und damit auch im Sinne der Gesellschaft wahrnehmen. Dazu sind sie neben den bestehenden Rechten ausreichend mit Informationen und Anreizen auszustatten. Zudem bedarf es eines hinreichend transparenten Marktes für Führungskräfte. Mehr Transparenz ist insbesondere hinsichtlich der Außenwirkung von Managergehältern notwendig. Die gesellschaftliche und betriebliche Reformbereitschaft, die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft und speziell im Finanzsektor die Vermeidung systemischer Risiken sind gleichzeitig öffentliche und private Güter. Als unangemessen hoch wahrgenommene Managervergütungen können sie beeinträchtigen. Wichtig ist, dass die Bedeutung der Akzeptanz der Vergütung auch von Vergütungsberatern anerkannt und ergänzend zur traditionellen betriebswirtschaftlichen Sicht berücksichtigt wird. Zur Bestimmung angemessener Managervergütungen bedarf es Weitblick, Sachverstand, ethischer Verantwortung und politischer Sensibilität. Gesetzlicher Eingriffe auf der Handlungsebene bedarf es hingegen nicht. Im Finanzbereich müssen schärfere Regeln bereits bei der Anreizstruktur der Eigentümer ansetzen, damit Vergütungssysteme nicht das Eingehen systemischer Risiken forcieren. Im besten Fall kann durch die international koordinierte Ausgestaltung der Rahmenbedingungen, durch gezielte aufsichtsrechtliche Vorgaben für Finanzinstitute und die kontinuierliche Anpassung der nationalen Kodex-Kriterien ein Prozess angeschoben und unterstützt werden, der von den Unternehmenseignern und deren ureigenen Interessen an einer angemessenen Managervergütung ausgeht.

* Dieser Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Autors wieder.

  • 1Vgl. Langzeitstudie SOEP „Leben in Deutschland – Befragung 2005 zur sozialen Lage der Haushalte“, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin. Dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) 2005 zufolge schätzten über 20 000 Befragte das Monatseinkommen eines Managers im Vorstand eines großen Unternehmens im Schnitt auf 70 162 Euro. Nur 26% empfanden dies als gerechtfertigt. Die Befragten, die das geschätzte Einkommen nicht als gerecht ansahen, betrachteten im Schnitt 24 462 Euro als ein gerechtes Monatseinkommen. Die Vorstellungen von einem gerechten Monatssalär liegen damit wesentlich sowohl unterhalb der geschätzten als auch unterhalb der tatsächlichen Vorstandsentlohnung. Für weitere Informationen zum SOEP vgl. G. Wagner, R. V. Burkhauser, F. Behringer: The English Language Public Use File of the German Socio-Economic Panel Study, in: The Journal of Human Resources, 1993, 28 (2), S. 429-433.
  • 2 Für eine rechtliche Bewertung der einzelnen Maßnahmen des VorstAG siehe J. Nikolay: Die neuen Vorschriften zur Vorstandsvergütung – Detaillierte Regelungen und offene Fragen, in: Neue juristische Wochenschrift, 36/2009, S. 2640-2647.
  • 3 Im Dezember 2009 veröffentlichte die BaFin Rundschreiben mit Vorgaben zur variablen Vergütung in Banken und Versicherungen, die zwar nicht rückwirkend aber grundsätzlich bereits für die Bonusrunde 2009 gelten sollen. 2010 sollen die in den BaFin-Rundschreiben vorgesehenen Maßnahmen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.
  • 4 Wird neben den Aktionären und dem Vorstand der Aufsichtsrat einbezogen, ergibt sich in deutschen Aktiengesellschaften eine Principal-Supervisor-Agent-Konstellation (vgl. B. Noll, F. Haag: Schärfere Regulierung von Managergehältern in Aktiengesellschaften?, in: Wirtschaftsdienst, 89. Jg. (2009), H. 6, S. 383). Die Besonderheiten dieser Konstellation werden nachfolgend berücksichtigt.
