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In seiner Stellungnahme vom Dezember 2010 hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium vorgeschlagen, in die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer neben dem Bodenwert eine Gebäudekomponente einzubeziehen. Dirk Löhr hält den Vorschlag für verfehlt, weil er verschiedene bodenmarktpolitische Aspekte nicht berücksichtigt. Er befürchtet, dass es durch diese Reform zu einer Bestrafung der werthaltigen Nutzung kommen würde und entsprechend der angestrebte Rückgang des Flächenverbrauchs nicht erreicht werden kann.

Der Wissenschaftliche Beirat im Bundes­finanz­ministerium hat sich mit einer im Dezember 2010 abgegebenen Stellungnahme1 in die Diskussion um die Reform der Grundsteuer eingeschaltet. Dabei plädiert er für eine „verbundene Steuer“, die nicht nur den Wert des Grund und Bodens, sondern auch denjenigen der aufstehenden Gebäude einbezieht. Der Wert der Gebäudekomponente soll anhand der Mieten ermittelt werden.

Der Wissenschaftliche Beirat möchte hiermit nicht nur fiskalischen Gesichtspunkten, sondern auch Lenkungszwecken Rechnung tragen. Er strebt an, über die Gebäudekomponente die zusätzlichen direkten und vor allem indirekten Kosten der Ansiedlung eines Haushalts oder Betriebs (Grenzballungskosten) verursachungsgerecht anzulasten. Dabei geht er zutreffend davon aus, dass die Steuer auf die Bodenkomponente wesentlich schwerer zu überwälzen ist als die Steuer auf die Gebäudekomponente.2 Die ertragswertorientierte Einbeziehung der Gebäudekomponente über den Mietwert dient also als zweitbestes Sub­stitut für eine kommunale Kopfsteuer oder eine kommunale Reingewinnsteuer, um wenigstens annäherungsweise eine Anlastung der Grenzballungskosten zu erreichen.3 Leider werden konzeptionelle Alternativen wie die Fortentwicklung der Gewerbesteuer (zu einer umfassenden kommunalen Reingewinnsteuer) nicht weiter diskutiert. Zwar erscheint die Einführung einer kommunalen Kopfsteuer aus verteilungspolitischen Gründen tatsächlich nicht durchsetzbar; zudem leiden die diesbezüglichen Second-Best-Lösungen (wie z.B. eine kommunale Lohnsteuer) an spezifischen Nachteilen. Problematisch ist jedoch, dass diese Nachteile nicht gegen die Nachteile der favorisierten zweitbesten Lösung – nämlich die Einbeziehung der Gebäudekomponente – abgewogen werden. Diese Nachteile sind gravierend und betreffen vor allem schwerwiegende bodenmarktpolitische Aspekte, die mittels einer nur bodenwertbezogenen Bemessungsgrundlage angegangen werden können, aber in der Stellungnahme vollkommen ausgeblendet werden. Hierzu zählen unter anderem

  • eine mangelnde Neutralität der Planung mit der Folge, dass Abwägungsentscheidungen systematisch verzerrt werden,4
  • eine geringe Compliance hinsichtlich der Planung, die u.a. in Baulücken und Brachen, Leerständen etc. zum Ausdruck kommt,
  • „übertriebene Preisvorstellungen“ der Eigentümer,
  • Probleme des Zugangs zu Grundstücken in attraktiven Bereichen.

In diesem Kontext ist der nach wie vor hohe „Flächenverbrauch“ zu nennen, bei dem nach millionenschweren Forschungsprogrammen (vor allem REFINA)5 noch keine wirkliche Trendwende zu erkennen ist. Die jüngst festgestellte Reduktion der Flächenneuinanspruchnahme (78 ha/Tag, 2009) dürfte vor allem auf die realwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzmarktkrise zurückzuführen sein, nicht aber auf eine nachhaltig höhere Effizienz der Bodennutzung.6

Zum ersten Mal in Deutschland wurde jüngst vom Land Rheinland-Pfalz eine landesumfassende Erhebung der Grundstücksreserven abgeschlossen. Das Resultat ist erschreckend: Die ungenutzten Baulandreserven innerhalb der Ortslagen reichen für mehr als 200 000 neue Einwohner, diejenigen außerhalb der Ortslagen für mindestens 500 000 zusätzliche Einwohner (Einwohnerzahl in den befragten Orten: 3 145 182).7 In diesen Zahlen sind die Reserven in Gestalt von Unterausnutzungen (insbesondere durch ältere Mitbürger, sogenannte „Ü-75“-Grundstücke) noch gar nicht enthalten. Verfallende Ortskerne mit heruntergekommenen Gebäuden bei gleichzeitiger Zerfaserung von Ortschaften an den Rändern legen hiervon in vielen Gemeinden ein Zeugnis ab. Es ist davon auszugehen, dass sich derartige Probleme nicht auf Rheinland-Pfalz beschränken.

