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Die wirtschaftliche Erholung in Deutschland erwies sich im ersten Halbjahr 2010 als wesentlich dynamischer als erwartet. Nachdem das BIP schon im ersten Quartal trotz des sehr strengen Winters und der Dämpfungseffekte wegen des Auslaufens der Abwrackprämie preis- und saisonbereinigt um immerhin ein halbes Prozent gegenüber dem Vorquartal zugenommen hatte, wuchs es im zweiten Quartal um 2,2% – aufs Jahr hoch gerechnet entspricht das einer Wachstumsrate von 9%. Hauptgrund war der starke Anstieg der Auslandsnachfrage, vor allem aus Übersee und allen voran China. Davon profitierten insbesondere die deutschen Auto- und Maschinenbauer. Die Unternehmensinvestitionen wurden kräftig ausgeweitet. Die Bauinvestitionen nahmen nach Abflauen des Winterwetters ebenfalls spürbar zu, aber weniger als aufgrund der Nachholeffekte und vor allem wegen der öffentlichen Konjunkturprogramme hätte erwartet werden können. Die insgesamt günstige Konjunkturentwicklung schlug sich auch positiv auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Zahl der Erwerbstätigen und die der Arbeitslosen waren zuletzt wieder etwa so hoch bzw. so niedrig wie vor Ausbruch der Krise, obwohl die gesamtwirtschaftliche Produktion noch nicht ganz wieder das damalige Niveau erreicht hat. Die öffentlichen Finanzen gerieten trotz der angelaufenen Konjunkturprogramme weniger stark ins Defizit als prognostiziert. Die Perspektiven für die weitere Entwicklung der Weltkonjunktur haben sich in jüngster Zeit allerdings etwas eingetrübt. Insbesondere in den USA sind erneut Rezessionsängste aufgekommen. Aber auch jene europäischen Länder, die wegen ihres hohen Verschuldungsgrades zu Sparmaßnahmen gezwungen waren, sind teils wieder in die Rezession abgerutscht.

Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt in Deutschland

(Saison- und arbeitstäglich bereinigt mit Census-Verfahren X-12-Arima)

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1 Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal, auf Jahresrate hochgerechnet, rechte Skala.
2 Zahlenangaben: Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: Statistisches Bundesamt; 2010 und 2011: Prognose des HWWI.

Schon wegen der auslaufenden Sondereffekte, die das starke Wachstum im zweiten Quartal mitbestimmt hatten, wird die konjunkturelle Dynamik in der zweiten Jahreshälfte nicht mehr so hoch sein. Für die weitere Entwicklung ist wichtig, dass die Weltkonjunktur auf ihrem Expansionspfad bleibt. Garant dafür scheinen China und andere Schwellenländer zu sein. Überdies haben die Zentralbanken und Regierungen in den USA und in Japan bereits konjunkturstabilisierende Maßnahmen angekündigt. Die Auslandsnachfrage dürfte daher, wenn auch nicht mehr mit der hohen Dynamik wie zuletzt, weiter spürbar expandieren. Die robuste Arbeitsmarktentwicklung sollte sich mehr und mehr auch auf den privaten Konsum positiv auswirken. Damit würde die konjunkturelle Erholung an Breite gewinnen, denn die Bauwirtschaft dürfte zunächst weiter von den Konjunkturprogrammen profitieren und die Unternehmen werden ihre Investitionen wegen der zum Jahresende auslaufenden Abschreibungsvergünstigungen weiter deutlich ausweiten. Insgesamt dürfte das reale BIP 2010 um knapp 3,5% gegenüber 2009 wachsen.

Eckdaten für Deutschland

Veränderungen in % gegenüber dem Vorjahr

  2007 2008 2009 2010 2011
Bruttoinlandsprodukt1 2,7 1,0 -4,7 3,4 2,5
    Private Konsumausgaben -0,2 0,7 -0,2 0,0 1,5
    Konsumausgaben des Staates 1,6 2,3 2,9 2,5 -0,8
    Anlageinvestitionen 4,7 2,5 -10,1 5,1 2,7
        Ausrüstungen 10,7 3,5 -22,6 9,2 4,7
        Bauten -0,5 1,2 -1,5 1,8 0,5
        Sonstige Anlagen 6,8 6,5 5,6 5,8 4,9
Inlandsnachfrage 1,3 1,2 -1,9 2,0 1,4
    Ausfuhr 7,6 2,5 -14,3 15,5 9,7
    Einfuhr 5,0 3,3 -9,4 13,8 8,5
Arbeitsmarkt          
        Erwerbstätige 1,7 1,4 0,0 0,2 0,4
        Arbeitslose (Mio. Personen) 3,78 3,27 3,42 3,25 3,06
        Arbeitslosenquote2 (in %) 8,7 7,5 7,9 7,5 7,0
Verbraucherpreise (in %) 2,3 2,6 0,4 1,0 1,5
Finanzierungssaldo des Staates(in % des BIP) 0,3 0,1 -3,0 -3,4 -2,1
Leistungsbilanzsaldo3 (in % des BIP) 7,6 6,7 5,0 5,0 5,4

1 Preisbereinigt.
2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept).
3 In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit; 2010 und 2011: Prognose des HWWI.

