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Glück führte lange Zeit ein Schattendasein in der ökonomischen Forschung. Das hat sich seit einigen Jahren geändert. Aus den neuen Erkenntnissen zu den wirtschaftlichen und außerwirtschaftlichen Bestimmungsgründen des Glücks werden auch Empfehlungen für eine Wirtschaftspolitik abgeleitet, die das persönliche und gesellschaftliche Glück der Menschen berücksichtigt. Bruno S. Frey und Claudia Frey Marti fassen in diesem Beitrag ihr Buch zu dem Thema zusammen.

In einer repräsentativen Umfrage bezeichnet sich gut die Hälfte der befragten Schweizerinnen und Schweizer als glücklich und mehr als ein Drittel sogar als sehr glücklich. Befragte in Deutschland oder den USA geben ein vergleichsweise tieferes Glücks- beziehungsweise Lebenszufriedenheitsniveau an.

Doch was ist Glück überhaupt, und wovon hängt unser Glück ab? Die Schwierigkeiten fangen schon beim Begriff „Glück“ an. Ist das individuelle Glück gemeint oder das Glück aller, materieller Reichtum oder seelisches Wohlergehen? Was kommt woher? Macht Heirat glücklich? Oder neigen glückliche Leute eher zum Heiraten? – Macht Arbeitslosigkeit unglücklich? Oder werden unglückliche Menschen eher arbeitslos?

Unser Verständnis von Glück

Was unter „Glück“ – einfachheitshalber gleichgesetzt mit „Lebenszufriedenheit“ oder „Wohlbefinden“ – verstanden wird, ist personen-, kultur- und zeitabhängig. Da Glück ein schwer fassbares Konzept darstellt, macht es wenig Sinn, Glück definieren zu wollen. Anstatt von außen zu beschreiben, was Glück bedeutet, ist es sinnvoll, die einzelnen Menschen zu fragen, wie glücklich sie sich fühlen. Denn jede Person kann gut beurteilen, ob sie glücklich oder unglücklich ist.

In umfangreichen Erhebungen werden die Leute befragt, wie glücklich sie generell mit ihrem Leben sind. Die Befragungsergebnisse erweisen sich als recht zuverlässig, valide und konsistent. Die Vergleichbarkeit zwischen den Ländern ist allerdings nicht ganz einfach, da die Definition von Glück kulturabhängig ist. So haben die Amerikaner die Tendenz, sich als besonders glücklich einzustufen, da in ihrer Gesellschaft das Glücklichsein positiv gewertet wird. Die Franzosen neigen zum anderen Extrem, ganz nach Charles de Gaulle, der einmal sagte: „Nur Idioten sind glückliche Menschen.“ Die Japaner ihrerseits bekennen – aufgrund ihrer traditionellen Bescheidenheit – nur ungern, sehr glücklich zu sein. Teilweise handelt es sich um einfache Niveauunterschiede, die in der empirischen Forschung leicht berücksichtigt werden können. Die Ergebnisse der Forschung belegen aber auch, dass der Einfluss von Bestimmungsgründen des Glücks in den verschiedenen Ländern ganz ähnlich ist. So werden zum Beispiel in allen Ländern Personen, die ihre Arbeit verlieren, wesentlich unglücklicher.

Forschungsfelder der Glücksforschung

Eine der wichtigsten Aufgaben der Glücksforschung besteht im Bestimmen, Isolieren und Messen der verschiedenen Einflussgrößen des Glücks. Gene, sozio-demografische Faktoren, wirtschaftliche Faktoren, Kontext- und Situationsfaktoren, Kultur und Religion sowie politische Einflüsse wirken sich auf unser Wohlbefinden aus. Des Weiteren werden in der Glücksforschung psychologische Mechanismen unter die Lupe genommen: Was beeinflusst und was verzerrt unsere Wahrnehmungen und Entscheidungen? Die empirischen Untersuchungen zeigen, dass wir bei unserem Entscheiden zu starkes Gewicht auf immer mehr Einkommen und Status legen. Immaterielle Werte wie Familie, Freunde, Freizeit unterschätzen wir. Dafür sind folgende Gründe maßgebend:

  • Wir Menschen tendieren dazu, die eigene Situation mit – meist bessergestellten – Referenzgruppen zu vergleichen.
  • Wir unterschätzen die Geschwindigkeit, mit der wir uns an neue Situationen gewöhnen und anpassen.
  • Wir überschätzen tendenziell die Lebenszufriedenheit, die aus dem materiellen Besitz kommt.

