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Die neueren gesetzlichen Regelungen zur Vergütung von Managern setzen wichtige Anreize zum verantwortungsvollen und nachhaltigen Handeln, gehen aber nicht weit genug. Im Vordergrund stehen nachhaltige Vergütungsmodelle, klarere Haftungsvorschriften und mehr Beteiligungsrechte. Allerdings lässt auch das neue Regelwerk Spielräume, um die Zielsetzung der neuen Vorschriften zu unterlaufen.

Ein Sturm der Entrüstung zog durch die Lande, als die einzelnen Puzzlestücke der Ursachen der Finanzkrise zusammengesetzt wurden. Nicht zuletzt waren die Verwerfungen auf den Finanzmärkten den Vergütungspraktiken der Finanzinstitute zuzuschreiben. Anstoß wurde nicht nur an der schieren Höhe der Gehälter genommen, die in einigen Fällen im krassen Missverhältnis zu dem Versagen der Entscheidungsträger stand, ohne dass diese haftbar gemacht und zur Verantwortung gezogen wurden. Darüber hinaus wurde offenbar, dass das praktizierte Anreiz- und Vergütungssystem im Finanzsektor so verzerrt war, dass sich individuelle Entscheidungsträger zur maximalen Rendite in kürzestmöglicher Zeit geradezu angespornt fühlen mussten. Schnell stand die Frage im Raum, ob und wie der Staat auf diese Fehlentwicklungen durch Einflussnahme auf die Vergütungsstruktur reagieren solle.1

Staatseingriffe bei Marktversagen durch unternehmerische Vergütungspraxis

Prinzipiell ist es in einer Marktwirtschaft nicht Aufgabe des Staates, die Höhe der Vergütung von Vorständen zu bestimmen oder in ihre Vergütungsstruktur einzugreifen. In einer ordoliberalen Wirtschaftsordnung beschränkt sich der Staat darauf, insbesondere dort einzugreifen, wo es zu Marktversagen kommt. Ein Marktversagen tritt insbesondere dann auf, wenn der rechtliche Rahmen den Entscheidungsträgern Anreize zu einem Verhalten setzt, bei dem diese die sozialen Kosten ihres Handelns nicht in ihr Entscheidungskalkül aufnehmen. In einer solchen Situation sieht der Einzelne die Möglichkeit seines individuellen Gewinns; zugleich verkennt er aber, dass das daraus resultierende Risiko ein Dritter trägt. Somit handelt das Wirtschaftssubjekt aus individueller Sicht rational, allerdings impliziert sein Handeln zusätzliche Kosten für die Gesellschaft. Es kommt zu negativen externen Effekten, bei denen die individuellen Grenzkosten, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden, unter den sozialen Kosten liegen. Unter diesen Umständen muss der Staat als lenkende Hand eingreifen, um die Anreizparameter des Wirtschaftssubjekts in Einklang mit der Maximierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt zu bringen.

Das beschriebene Marktversagen ist während der Finanzkrise in zweifacher Gestalt zu Tage getreten. Zum einen zeigt es sich auf der Makroebene (d.h. dort, wo die Rahmenbedingungen für die Finanzinstitute als Wirtschaftssubjekt festgelegt sind) aufgrund der geringen Eigenkapitalanforderungen für Finanzinstitute. Die Beteiligung der Aktionäre an den Gewinnen der Finanzinstitute korrespondiert nicht mit den möglichen Verlusten – Aktionäre streichen die Gewinne, die sich unter Einsatz risikobereiten Handelns ergeben, vollumfänglich ein, während sie im Verlustfall nur in Höhe der Eigenkapitalquote haften und die restlichen Verluste den Gläubigern oder Steuerzahlern aufbürden.2 Vor diesem Hintergrund wird nach allgemeiner Auffassung ein neues System der Eigenkapitalisierung für erforderlich gehalten, das gegenwärtig vom Basel II-Ausschuss ausgearbeitet wird.3

