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Transatlantischer Handelsstreit: WTO-Urteil zu Airbus-Subventionen

Von Stephan Wittig

In dem seit 2004 andauernden Handelsstreit zwischen der EU und den USA über Subventionen für die Flugzeughersteller Airbus und Boeing ist der WTO-Dispute Settlement Body Ende Juni zu einem Urteil im Fall Airbus (DS 316) gekommen. Der Abschlussbericht wurde auf beiden Seiten des Atlantiks sehr unterschiedlich bewertet – beide Parteien erklärten sich zum Sieger. Zentraler Streitpunkt ist die von den Airbus-Konsortialstaaten gewährte Anschubfinanzierung (Launch Aid), die bis zu einem Drittel der Entwicklungskosten eines neuen Flugzeugs ausmachen kann. Insbesondere die Ausgestaltung dieser rückzahlbaren Darlehen in Deutschland, Großbritannien und Spanien wurde von der WTO aufgrund einer vermeintlichen Exportklausel und vergünstigter Zinssätze kritisiert. Die französische Launch Aid wurde hingegen als WTO-konform befunden, wodurch sich die Europäische Kommission in ihrer Auffassung bestätigt sieht, dass das Konzept der Anschubfinanzierung grundsätzlich legitim sei. Boeing fordert indes die Rückzahlung der für den A380 gewährten Kredite von 4 Mrd. Euro. Die WTO erachtete des Weiteren große Teile der Forschungsförderung, Kapitalerhöhungen in den 90er Jahren sowie Infrastrukturmaßnahmen an den Produktionsstandorten als illegale Subventionen. So wurden u.a. die Maßnahmen in Hamburg (Mühlenberger Loch) und Bremen als spezifische Subvention bewertet.

Der größte transatlantische Handelsstreit war vor sechs Jahren ausgebrochen, als Airbus nach dem A380 auch sein neues Langstreckenflugzeug, den A350, mit Hilfe von Launch Aid plante und Boeing seine Marktführerschaft zu verlieren drohte. Im bilateralen WTO-Agreement on Trade in Large Civil Aircraft (TLCA) von 1992 wurden die erlaubten Fördermaßnahmen zugunsten der europäischen und US-amerikanischen Luftfahrtindustrie geregelt. Im Oktober 2004 kündigten die USA das TLCA auf und beantragten ein WTO-Streitbeilegungsverfahren, das die EU mit einer Gegenklage erwiderte. Die Förderung für Airbus wurde bis dato eng an den Regeln des TLCA ausgerichtet. Dass die USA durch diese einvernehmlich erlaubte Förderung geschädigt worden sei, ficht die EU nun in einem Ende Juli beantragten Revisionsverfahren an. Die Feststellung einer Schädigung auf Drittmärkten (Serious Prejudice) ist in einem WTO-Subventionsverfahren von entscheidender Bedeutung. Ebenso wird die Entscheidung zu den Infrastrukturmaßnahmen und Launch Aid angefochten.

Die Entscheidung im Verfahren über US-Beihilfen für Boeing (DS317/353) steht noch aus. Ein für Juli angekündigter Zwischenbericht wurde auf September verschoben und der Abschlussbericht wird erst für das erste Halbjahr 2011 erwartet. Den USA wird eine indirekte Subventionierung durch Forschungs- und Rüstungsprogramme des Verteidigungsministeriums und der NASA sowie durch Steuervorteile in einzelnen Bundesstaaten vorgeworfen. Dass die parallel gestarteten Verfahren nun mit einem Jahr Verzögerung entschieden werden, wird vor allem auf europäischer Seite mit Sorge zur Kenntnis genommen. Zum einen wird das öffentliche Augenmerk momentan nur auf Airbus gerichtet, und zum anderen rückt eine Verhandlungslösung in weite Ferne. Dabei dürfte gerade die Kritik der WTO an der europäischen Forschungsförderung bedeutende Auswirkungen für den Bericht über US-Subventionen haben. Aber bis zur Entscheidung über den Tankerflugzeugauftrag des US-Militärs wird die Einscheidung zum Boeing-Verfahren nicht vorliegen. Aufgrund des vorliegenden Airbus-Berichts verlangt Boeing indes den Ausschluss von EADS aus dem Bieterverfahren.