In der Glücksforschung werden auch die Konsequenzen auf das Verhalten untersucht. Ob jemand glücklich oder unglücklich ist, hat einen großen Einfluss auf die Art und Weise, wie man sich verhält und lebt. Glückliche Leute sind auf dem Arbeitsmarkt erfolgreicher. Glückliche Leute finden leichter einen Partner und sind weniger einsam. Glückliche Leute sind kooperativer und hilfsbereiter. Umgekehrt macht ein gewisses Verhalten glücklich. Leute, die im Job erfolgreich sind, sind glücklicher. Leute, die einen Partner haben, sind glücklicher, ebenso hilfsbereite Leute. Wie diese Beispiele zeigen, ist es in vielen Fällen schwierig herauszufinden, in welche Richtung die Kausalität geht. So ist es nicht von vorneherein klar, ob verheiratete Menschen glücklicher sind oder ob glückliche Menschen leichter einen Partner finden und deshalb eher verheiratet sind. Die gleichen Faktoren können sowohl Einflussgrößen wie auch Folgen des Glücks sein. Will man das Glück von außen her beeinflussen, ist es wichtig, die Richtung der Kausalität zu identifizieren.

Methodisches Vorgehen

Der Einfluss unterschiedlicher Bestimmungsfaktoren auf die Lebenszufriedenheit wird mithilfe von multiplen Regressionen erfasst, bei denen die zu erklärende (oder abhängige) Variable, in diesem Falle das „Glück“, durch verschiedene Bestimmungsfaktoren erklärt wird. Dazu gehören sozio-demografische Faktoren (erfasst etwa durch Alter, Geschlecht oder Zivilstand), wirtschaftliche Faktoren (erfasst etwa durch Pro-Kopf-Einkommen, Arbeitslosigkeit oder Verteilung des Einkommens), religiöse und kulturelle Faktoren (erfasst etwa durch die Religionszugehörigkeit) sowie politische Faktoren (wie etwa das Ausmaß an demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und an politischer Dezentralisierung).

Grundsätzlich lassen sich zweierlei Arten von Daten verwenden:

  • Bei Querschnittsschätzungen werden Beobachtungen zwischen unterschiedlichen Personen oder Ländern zu einem Zeitpunkt verglichen;
  • bei Längsschnittsschätzungen werden Beobachtungen über die Zeit für Personen oder Länder verglichen.

Die beiden Arten von Daten lassen sich auch gleichzeitig verwenden. Am aussagekräftigsten sind Daten, bei denen eine bestimmte Person über einen längeren Zeitraum verfolgt wird. Die entsprechenden Beobachtungen für eine größere Zahl von Personen werden für Panel-Schätzungen verwendet. In der Glücksforschung wird oft mit Daten für Tausende oder gar Hunderttausende von Personen gearbeitet.

Danach werden diese multiplen Regressionen empirisch geschätzt. Da die zu erklärende Lebenszufriedenheit auf einen Bereich von 1 bis 10 beschränkt ist, sollte gemäß der zugrunde liegenden ökonometrischen Theorie eine kompliziertere Schätzmethode („ordered probit“) angewendet werden. In der Praxis ergeben sie jedoch für Glücksfunktionen häufig ganz ähnliche Ergebnisse wie bei der einfacheren Kleinstquadratschätzung. Die ökonometrische Schätzung in Form eines Koeffizienten gibt Auskunft über die Stärke des Einflusses einer bestimmten Variablen auf die Lebenszufriedenheit. Dabei wird der Einfluss aller anderen Variablen konstant gehalten. Mit unterschiedlichen Verfahren lässt sich erfassen, wie viel Vertrauen in die ökonometrische Schätzung gelegt werden kann:

  • Der t-Wert eines geschätzten Koeffizienten gibt an, mit welcher Sicherheit erwartet werden kann, dass dieser Wert tatsächlich von Null abweicht, das heißt „statistisch signifikant“ ist.
  • Noch wichtiger ist abzuklären, ob ein geschätzter Koeffizient robust ist, wenn andere erklärende Variablen in der Schätzgleichung entfernt oder zusätzliche Variablen hinzugenommen werden.
  • Schließlich kann die Güte einer Schätzung auch mithilfe von Prognosen abgeklärt werden. Wenn die Werte der erklärenden Variablen bekannt sind, sollten uns die geschätzten Koeffizienten erlauben, die Lebenszufriedenheit vorauszusagen, ohne dass wir den Indikator für die Lebenszufriedenheit kennen. Wenn die mithilfe der Schätzung vorausgesagte Lebensqualität nahe bei der empirisch erfassten Lebensqualität liegt, kann davon ausgegangen werden, dass die Schätzgleichung den Zusammenhang zwischen den Bestimmungsgründen und der Lebensqualität gut wiedergibt.

Bestimmungsgründe des Glücks

Die empirischen Untersuchungen zeigen: Die wichtigsten glücksstiftenden Bereiche für uns Menschen sind die Arbeit, der materielle Lebensstandard, die Familie und Freunde, die Freizeit sowie die Gesundheit. Einige wichtige Bestimmungsgründe des Glücks werden im Folgenden etwas genauer betrachtet:

Einkommen

Materielle Bedingungen und Aussichten sind für die meisten Menschen zwei wichtige Aspekte, wenn sie nach ihrer Lebenszufriedenheit gefragt werden. Reichere Personen geben eine höhere Lebenszufriedenheit an als ärmere. Zusätzliches Einkommen und Vermögen erhöht das subjektive Wohlbefinden aber nicht endlos. Die materiellen Werte dürfen nicht überbetont werden. Menschen streben auch immaterielle Ziele an. Glück kann nicht einfach mit Geld gekauft werden.

Wie sieht der Zusammenhang von Einkommen und Lebenszufriedenheit im Ländervergleich aus? Die zuweilen anzutreffende Verherrlichung des Armseins ist ein Mythos. Höheres Einkommen führt zu einer Zunahme der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit. Einkommen und Lebenszufriedenheit korrelieren positiv. Die Effekte sind aber klein und abnehmend. Andere Faktoren sind wichtiger, wenn es darum geht, Unterschiede in der Lebenszufriedenheit verschiedener Länder zu erklären. Mit zunehmendem Durchschnittseinkommen sind die Demokratien stabiler, sind die Menschenrechte sicherer und ist die durchschnittliche Gesundheit höher. Damit steigt auch die Lebenszufriedenheit.

Betrachten wir das Einkommen und die Lebenszufriedenheit im Zeitablauf: In vielen Ländern kann ein erstaunliches Phänomen beobachtet werden: Obwohl das Pro-Kopf-Einkommen in den vergangenen Jahrzehnten stark anstieg, ist das durchschnittliche Glücksniveau konstant geblieben oder sogar gesunken.

Weshalb hat eine Einkommenszunahme nicht einen stärkeren positiven Effekt auf die Lebenszufriedenheit? Wir Menschen fällen keine absoluten Urteile. Wir vergleichen uns mit unserem sozialen Umfeld, mit der Vergangenheit oder mit den Erwartungen für die Zukunft. Zwei psychologische Prozesse wirken in dieselbe Richtung: Der soziale Vergleich und der Gewöhnungseffekt formen die individuellen Erwartungen und lassen die Menschen nach immer mehr streben. Die Erwartungen nehmen laufend zu. Es entsteht eine Lücke zwischen dem, was man erreicht hat, und dem, was man gerne erreichen möchte. Als Folge dieser Diskrepanz nimmt die Lebenszufriedenheit kaum zu – trotz Einkommenszunahme.

