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Die Eurozone ist vor allem durch die gefährdete Kreditwürdigkeit Griechenlands in eine schwere Krise geraten. Jetzt zeigt sich, dass jede Währungsunion ein Konstruktionsproblem hat. Die Mitgliedstaaten müssen auf die Autonomie in der Geldpolitik verzichten und ohne die Instrumente der Geld- und Wechselkurspolitik ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit bewahren.

Seitdem bekannt wurde, dass Griechenland seine Schuldenstatistiken in großem Stil „verschönert“, ist das Land in eine Krise geraten. Griechenland ist deutlich höher verschuldet als gedacht, es hat noch kein Konzept, wie es seine Schuldensituation bessern will, und schließlich hat es die Finanzmärkte getäuscht. Folglich haben Anleger massiv Vertrauen verloren und erwarten eine erhebliche Risikoprämie, um diesem Staat weiter Kredit zu gewähren (vgl. Abbildung 1). Diese wirtschaftlichen Probleme und der Vertrauensverlust strahlen auf den gesamten Euroraum aus, insofern ist die griechische Krise auch zu einer europäischen Krise geworden.

Abbildung 1
Credit Spread zwischen griechischen und deutschen Staatsanleihen1
(Basispunkte)
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1 Durchschnitt aller Laufzeiten.

Quelle: Datastream, Iboxx.

Europäische Dimension

Die europäische Dimension kommt in fünf Aspekten zum Ausdruck:

  • Erstens wertet der Euro seit einigen Wochen spürbar gegenüber dem US-Dollar ab, ohne dass es dafür wesentliche Gründe außer der griechisch-europäischen Krise gäbe.
  • Zweitens überträgt sich der Vertrauensverlust von Griechenland auf andere Länder der Eurozone, die gewisse Ähnlichkeiten mit dem Krisenland haben, insbesondere auf Portugal, Spanien, Italien und Irland.
  • Drittens sind in erster Linie europäische Banken mit Kreditengagements und europäische Unternehmen als Handelspartner in Griechenland engagiert, und dementsprechend von der Krise betroffen und übertragen die Probleme in ihre Heimatländer. Insbesondere ergibt sich hieraus die Sorge um eine Belastung der bereits angeschlagenen Finanzinstitutionen.
  • Viertens fühlen sich Griechenlands Partnerländer aus der Währungsunion aufgerufen, und werden auch von Griechenland in dieser Rolle gesehen, dem Krisenland in der Not beizustehen.
  • Fünftens würde ein Zahlungsausfall Griechenlands als „Niederlage“ der Europäischen Union und insbesondere des Eurosystems aufgefasst werden und könnte die zukünftige wirtschaftspolitische Zusammenarbeit in Europa erschweren.

In dieser Ausweitung der griechischen zu einer möglicherweise europäischen Krise liegt eine große Gefahr, so dass sich der Dringlichkeit entsprechend die Vorschläge zum Umgang mit der Krise häufen. In dieser Debatte soll auf ein Konstruktionsproblem der Währungsunion hingewiesen werden, das zwar nicht bei der unmittelbaren Krisenbewältigung angegangen werden kann, das aber Beachtung finden sollte, um in die richtige Richtung zu therapieren. Im Folgenden werden dieses Konstruktionsproblem aus der Währungstheorie abgeleitet, die aktuellen Probleme mit einigen Statistiken belegt, mögliche mittelfristige Anpassungsstrategien entwickelt und aktuelle Therapievorschläge für die griechische Krise vor diesem Hintergrund diskutiert.

Das währungspolitische Trilemma

Das Konstruktionsproblem jeder Währungsunion, wie der Europäischen Währungsunion seit 1999, resultiert aus dem bekannten währungspolitischen Trilemma. Danach sind in der Währungspolitik nur zwei von drei anstrebenswerten Zielen gleichzeitig zu erreichen: Wechselkursstabilität, Kapitalverkehrsfreiheit und autonome Geldpolitik.1 Der Zusammenhang wird durch Abbildung 2 verdeutlicht. Der Trend der letzten Jahrzehnte geht hin zur Kapitalverkehrsfreiheit, was zu einer bi-polaren Entscheidungssituation zwischen entweder autonomer Geldpolitik oder stabilen Wechselkursen führt. Wird in dieser Situation die Geldpolitik alleine durch die binnenwirtschaftlichen Ziele wie Preisstabilität oder angemessenes Wirtschaftswachstum bestimmt, so bleibt kein wirksames Instrument, um ein Wechselkursziel zu verfolgen. Im Kontrast dazu gibt es in einem System stabiler Wechselkurse ein geldpolitisches Wechselkursziel, das im Zweifel Vorrang gegenüber anderen Zielen haben muss, um die Wechselkursparität zu halten. Auch sind Mischformen denkbar wie das Peg-Regime im Europäischen Währungssystem (EWS).