Für 2011 zeichnet sich eine Fortsetzung des Aufholprozesses ab, allerdings wird die Dynamik angesichts des Auslaufens von Konjunkturprogrammen und wegen der Sparmaßnahmen in vielen Ländern insgesamt etwas geringer sein. Aber sowohl die Nachfrage aus dem Ausland wie die aus dem Inland werden deutlich weiter aufwärtsgerichtet bleiben. Zwar werden die Investitionen wegen der auslaufenden Förderung weniger stark zunehmen, doch wird im kommenden Jahr der private Konsum stärker stützend wirken. Alles in allem wird das reale BIP im Jahresdurchschnitt 2011 mit 2,5% etwas weniger als in diesem Jahr steigen. Die Beschäftigung wird weiter zunehmen und die Zahl der Arbeitslosen wird zum Jahresende unter 3 Mio. sinken. Der Preisauftrieb wird konjunkturbedingt und wegen der Einfuhrverteuerung anziehen, aber solange die Lohnpolitik die Verteilungsspielräume nicht überzieht, unterhalb der Stabilitätsmarke von 2% bleiben.

Bei dieser Entwicklung wird das reale BIP bereits im Laufe von 2011 das Vorkrisenniveau von Anfang 2008 wieder überschreiten. Allerdings bestehen nach wie vor nicht unerhebliche Risiken, auch wenn sie momentan nicht so virulent sind. Hier ist zu allererst die konjunkturelle Unsicherheit in den USA zu nennen. Zum anderen könnte durch die Sparmaßnahmen zur Konsolidierung der Staatsbudgets in Europa die konjunkturelle Erholung auch hier stärker gedämpft werden, zumal es im Falle eines ausgeprägten Rückschlags in den USA zu sich gegenseitig verstärkenden Effekten kommen könnte. In diesem Fall müsste zudem damit gerechnet werden, dass auch andere Probleme wieder virulent werden, insbesondere die Verschuldungsproblematik in den Industrieländern. Die Chancen liegen – wie in jüngster Vergangenheit – in einer stärker als erwarteten globalen Erholung, die helfen würde, ökonomische Probleme wie die Schuldensituation zu lindern. Aber die Politik sollte nicht allein darauf warten, aus der Problematik „herauszuwachsen“, sondern die günstigere Konjunktur dazu nutzen, die Probleme aktiv anzugehen.

HWWI-Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe

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2000 = 100, auf US-Dollar-Basis.

HWWI-Index mit Untergruppena 2009 Feb. 10 Mrz. 10 Apr. 10 Mai 10 Juni 10 Juli 10 Aug 10
Gesamtindex 209,7 250,1 262,6 284,2 261,7 258,4 263,2 268,1
  (-33,6) (58,7) (58,0) (60,8) (32,0) (14,3) (21,7) (13,6)
Gesamtindex, ohne Energie 184,0 210,6 216,5 243,7 233,2 230,4 246,6 256,1
  (-22,1) (33,6) (36,7) (45,9) (31,9) (25,0) (34,3) (30,0)
Nahrungs- und Genussmittel 202,2 207,9 200,9 199,5 197,9 202,6 216,1 226,4
  (-13,2) (11,2) (9,2) (2,8) (-6,9) (-6,9) (7,8) (10,0)
Industrierohstoffe 176,0 211,8 223,4 263,0 248,6 242,6 260,0 269,1
  (-25,9) (46,2) (51,8) (69,5) (54,4) (42,8) (47,5) (39,3)
Agrarische Rohstoffe 125,4 157,7 164,3 169,9 163,9 163,4 166,8 170,7
  (-16,8) (50,7) (57,3) (58,5) (46,3) (39,9) (36,1) (29,8)
NE-Metalle 171,9 219,7 239,8 253,2 222,4 207,7 214,8 232,5
  (-29,0) (80,6) (86,7) (75,2) (46,6) (24,3) (23,6) (14,2)
Eisenerz, Stahlschrott 337,6 351,5 355,5 566,2 570,9 571,5 658,0 659,3
  (-30,0) (7,7) (9,5) (73,5) (72,0) (70,4) (92,1) (89,3)
Energierohstoffe 222,2 269,2 284,9 303,7 275,4 272,0 271,2 273,9
  (-37,3) (70,8) (67,7) (67,4) (32,0) (10,4) (16,9) (7,5)

a 2000 = 100, auf US-Dollar-Basis, Periodendurchschnitte; in Klammern: prozentuale Änderung gegenüber Vorjahr.

Weitere Informationen: http://hwwi-rohindex.org/


DOI: 10.1007/s10273-010-1129-y

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