Eine abschließende Überlegung gilt der Kausalität: Macht Geld glücklich, oder werden glückliche Leute reicher? Geld erhöht sicher – vor allem in armen Ländern und kurzfristig auch in reicheren – das subjektive Wohlbefinden. Die umgekehrte Kausalität gilt jedoch auch: Glückliche Menschen sind leistungswilliger und kreativer und verdienen deshalb mehr.

Wirtschaftslage

Arbeitslosigkeit verursacht Wohlfahrtsverluste, weil weniger Waren und Dienstleistungen produziert werden als bei Vollbeschäftigung. Bei dieser traditionellen Betrachtungsweise werden allerdings die psychischen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit vernachlässigt. Das subjektive Wohlbefinden sollte daher direkt erfasst werden. Die empirische Glücksforschung zeigt (und quantifiziert), dass

  • Erwerbslosigkeit beträchtliche psychische Kosten mit sich bringt und das Wohlbefinden der Arbeitslosen stärker reduziert als jede andere Ursache, einschließlich Scheidung und Trennung;
  • die Strenge der sozialen Arbeitsnormen einen beträchtlichen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit der Arbeitslosen hat;
  • Gewöhnungseffekte und soziale Vergleiche eine zentrale Rolle spielen;
  • nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch beschäftigte Personen unter der herrschenden Arbeitslosigkeit leiden und mit ihrem Leben weniger zufrieden sind, und
  • der Kausalzusammenhang primär von der Arbeitslosigkeit als Ursache zum Glücksverlust als Folge geht. Es zeigte sich aber auch, dass unglückliche Personen auf dem Arbeitsmarkt schlechter abschneiden.

Auch die Inflation hat eine Auswirkung auf das Wohlbefinden der Bevölkerung. Die meisten Ökonomen sehen in hohen, sich beschleunigenden Inflationen ein Problem, während eine konstante, voraussehbare Geldentwertung als weniger problematisch eingestuft wird. Die negative Auswirkung der Inflation auf das Wohlbefinden der Bevölkerung kann als substanziell bezeichnet werden. Arbeitslosigkeit macht jedoch unglücklicher als Inflation.

Die Frage, wie stark Einkommensunterschiede das Wohlbefinden beeinflussen, kann nicht pauschal beantwortet werden; der Einfluss von Einkommensunterschieden auf das Wohlbefinden der Bevölkerung ist kulturabhängig. In Europa wird eine ungleiche Einkommensverteilung als glücksmindernd beurteilt. In den USA beeinflusst das Einkommensgefälle zwischen Arm und Reich das Glück nicht, da der Glaube an „Tellerwäscher-Karrieren“ weit verbreitet ist; viele Amerikaner leben im Glauben, den Aufstieg zu schaffen, wenn sie möchten.

Politische Institutionen

Die Analyse der Auswirkungen der Institutionen auf die wirtschaftliche Aktivität war und ist ein wichtiger Untersuchungsgegenstand der traditionellen Ökonomie. Welche Auswirkungen diese Institutionen allerdings auf die Lebenszufriedenheit der Bürger haben, ist ein neues, noch junges Forschungsgebiet. Wir können zeigen, dass gute politische Institutionen tatsächlich die Lebenszufriedenheit erhöhen.

Je umfassender die direkt-demokratischen Möglichkeiten sind, desto höher schätzen die Bürger ihre Lebenszufriedenheit ein. Dieser Effekt ist statistisch signifikant und beträchtlich. Dabei wirken sich sowohl Ergebnis- als auch Prozessnutzen positiv aus: Je direkt-demokratischer ein Gemeinwesen ist, desto mehr entsprechen die durch Abstimmung erzielten Ergebnisse den Wählerwünschen (Ergebnisnutzen). Beim Prozessnutzen geht es um die grundsätzliche Möglichkeit, die eigene ideologische Position kundzutun, unabhängig davon, ob der Gang zur Urne irgendeine Auswirkung auf das Abstimmungsergebnis hat.