Abbildung 2
Währungspolitisches Trilemma
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Mit dem Beitritt zu einer Währungsunion, wie der Eurozone, ist das Ziel der Wechselkursstabilität unverrückbar festgezurrt. Weiterhin ist innerhalb der Europäischen Union nach Beschluss der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 der europäische Binnenmarkt und damit der freie Kapitalverkehr unumstößlich festgelegt. Insofern ergibt sich zwangsläufig, dass es keine nationale Autonomie in der Geld- und Währungspolitik gibt. Obwohl das wie eine Identität anmutet (denn mit dem Übergang der geldpolitischen Kompetenz auf die europäische Ebene ist die nationale Kompetenz verloren gegangen), ist dieser Autonomieverlust keineswegs trivial. Die einschlägige Literatur hat detailliert auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die mit dem Wegfall dieses wirtschaftspolitischen Instruments entstehen können.

Strukturelle Unterschiede

Insbesondere geht es um die Kompensation von Wettbewerbsunterschieden, die entweder durch Schocks (auf der Nachfrage- oder Angebotsseite) oder durch sich aufbauende Divergenzen auftreten. Im Fall der aktuellen griechischen Krise ist das Land zwar vom Schock der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise getroffen worden, aber dieser Schock trifft die übrigen europäischen Länder in ähnlicher Weise. Man kann argumentieren, dass im Verlauf der Krise die Risikoaversion tendenziell eher gestiegen ist und damit eine als riskant eingeschätzte Volkswirtschaft wie Griechenland überproportional getroffen wurde. Im Grunde bedeutet dies aber nur, dass eventuell vorhandene Strukturunterschiede stärker beachtet und an den Märkten bepreist werden als zuvor.

Unabhängig von der Finanzkrise war Griechenland noch nie ein „optimales“ Mitglied der Europäischen Währungsunion, wenn man sich an den einschlägigen theoretischen Kriterien orientiert. So deuten empirische Studien darauf hin, dass Schocks in Griechenland und der Eurozone nicht synchron auftreten.2 Da in der Währungsunion der Wechselkurs als Anpassungsmechanismus fehlt, ist eine Anpassung über andere Faktoren demnach unvermeidlich. Dabei ist, allgemein gesprochen, der Anpassungsbedarf umso größer, je heterogener die Länder zueinander sind.3

Geringe Wettbewerbsfähigkeit

Unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit liegt die größte Gefahr struktureller Divergenz in deutlichen Inflationsunterschieden innerhalb einer Währungsunion. Geringe Unterschiede mögen durch konjunkturelle Ungleichzeitigkeiten bedingt sein, es mag starke Unterschiede in der Produktionsstruktur geben (wie zu Rohstoffexporteuren). Eine Volkswirtschaft kann auch etwas höhere Inflationsraten im Zuge einer aufholenden Entwicklung verkraften. Aber all diese Gründe sind im Fall von Griechenland nicht wirklich stichhaltig, und dennoch war die Inflationsrate latent höher als im Durchschnitt der Währungsunion. Kumuliert über die gut zehn Jahre der Währungsunion liegt die griechische Inflationsrate etwa 15 Prozentpunkte über dem Durchschnitt und damit sogar beispielsweise 20 Prozentpunkte über der deutschen Inflationsrate (vgl. Abbildung 3). Theoretisch könnte dies durch große Fortschritte im Produktivitätswachstum ausgeglichen werden, doch das war nicht der Fall. Im Grunde zeigen die Lohnstückkosten dasselbe Bild wie die Inflationsraten (vgl. Abbildung 4): Griechenland gerät Jahr für Jahr in eine immer weniger wettbewerbsfähige Position.