Ein weiteres Marktversagen lässt sich auf der Mikroebene (d.h. auf der Ebene des individuellen Finanzinstituts) durch die Ausgestaltung der Vergütungsstruktur der Vorstände und Manager beobachten. Das Entlohnungssystem sah vor, dass derjenige, der Erfolg hatte, einen hohen Bonus beanspruchen konnte, bei Misserfolg aber keinen Malus hinnehmen musste. Ein solches Vergütungssystem ergibt sich logisch zunächst aus dem Marktversagen auf Makroebene, nämlich der eingeschränkten Haftung der Eigentümer im Verhältnis zu den Gläubigern. Denn die Möglichkeit der Banken, mit geringen Eigenkapitalquoten zu operieren, ermöglicht den Anteilseignern der Banken hohe Renditen auf ihr Eigenkapital, während Verluste nur zu einem Teil von den Eigentümern getragen werden müssen.

Aus dieser ungleichen Verteilung zwischen dem Gewinn, der vollumfänglich den Anteilseignern zugute kommt, und dem Risiko, das im Verlustfall zum Großteil von den Gläubigern getragen wird, erschließt sich auch die Ausgestaltung des Vergütungssystems des Vorstands und der Manager durch den Aufsichtsrat, in dem die Eigentümer die Entlohnung festsetzen. Da die Eigentümer durch die Haftungsbeschränkung profitieren, gestalten sie auch die Entlohnung in einer Art und Weise, dass dadurch Anreize gesetzt werden, die Rendite auf das Eigenkapital in höchstmöglicher Weise zu steigern, ohne das vollständige Risiko zu berücksichtigen, das im Verlustfall zum großen Teil von den Gläubigern zu tragen ist. Insofern ist auch die in § 87 Absatz 1 Aktiengesetz (AktG) niedergelegte Pflicht des Aufsichtsrats, dafür zu sorgen, dass die Vergütung jedes Vorstandsmitglieds in ein angemessenes Verhältnis zu seiner Aufgabe und der Lage der Gesellschaft steht, von beschränkter Wirkung, weil die Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat kein genuines Interesse daran haben, die Maximierung der Eigenkapitalrendite den Interessen von Gläubigern und Steuerzahlern unterzuordnen.

Neue Regeln zur Vorstands- und Managervergütung

Reichen die als Antwort auf diese Missstände getroffenen Maßnahmen aus, um die in der Vergangenheit aufgetretenen Auswüchse risikoreichen Handelns in Zukunft zu vermeiden? Zunächst hat der Bundestag im Juni 2009 das „Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG)“ verabschiedet, mit dem das Aktiengesetz novelliert wird. Kerngegenstand der Reform ist eine verbesserte „Corporate Governance“ durch geeignete Regeln der Festsetzung und der Kontrolle von Vorstandsvergütungen. Künftig wird es nicht mehr möglich sein, einen kleinen (Personal-)Ausschuss des Aufsichtsrats über die Höhe der Vorstandsvergütungen entscheiden zu lassen. Stattdessen wird diese Aufgabe vom gesamten Aufsichtsrat wahrzunehmen sein. Auch wird die persönliche Haftung eines jeden Mitglieds des Aufsichtsrats für das Festsetzen einer unangemessenen Vergütung im Gesetz ausdrücklich hervorgehoben. Schließlich erhält die Hauptversammlung das Recht, zu dem vom Aufsichtsrat zu verantwortenden Vergütungssystem in Form eines bewertenden, letztlich allerdings unverbindlichen Beschlusses Stellung zu nehmen. Jenseits dieser auf die Verbesserung der „Corporate Governance“ gerichteten Maßnahmen sieht die Gesetzesnovellierung in § 87 Absatz 2 AktG eine mögliche nachträgliche Herabsetzung der Vorstandsbezüge im Falle einer Verschlechterung der Unternehmenslage vor. Des Weiteren wird börsennotierten Gesellschaften vorgeschrieben, dass mittels variabler Vergütungsbestandteile mit mehrjähriger Bemessungsgrundlage und einer verlängerten Haltedauer von Aktienoptionen (vier Jahre) langfristige Verhaltensanreize zu setzen sind.

