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Die kalte Progression soll als „ungewollte“ Quelle von Steuereinnahmen beseitigt werden. Als Lösung wird eine Tarifindexierung vorgeschlagen. Aber hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich die Belastung der Steuerpflichtigen nach einer nominalen Einkommensteigerung erhöht? Michael Broer weist hier nach, dass diskretionäre Tarifsenkungen in den letzten 15 Jahren eine größere Bedeutung hatten, als ein Tarif auf Rädern hätte erreichen können.

Als kalte Progression wird der Sachverhalt bezeichnet, dass allein nominale Erhöhungen der Bemessungsgrundlage zu einer realen Steigerung der Belastung führen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass im Zeitablauf die nominalen Einkommen entsprechend der Inflationsrate wachsen.1 In diesem Fall bleibt das reale Einkommen unverändert, und die Durchschnittssteuerbelastung steigt aufgrund des progressiven Einkommensteuertarifs. Damit mindert sich das reale zur Verfügung stehende Einkommen. Diese Art der steuerlichen Belastung gilt als ungewollt und sollte vermieden bzw. korrigiert werden. Hingegen ist es angemessen und gewollt, wenn als Folge einer realen Einkommenssteigerung, die gleichbedeutend mit einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit ist, die Steuerzahlung zunimmt.

Das Thema kalte Progression spielte lange Zeit in Deutschland allein aufgrund der geringen Lohnsteigerungen und niedrigen Inflationsraten zu Beginn der 2000er Jahre nur eine untergeordnete Rolle. Dies änderte sich 2008, als die Preissteigerungsrate immerhin wieder 2,6% erreichte und zugleich die Tarifabschlüsse zu einem merklichen Anstieg der Nominallöhne geführt hatten. Die im Rahmen des Konjunkturpaktes II vorgenommene Tarifentlastung bei der Einkommensteuer wurde „als Einstieg in einen Abbau der kalten Progression“2 bezeichnet. Aktuell wird als Argument für eine Tarifentlastung u.a. wieder auf die Beseitigung der kalten Progression verwiesen.3

Politiker benötigen einerseits Einnahmen, um – wahlrelevante – Ausgaben zur Wählerstimmenmaximierung bestreiten zu können.4 Andererseits wirken sich Steuererhöhungen zumeist negativ auf die Wiederwahlchancen aus. Insofern bietet es sich an, die kalte Progression als Quelle für Steuereinnahmen zu nutzen. Es wird hier aus polit-ökonomischer Sicht unterstellt, dass diskretionäre Maßnahmen zur Begrenzung der kalten Progression zu spät und in einem zu geringen Umfang von den eigennutzmaximierenden Politikern eingeleitet werden.

Als ein Weg, um die kalte Progression zu vermeiden, wird häufig ein Tarif auf Rädern angeführt.5 Dieser Ansatz sieht eine Preisindexierung des Tarifs vor und geht davon aus, dass durch die Maßnahme nominale Einkommensteigerungen nicht zu einer Erhöhung der Steuerbelastung führen.6 Allerdings spielen Steuersenkungen gerade in Deutschland und vor allem im Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle. Abbildung 1 zeigt die Veränderungen beim Spitzensteuersatz, beim Eingangssteuersatz sowie beim Grundfreibetrag von 1996 bis 2011. Von 1996 bis 2011 wurde der Eingangssteuersatz regelmäßig gesenkt (um rund 46%) und der Grundfreibetrag erhöht (um ca. 29%), so z.B. 1999 um 350 Euro und 2009 um 150 Euro (jeweils nach einer Bundestagswahl). Auch der Spitzensteuersatz wurde zwischen 1996 und 2005 stark (um 21%) vermindert. Die Einführung einer zweiten Proportionalzone mit einem neuen Spitzensteuersatz von 45% ab einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 250 000 Euro im Jahr 2007 belastet hingegen nur weniger Wähler.

Abbildung 1
Entwicklung von Grundfreibetrag sowie Eingangs- und Spitzensteuersatz
Broer Abb-1 Kopie.ai

Für Deutschland ist es somit durchaus möglich, dass die Regierungen mit ihren diskretionären Tarifsenkungen im Rahmen „großer“ Steuerreformen die Bürger stärker entlasten, als dies bei einem Tarif auf Rädern der Fall wäre. Im Folgenden wird untersucht, ob unter sonst gleichen Bedingungen in Deutschland für die Steuerpflichtigen eine Tarifindexierung oder die bisherige Politik zu einer geringeren Steuerbelastung führt.