Auch die politische Dezentralisierung – der Föderalismus – beeinflusst die Lebenszufriedenheit der Bürger positiv und unterstützt die direkte Demokratie. In einem föderativen System herrscht Wettbewerb zwischen den Gliedstaaten. Die Steuerzahler können ihre Präferenzen durch Ab- beziehungsweise Zuwanderung kundtun. Lokale Autonomie erhöht die Lebenszufriedenheit der Bürger signifikant.

Die Auswirkungen der direkten Demokratie und des Föderalismus auf die Lebenszufriedenheit lassen sich anhand der Schweiz mit ihren Kantonen und Gemeinden gut analysieren. Die Schweiz ist weltweit das einzige Land, das über umfassende direkt-demokratische Mitbestimmungsrechte verfügt – und zwar auf allen Staatsebenen und in bezug auf alle Themen. Damit wird jedoch der Forschung Grenzen gesetzt, denn es kann kein internationaler Vergleich durchgeführt werden. Ein Ausweg besteht darin, Vergleiche zwischen den Kantonen durchzuführen, die sich aufgrund des föderativen Staatsaufbaus der Schweiz betreffend Ausmaß an direkter Demokratie und lokaler Autonomie sehr wohl unterscheiden. Die empirischen Studien zeigen, dass die für die Schweiz nachgewiesene hohe Lebenszufriedenheit der Bevölkerung in Kantonen mit stark ausgebauten direkten politischen Mitwirkungsmöglichkeiten und stark ausgeprägter lokaler Autonomie besonders hoch ist.

Selbstständigkeit und Freiwilligenarbeit

In westlichen Ländern sind ungefähr 10% der gegen Entgelt arbeitenden Bevölkerung selbstständig. Die empirischen Untersuchungen zeigen, dass Selbstständige zufriedener sind als Angestellte – obwohl sie im Durchschnitt weniger verdienen, länger arbeiten und ein höheres Risiko auf sich nehmen. Selbstständige können ihre Arbeit besser gestalten und erwerben damit einen Prozessnutzen. Gleichzeitig sind sie nicht in eine Hierarchie eingebunden. Selbstständige ziehen nicht so sehr aus dem Einkommen einen Nutzen, sondern weit mehr aus der Unabhängigkeit. Autonomie, Flexibilität und die Freiheit, eigene Potenziale zu nutzen, sind glücksstiftend und erhöhen die Zufriedenheit.

Freiwilligenarbeit kann das individuelle Wohlbefinden aus verschiedenen Gründen positiv beeinflussen. Leute können aus dem Helfen an sich einen Nutzen für sich ziehen. Sie haben eine intrinsische Motivation, sich um das Wohl anderer zu kümmern. Letztlich ist es eine empirische Frage, ob der Einsatz von Zeit und Geld für freiwillige und unentgeltliche Tätigkeiten zum individuellen Glück des Helfers beiträgt. Das Ergebnis entsprechender Untersuchungen ist eindeutig: Leute, die sich in der Freiwilligenarbeit engagieren, bezeichnen sich als zufriedener. Warum wird aber nicht mehr Freiwilligenarbeit geleistet, wenn sie doch die individuelle Zufriedenheit erhöht? Die Menschen sind offensichtlich nicht in der Lage, die Befriedigung und den Nutzen aus zukünftigen Tätigkeiten korrekt vorherzusehen. Sie unterschätzen den Nutzen von intrinsisch gesteuerten Tätigkeiten im Vergleich zum Nutzen extrinsischer Tätigkeiten, wie zum Beispiel zusätzlichen Einkommens durch Überstunden.

Heirat

Enge soziale Bindungen, allen voran die Ehe und die Familie, stiften einen großen Nutzen. Immaterielle Werte wie Ehe, Familie und Freunde leisten einen großen Beitrag zu unserer Lebenszufriedenheit. Alleinstehende Frauen und Männer sind tendenziell weniger glücklich als Verheiratete. Die Ehe erhöht die Lebenszufriedenheit. Der Unterschied zwischen der Lebenszufriedenheit von Singles und von Verheirateten nahm jedoch in den letzten Jahren ab.