In eine ähnliche Richtung versucht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die Vergütungsstruktur der Manager (außerhalb des Vorstands) von Finanzinstituten zu lenken. Die Finanzinstitute werden verpflichtet, ihre Vergütungssysteme so auszurichten, dass schädliche Anreize, unverhältnismäßig hohe Risikopositionen einzugehen, vermieden werden.4 Bei der variablen Vergütung sind neben dem individuellen Erfolgsbeitrag auch der Erfolgsbeitrag der Organisationseinheit des jeweiligen Mitarbeiters sowie der Gesamterfolg des Instituts zu berücksichtigen. Zudem müssen sich zukünftige negative Entwicklungen bei der variablen Vergütung dahingehend widerspiegeln, dass der Messzeitraum für die variable Vergütung und der Leistungszeitraum für die Vergütung unter Berücksichtigung der Laufzeit der Risiken langfristig zu gestalten sind. Die Bundesregierung geht nunmehr mit dem am 17.6.2010 vom Bundestag beschlossenen „Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme bei Banken und Versicherungen“ noch einen Schritt weiter. Die Bafin soll die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile ganz untersagen oder auf einen bestimmten Anteil des Jahresergebnisses beschränken dürfen, wenn die Banken die Mindestanforderungen etwa an Eigenmittel und Liquidität nicht mehr erfüllen. Mit dieser Regelung sollen die Standards des Financial Stability Board (FSB) umgesetzt werden.5 Der Vorschlag des FSB sieht unter anderem vor, dass Bankmanagern ihre Boni für ein Geschäftsjahr erst zwei oder drei Jahre später ausgezahlt werden. Zudem sollen die Aufschläge an den Geschäftsverlauf der jeweiligen Bank gekoppelt sein.

Neue Umgehungsmöglichkeiten bei der Vergütungsstruktur

Die Maßnahmen sind unterschiedlich zu beurteilen. Positiv ist, dass die Vorschriften eine verstärkte Wahrnehmung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten im Entscheidungsprozess erwarten lassen. Zudem wird durch eine breitere Beteiligung bei der Festlegung der Vorstandsvergütungen auch eine besser legitimierte Kontrolle und damit wohl auch eine Begrenzung der Gehälter ermöglicht. Auch die Einführung einer Karenzzeit von zwei Jahren für den Wechsel bei börsennotierten Gesellschaften aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat fördert den Abbau von Kontrolldefiziten. Ein Fortschritt ist auch, dass künftig kurzfristige Renditen bei den variablen Bestandteilen der Vergütung von Geschäftsleitern und von Mitarbeitern, die hohe Risikopositionen begründen können, keine Rolle mehr spielen. Institute müssen sich bei der variablen Vergütung solcher Personen am Erfolg der Organisationseinheit und am Gesamterfolg des Instituts orientieren. Das Wohl des Mitarbeiters wird somit an das Wohl des Instituts gebunden. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass ein Geschäftsabschluss unter Risikogesichtspunkten nicht vertretbar ist, müssen die Verantwortlichen einen Teil oder sogar ihren gesamten Bonus zurückzahlen. Die Vergütungssysteme werden zukünftig so ausgerichtet sein, dass schädliche Anreize, unverhältnismäßig hohe Risikopositionen einzugehen, zumindest eingeschränkt werden. Insbesondere das Recht der Bafin, die Auszahlung von Boni ganz zu untersagen, wenn die Bank bestimmte Anforderungen an die Eigenmittel nicht mehr erfüllt, ist positiv zu bewerten. Denn dies ermöglicht, dass hohe Bonuszahlungen besonders dann verhindert werden, wenn diese nicht zu der wirtschaftlichen Lage der Bank passen.