Möglichkeiten zur Messung der kalten Progression

Die Wirkung der kalten Progression kann auf unterschiedliche Weise ermittelt werden.7 Ein Ansatzpunkt besteht darin, die Einkommensteuerquote im Zeitablauf zu betrachten. Steigt diese, so erhält der Staat einen immer größeren Anteil der erwirtschafteten Leistungen. Neben diesem makroökonomischen Indikator kann auf mikroökonomischer Ebene die Entwicklung des Durchschnittssteuersatzes für verschiedene Einkommenshöhen im Zeitablauf betrachtet werden. Steigt das nominale Einkommen eines Steuerpflichtigen bei gleichzeitiger Konstanz des Realeinkommens, so erhöhen sich bei einem progressiven Einkommensteuertarif der Grenzsteuersatz und damit auch der Durchschnittssteuersatz.

Zur Verdeutlichung der Wirkungszusammenhänge dient das folgende theoretische Extrembeispiel (siehe Tabelle 1): Unterstellt wird für die Periode t0 der folgende indirekt progressive Tarif T0 (B) = (B – 400 Euro) • 50%. In den beiden folgenden Perioden t1 und t2 soll hingegen der Tarif: T1,2 (B) = (B – 1000 Euro) • 50% gelten. Zwischen Periode t0 und t1 sind sowohl der Nominallohn als auch das Preisniveau konstant geblieben. Hingegen wird eine 100%ige Preissteigerung von t1 nach t2 unterstellt und gleichzeitig angenommen, dass die Gewerkschaften eine Reallohnstabilität erreicht haben.

Tabelle 1
Wirkung der „kalten“ Progression
Einkommen (real) Einkommen (nominal) Steuer (nominal) Steuer (real) Realer Durchschnitts­steuersatz
t0 = 2000 t0 = 2000 800 800 800/2000 = 40,0%
t1 = 2000 t1 = 2000 500 500 500/2000 = 20,0%
t2 = 2000 t2 = 4000 1500 750 750/2000 = 37,5%

Werden zunächst nur die beiden Perioden t1 und t2 betrachtet, so hat sich ausgehend von einem Nominallohn von 2000 Euro in Periode t1 dieser aufgrund des Inflationsausgleichs auf 4000 Euro in Periode t2 erhöht. Der Steuertarif unterstellt aber einen Anstieg der Leistungsfähigkeit, so dass sich auch die nominale Steuerbelastung von 500 Euro in t1 auf 1500 Euro in t2 erhöht. Die reale Steuerbelastung ist von 500 Euro auf 750 Euro und der Durchschnittssteuersatz von 20% auf 37,5% – also jeweils um 50% – gestiegen, obwohl sich das Realeinkommen nicht geändert hat.

Zu beachten ist bei der Messung, dass in Deutschland die Tarife in unregelmäßigem zeitlichen Abstand gesenkt wurden. Somit ist es wenig aussagekräftig, wenn nur zwei Jahre (t1 und t2) miteinander verglichen werden. Eine starke nominale Lohnerhöhung im Jahr t2 führt bei identischen Tarifen für die beiden Jahre zu einer Erhöhung des Durchschnittssteuersatzes und wäre somit ein Indikator für die kalte Progression. Tatsächlich könnte aber im Jahr t1 der Tarif gegenüber dem Jahr t0 so stark gesenkt worden sein, dass die Durchschnittssteuerbelastung sowohl in t1 als auch t2 noch weit unter jener von t0 liegt. Dies ist hier der Fall, da der reale Durchschnittssteuersatz in t0 mit 40% deutlich über den Werten von t1 (20%) und t2 (37,5%) liegt. Wäre also t0 der Ausgangspunkt, dürfte es nicht angebracht sein, hier von einer kalten Progression zu sprechen.

