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Probleme und Reformen im deutschen Bildungssystem werden kontrovers und emotional diskutiert. Verschärft wird dies durch den Umstand, dass die Bildungshoheit bei den Bundesländern verankert ist. Teilweise verliert sich die Diskussion jedoch auch in ideologischen Grabenkämpfen, da den Argumenten häufig die empirische Grundlage fehlt. Das Nationale Bildungspanel (NEPS) schließt diese Lücke, indem es umfassende Längsschnittdaten zum gesamten deutschen Bildungssystem erhebt und als Scientific-Use-File zur Verfügung stellt. Der Fokus liegt auf dem Kompetenzerwerb im Lebensverlauf und den damit verbundenen Bildungskarrieren. Dieser Artikel stellt die Organisationsstruktur und die damit verbundenen zentralen Inhalte des Nationalen Bildungspanels vor. Abschließend wird auf besondere Analysemöglichkeiten des Nationalen Bildungspanels hingewiesen.

Bildungsnachfrage und ungenutzte Potenziale

Wird ein Markt für (Aus-)Bildung betrachtet, so können auf Seiten des Angebots sowohl institutionelle Anbieter (z.B. Universitäten, Schulen, Betriebe) als auch nichtinstitutionelle Anbieter (z.B. Nachhilfe, Familie) genannt werden. Dem Bildungsangebot steht die Bildungsnachfrage durch Schüler, Auszubildende, Studenten, Arbeitnehmer etc. gegenüber. Ungenutzte Potenziale können auftreten, wenn Angebot und Nachfrage qualitativ oder quantitativ nicht übereinstimmen.

Qualitativ sind mehrere Ursachen für ungenutzte Potenziale denkbar. Zum einen muss sich Ausbildung immer am Qualifikationsniveau der Lernenden orientieren. Zu hohe, aber auch zu geringe Anforderungen an die Auszubildenden führen zu einem ineffizienten Einsatz von Ressourcen. Zum anderen muss die Unterrichtsgestaltung auf die Zielgruppe angepasst werden, um den Kompetenzerwerb in der jeweiligen Domäne zu optimieren.1

Ferner bleiben Potenziale ungenutzt, wenn Angebot und Nachfrage quantitativ voneinander abweichen. Fällt das Angebot größer aus als die Nachfrage, könnten Ressourcen an anderer Stelle im Bildungssystem, beispielsweise für die Modernisierung der Lehrmittelausstattung, effizienter eingesetzt werden. Im Falle einer zu hohen Nachfrage hingegen, liegt Humankapital entweder brach oder wird zu wenig gefördert und unterliegt somit einer erhöhten Abschreibung. Das Problem eines zu geringen Angebots ist derzeit vor allem in Gestalt fehlender Studienplätze oder überlasteter Kapazitäten an den Universitäten zu beobachten. Gerade vor dem Hintergrund der Umstellung auf das achtjährige Gymnasium und die damit einhergehenden doppelten Jahrgänge2 ist anzunehmen, dass in den kommenden Jahren die Potenziale der Studienanfänger nicht voll ausgeschöpft werden.

Können auf Seiten der Nachfrage verschiedene Gruppen identifiziert werden, so stellt sich die Frage, ob jede Gruppe das Bildungsangebot auch gleich gut nutzen kann. Eine systematische Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund durch Lehrkräfte, beispielsweise bei den Empfehlungen für den Übertritt an ein Gymnasium, kann zwar nicht festgestellt werden,3 dennoch deutet ein relativ hoher Anteil von Migranten ohne beruflichen Bildungsabschluss4 darauf hin, dass das Bildungsangebot von verschiedenen Gruppen unterschiedlich gut wahrgenommen werden kann. Dies könnte z.B. daran liegen, dass der Informationsstand von Migranten im Durchschnitt schlechter ausfällt als der von Deutschen, da diese schon länger mit dem deutschen Bildungssystem in Berührung sind und in diesem Zusammenhang meist auf ein umfangreicheres soziales Kapital zurückgreifen können.

Aber auch jenseits dieses Ausbildungsmarktes sind ungenutzte Potenziale zu finden. Was passiert mit sogenannten „Drop-outs“, welche das formale Bildungssystem ohne einen entsprechend qualifizierten Schulabschluss verlassen? Was passiert mit Personen deren spezifisches Humankapital auf dem Arbeitsmarkt nicht nachgefragt wird? Haben Personen, die aus irgendwelchen Gründen ihren Beruf nicht mehr ausüben können, die Möglichkeit sich für eine neue Stelle zu qualifizieren?