Abbildung 3
Inflation in Griechenland, Deutschlandund der EU
Index (Basisjahr 1999)
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Abbildung 4
Lohnstückkosten in Griechenland, Deutschland und der Eurozone
Index (Basisjahr 2000)
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Dies ist offensichtlich eine unhaltbare Situation, die im Rahmen einer Währungsunion überraschend ist, weil sie antizipiert werden kann. Noch überraschender wird sie aufgrund der Tatsache, dass diese Divergenz keineswegs neuartig ist, sondern eine Divergenz „mit Ansage“. Denn Griechenland befand sich auch schon vor der Währungsunion in derselben Situation, wie die Inflationsraten der 90er Jahre zeigen (vgl. Abbildung 3). Im Grunde hat die Währungsunion keine wirkliche Änderung herbeigeführt. Neu ist nur der Umstand, dass Griechenland bis 2000 eine eigene Währung (die Drachme) hatte und über Abwertungen der Währung Wettbewerbsnachteile wieder kompensieren konnte. Genau dieses Ventil fehlt, und das ist eine zentrale Ursache der gegenwärtigen griechischen Krise.

Weitere Strukturprobleme

Sicherlich gibt es daneben noch eine Reihe weiterer Ursachen, die die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit erklären. So liegen im Fall von Griechenland offensichtlich auch einige strukturelle Schwachstellen vor, die immer wieder genannt werden. Dies beginnt mit verkrusteten Strukturen in der Wirtschaft, die für manche Unternehmen und auch Arbeitnehmergruppen privilegierte Positionen zementieren. Es setzt sich fort bei einem relativ schwachen Staat, der Schwierigkeiten in der Steuererhebung hat und unter einer teilweise korrupten Verwaltung leidet (zu der als Spiegelbild Bürger und Politiker gehören, die korrupte Praktiken mitmachen oder gar fördern). Schließlich hat Griechenland ein sehr fundamentales Wachstumsproblem, weil der Kapitalstock kaum noch aus eigener Ersparnis wächst, sondern über vom Ausland geliehene Ersparnisse. Zusammen genommen ergibt dies das Bild einer – aus welchen Gründen auch immer – wenig dynamischen Wirtschaft. Diese Wirtschaft ist gleichzeitig durch relativ hohe Inflationsraten gekennzeichnet. Zusammen genommen ist dies – um es noch einmal zu verstärken – ökonomisch unhaltbar.

Krise ohne Fundamentalprobleme?

Manchmal ist die Rede davon, im Grunde seien doch die Finanzmärkte die Treiber der krisenhaften Entwicklung, so wie sie auch andere Krisen kreiert hätten. Dieser Interpretation liegt möglicherweise eine Verwechslung von Ursache und Anlass zugrunde. Natürlich verhalten sich Finanzmarktakteure auch wie „normale“ Menschen, indem sie beispielsweise auf Themen fokussiert sind und damit eine verengte Sichtweise einnehmen. Finanzmarktakteure wollen Geld verdienen und versuchen andere Akteure zu beeinflussen, beispielsweise indem sie Meinungsführerschaft anstreben und damit zuerst und d.h. am billigsten kaufen können. All dies ist wahr aber ändert nichts daran, dass Krisen selten aus einem Nichts heraus entstehen. Fast immer gibt es auch eine fundamentale Ursache für eine Krise.

Theoretisch lassen sich solche Zusammenhänge in Krisenmodellen mit sich selbst erfüllenden Erwartungen abbilden – wie das in einem Aufsatz von Cole und Kehoe deutlich wird.4 Die wohl wichtigste Implikation im Kontext der griechisch-europäischen Krise ist, dass bei guten Fundamentalwerten unabhängig von den Erwartungen keine Krise auftritt. Je schlechter die Fundamentalwerte sind, desto wahrscheinlicher wird eine Krise und desto mehr Gewicht haben Erwartungen für die Krisenwahrscheinlichkeit. Daher spielen Spekulationen eben nur dann eine Rolle, wenn die Fundamentalwerte hinreichend schlecht sind. Eine zweite wichtige Implikation der Arbeit von Cole und Kehoe5 ist, dass mit steigender Laufzeit der Kredite die Bedeutung von Spekulationen abnimmt. Während im Dezember 2009 der griechische Finanzminister noch jegliche Hilfe als unnötig ansah,6 sind bis April 2010 12 Mrd. Euro (ca. 5% des BIP) zu refinanzieren. Ein vorausschauendes Liquiditätsmanagement hätte diese Situation vielleicht vermeiden oder jedenfalls abmildern können.