Demgegenüber lässt sich feststellen, dass die Gesetzesänderungen nicht ausreichen, sämtliche Fehlanreize zum verantwortungsvollen und nachhaltigen Handeln zu beseitigen bzw. nicht verhindern, dass neue Fehlanreize entstehen. Zweifel bestehen daran, dass die Vergütungsstruktur nicht auf andere Weise so angepasst wird, dass sich Manager ihrer Verantwortlichkeit und Haftung wieder weitgehend entziehen können. Denn die variable Vergütung ist der einzige Gehaltsposten, auf den sich negative Geschäftsentwicklungen auswirken können – das Grundgehalt bleibt unangetastet. Damit verbleiben bei der Gehaltsausgestaltung Spielräume, die eine Umgehung einfach machen. Ein wirkliches „Malussystem“, bei dem sich der Misserfolg auch durch eine Kürzung des Grundgehalts bemerkbar macht, wurde schließlich nicht eingeführt. Vielmehr werden sich Banken dadurch der beabsichtigten Risikobegrenzung entziehen können, dass sie den Anteil der Grundvergütung erhöhen und den variablen Vergütungsanteil minimieren. Auf diese Weise bliebe der Abschluss risikoreicher Geschäfte weiterhin ohne anreizoptimale Konsequenzen für die Manager. Weiterhin könnten Managergehälter so ausgestaltet werden, dass diese einen Großteil der von ihnen eingegangenen Risiken nicht selbst tragen müssten.

Das neue Vergütungsmodell der Deutschen Bank illustriert die Umsetzung der Vorschriften.6 Von den insgesamt 39 Mio. Euro, die an den Vorstand der Deutschen Bank für das Jahr 2009 ausgezahlt werden, sind lediglich 17% feste Gehaltsbestandteile, während 83% erfolgsabhängig sind. Ein Großteil dieser Summe steht unter Auszahlungsvorbehalt. Rund 70% werden erst über die nächsten Jahre ausgezahlt, und zwar nur dann, wenn bestimmte Ergebnisziele erreicht werden. Zentrales Ergebnisziel ist dabei die Eigenkapitalrendite. Hinzu kommt die Entwicklung des Aktienkurses und die Dividendenrendite im Vergleich zu den Konkurrenten. Außerdem hat der Aufsichtsrat der Deutschen Bank bestimmt, dass Vorstände 45% ihrer aktienbasierten Boni-Zahlungen in Deutsche Bank-Aktien halten müssen, bis sie das Unternehmen verlassen. So soll die Orientierung an nachhaltigen Zielen verbessert werden.

Kritikwürdig ist dabei zunächst die zentrale Ausrichtung auf die Eigenkapitalrendite als Kriterium für variable Vergütungsbestandteile. Dadurch wird der minimale Eigenkapitaleinsatz und der größtmögliche Fremdkapitaleinsatz gefördert. Das führt unweigerlich zu eben jenen Fehlanreizen, die durch erhöhte Eigenkapitalanforderungen der Banken vermieden werden sollten. Die Manager werden auch weiterhin versuchen, ihre Geschäfte durch so wenig Eigenkapital wie möglich abzusichern. Darüber hinaus ist ebenso skeptisch zu sehen, dass die Deutsche Bank für die Jahre ab 2010 plant, die Grundgehälter der Vorstände um 350 000 Euro im Jahr zu erhöhen, aber gleichzeitig die variable Vergütung um diesen Betrag zu kürzen. Damit tritt genau das ein, was hätte vermieden werden sollen: Der Anteil der Vergütung, auf den sich die Nichterreichung langfristiger Ziele auswirken könnte, wird zusammengestrichen. Unterm Strich veranschaulicht das neue Vergütungsmodell der Deutschen Bank, dass die neuen Regeln zur Managervergütung weiterhin Spielraum bieten, die angestrebte Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle zu umgehen.