Das Nationale Bildungspanel (NEPS) bietet eine empirische Grundlage für die Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Bildung und individuellen Lebensverläufen. Um möglichst rasch eine Datenbasis für das gesamte deutsche Bildungssystem bereitstellen zu können (knapp die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands befindet sich in formaler oder non-formaler Ausbildung), werden sechs Startkohorten von Neugeborenen und Kindergartenkindern über Schulkinder (5. und 9. Klasse) bis hin zu Studierenden und Erwachsenen parallel verfolgt. Besondere Aufmerksamkeit erfährt dabei der Kompetenzerwerb in verschiedenen Domänen (Lesen, Hören, Mathematik, Naturwissenschaften, Informations- und Kommunikationstechnologien, Metakognition) über den gesamten Lebenslauf, sowie die Erfassung relevanter Informationen an den Übergängen zu neuen Ausbildungsabschnitten, wie z.B. dem Eintritt in den Kindergarten, Einschulung, Übergang in die Sekundarstufe, Beginn der dualen Ausbildung oder Aufnahme eines Studiums.

Ungenutzte Potenziale im deutschen Bildungssystem

Für den erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben kommt dem Abschlusszeugnis eine entscheidende Bedeutung zu. In einer Situation asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dienen Zertifikate als Signal für die zu erwartende Produktivität eines Arbeitnehmers.5 Diese wird ohne entsprechendes Zeugnis als vergleichsweise gering eingestuft. Schwierigkeiten beim Einstieg in das Berufsleben entstehen somit u.a. aufgrund fehlender Zertifikate. Dieser systematische Nachteil spiegelt sich in den Arbeitslosenquoten von geringqualifizierten bzw. Personen ohne Abschluss wider.6 Die Quote von Personen, die ihren Ausbildungsabschnitt vorzeitig ohne entsprechendes Zertifikat verlassen, kann daher als ein Indikator für ungenutzte Potenziale im deutschen Bildungssystem verwendet werden.

7% der Schülerinnen und Schüler des Abschlussjahrgangs 2008/2009 verließen die Schule ohne Abschlusszeugnis. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die über nicht ausreichende Schreib- und Lesekompetenzen verfügen, um eine berufliche Ausbildung erfolgreich abschließen zu können, liegt sogar noch höher.7 Mit dem Beginn der beruflichen Ausbildung ist der Übergang in das Berufsleben jedoch noch nicht abgeschlossen. Der Anteil der Personen, die ihre berufliche Ausbildung vorzeitig abbrechen, betrug 2008 21,5%.8 Der größte Teil nimmt zwar anschließend eine andere berufliche Ausbildung auf, jedoch gehen bereits hier Potenziale verloren, da sich die Erwerbsphase der Betroffenen, unter der Annahme eines konstanten Renteneintrittsalters, verkürzt. Auch der Weg in die tertiäre Ausbildung führt nicht immer zu einem universitären Abschluss. So verließen 25% der Studienanfänger des Jahres 1999 binnen zehn Jahren die Hochschule ohne einen tertiären Abschluss.9

Das deutsche Bildungssystem weist einen hohen Grad an Komplexität auf. Zum einen gibt es verschiedene Schultypen die gleichwertige Zeugnisse verleihen, zum anderen können die Wege zu einem bestimmten Zertifikat differieren. Als Folge der bei den Bundesländern ansässigen Bildungshoheit sind die Anforderungen und das Bildungsangebot in Deutschland sehr heterogen. Beispielsweise werden Abschlussprüfungen in manchen Bundesländern zentral, in anderen Bundesländern vom jeweiligen Fachlehrer gestellt. Die Hürden für den erfolgreichen Abschluss der allgemeinen Hochschulreife sind dadurch in den Bundesländern nicht gleich hoch.10

Ferner erfordert eine optimale Nutzung des Bildungsangebots differenziertes Wissen bezüglich des regionalen Bildungsangebots mit seinen Besonderheiten und spezifischen Regelungen. Mit ungleichem Informationsstand kann so eine systematische Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsgruppen begründet werden. Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund können z.B. häufig auf einen deutlich geringeren Erfahrungsschatz bezüglich des deutschen Bildungssystems zurückgreifen, da ihre Eltern oder ihr soziales Umfeld ein anderes Bildungssystem durchlaufen haben.