Mittelfristige Anpassungsstrategien

Mögliche Lösungen ergeben sich im Grunde logisch aus dem Problem. Zur Menge möglicher Lösungen gehört jedenfalls keine „einfache“, weil billige und leicht umsetzbare Lösung, denn die griechische Situation verträgt sich nicht mit dem Konstruktionsprinzip einer Währungsunion. Insofern kann man zwischen Lösungen bei Weiterbestehen der Währungsunion und Lösungen ohne Währungsunion unterscheiden. Soll Griechenland im Euroraum bleiben, dann lässt sich die Inflationsdifferenz durch drei Mechanismen heilen:

  • Erstens deflationiert das Krisenland relativ zu den anderen Ländern,
  • zweitens inflationieren die Länder mit niedriger Inflation und
  • drittens können Transfers von den wettbewerbsfähigen zu den anderen Ländern fließen.

Alternativ kann Griechenland die gemeinsame Währung aufgeben, seine Politik relativ hoher Inflationsraten beibehalten und tendenziell abwerten, also kurz gesagt das tun, was es bis in die 90er Jahre gemacht und dann bewusst aufgegeben hatte. Letzteres wäre eine bittere Bankrotterklärung der seit 15 Jahren verfolgten europäischen Währungspolitik. Vielleicht wäre es aber wenigstens eine ehrliche und damit glaubwürdige Politik. Dies wäre bei einem Verbleiben in der Währungsunion nicht so klar, wenn notwendige Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden.

Von den drei dann anstehenden Möglichkeiten kann man die Inflationierung der Niedriginflationsländer als realistische Politikvariante wohl nahezu ausschließen. Rein theoretisch mag das zwar funktionieren, aber wie soll man beispielsweise der relativ inflationsaversen deutschen Bevölkerung erklären, dass höhere Inflationsraten sinnvoll seien, um die Spannungen in der Währungsunion zu mildern. Vor allem bei einem Blick auf die außereuropäische Konkurrenzsituation ist diese Politikoption wohl nicht zu vermitteln. Selbst wenn ihr eine Logik nicht abzusprechen ist, widerspricht sie auch dem kurzfristigen Politikinteresse der relativ wettbewerbsfähigen Länder.

Auch die Möglichkeit, mit Transfers die Wettbewerbsunterschiede einzuebnen, scheint eine eher theoretische Politikoption. Warum sollen die wettbewerbsfähigen Länder andere Volkswirtschaften subventionieren, noch dazu wenn sich nicht leugnen lässt, dass die Empfänger selbst mehr zur Verbesserung ihrer Situation tun könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass im hier betrachteten Szenario die Inflationsdivergenzen erheblich und steigend sind, so dass auch die Subventionen – die Griechenland sowieso schon aus anderen Gründen erhält – ständig zunehmen müssten.

So bleibt eigentlich nur die dritte Variante, d.h. eine deflationäre Politik im „Hochinflationsland“. Was auf dem Papier plausibel erscheint, ist in der Umsetzung offensichtlich ungemein schwierig, denn die Inflationsdivergenz zwischen Griechenland und dem Durchschnitt der Euroländer ist struktureller und nicht einmaliger Natur. Wäre eine Politik niedriger Inflationsraten einfach, so hätte man sie sinnvollerweise schon längst verfolgt, doch genau dies ist nicht der Fall gewesen.