Aufgrund dieser Zusammenhänge sollten Aussagen über die kalte Progression nur unter Berücksichtigung längerfristiger Entwicklungen getätigt werden. In diesem Beitrag werden zwei Jahre als Ausgangsgrößen herangezogen, um dann zu betrachten, wie sich die realen und die nominalen Einkommen sowie die Durchschnittssteuersätze im Zeitablauf verändert haben. Aus darstellerischen Gründen werden nur ledige Steuerpflichtige ohne Kinder herangezogen. Das Ausgangsjahr ist 1996, da in diesem Jahr der Grundfreibetrag als Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 5616 DM (rund 2871 Euro) auf 12 095 DM (ca. 6184 Euro) erhöht wurde, so dass die steuerliche Belastung zumindest 1996 aus verfassungsrechtlicher Sicht angemessen war. Zudem wird als Folge dieses Urteils von der Bundesregierung im Zweijahresrhythmus der sogenannte Existenzminimumbericht erstellt, in dem die Höhe des steuerlich freizustellenden Existenzminimums dargelegt wird.8 Als zweites Jahr wird 2005 herangezogen, da es in dem Jahr einen Regierungswechsel und somit entsprechend politisch motivierte Steuertarifänderungen gab. Die Frist, die seit dem Regierungswechsel 2009 vergangen ist, dürfte noch zu kurz für die Betrachtung sein.

Werden die Werte, die sich jeweils für die einzelnen Jahre ergeben, mit dem Ausgangsjahr verglichen, so ist ein Vergleich zwischen der bisher in Deutschland durchgeführten diskretionären Steuerentlastung mit einem indexierten Tarif möglich. Im Fall der Tarifindexierung würde der für das Ausgangsjahr ermittelte Wert in jeder Periode gelten. Über- bzw. Unterschreitungen dieses Wertes wären im Gegensatz zur diskretionären Politik nicht vorgesehen. Natürlich wären auch bei einem indexierten Steuertarif zusätzliche Entlastungen möglich, doch geht es hier allein um die Frage, ob das Problem der kalten Progression aus Sicht des einzelnen Steuerzahlers eher durch einen „Tarif auf Rädern“ oder durch diskretionäre Steuerentlastungen gelöst werden kann.

Entwicklung des makroökonomischen Indikators der kalten Progression

Zunächst soll der schon genannte makroökonomische Indikator herangezogen werden. In der Abbildung 2 ist die Entwicklung der Einkommensteuerquote von 1996 bis 2011 sowie die Prognose für die Jahre 2012 bis 2015 dargestellt.9 Es zeigt sich dabei, dass die Einkommensteuerquote keineswegs im Zeitablauf gestiegen ist. Im Gegenteil, im betrachteten Zeitraum lag die Quote in zehn von 16 Jahren unter dem Durchschnittswert von 7,5%. Dieser würde im Falle einer Tarifindexierung für den gesamten betrachteten Zeitraum konstant gehalten werden. Der geringste Wert mit 6,5% (2005) weicht sehr viel stärker nach unten ab als der höchste Wert mit 8,2% (2000 und 2008). Werden noch die Prognosejahre bis 2015 einbezogen, so steigt der Durchschnittswert leicht auf 7,6% an, wobei sich für die Jahre 2013 bis 2015 leicht überdurchschnittliche Werte ergeben. Es zeigt sich somit, dass eine Tarifindexierung den Steuerzahlern eine höhere Steuerbelastung gebracht hätte.

Abbildung 2
Relation der Einkommensteuer zum BIP
Broer Abb-2.ai

Quelle: Eigene Berechnung nach: Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2011, Berlin 2010, Tabelle 11, http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_128900/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Steuern/Steuerschaetzung__einnahmen/Ergebnis__der__Steuerschaetzung/1105131a6002,templateId=raw,property=publicationFile.pdf.

Die linke Skale der Abbildung 2 bezieht sich auf zwei Indizes mit den Basisjahren 1996 bzw. 2005. Für den Index 1996 zeigt sich, dass bis 2011 (92,2) der Wert von 100 meist deutlich unterschritten wird und auch für die Prognosejahre ist nur ein leichter Anstieg über 100 hinaus feststellbar. Für den Index 2005 hingegen liegt der Wert des Jahres 2010 trotz der Tarifentlastung noch weit oberhalb des Ausgangswerts. In Abhängigkeit vom gewählten Ausgangsjahr zeigt sich, dass die Tarifindexierung zu einer höheren bzw. einer geringeren Steuerbelastung geführt hätte.