Außerdem wird dem deutschen Bildungssystem ein starkes Tracking attestiert. Zum einen findet in den meisten Bundesländern durch das mehrgliedrige Schulsystem eine vergleichsweise frühe Selektion in eine bestimmte Schulform statt. Zum anderen erfolgen Wechsel zwischen Schulformen, die zu unterschiedlichen, insbesondere höheren Abschlüssen führen, selten und gelingen meist nur über zeitintensive Umwege. Als Konsequenz können Nachfrager von Bildung kurzfristig nicht das jeweils individuell optimale Bildungsangebot wahrnehmen.

Das Nationale Bildungspanel

Das NEPS stellt einen Scientific-Use-File, mit dem verschiedene Bildungsprozesse und Bildungskarrieren diverser Laufbahnen über den ganzen Lebensverlauf beschrieben werden können, zur Verfügung. Zentrale Untersuchungsgegenstände sind sowohl der Prozess des Bildungserwerbs selbst, als auch die Auswirkungen von Bildung auf die individuellen Biographien. Der Lebenslauf-Perspektive kommt daher eine dominierende theoretische Bedeutung zu. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte NEPS vereint hierfür Experten der Bildungsforschung aus ganz Deutschland zu einem interdisziplinären Exzellenz-Netzwerk.

Während sich acht sogenannte Etappen auf spezifische Charakteristika der verschiedenen Lebensabschnitte und Bildungsübergänge im Lebenslauf konzentrieren, sorgen fünf Säulen für die inhaltlich kohärente Erfassung zentraler theoretischer Konzepte: Kompetenzentwicklung, Lernumwelten, Bildungsentscheidungen, Migrationshintergrund und Bildungsrenditen.

Um möglichst schnell repräsentative Daten für das gesamte deutsche Bildungssystem anbieten zu können, werden im NEPS über 60 000 Zielpersonen in sechs Kohorten parallel verfolgt. Das Multi-Kohorten-Sequenz-Design (vgl. Abbildung 1) stellt die (mindestens) jährlichen Erhebungen bei Neugeborenen, Kindergartenkindern, Schulkindern (5. und 9. Klasse), Studierenden und Erwachsenen schematisch dar.

Abbildung 1
Multikohorten-Sequenz-Design
Jobst Abb-1.ai

Samples

Die Grundgesamtheit der Neugeborenen-Kohorte umfasst alle Kinder, die im Zeitraum von Januar bis Juni 2012 in Deutschland geboren werden. Die Stichprobengröße soll etwa 3000 Kinder betragen. Geplant sind Tests mit Säuglingen ab einem Alter von sieben Monaten. Parallel sollen Interviews mit den Müttern durchgeführt werden.

Zielpersonen der Kindergartenkohorte sind Kinder (ca. vier Jahre alt) aus Kinderbetreuungseinrichtungen in Deutschland im Schuljahr 2010/2011, die im Schuljahr 2012/2013 eingeschult werden sollen. Die Stichprobe soll zunächst etwa 3000 Kinder umfassen. Zu jedem Kind sollen ein Elternteil und ein Betreuer befragt werden. Die Leitung der jeweiligen Institution liefert Kontextinformation.

Die Grundgesamtheit der Grundschul-Kohorte umfasst alle Schülerinnen und Schüler der ersten Klasse aus dem Schuljahr 2012/2013. Die Stichprobe der Grundschüler soll etwa 6000 Kinder erfassen. Um bei den GrundschülerInnen möglichst häufig auf umfassende Informationen aus der Zeit vor der Einschulung zurückgreifen zu können, wird die Stichprobe der Kindergartenkinder in einem zweistufigen Verfahren gezogen.11