Ungenügende persönliche Haftung bei drittschädigendem Fehlverhalten

Ein weiterer verbleibender Missstand ist die beschränkte persönliche Haftung der Verantwortlichen für die Finanzkrise. Die persönliche Haftung von Vorstandsmitgliedern und Managern ist ein Gebot der Verwirklichung des ordnungspolitischen Grundsatzes der Haftung der Entscheidungsträger für ihr Fehlverhalten. Wohlfahrtsoptimale Entscheidungen werden nur getroffen, wenn dadurch mögliche Schäden zu Lasten Dritter abgewendet oder aber ersetzt werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Änderung des Aktiengesetzes unzureichend. Zwar ist die Haftung der Vorstände bereits heute im Aktiengesetz (§§ 93, 116 AktG) geregelt. Dort ist sogar festgelegt, dass Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft für leichtes Verschulden ohne jede Obergrenze mit ihrem Privatvermögen haften. Um die persönliche Haftung ihrer Vorstände zu vermeiden, haben die Gesellschaften in der Vergangenheit Versicherungen zu deren Absicherung abgeschlossen, so dass diese selber keinen Eigenanteil tragen mussten. Mit der Novellierung des Aktiengesetzes vom Juli 2009 hat der Gesetzgeber nunmehr die vollständige Haftungsbefreiung der Vorstandsmitglieder untersagt, indem er einen „Selbstbehalt von mindestens 10% des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds festgelegt hat.“7 Die Neuregelung ist allerdings mit Blick auf die Höhe und Ausgestaltung des Selbstbehalts ungenügend. Denn dadurch, dass sich dieser nur auf das feste Jahreseinkommen und nicht auf variable Vergütungsanteile bezieht, ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten, die Regelung zu umgehen.

Außerdem lässt die Gesetzesänderung ausdrücklich zu, dass sich der Vorstand auch gegen das Selbstbehaltrisiko versichern kann. Das hat Versicherungen als Reaktion auf die Gesetzesänderung zum Angebot solcher Policen veranlasst, die Unternehmen die Möglichkeit bieten, auch den Selbstbehalt ihrer Vorstandsmitglieder zu versichern. Damit ändert sich im Vergleich zur vorherigen Situation überhaupt nichts, und die Intention der Gesetzesänderung wird nicht erreicht. Hinzu kommt schließlich, dass die Neuregelung auch die Interessen eines großen Teils der Geschädigten ignoriert, da das Unternehmen des Vorstandsmitglieds der einzige Anspruchsberechtigte ist, während Anleger und Steuerzahler, die entweder direkt oder indirekt Geldeinbußen hinnehmen mussten, leer ausgehen. Diese formal-gesetzliche Möglichkeit, gegen den Vorstand Klage auf Schadensersatz zu erheben, erweist sich auch deshalb als wirkungslos, weil Unternehmen nur in äußerst seltenen Fällen ihre eigenen Vorstandsmitglieder verklagen – denn das bedeutet immer auch ein Eingeständnis, dass ein unfähiger Manager eingestellt wurde. Nur wenn aufgrund des Fehlverhaltens geschädigte Anleger, entlassene Mitarbeiter und auch lastentragende Steuerzahler die persönliche Haftung einklagen könnten, wäre diese Vorschrift ein effektives Instrument, die Manager zur Verantwortung zu ziehen.