Entwicklung des mikroökonomischen Indikators der kalten Progression

Für die weiteren Berechnungen wird zunächst die Entwicklung des Verbraucherpreisindex von 1996 bis 2010 betrachtet.10 Diese Erhöhung soll annahmegemäß genau der Entwicklung des Einkommens und daraus abgeleitet des zu versteuernden Einkommens entsprechen. Damit wäre das zu versteuernde Einkommen real konstant geblieben. Für verschiedene Höhen des zu versteuernden Einkommens im Jahr 1996 (10 000 Euro, 20 000 Euro, 30 000 Euro, 40 000 Euro, 50 000 Euro, 100 000 Euro, 150 000 Euro und 300 000 Euro) wird für jedes der 15 betrachteten Jahre ein real konstantes zu versteuerndes Einkommen ermittelt. Auf dieses wird dann der jeweils geltende Tarif angewendet. Auf Basis der sich so ergebenden Einkommensteuerschuld wird der Durchschnittssteuersatz gebildet. Dieser so ermittelte reale Durchschnittssteuersatz kann für intertemporale Vergleiche verwendet werden.

In der Abbildung 3 ist für den Zeitraum von 1996 bis 2010 die Entwicklung des realen Durchschnittssteuersatzes in Folge der durch die Politik vorgenommenen Tarifsenkungen zu erkennen. Klar ersichtlich ist, dass für alle betrachteten zu versteuernden Einkommen aus dem Jahr 1996 über 15 Jahre gesehen der reale Durchschnittssteuersatz gesunken ist; im Falle der Tarifindexierung hingegen wäre unter sonst gleichen Bedingungen keine Veränderung aufgetreten. Am stärksten von den Tarifreformen haben die Steuerpflichtigen profitiert, die 1996 ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 10 000 Euro aufwiesen, ihr realer Durchschnittssteuersatz hat sich im Zeitablauf von 10,2% auf 6,2% (2010) fast halbiert und liegt deutlich unter dem Durchschnitt diese Zeitraums (7,7%). Diese Konstellation ist auch für die übrigen zu versteuernden Einkommen festzustellen.

Abbildung 3
Änderung des realen Durchschnittssteuersatzes
Durchschnittssteuersatz (in %)
Broer Abb-3.ai

Quelle: Eigene Berechnung.

Wird hingegen der sich jeweils im Jahr 2005 ergebende reale Durchschnittssteuersatz als Basiswert angesehen, so ist festzustellen, dass sich der tatsächliche reale Durchschnittssteuersatz in den vergangenen fünf Jahren bei den hier betrachteten acht Einkommenshöhen kontinuierlich bis 2008 erhöht hat und danach wieder gesunken ist. Diese Entwicklung ist darauf zurückzuführen, dass nach Einführung der zweiten Proportionalzone mit einem maximalen Grenzsteuersatz von 45% der Steuertarif erst wieder zum 1.1.2009 gesenkt wurde. Wäre der Wert des Jahres 2005 als Ausgangswert für eine Tarifindexierung verwendet worden, wäre die Steuerbelastung geringer ausgefallen als bei einer diskretionären Steuerentlastung, wie sie der Realität in diesem Zeitraum entsprach.

In der Tabelle 2 ist für die acht Einkommensgruppen aus dem Jahr 1996 dargestellt, wie sich der reale Durchschnittssteuersatz verändert hat. Wird der Wert des Jahres 2010 mit 1996 verglichen, so hat sich der reale Durchschnittssteuersatz in jedem Jahr verringert. Der stärkste Rückgang ist mit 39,2% bei einem zu versteuernden Einkommen von real 10 000 Euro festzustellen. Der geringste Rückgang hingegen bei einem zu versteuernden Einkommen von 50 000 Euro. Wird hingegen 2010 mit 2005 verglichen, so hat gerade ein zu versteuerndes Einkommen, das real 10 000 Euro aus dem Jahr 1996 entspricht, mit 5,2% den stärksten Anstieg zu verzeichnen. Wird der reale Durchschnittssteuersatz des Jahres 2010 mit dem sich ergebenden Durchschnitt der Jahre 1996 bis 2010 bzw. 2005 bis 2010 verglichen, so zeigt sich, dass die aktuellen Werte in der Nähe der Durchschnittswerte liegen und sich somit die Notwendigkeit einer Entlastung zur Milderung der kalten Progression nicht zwingend daraus ergibt.