Eine Reform der Grundsteuer würde eine Möglichkeit bieten, die mannigfachen Fehlentwicklungen auf den Grundstücksmärkten offensiv anzugehen.

Mangelnde Planungsneutralität

Aufgabe der Bauleitplanung ist es, verschiedene rivalisierende Nutzungsansprüche abzuwägen und auszugleichen. Durch eine entsprechende Planung kann verhindert werden, dass individuell rationale Strategien in eine gesamtgesellschaftliche Rationalitätenfalle führen. Ließe man beispielsweise der verbreiteten Neigung nach dem Leben im freistehenden Einfamilienhaus im Grünen freien Lauf, wäre eine desaströse Zersiedelung die absehbare Folge. Eine gute Planung muss in diesem Sinne auch Nutzungsansprüchen mit geringer Zahlungsbereitschaft einen entsprechenden Platz einräumen (öffentliche Räume, Kindergärten, Schulen, Naturschutz). Damit dies gelingt, muss die Planung unabhängig von der Einflussnahme durch Partikularinteressen sein.

Eigentumsrechte an Grund und Boden werden jedoch durch Planungsentscheidungen beeinflusst und konkretisiert. Im Baugesetzbuch besteht diesbezüglich eine Schieflage dahingehend, dass Planungsgewinne (Ausnahme: städtebauliche Sanierungsmaßnahme) privat vereinnahmt werden können; für Planungsschäden besteht jedoch eine Entschädigungspflicht der Öffentlichen Hand. Soweit Änderungen der Planung zu einer Aufwertung von Grundstücken führen (z.B. von landwirtschaftlichen Flächen zu Bauerwartungsland oder Bauland), ist hiermit regelmäßig ein privater Planungsgewinn verbunden. Dieser ergibt sich im Wesentlichen aus den aufgrund der künftig geänderten Nutzung erwarteten höheren Bodenrenten, die diskontiert einen höheren Bodenwert ergeben.

Planungsänderungen sind jedoch nicht kostenlos zu haben: Grundstücke müssen erschlossen werden. Dabei wird nur ein Teil der Kosten der inneren Erschließung an die Eigentümer weitergegeben – die äußere Erschließung belastet die öffentliche Hand. Nicht nur die Kosten der technischen, sondern auch der sozialen Infrastruktur sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Zudem sind Opportunitätskosten der Planung zu berücksichtigen, da andere Nutzungsansprüche nicht zum Zuge kommen: Während Investoren bei irgendwelchen privatwirtschaftlichen Investitionsentscheidungen auch Opportunitätskosten (z.B. in Gestalt des Diskontierungssatzes) berücksichtigen, werden die Opportunitätskosten der Planung nicht vom Grundstückseigentümer getragen, sondern in diffuser Weise externalisiert. Die Entkopplung von privaten Nutzen (Planungsgewinnen) und externalisierten (Opportunitäts-) Kosten der Planung stellt einen Anreiz zum Rent-Seeking8 dar: Die Fälle, in denen Partikularinteressen versuchen, Planungsinstanzen „gefangenzunehmen“, sind Legion.9

Der Wissenschaftliche Beirat unternimmt nun mit der Einbeziehung der Bodenwertkomponente in die Bemessungsgrundlage zwar einen Schritt in die richtige Richtung. Er konstatiert zu Recht, dass lokale Infrastrukturinvestitionen zu einer sehr unterschiedlichen Aufwertung von Grundstücken führen können, und sieht die Bodenwertkomponente daher als eine Möglichkeit der Anlastung bei den Nutznießern an.10 Problematisch ist jedoch, dass diese Logik umso mehr durchbrochen wird, je stärker sich die Bemessungsgrundlage auf den Gebäudewert stützt. Zumal der Gebäudewertanteil einer verbundenen, wertabhängigen Steuer – je nach Belegenheit des Grundstücks – 50% bis 85% des Gesamtwertes der Immobilie ausmacht11 und die Umstellung zudem aufkommensneutral erfolgen soll12, entfällt eben der Löwenanteil der Steuer auf die Gebäudekomponente. Der Wissenschaftliche Beirat möchte nun bewusst mittels der Verlagerung auf die Gebäudekomponente einen Teil der Grundsteuer wirtschaftlich überwälzbar gestalten. Die planungsbedingt höhere Bodenrente und der Planungsmehrwert werden durch diese Verlagerung der Steuer weg von der Bodenkomponente und hin zum Gebäudewert geschont. Die Gebäudenutzer (diese sind nur im Falle der Selbstnutzung mit den Grundstückseigentümern identisch) werden aufgrund der Überwälzbarkeit der gebäudebezogenen Steueranteile hingegen belastet.