Aus wissenschaftlicher Sicht liegt auf der Hand, was in einer Währungsunion geschehen muss: Mit der Aufgabe der nationalen Geld- und Währungspolitik müssen sich alle teilnehmenden Staaten an die gemeinsame Politik anpassen. Aufgrund der Entstehungsgeschichte der Währungsunion impliziert diese gemeinsame Politik niedrige Inflationsraten, wie sie im Statut des Eurosystems kodifiziert sind und wie sie das Eurosystem mit einer Zielformulierung von zuletzt „unter zwei Prozent Inflation pro Jahr“ implementiert. Die griechischen Wirtschaftsakteure haben eben nicht mehr die Freiheit, Preise, Löhne usw. beliebig steigen zu lassen, sondern müssen sich an diese Vorgabe anpassen. Das ist die zwingende Konsequenz aus dem währungspolitischen Trilemma und insofern in einem Währungsraum konstruktionsbedingt. Diese Konstruktion und ihre Konsequenzen sind bewusst gewählt worden. Nach den Spielregeln der Europäischen Währungsunion muss Griechenland seine Inflationsrate anpassen, auch wenn dies in seinen Konsequenzen brutal und unerbittlich erscheinen mag.

Von dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen werden im Folgenden einige zentrale Lösungsvorschläge knapp diskutiert. Es lässt sich feststellen, dass die meisten Ansätze eher auf die Lösung der kurzfristigen Illiquidität als auf die Verbesserung der strukturellen Probleme Griechenlands zielen. Diese Ansätze – wie Budgethilfen, Kredite und Garantien – verschaffen Zeit, aber sie haben auch Kosten und können nicht nachhaltig wirken.

Gegen Illiquidität

Aufgrund der unmittelbaren Belastung der anderen EU-Länder gewinnen direkte Budgethilfen zweifellos die größte Aufmerksamkeit. Alleine schon die formale Ausgestaltung dieser Beihilfen ist spannend angesichts der Einschränkung, dass die EU keine rechtliche Grundlage für solche Zuschüsse hat. Diskutierte Alternativen sind zum Beispiel bilaterale Hilfen oder trickreiche Vorschüsse auf spätere EU-Subventionen. Solche Transferzahlungen sind aber problematisch. Für die Lösung der sich anbahnenden kurzfristigen Liquiditätsprobleme können Budgethilfen ausreichend sein. Für eine Lösung des strukturellen Problems wären aber laufende Ausgleichszahlungen von wettbewerbsfähigen Mitgliedstaaten nötig. Dies ist derzeit nicht Teil der diskutierten Lösungsvorschläge.

Auch staatliche Kredite und Garantien tauchen als Instrumente der kurzfristigen Krisenbewältigung in der Diskussion auf.7 Diese werden insbesondere von den europäischen Entscheidungsträgern in Betracht gezogen, vermutlich weil Griechenland für die Sicherung seiner Zahlungsfähigkeit den Gläubigerländern Zinsen zahlt. Insofern scheinen hier die Lasten geringer als bei einer Budgethilfe. Allerdings fallen indirekte Lasten an, denn mit zusätzlichen Krediten und Garantien übernimmt man Risiken, die sich in den Risikoprämien für die Geberländer niederschlagen. Letztlich gelten für die Kredit- und Garantielösung die gleichen Vorbehalte wie für direkte Budgethilfen: Für eine Lösung der strukturellen Divergenzen bedarf es einer kontinuierlichen Kreditvergabe von wettbewerbsfähigen Ländern an weniger Wettbewerbsfähige.

Kurzfristig gibt es vielleicht nicht einmal eine Alternative zu einem Transfer zugunsten Griechenlands, wie sich aus den Bilanzen der europäischen Banken ablesen lässt: Europäische Finanzinstitute halten einen Großteil der griechischen Staatspapiere, finanzieren damit bisher die griechische Überschuldungspolitik und sind auf die Zahlungsfähigkeit Griechenlands angewiesen. Wenn Griechenland nicht staatlich geholfen wird, dann müssen die europäischen Staaten möglicherweise ihren Finanzinstitutionen helfen. Davon können Ansteckungswirkungen auf andere europäische Staaten ausgehen, so dass die Kosten der Krise weiter steigen könnten.

Gegen Wettbewerbsschwäche

Die bisher angesprochenen „Lösungsansätze“ dienen der kurzfristigen Liquiditätsunterstützung der griechischen Regierung. Eine Änderung der strukturellen Situation führen sie damit noch nicht herbei. Diese Situation lässt sich, wie oben skizziert, wohl nur durch die Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer beheben.