Wie die Querelen um den US-Tankerauftrag zeigen, handelt es sich um einen hoch politischen Sektor. Mit dem Widerspruch der EU geht der Streit in eine neue Runde und wird sich sicherlich noch einige Jahre hinziehen. Schon jetzt ist er der teuerste Handelsstreit der WTO-Geschichte, an dessen Ende wahrscheinlich doch eine Verhandlungslösung stehen wird, da die Konkurrenz aus Brasilien, China und Russland den Kontrahenten das Duopol streitig machen möchte.

Modelle der Studienförderung: Cui bono?

Von Lena Ulbricht

Seit Beginn der Legislaturperiode scheidet die Studienförderung die Geister: Die Regierungsparteien setzen sich für einen massiven Ausbau des Stipendiensystems ein mit dem Ziel, akademische Exzellenz zu fördern. Die Oppositionsparteien kritisieren dies als Reichenförderung. Sie ziehen es vor, die Bedürftigkeit der Studierenden in den Vordergrund zu stellen. Im BAföG sehen sie das wichtigste Förderinstrument und fordern einen massiven Ausbau. Wer profitiert von den verschiedenen Modellen? Und welche Ziele verfolgen diese?

Das BAföG kann von fast allen Studierenden in Deutschland beantragt werden und wird nach Bedarf, d.h. abhängig vom Einkommen der Eltern gewährt. Da der Empfängerkreis groß ist und neben Mindestkriterien für die Studiendauer keine Leistungsansprüche gestellt werden, ist es von allen Förderinstrumenten am stärksten sozialpolitisch ausgerichtet. Durch seine jugendpolitische Orientierung ist es jedoch klar limitiert: Begrenzungen bezüglich des Alters, des Verdienstes und der Studiendauer schließen ältere Studierende weitgehend aus.

Stipendien, die über die sogenannten Begabtenförderwerke vergeben werden, richten sich an begabte Studierende, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Auch hier bemisst sich die Höhe des Stipendiums am Einkommen der Eltern, hinzu kommen Büchergeld sowie ein ideelles Förderangebot. Neben akademischen Leistungen ziehen die Förderwerke weitere Kriterien für die Auswahl der Empfänger heran, wie Persönlichkeit, Entwicklungspotenzial und gesellschaftliches Engagement. Hier finden sich Unterschiede zwischen den Stiftungen: Die häufig als sozial besonders selektiv kritisierte Studienstiftung des Deutschen Volkes ist nur eine unter vielen. Die Hans-Böckler-Stiftung bemüht sich z.B. besonders um Studierende, deren Eltern keine Akademiker sind, und die Heinrich-Böll-Stiftung gibt an, sich u.a. besonders für die Förderung von Studierenden mit Migrationshintergrund einzusetzen, usw. Wie erfolgreich diese Bemühungen sind, soziale Selektivität abzubauen, kann pauschal nicht beurteilt werden. Eine Studie hat jedoch an den Tag gebracht, dass die Stipendien der Begabtenförderwerke überwiegend an Studierende mit Akademikereltern gehen.

Das geplante Stipendienprogramm der Bundesregierung zeichnet sich dadurch aus, dass die Stipendien von den Hochschulen nach eigens bestimmten Kriterien vergeben werden. Hierfür erhalten diese staatliche Mittel, die sie mithilfe von Geldgebern aus der Wirtschaft aufstocken müssen. Letztere können ihre Gelder zweckgebunden vergeben. Die Chance auf ein solches Stipendium hat somit nur, wer an einer Hochschule studiert, der die Gewinnung externer Mittel gelingt. Hier sind regionale Ungleichheiten sowie Unterschiede zwischen Studienfächern zu erwarten. Je nach Ausrichtung der Hochschule ist damit zu rechnen, dass diese Stipendien mehr oder weniger einseitig nach akademischen Kriterien vergeben werden. Da die Hochschulen ein institutionelles Interesse an exzellenten Studierenden haben, wird die soziale Komponente bei der Vergabe vermutlich gering sein.