Demgegenüber müssen auch die negativen Folgen beachtet werden, die eintreten, sobald Anleger und Steuerzahler uneingeschränkt zur Erhebung von Schadensersatzklagen gegen Vorstandsmitglieder berechtigt wären. Derartige Klagen würden voraussichtlich schnell ausufern und letztlich dazu führen, dass Vorstandsmitglieder bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten stark gehemmt würden, weil sie ständig befürchten müssten, verklagt zu werden. Man gerät hier in eine Zwickmühle zwischen gesellschaftlich wie ökonomisch gebotenem Haftungsdurchgriff zugunsten der Geschädigten und der gleichzeitig gebotenen Begrenzung der Haftung. Möglicherweise würde es zur Herbeiführung eines grundlegenden Kulturwandels in den Unternehmensführungen aber bereits ausreichen, wenn eine Haftungsvorschrift mit scharfen Zähnen existierte, die gleichwohl an hohe Anforderungen geknüpft wäre, um eine übermäßige Klagewelle abzuwenden. In diesem Sinne könnte man den Kreis der Anspruchsberechtigen auf jedermann, der einen Schaden erleidet, erweitern und zugleich die Beweislast den Klägern auferlegen. Eine solche Regelung ließe erwarten, dass sich Vorstände mehr als zuvor der Konsequenzen ihres Handelns für die Gesellschaft bewusst werden und nicht nur die Profitmaximierung des eigenen Unternehmens im Auge haben. Ein weiterer positiver Nebeneffekt wäre vermutlich, dass die Versicherungsprämien für den Haftungsausschluss des Vorstands steigen würden, denn das Risiko einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme wäre deutlich höher. Das Unternehmen, das für die Versicherungssumme aufkommt, würde dann seinerseits eine höhere Sorgfalt bei der Auswahl seiner Vorstände walten lassen und ein besseres Kontrollmanagement betreiben.

Unzureichende Beteiligung der Beschäftigten an der Festlegung der Managervergütung

Mit gemischten Gefühlen ist auch die Neuregelung zu sehen, wonach die Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaften über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen kann. Das darin ausgedrückte Bemühen des Gesetzgebers, mehr Kontrolle und Legitimität der Gehälter zu erreichen, ist begrüßenswert. In Großbritannien und den Niederlanden gilt dieses Verfahren schon seit längerem. Siemens, ThyssenKrupp und Infineon gehörten Ende 2009 zu den ersten großen Unternehmen, die diesem Erfordernis nun auch nachgekommen sind. Es verbleiben jedoch einige Mankos. Eines davon ist, dass der Beschluss weder Rechte noch Pflichten begründet und somit unverbindlich ist. Die Hauptversammlung hat somit letztlich kein effektives Mittel, um auf die Gehälter gestaltend Einfluss zu nehmen. Darüber hinaus ist aber auch zu kritisieren, dass durch die Beteiligung der Aktionäre wohl kein fundamental anders ausgestaltetes Vergütungssystem erreicht wird, als wenn der Aufsichtsrat dies allein tut. Denn den Aktionären geht es maßgeblich darum, die Eigenkapitalrendite zu maximieren und möglichst hohe Ausschüttungen zu erzielen – damit ist eigentlich vorprogrammiert, dass auch die Aktionäre ihre Manager zu kurzfristig profitablen Anlagestrategien ermutigen wollen. Außerdem sind Kleinanleger, die gewöhnlich noch am ehesten ein Interesse an einem soliden und nachhaltigen Wachstum ihres Wertpapierportfolios haben, häufig nicht in den Hauptversammlungen anwesend. Sie lassen ihre Interessen meistens von ihrer Bank wahrnehmen oder erscheinen gar nicht. Damit wird in der Hauptversammlung einem Abstimmungsverhalten Vorschub geleistet, das – abgesehen von seiner Öffentlichkeitswirksamkeit – kaum Änderungen gegenüber der bisherigen Gehaltsfestlegung durch den Aufsichtsrat erwarten lässt.