Tabelle 2
Entwicklung der realen Durchschnittssteuersätze für ausgewählte zu versteuernde Einkommen
Reales zu versteuerndes Einkommen (bezogen auf 1996) in Euro Realer Durchschnitts­steuersatz 2010 in % Durchschnitt des realen Durchschnitts­steuersatzes in % Änderung des realen Durchschnitts­steuersatzes in %
1996 bis 2010 2005 bis 2010 2010 zu 1996 2010 zu 2005
10 000 6,20 7,70 6,30 -39,20 5,20
20 000 16,20 17,50 16,20 -17,30 2,00
30 000 21,40 22,40 21,30 -10,20 2,20
40 000 25,40 26,30 25,30 -6,60 2,60
50 000 28,70 29,70 28,50 -5,70 2,30
100 000 35,30 38,30 35,30 -14,50 0,90
150 000 37,60 41,20 37,50 -16,90 0,60
300 000 40,70 44,40 40,40 -17,10 2,60

Quelle: Eigene Berechnung.

Tarifindexierung versus diskretionäre Steuerpolitik

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass in Abhängigkeit von der Wahl des Basisjahres eine Tarifindexierung und damit der Tarif auf Rädern keineswegs automatisch zu einer geringeren Steuerbelastung in Deutschland geführt hätte. Es ist sogar eher zu konstatieren, dass die diskretionäre Steuerpolitik aus Sicht der Steuerzahler zu geringeren Steuerbelastungen geführt hat. Grund für dieses Ergebnis ist der Einsatz der diskretionären Steuerpolitik als Mittel im Wahlkampf.

Die Steuerpolitik erweist sich für die Wähler als ein wichtiges Kriterium für die Wahlentscheidung. Wählerstimmen maximierende Politiker versprechen den Wählern daher Steuerentlastungen, die nach der Wahl bzw. vor dem folgenden Wahltermin realisiert werden. Insofern führt der Wettbewerb der Parteien und Politiker zu einem Steuersenkungswettbewerb. Dies wurde in der Vergangenheit dadurch begünstigt, dass sich die verfassungsrechtlichen Regelungen zur Verschuldungsbegrenzung in Deutschland als wenig effektiv erwiesen haben. Steuersenkungen konnten daher durch eine Erhöhung der Staatsverschuldung finanziert werden. Eine Finanzierung über Ausgabensenkungen hingegen ist wenig attraktiv, da eine solche Politik im Saldo zu einem Stimmenverlust führen könnte.

Aufgrund der Einführung der sogenannten Schuldenbremse und der damit verbundenen strikteren Verschuldungsbegrenzung dürfte der gerade beschriebene Weg nicht mehr offen stehen. Insofern könnte in der Zukunft aus Sicht der Steuerzahler eine Tarifindexierung erstrebenswert sein.

Der Verfasser dankt Antje Hofmann für hilfreiche Anregungen und Kommentare.

  • 1 Vgl. http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_39832/DE/BMF__Startseite/Service/Glossar/K/011__Kalte__Progression.html.
  • 2 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Konjunkturgerechte Wachstumspolitik – Jahreswirtschaftsbericht 2009, München 2009, S. 28.
  • 3 O.V.: Erleichterung von 2013 an – Koalition einig über Steuersenkung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.7.2011.
  • 4 A. Downs: Ökonomische Theorie der Politik, Tübingen 1968.
  • 5 Karl Bräuer Institut: Die Mitte verliert. Nach Tarifkorrektur 2010 erhöhter Nachholbedarf bei Entlastung mittlerer Einkommen, Sonderinformation 57, 2009.
  • 6 Allerdings ist bei jeder Art von Indexierung zu beachten, dass davon negative Effekte auf die Preisniveaustabilität ausgehen können. So z.B. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken, Jahresgutachten 2008/09, Wiesbaden 2008, S. 242.
  • 7 C. Fuest: Einkommensteuersenkungen: Rückfall in Fehler der Vergangenheit, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 7, S. 434 f.
  • 8 Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (Achter Existenzminimumbericht) vom 30.5.2011, Bundestags-Drucksache 17/5550.
  • 9 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2011, Berlin 2010, Tabelle 11, http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_128900/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Steuern/Steuerschaetzung__einnahmen/Ergebnis__der__Steuerschaetzung/1105131a6002,templateId=raw,property=publicationFile.pdf.
  • 10 Statistisches Bundesamt: Preise-Verbraucherpreisindizes für Deutschland Jahresbericht, Januar 1991 bis Dezember 2010, Wiesbaden 2011.

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DOI: 10.1007/s10273-011-1286-7