Die Grundgesamtheiten von zwei weiteren Kohorten umfassen alle Schülerinnen und Schüler der 5. und 9. Klassen im Schuljahr 2010/2011 an allen Schulen in Deutschland. Die Stichprobenziehung von Schulkindern der 5. und 9. Klassen erfolgt zweistufig. Zunächst werden Schulen gezogen und anschließend SchülerInnen aus der gesamten Jahrgangsstufe. Zum einen erweitert sich durch erhobene Hintergrundinformationen das Analysepotenzial der Daten, zum anderen können durch Gruppentestung und -befragung Erhebungskosten gespart werden. Auf Grund der Bildungshoheit der Kultusministerien stellt die Stichprobenziehung in den 5. und 9. Klassen jedoch eine besondere Herausforderung dar, da eine Vielzahl verschiedener Schultypen mit heterogenen Zusammensetzungen von Schulkindern berücksichtigt werden muss. Neben regelmäßigen Testungen und Befragungen der Schülerinnen und Schüler (ca. 6800 in der 5. Klasse und ca. 13 500 in der 9. Klasse), werden schülerspezifische Informationen von jeweils einem Elternteil, sowie von Mathe-, Deutsch- und Klassenlehrern gesammelt. Eine Befragung der Schulleitung liefert zusätzlich schulspezifische Informationen.

Die Grundgesamtheit der Studierenden-Kohorte umfasst alle Studienanfänger an deutschen Hochschulen, die zum ersten Mal eingeschrieben sind. Die Stichprobe soll ca. 16 500 Personen umfassen. Geplant sind CATI (Computer Assisted Telephone Interview) und Online-Befragung sowie Kompetenztests. Um die Analysemöglichkeiten bei Lehramtsstudierenden an privaten Hochschulen zu erweitern, findet ein Oversampling dieser beiden Gruppen statt.12

Die Grundgesamtheit der sechsten Kohorte (ca. 13 000 Personen) besteht aus allen Personen, die in Haushalten in Deutschland wohnen und in den Jahren 1944 bis 1986 geboren sind. Für jedes Geburtsjahr sollen etwa 300 Personen befragt und getestet werden. Die Stichprobe setzt sich aus drei Quellen zusammen. Die Kernstichprobe stammt von der ALWA-Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (jeweils ca. 200 Personen aus den Jahrgängen 1955 bis 1986) und wird um ca. 100 Personen pro Jahrgang aufgefrischt. Zusätzlich wird eine Stichprobe mit den Jahrgängen 1944 bis 1954 ergänzt. Die Personen werden jährlich befragt und jedes zweite Jahr in mehreren Domänen getestet.

Säulen

Um eine möglichst umfassende Vergleichbarkeit der verschiedenen Kohorten zu gewährleisten, stützt sich das NEPS auf fünf Säulen, deren Aufgabe darin besteht, zentrale inhaltliche Konstrukte über den Lebenslauf kohärent zu erfassen.

  1. Die erste Säule ist für die Messung diverser Kompetenzen über den Lebenslauf verantwortlich. Die betrachteten Domänen sind:
  • Lesen
  • Hören
  • Mathematik
  • Naturwissenschaften
  • Informations- und Kommunikationstechnologien
  • Metakognition

Das Erhebungsdesign sieht in Abhängigkeit vom Alter der Befragten regelmäßige Messungen der Kompetenzen vor. Da die Kompetenzentwicklung bei Erwachsenen relativ geringen Schwankungen unterliegt, sind die Abstände zwischen zwei Messzeitpunkten mit sechs Jahren vergleichsweise groß. Die Kompetenzentwicklung der jüngeren Kohorten ist ein weit dynamischerer Prozess. Dementsprechend betragen die Abstände zwischen den Messzeitpunkten in den einzelnen Kompetenzdomänen maximal zwei Jahre.