Es wird deutlich, dass eine zweidimensionale Bewertung der Förderlandschaft nicht angemessen ist: Das BAföG ist als sozialpolitisches Instrument systematisch ungenügend, und die Begabtenförderung hat nicht nur das Ziel, begabten Personen das Studium zu ermöglichen, sondern will explizit auch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung fördern. Das neue Stipendiensystem legt zudem offen, dass es bei der Förderpolitik nicht nur darum geht, wer die Förderung am meisten verdient hat, sondern dass es auch um die Gewinnung neuer Geldgeber geht.

Frauenerwerbstätigkeit: Wertewandel in der Gesellschaft?

Von Andreia Tolciu

Vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Bevölkerung und dem damit verbundenen anteiligen Rückgang der Erwerbstätigen gewinnt in der aktuellen politischen Diskussion eine nachhaltige Familienpolitik immer mehr an Bedeutung. Ziel dieser Politik ist neben einer Erhöhung der Geburtenrate, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken, auch eine Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit, um den zukünftigen Arbeits- bzw. Fachkräftemangel zu vermeiden oder zumindest abzumildern.

Untersuchungen zufolge ist das Potenzial an weiblichen Arbeitskräften im Vergleich zu Männern trotz wachsender Erwerbsbeteiligung der Frauen (von 1991 bis 2004 legte die Quote der weiblichen Erwerbstätigen um knapp 1,5 Prozentpunkte zu) kaum ausgeschöpft. Wenngleich die Zahl berufstätiger Frauen in Deutschland leicht angestiegen ist, hat deren Arbeitsvolumen insgesamt nicht zugenommen. So ist die Zahl der Frauen, die einer Vollzeittätigkeit nachgehen, gesunken, während zugleich viele eine Teilzeitarbeit oder eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen haben. Erklärungen für diese ungleiche Arbeitsmarktpartizipation sind in erster Linie in den unterschiedlichen Lebensentwürfen von Frauen und Männern zu suchen. Diese werden nicht nur durch eigene sozioökonomische Merkmale und aktuelle berufliche Konstellationen, sondern auch durch soziale und kulturelle Prägungen bestimmt.

Studien zufolge beeinflusst ein traditionell geprägtes Umfeld, in dem die Frau hauptsächlich zu Hause bleibt und sich um die Erziehung der Kinder sowie den Haushalt kümmert, ihr Erwerbsverhalten negativ. Frauen, die in einem solchen Familienbild verwurzelt sind, verändern ihr Erwerbsmuster kaum, selbst wenn „äußere Anlässe“ wie zum Beispiel eine günstige Arbeitsmarktlage dies fördern würden. In diesem Zusammenhang steht auch die Erkenntnis, dass sich ein in bestimmten Regionen vorherrschendes traditionelles Verständnis der Frauenrolle in einer niedrigen regionalen Frauenerwerbsquote widerspiegelt.

In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Erwerbsrollen und Lebensentwürfe der deutschen Bevölkerung kaum verändert. Weiterhin lässt sich in Deutschland ein Ost-West-Gefälle in den Wertevorstellungen zur Rolle der Frau erkennen. Dabei gilt, dass Westdeutsche sich im Hinblick auf die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau und die Konsequenzen der Frauenberufstätigkeit für die Familie immer noch traditioneller äußern als Ostdeutsche. Dies ist durch die früheren unterschiedlichen sozialen, kulturellen und ökonomischen Kontextbedingungen erklärbar, die in Ost- und Westdeutschland vorherrschten. Offensichtlich beeinflussen diese Prägungen selbst lange Zeit nach der Wiedervereinigung sowohl das Arbeitsmarktverhalten als auch die Arbeitseinstellungen der deutschen Bevölkerung.

Die Erkenntnisse über die unterschiedlichen Ausprägungen der Einstellung zur Frauenrolle in der Gesellschaft, als auch jene über die Relevanz von Normen auf dem Arbeitsmarkt, signalisieren besonders den politischen Entscheidungsträgern, dass sie zukünftig nicht nur arbeitsmarktspezifische Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit im Blick haben, sondern vermehrt auch die vorherrschenden Einstellungen und sozialen Normen berücksichtigen müssen. Wenn politische Entscheidungen erfolgreich umgesetzt werden sollen, muss dies gleichzeitig auch mit einer Leitbildveränderung im Sinne eines Wertewandels einhergehen, die von allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen getragen wird.