Um wirklich nachhaltige Lohn- und Gehaltspolitik zu betreiben, kommt man nicht umhin, auch die Angestellten eines Unternehmens bei der Festlegung der Gehälter in noch weiterem Umfang zu beteiligen, als es durch den Aufsichtsrat bislang geschieht. Nur sie haben ein originäres Interesse daran, dass ihr Unternehmen mit einer langfristig nachhaltigen Geschäftspolitik geleitet wird. Zu beachten ist auch, dass ein signifikanter empirischer Zusammenhang zwischen der Bezahlung von leitenden Managern und dem Arbeitseinsatz der Angestellten besteht.8 Eine überhöhte Managerentlohnung kann für die unternehmerische Produktivität nachteilig sein. Idealerweise würde deshalb über die Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hinaus auch der Betriebsrat oder ein anderes mit Arbeitnehmern besetztes Gremium ebenfalls über die Gehaltsvorschläge abstimmen. Auf diese Weise könnte ein sinnvolles Korrektiv zu den Entscheidungen des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung geschaffen werden.

Fazit

Mit dem im Juni 2010 verabschiedeten Gesetz zu den Vergütungssystemen bei Banken und Versicherungen wird eine Reihe gesetzgeberischer und aufsichtsrechtlicher Maßnahmen abgerundet, die eine Antwort auf einen wesentlichen Treiber der Finanzkrise geben sollen. Vergütungssysteme, Haftungsvorschriften und Beteiligungsrechte sind einem neuen Regelwerk unterworfen worden. Es ist davon auszugehen, dass bei entsprechender Umsetzung die Vergütungssysteme zukünftig so ausgerichtet sein werden, dass schädliche Anreize, unverhältnismäßig hohe Risikopositionen einzugehen, reduziert werden. Unternehmerische Sorgfaltspflichten werden gestärkt, Vorstandsvergütungen besser kontrolliert, der langfristige Erfolg des Unternehmens zum zentralen Parameter für die variable Vergütung gemacht und die Eingriffsbefugnisse der Bafin verbessert. Hingegen lässt auch das neue Regime Spielräume, um die Zielsetzung der neuen Regeln zu unterlaufen. Nach wie vor bestehen Umgehungsmöglichkeiten bei der Ausgestaltung der Vergütungssysteme. Ein echtes „Malussystem“ wurde nicht eingeführt und Variationen im Verhältnis zwischen fixem Grundgehalt und variablen Vergütungen ermöglichen es, die Wirkung der neuen Regeln abzuschwächen. Die Neuregelung der persönlichen Haftung der Vorstandsmitglieder ist mit Blick auf Höhe und Ausgestaltung des Selbstbehalts und die Möglichkeit des Vorstands, sich gegen das Selbstbehaltrisiko zu versichern, ungenügend. Und schließlich bestehen nur beschränkte Möglichkeiten von Hauptversammlung und Belegschaft, auf die Festlegung der Vorstandsvergütung Einfluss zu nehmen.

  • 1 Dazu auch N. Hesse: Regeln der Managervergütung, in: Wirtschaftsdienst, 90. Jg. (2010), H. 2, S. 107 ff.
  • 2 Ausführlich dazu Hans-Werner Sinn: Kasino Kapitalismus, Berlin 2009, S. 89 ff.
  • 3 Zum Stand der bisherigen Vorschläge zur Änderung der Eigenkapitalvorschriften vgl. Basel Committee on Banking Supervision: Strengthening the resilience of the banking sector, verfügbar unter http://www.bis.org/publ/bcbs164.htm.
  • 4 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin): Rundschreiben 15/2009 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk.
  • 5 Financial Stability Board (FSB): Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, verfügbar unter http://www.financialstabilityboard.org/publications/r_090925c.pdf.
  • 6 M. Frühauf: Deutsche Bank verringert das Gewicht der Boni, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.1.2010, verfügbar unter http://www.faz.net/.
  • 7 Dabei ist die Vorschrift § 93 Abs. 2 AktG bereits gesetzestechnisch misslungen, da nicht erkennbar ist, wie die Formulierung eines „Schadens bis mindestens zur Höhe“ auszulegen ist.
  • 8 N. Hesse, a.a.O., S. 110.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1123-4