Zum einen gibt es den Vorschlag, dass wettbewerbsfähige Länder wie Deutschland höhere Lohnsätze vereinbaren sollten, um Griechenland und anderen weniger wettbewerbsfähigen Ländern Auftrieb zu geben.8 Diese Vorschläge sind allerdings vor dem Hintergrund fragwürdig, dass jedes Land der Europäischen Union auch im internationalen Wettbewerb steht. Hier würden falsche Anreize gesetzt werden.

Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass Griechenland selbst sein strukturelles Problem löst – durch eine Reduzierung der Staatsausgaben und durch Lohnzurückhaltung. Bisher war es offenbar nicht möglich, in Griechenland Lohnsteigerungen auf europäischem Niveau zu vereinbaren (oder die Produktivität entsprechend stark zu steigern). Ohne die Verletzung der Tarifautonomie ist eine staatliche oder internationale Festsetzung der Löhne nicht möglich. Demnach hängt der Erfolg der Strukturänderung stark an der Bereitschaft der griechischen Bevölkerung, den europäischen Kurs umzusetzen. Die aktuellen Proteste gegen den angestoßenen Sparkurs lassen allerdings die Befürchtung aufkommen, dass eine derart harmonisierte Wirtschaftspolitik wie sie durch die Gemeinschaftswährung unvermeidbar ist, in Griechenland zurzeit nicht tragbar erscheint.9 Es wäre also ein wichtiger Schritt, auf die Konsequenzen aufmerksam zu machen, und in der Bevölkerung für Unterstützung zu werben.

Bisher waren auch die griechischen Staatsausgaben trotz der Maastricht-Regeln zu hoch. Sie sind von verschiedenen griechischen Regierungen nicht ausreichend gekürzt worden. Die Schuld dafür gibt Griechenland auch den EU-Institutionen.10 Sie hätten kein ausreichendes Monitoring betrieben, so dass Griechenland die Möglichkeit gehabt hätte, vom Defizit-Ziel abzuweichen. Es ist damit nur konsequent, dass der ECOFIN-Rat Griechenland unter strikte Haushaltskontrolle und weitreichende Auflagen gestellt hat.11 Damit will die EU-Kommission die Politik durchsetzen, die auf nationaler Ebene in Griechenland bisher nicht vermittelbar war. Die Auflagen der Kommission gehen in jedem Fall in die Richtung, die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands an die Eurozone anzugleichen.

Zum genauen Procedere gibt es verschiedene Vorschläge. Während die EU eine Präferenz dafür zu haben scheint, die Auflagen sozusagen im Alleingang umzusetzen, haben andere Autoren dafür plädiert, dies entweder dem Internationalen Währungsfonds zu überlassen,12 oder eine eigene Schuldenkommission einzurichten13 oder aber einen neuen Europäischen Währungsfonds zu gründen.14 Das Für und Wider ist eine solide Debatte wert, aber aus der Sicht des grundlegenden währungspolitischen Trilemmas sind dies alles Varianten zur Gestaltung desselben notwendigen Anpassungsprozesses.

Kaum Anpassungsspielraum

Das währungspolitische Trilemma lehrt die Wirtschaftspolitik Bescheidenheit. Von drei währungspolitischen Zielen sind immer nur zwei gleichzeitig zu erreichen. Mit dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion ist die Entscheidung über diese Ziele gefallen: Die Währungsunion verspricht dauerhaft fixierte Wechselkurse bei freiem Kapitalverkehr um den Preis der Aufgabe nationaler Autonomie in der Geldpolitik. Mit der Übertragung der Geldpolitik an das Eurosystem muss sich die nationale Wirtschaft nach wie vor im internationalen Wettbewerb behaupten, aber nun eben ohne die Instrumente der Geldpolitik oder der nationalen Währungsabwertung. Insbesondere erfordert die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, dass sich Löhne und Preise an die Vorgaben des gemeinsamen Währungsraums anpassen. Dies ist in Griechenland in den letzten zehn Jahren nicht geschehen. Genau diese Anpassung muss aber in einer Währungsunion stattfinden. Von einer Behebung der griechisch-europäischen Krise wird man deshalb nur dann sprechen können, wenn neben der kurzfristigen Liquiditätskrise auch das strukturelle Problem gelöst wird. So wie der Währungsraum aktuell konstruiert ist, entfällt dabei die Anpassungslast auf Griechenland.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1052-2