Elektromobilität: Deutschland verliert den Anschluss

Von Ferdinand Dudenhöffer

Elektromobilität ist ein großer Wachstumsmarkt. Da Hochleistungsbatterien und Komponenten für Elektrofahrzeuge kapitalintensiv produziert werden, lässt sich im Hochlohnland Deutschland damit ideal Wertschöpfung generieren. Zentral für den Markterfolg von Elektroautos sind Energiedichte und Kosten der Hochleistungsbatterie, also der Grad der Industrialisierung. Bereits im Jahr 2025 beträgt der weltweite Umsatz für Hochleistungsbatterien über 130 Mrd. Euro. Würden wir uns 25% davon herausschneiden, also den Anteil der deutschen Autobauer am Weltautomarkt, entspräche dies 100 000 Arbeitsplätzen. Es überrascht daher wenig, dass die Bundesregierung im „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität entwickeln will. Deshalb sollen im Jahre 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren. Können diese Ziele erreicht werden?

Im Gegensatz zu den USA oder China, das für die Unterstützung der Elektromobilität 10 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln bereitstellt, sind die Budgets in Deutschland „bescheiden“. Das größte Projekt sind acht Modellregionen, die mit 115 Mio. Euro aus dem Konjunkturpaket II gefördert werden. Schon die Beschreibung des Projekts zeigt das Manko deutscher Förderpolitik. In den Modellregionen werden über 190 Einzelprojekte gefördert. Damit entfällt auf das Durchschnittsprojekt eine Fördersumme von 605 000 Euro. Es dominiert das föderalistische Prinzip, das nach „Gießkannenmanier“ subventioniert. Dabei sind Stilblüten zu beobachten – wie etwa in der Rhein-Main-Region die Demonstration der Elektromobilität an einer „Buslinie 103“. Während in den USA und anderen Ländern der Bau von Batteriewerken vorangetrieben wird, konzentrieren wir uns auf die Buslinie 103. Zusätzlich herrscht Doppelt- und Dreifachforschung. Fast überall wird die Ladestruktur getestet, überwiegend mit regionalen Energieversorgern. In mehreren Regionen werden Diesel-Hybridbusse in den Busverkehr genommen. Dieselhybridbusse sind Serienprodukte. Ein Großteil der Projekte testet den Einsatz von Elektrorollern und -fahrrädern. Beides sind ebenfalls Serienprodukte, die in fast jedem Baumarkt als China-Importe angeboten werden. Die Fördersumme wird nicht auf Leuchtturmprojekte konzentriert, sondern breit gestreut. Das Rad wird simultan mehrfach erfunden. Impulse zur Industrialisierung der Elektromobilität können aus diesen Projekten kaum erwartet werden.

Zwar sollen auf der nationalen Plattform für Elektromobilität neue Projekte folgen. Bis allerdings ein Programm für die Industrialisierung implementiert ist, vergehen gut fünf Jahre. Derweil werden Werke für Hochleistungsbatterien in Japan, den USA, Großbritannien, Frankreich, Portugal, Korea, China gebaut. Bereits 2015 werden diese Werke Batteriezellen für 2,5 Mio. Fahrzeuge bauen. Dem „Leitmarkt Deutschland“ läuft die Zeit davon. Deshalb wird das Ziel, eine Million Elektroautos bis 2020 auf die Straße zu bringen, verfehlt. An VW lässt sich das erläutern. 2018 sollen 3% des VW-Absatzes Elektroautos sein. Für Audi und VW wären das im Jahre 2018 in Deutschland gerade einmal 25 500 Autos. Heute fahren 1600 Elektroautos auf Deutschlands Straßen. Die Zahlen zeigen, wie illusionär das Ziel der Kanzlerin ist. Soll die Elektromobilität in Deutschland forciert werden, braucht es drei Dinge. Erstens, höhere Forschungs- und Entwicklungsbudgets, zweitens, industrielle Leuchtturm-Projekte und drittens, Vorteile für Elektroautos wie die Nutzung von Busspuren oder die Zufahrt zu verkehrsfreien Zonen. Nur dann besteht die Chance, den Rückstand aufzuholen.


DOI: 10.1007/s10273-010-1106-5

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