Die Zufriedenheitskurve von Verheirateten unterliegt großen Schwankungen: Kurz vor der Trauung steigt die durchschnittliche Lebenszufriedenheit der angehenden Eheleute. Aber schon bald nach der Heirat beginnt aufgrund des Gewöhnungseffektes die Lebenszufriedenheitskurve wieder zu sinken. Nach einer gewissen Zeit erreichen die Ehepartner wieder ihr ursprüngliches Zufriedenheitsniveau. Nicht alle Gruppen ziehen aus der Eheschließung den gleichen Nutzen: Ehepartner mit großen relativen Lohnunterschieden profitieren stärker von der Ehe (Potenzial für eine produktive Spezialisierung). Eheleute mit einem ähnlichen Bildungshintergrund profitieren im Durchschnitt stärker von der Eheschließung als ungleiche Paare. Die Scheidungsrate nahm in den vergangenen Jahrzehnten stark zu. Kurzfristig sinkt die Lebenszufriedenheit der eben Geschiedenen drastisch. Zwei Jahre nach der Trennung sind beide jedoch im Durchschnitt signifikant zufriedener als zwei Jahre vor der Trennung.

Gleichstellung

Obwohl die Frauen oft weniger verdienen als ihre männlichen Arbeitskollegen, sind sie mit ihrem Job und ihrem Leben nicht weniger zufrieden als die Männer. Dieses Paradox lässt sich in der Schweiz beobachten, aber auch in anderen Ländern, allen voran in den angelsächsischen. Die Wahl der Vergleichsgruppen sowie soziale und kulturelle Normen spielen dabei eine erhebliche Rolle.

Fernsehen

Rationale Entscheidung erklärt normalerweise recht gut, was die Leute tun. Der Fernsehkonsum dürfte eine Ausnahme darstellen, vielleicht sogar eine besonders wichtige, weil Fernsehen heute eine der zeitintensivsten Freizeitaktivitäten ist. Kaum jemand würde bestreiten, dass Fernsehen Vergnügen bereitet, wenigstens während einer gewissen Zeit, und dass es eine wichtige Informationsquelle ist. Gleichwohl zeigt unsere Forschung, dass nicht alle fähig sind, die Entscheidung bezüglich Nutzen und (zukünftigen) Kosten vernünftig zu treffen. Viele Individuen verfügen über eine beschränkte Voraussicht und sind nicht in der Lage, beim Fernsehen das eigene Verhalten richtig zu steuern. Die ungenügende Selbstkontrolle ist vor allem eine Folge der geringen unmittelbaren Kosten des Fernsehkonsums. Die negativen Auswirkungen zeigen sich jedoch erst in der Zukunft. Das Ausmaß des Fernsehkonsums reflektiert daher nicht den persönlichen Nutzen. Im Durchschnitt und unter ansonsten gleichen Verhältnissen geben Personen, die viel Zeit vor dem Fernsehapparat verbringen, in Befragungen eine geringere Lebenszufriedenheit an. Dieser negative Zusammenhang ist größer für Leute mit hohen Opportunitätskosten der Zeit als für solche mit niedrigen Zeitkosten. Die beobachteten Korrelationen sind eindeutig. Die Unterschiede verschwinden nicht, wenn eine große Zahl von persönlichen Merkmalen mitberücksichtigt wird.

Erkenntnisse aus der Glücksforschung

Die Erkenntnisse der Glücksforschung sollen dazu beitragen, Voraussetzungen zu schaffen, dass der Einzelne sein ganz persönliches Glück finden kann. Die empirische Glücksforschung liefert wichtige Einsichten für die unterschiedlichsten Lebensbereiche und Gesellschaftsebenen:

Erkenntnisse für die individuelle Ebene

Die Erkenntnisse der Glücksforschung zeigen Stoßrichtungen auf, welche „Strategien“ für das persönliche Glück förderlich sind und welche nicht. So ist es sicher ratsam, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, in ein soziales Umfeld eingebunden zu sein und Beziehungen zu pflegen, zuweilen die eigenen Erwartungen zu senken und die für einen relevanten Referenzgruppen kritisch zu überdenken. Wir Menschen sollten unser Denken und Handeln jedoch nicht zu stark auf das Glücklichsein ausrichten. Lebenszufriedenheit sollte sich vielmehr als Nebenprodukt ergeben und kann nicht erreicht werden, indem man dem Ziel hinterherrennt, glücklich werden zu wollen.