  1. Da theoretisch in allen Bereichen des Lebens gelernt werden kann, muss das Konzept der Lernumwelten eingeschränkt werden. Säule 2 konzentriert sich deshalb auf Lernumwelten in denen intentionales Lernen stattfindet. Dabei wird zwischen formalen, non-formalen und informellen Lernumwelten unterschieden. Während der Bereich der formalen Lernumwelten, wie z.B. Schule, Kindergarten, Universität etc. klar umrissen werden kann, sind die Bereiche non-formale und informelle Lernumwelten diffuser. Daher konkretisiert Säule 2 diese Bereiche auf die am weitesten verbreiteten Formen intentionalen Lernens, wie beispielsweise elterliche Hilfe und Kontrolle bei den Hausaufgaben, Umfang von Nachhilfeunterricht oder Vereinsaktivitäten.
  2. Säule 3 legt bei der Abbildung von Bildungsentscheidungen einen Rational-Choice-Ansatz zu Grunde. Zentrale Fragestellungen der dritten Säule betreffen demzufolge objektive und subjektive Einschätzungen zu Kosten und Nutzen alternativer (Aus-)Bildungswege. Darüber hinaus kommt dem Zugang zu Informationen und der generellen Wertschätzung von Bildung bei Bildungsentscheidungen eine bedeutende Rolle zu. Wichtige Konstrukte in diesem Zusammenhang stellen soziales und kulturelles Kapital dar. Zum einen kann dadurch der Einfluss anderer Personen auf die Bildungsentscheidung modelliert werden, zum anderen kann mit Hilfe der Informationen zum kulturellen Hintergrund auf gruppenspezifische Effekte bei Bildungsentscheidungen und Bildungserfolg geschlossen werden.
  3. Die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Die Leistungslücke zwischen Einheimischen und Migranten ist jedoch im internationalen Vergleich in Deutschland überdurchschnittlich groß.13 Neben sozialer Ungleichheit spielt also auch die ethnische Herkunft eine Rolle beim Kompetenzerwerb und beeinflusst so den Verlauf von Bildungskarrieren. Insbesondere die Integration in die Gesellschaft und die Beziehung zum Herkunftsland werden als wichtige Determinanten für den Bildungserfolg gesehen. Folglich widmet sich Säule 4 der differenzierten Erfassung des Migrationshintergrundes sowie weiteren relevanten Merkmalen. Außerdem werden Daten zur Kenntnis der Herkunftssprache und zur Werteorientierung gesammelt.
  4. Säule 5 legt ein weitläufiges Konzept von Bildungsrenditen zu Grunde. Neben der Erfassung von Bildungsrenditen soll auch untersucht werden, inwiefern Bildungserwerb als Rendite des vorausgehenden Bildungserwerbs interpretiert werden kann.14 Neben den traditionell ökonomischen Renditen, wie Erwerbseinkommen, Arbeitsmarktchancen und -sicherheit werden Konstrukte zu Gesundheit, sozialer und politischer Partizipation und abweichendem Verhalten erfasst. Die allgemeine Lebenszufriedenheit und diverse Bereichszufriedenheiten ergänzen die Bildungsrenditen des NEPS um subjektive Indikatoren.

Etappen

Für die verschiedenen Etappen von Bildungsverläufen werden unterschiedliche Instrumente entwickelt. Die spezifischen Instrumente werden an die jeweilige Ausbildungssituation und den bevorstehenden Übergang angepasst. Das NEPS teilt die Verläufe von Bildungskarrieren in acht Etappen (vgl. Abbildung 2). Die Aufteilung in Säulen und Etappen bildet ein Netz, das einerseits die kohärente Erhebung von zentralen Inhalten über den gesamten Lebensverlauf erlaubt und andererseits einen Fokus auf die spezifischen Gegebenheiten und Anforderungen der jeweiligen Ausbildungsabschnitte gewährleistet. Ergänzt wird die Organisationsstruktur des NEPS durch Arbeitspakete für methodische Fragestellungen, wie beispielsweise Stichprobenziehung, Data-Warehouse, Stichprobenpflege oder Nutzerservice.

Abbildung 2
Organisationsstruktur Nationales Bildungspanel
Jobst Abb-2_groß.ai

Besondere Analysemöglichkeiten des Nationalen Bildungspanels

Während verschiedene international vergleichende Studien, wie PISA, IGLU oder TIMS Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern einer bestimmten Kohorte zu einem bestimmten Zeitpunkt messen, verfolgt das NEPS die Kompetenzentwicklung über den gesamten Lebensverlauf hinweg. Diese Daten werden in einen umfassenden inhaltlichen Kontext eingebettet und als Scientific-Use-File angeboten. Die kohärente Erhebung zentraler Inhalte über den gesamten Lebenslauf in sechs verschiedenen Kohorten ermöglicht bereits kurzfristig Kohortenvergleiche und stellt vergleichbare Daten zum gesamten deutschen Bildungssystem zu Verfügung.