  • 5 Zu einer proaktiven Einbindung der Hauptversammlung scheint auch die Regelung im VorstAG beizutragen, nach der die Hauptversammlung offiziell das Recht bekommt, über das System der Vorstandsvergütung beraten und – rechtlich nicht bindende – Beschlüsse fassen zu können. In den ersten Hauptversammlungen 2010 stellten Thyssen-Krupp und Siemens ihre Vergütungssysteme zur Abstimmung. Diese fanden bei Thyssen-Krupp 99,55% und bei Siemens 89,65% Zustimmung unter den Anteilseignern.
  • 6 Gemeint ist sowohl die gesetzlich geforderte Angemessenheit nach § 87 Abs. 1 Aktiengesetz, nach der die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen müssen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen dürfen, als auch die Angemessenheit der Vergütung im Sinne der Unternehmenseigner. Letztere bestimmt sich in erster Linie aus den mit der Vergütung verbundenen unmittelbaren Kosten, der mit der Vergütung verbundenen Anreizwirkung auf den Manager und der nachfolgend zu erläuternden Innen- und Außenwirkung der Vergütung.
  • 7 Vgl. K. Gerlach, D. Levine, G. Stephan, O. Struck: The Acceptability of Layoffs and Pay Cuts: Comparing North America with Germany, IAB Discussion Paper 1/2006, Nürnberg 2006.
  • 8 Vgl. D. M. Cowherd, D. I. Levine: Product Quality and Pay Equity Between Lower-Level Employees and Top Management: An Investigation of Distributive Justice Theory, in: Administrative Science Quarterly, 1992, Vol. 37, Nr. 2, S. 302-320. Ihrer Studie zufolge hat ein kleines Gehaltsdifferential zwischen Arbeitern der unteren Hierarchieebene und Top-Managern einen positiven Einfluss auf die Produktqualität, da sich die Arbeiter stärker mit den Zielen der Geschäftsleitung identifizieren und ihr Arbeitseinsatz wie ihre Bereitschaft zur Kooperation steigt.
  • 9 Vgl. C. O’Reilly, J. Wade, T. Pollock: Overpaid CEOs and Underpaid Managers: Fairness and Executive Compensation, in: Organization Science, 2006, Vol. 17, Nr. 5, S. 527-544. O’Reilly u.a. finden in ihrer 120 Firmen beinhaltenden 5-Jahres-Studie bestätigt, dass sich Überbezahlungen des CEOs auf nachfolgende Hierarchieebenen mit abschwächender Wirkung übertragen und dass eine höhere Managerentlohnung zu einer größeren Fluktuation in den untergeordneten Hierarchieebenen führt.
  • 10 H. DeAngelo, L. DeAngelo: Union Negotiations and Corporate Policys: A Study of Labor Concessions in the Domestic Steel Industry during the 1980s, in: Journal of Financial Economics, 1991, Vol. 30, Nr. 1, S. 3-44.
  • 11 In Kernspintomographen haben Dohmen, Elger, Falk u.a. vermehrte Impulse bzw. Aktivitäten im Hirnabschnitt Striatum entdeckt, wenn eine höhere Entlohnung eines Mitprobanden wahrgenommen wurde (vgl. T. Dohmen, C. Elger, A. Falk, K. Fließbach u.a.: Social Comparision affects reward-related brain activity in the human ventral striatum, in: Science, Vol. 318, 2007, S. 1305-1308).
  • 12 N. Hesse, F. Rivas: Managerial Compensation in a Two-Level Gift-Exchange Experiment, Working Paper 2307, Department of Economics – dECON, Montevideo 2007.
  • 13 Vgl. S. Liebig, J. Schupp: Entlohnungsungerechtigkeit in Deutschland? Hohes Ungerechtigkeitsempfinden bei Managergehältern, in: DIW Wochenbericht, Berlin 2004, S. 725-730.
  • 14 Vgl. R. Inderst, S. Pfeil: Is Making Deferred (Bonus) Pay Mandatory a Good Idea for Banking?, Arbeitspapier, Universität Frankfurt 2009.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1042-4