Erkenntnisse für die Unternehmensebene

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit ihrem Leben generell und ihrem Job im Speziellen zufrieden sind, arbeiten tendenziell produktiver. Als Folge davon sind ebenfalls die Kunden glücklich und entwickeln eher eine Firmentreue. Und wenn Mitarbeitende und Kunden zufrieden sind, dann rechnet sich das auch für die Unternehmen. So lohnt es sich für die Unternehmen beispielsweise,

  • in die Betriebskultur zu investieren, denn das soziale Klima und Umfeld spielen eine zentrale Rolle für das Wohlbefinden;
  • Arbeitsinhalte und -strukturen unter die Lupe zu nehmen, denn Autonomie, Flexibilität und die Freiheit, eigene Potenziale zu nutzen, machen glücklich;
  • der internen Information und Kommunikation gebührend Beachtung zu schenken, denn der Prozessnutzen trägt zur Lebens- und Arbeitszufriedenheit bei;
  • auf eine gesunde Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen zu achten, denn gesunde Personen sind glücklich(er);
  • auf Arbeitsplatzsicherheit Wert zu legen und dieses Bestreben auch zu kommunizieren, denn Erwerbslosigkeit – oder die Angst davor – macht unglücklich;
  • die Leistungen der Mitarbeitenden nicht nur monetär abzugelten, denn wir Menschen streben nicht nur nach materiellem Reichtum, sondern auch nach Anerkennung und Status.

Erkenntnisse für die Ebene des Staates

Die fundamentalen sozialen Institutionen bestimmen die Anreize der Politiker. Wenn diese Institutionen einmal in Kraft sind, kann der laufende politisch-ökonomische Prozess kaum mehr beeinflusst werden. Ziel muss es daher sein, die politischen Institutionen derart auszugestalten, dass der Einzelne seine Präferenzen bestmöglich verwirklichen kann. Die Glücksforschung liefert uns Erkenntnisse, wie und in welchem Ausmaß Institutionen systematisch auf das individuelle Wohlbefinden wirken. Die Resultate der empirischen Glücksforschung sollten daher als Anhaltspunkte für den politischen Prozess genutzt und im politischen Wettbewerb und im Diskurs unter den Bürgern sowie zwischen den Bürgern und den Politikern bestätigt werden.

Zwei Institutionen beeinflussen das Glück signifikant: die direkte Demokratie und der Föderalismus. Beide tragen zu unserer Lebenszufriedenheit bei. Eine schrittweise Einführung der direkten Demokratie ist empfehlenswert, um intensive Diskussionen anzuregen, den nötigen Lernprozess zu unterstützen und die Beteiligten nicht zu überfordern. Eine innovative Lösung für den Föderalismus sind die „Functional Overlapping Competing Jurisdictions“, kurz FOCJ. Bei den FOCJ handelt es sich um regionale Gebietskörperschaften, die die Bevölkerung mit regionalen öffentlichen Leistungen versorgen und die Merkmale von Staatswesen aufweisen.

Grundsätzlich sind alle Faktoren, die die Lebenszufriedenheit systematisch beeinflussen, „Kandidaten“ für politische Interventionen. Eine gute Wirtschafts- und Sozialpolitik unterstützt das Wohlbefinden der Bevölkerung. Die Politik sollte daher beispielsweise

  • eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik unterstützen, die die Arbeitslosigkeit senkt, denn Arbeitslosigkeit beeinträchtigt die Lebenszufriedenheit besonders deutlich;
  • eine Familienpolitik betreiben, die die Werte von Familie und Partnerschaft unterstützt, denn soziale Beziehungen machen erwiesenermaßen glücklich;
  • eine Verkehrspolitik konzipieren, die die Mobilität senkt, denn dies schafft Zeit für soziale Beziehungen und dient der natürlichen Umwelt – beides Faktoren, die sich positiv auf das Wohlbefinden der Bevölkerung auswirken.