Das Analysepotenzial wird durch verschiedene Merkmale maximiert. So werden z.B. durch ein Oversampling der beiden größten Migrantengruppen in Deutschland, der türkischstämmigen Personen und der Personen aus der ehemaligen Sowjetunion, die Fallzahlen dieser Gruppen erhöht und zusätzliche Analysemöglichkeiten geschaffen. Den besonderen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird durch modifizierte Fragebögen und Testungen Rechnung getragen. Außerdem werden in einer Reihe von Zusatzstudien (z.B. in Baden-Württemberg oder Thüringen) die Akzeptanz und die Auswirkungen von Schulreformen u.a. auf Schulstress und Bildungserfolg untersucht.

Fazit

Das NEPS bietet eine umfassende und kohärente Erfassung individueller Lebensverläufe und Kompetenzentwicklungen von über 60 000 Personen aus dem deutschen Bildungssystem. Durch das Multi-Kohorten-Sequenz-Design stehen bereits kurzfristig Daten für das gesamte deutsche Bildungssystem zur Verfügung. Das Bildungspanel stellt damit eine herausragende Datenquelle für die Analyse der Relevanz diverser Kompetenzen für erfolgreiche Bildungsabschlüsse, Erfolg im Beruf und im individuellen und gesellschaftlichen Leben sowie für lebenslanges Lernen dar. Das Projekt ist vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zunächst bis 2013 finanziert. Ab Herbst 2011 stehen die ersten Daten als Scientific-Use-File zur Verfügung.

  • 1 Vgl. M. Hofer: Schüler wollen für die Schule lernen, aber auch anderes tun, in: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, Vol. 18 (2004), Nr. 2, S. 79-92.
  • 2 Vgl. KMK-Dokumentation Nr. 182: Vorausberechnung der Schüler- und Absolventenzahlen 2005 bis 2020, Bonn 2007, S. 113 ff.
  • 3 Vgl. C. Kristen: Hauptschule, Realschule oder Gymnasium? Ethnische Unterschiede am ersten Bildungsübergang, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 54. Jg. (2002), H. 3, S. 543-552.
  • 4 Vgl. Bildung in Deutschland 2010: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel, Bielefeld 2010, S. 38.
  • 5 Vgl. A. Spence: Market signaling, 1. Aufl., Cambridge MA u.a. 1974.
  • 6 Vgl. A. Reinberg, M. Hummel: Qualifikationsspezifische Arbeitslosigkeit im Jahr 2005 und die Einführung der Hartz-IV-Reform,
    IAB-Forschungsbericht Nr. 9, Nürnberg 2007, S. 18 ff.
  • 7 Vgl. o.V.: Bildungsabbrecher: Quote leicht gesunken, in: Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Nr. 29 vom 22.7.2010, S. 3.
  • 8 Ebenda.
  • 9 Ebenda.
  • 10 Vgl. M. Neumann, G. Nagy, U. Trautwein, O. Lüdtke: Vergleichbarkeit von Abiturleistungen: Leistungs- und Bewertungsunterschiede zwischen Hamburger und Baden-Württemberger Abiturienten und die Rolle zentraler Abiturprüfungen, in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaften, 12. Jg. (2009), S. 691-714.
  • 11 C. Aßmann, H.-W. Steinhauer, H. Kiesl, S. Koch, B. Schönberger, A. Müller-Kuller, G. Rohwer, S. Rässler, H.-P. Blossfeld: Sampling Designs of the National Educational Panel Study: Challenges and Solutions, in: Sonderheft der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Kapitel 4, in Druck.
  • 12 F. Aschinger, H. Epstein, S. Müller, H. Schaeper, A. Vöttiner, T. Weiß: Higher Education and the Transition to Work, in: Sonderheft der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Kapitel 17, in Druck.
  • 13 K. Schwippert, W. Bos, E.-M. Lankes: Heterogenität und Chancengleichheit am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. in: W. Bos, E.-M. Lankes, M. Prenzel, K. Schwippert, G. Walther, R. Valtin (Hrsg.): Erste Ergebnisse aus IGLU, Münster u.a. 2003.
  • 14 F. Cunha, J. Heckman, L. Lochner, D. Masterov: Interpreting the Evidence on Life Cycle Skill Formation. in: E. Hanushek, F. Welch (Hrsg.): Handbook of the Economics of Education, Vol. 2, Amsterdam 2006, S. 697-812.


DOI: 10.1007/s10273-011-1183-0