Ausblick

Die empirische Glücksforschung hat erste wichtige Schritte unternommen, steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Wertvolle Erkenntnisse wurden gewonnen, weitere Forschungsarbeiten werden noch folgen. Die „Glücksforschenden“ werden vorhandene Forschungsfelder konsequent weiterbearbeiten und vertiefen, sich aber auch neuer Fragestellungen annehmen müssen. Einige Beispiele:

  • Glücks-Maße: Es gibt noch eine Reihe offener Fragen methodischer Art. Insbesondere ist der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Messansätzen noch nicht abschließend geklärt, und es ist zu erwarten, dass auch in der Zukunft neue Messmethoden entwickelt werden. Auch besteht noch Forschungsbedarf hinsichtlich der Messung des Wohlbefindens einer Region oder Nation. Inwieweit können die Glücks- und Lebenszufriedenheitsmessungen in Form eines „Nationalen Glücksindikators“ die üblichen makroökonomischen Maße wie insbesondere das Sozialprodukt ergänzen oder gar ersetzen? Sowohl wissenschaftliche Kriterien als auch die Frage der politischen Akzeptanz sind dabei zu berücksichtigen.
  • Übertragbarkeit der Ergebnisse: Lassen sich die positiven Auswirkungen beispielsweise der umfassenden Mitbestimmungsrechte, so wie wir sie in der Schweiz kennen, auch auf andere Typen von Demokratien, auf andere Traditionen und Kulturen, auf andere Zeitalter übertragen?
  • Anpassungsprozesse und nachhaltiges Glück: Wie entwickelt sich das Wohlbefinden längerfristig? Bestehende Untersuchungen lassen vermuten, dass das Glück weniger vom absoluten Niveau abhängt, als vielmehr von Veränderungen. Für viele Einflussfaktoren des Glücks, wie zum Beispiel Einkommen oder Scheidung, finden die Menschen nach einem positiven oder negativen Schock nach einer gewissen Zeit wieder zu ihrem „natürlichen Glücks-Niveau“ zurück. Sie passen sich an die neue Situation an und kommen damit irgendwie zurecht. Mehr über die Charakteristiken dieses Anpassungsprozesses zu wissen, würde uns helfen, das nachhaltige Glück besser zu verstehen.
  • Auswirkungen auf das menschliche Verhalten: In welcher Weise unterscheidet sich das Verhalten von glücklichen Personen von solchen, die unglücklich sind? Zu dieser Frage sind erst einige isolierte Befunde vorhanden, nicht jedoch allgemein geltende Einsichten.
  • Natur oder Gesellschaft? Es ist noch ungeklärt, in welchem Umfang und auf welche Weise genetische Einflüsse das Glück beeinflussen. Da die menschlichen Gene durch Vererbung vorgegeben sind, entziehen sie sich dem direkten Einfluss der Politik. Sicherlich gilt jedoch, dass die in diesem Buch diskutierten gesellschaftlichen Einflüsse von großer Bedeutung sind und dass damit das Glück der Menschen beeinflusst werden kann.

Bei der empirischen Glücksforschung ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Ökonomie mit der Psychologie, aber auch mit den Politikwissenschaften und der Soziologie zentral. Die empirische Glücksforschung liefert wegweisende Erkenntnisse zu den verschiedenen Einflüssen auf das Wohlbefinden der Menschen und zu den komplexen Zusammenhängen. Die Forschung ist jedoch erst am Anfang; weitere Erkenntnisse können mit Spannung erwartet werden.

* Dieser Beitrag basiert auf Bruno S. Frey, Claudia Frey Marti: Glück – Die Sicht der Ökonomie, Zürich/Chur 2010.


DOI: 10.1007/s10273-010-1097-2

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