Durch die Verlagerung der Steuer von der Bodenwert- auf die Gebäudewertkomponente wird die oben kritisierte, zum Rent-Seeking führende Entkopplung von Kosten und Nutzen der Planung noch verschärft. Der Anreiz für gut organisierte und finanzstarke Interessengruppen, den Staat zu Lasten der Allgemeinheit im Planungsprozess „gefangenzunehmen“, wird erhöht. Die Chance, dass die Abwägungsentscheidung unter rivalisierenden Nutzungsinteressen unter sachlichen Gesichtspunkten verläuft, wird verringert. Mit der Konzentration auf den Bodenwert als Bemessungsgrundlage wäre hingegen eine höhere Abschöpfung der privaten Benefits möglich – die beschriebenen Anreize zum Rent-Seeking würden abgeschwächt.

Planungsneutralität erfordert schließlich auch, dass die Planungsverantwortlichen (als Sachwalter des öffentlichen Gutes Planung) selber keine Eigeninteressen verfolgen. Da die Ertragshoheit wie auch das Hebesatzrecht der Grundsteuer aber heutzutage bei den Kommunen liegt, die ihrerseits auch für die Planung verantwortlich sind, besteht ein solches Eigeninteresse (hier: höhere Grundsteuereinnahmen durch Flächenkonversion). Dieses befeuert unproduktive Konkurrenzen der Kommunen um die Ansiedlung von Einwohnern und Betrieben. Der Wissenschaftliche Beirat diskutiert das Problem solcher Rationalitätenfallen noch nicht einmal.13 Dementsprechend werden auch Lösungsvorschläge wie beispielsweise die länderbezogene Poolung der Grundsteuer und ihre Rückverteilung nach bestimmten Schlüsseln nicht angesprochen.14

Mangelnde Compliance und mangelnde Markteffizienz

Selbst wenn die Planung gut und neutral wäre: Die Grundstückseigentümer müssen heutzutage Planung „zulassen“. Blockieren sie die Planung oder unterlassen sie die Grundstücksnutzung in der planerisch vorgesehenen Weise, ist die Planung weitgehend machtlos.15 Baulücken, Grundstücksbrachen, heruntergekommene Gebäude in Ortskernen etc. sind stille Zeugen dieser Defizite. Die Vielzahl von Geboten (Baugebot, § 176 BauGB, Modernisierungs- und Instandhaltungsgebot, § 177 BauGB etc. etc.) sowie die Enteignung sind praktisch weitgehend zahnlose Papiertiger, die aber mit einem hohen Streitpotential befrachtet sind.

Die Kritik richtet sich jedoch nicht gegen das deutsche Planungsrecht, das eigentlich ein ausgereiftes und gutes Regelwerk ist. Das eigentliche Problem ist die Abwesenheit von ökonomischen Anreizmechanismen, um die Grundstückseigentümer zu veranlassen, sich im Sinne der Planung zu verhalten. Hier wäre vor allem ein stärkerer ökonomischer Nutzungsdruck notwendig, der bedingt, dass Grundstücke im Sinne der Planung möglichst optimal genutzt werden und andernfalls für den Grundstückseigentümer Kosten entstehen. Die Wirkung von Opportunitätskosten (entgangene Bodenrente) ist bei einem Asset mit optionaler Struktur (Grund und Boden stellt eine Realoption dar, deren Ausübung in die Zukunft verschoben werden kann16) hierfür nicht ausreichend. Zudem „bestraft“ die Gebäudekomponente in der Bemessungsgrundlage die effiziente Nutzung eines Grundstücks: Je werthaltiger die Nutzung des Grundstücks, umso höher die Steuer. Auch die Modernisierung und Instandsetzung wird nicht angeregt, würde doch ebenfalls der Mietwert und damit die Steuerbelastung ansteigen.

Anders die Bodenwertkomponente, über die zielgerichtet die Bodenrente angegriffen werden kann: Werden Gebäude nicht instand gehalten, so kann die Grundsteuer nicht erwirtschaftet werden. Dies wäre – nebenbei bemerkt – auch ein Stimulus für die Bauindustrie, die sich zukünftig ohnehin verstärkt der Modernisierung und dem Umbau von Beständen widmen sollte.17 Der durch eine Bodenwertsteuer hervorgerufene Nutzungsdruck erleichtert auch Ansätze der Flächenkreislaufwirtschaft,18 zumal ein erhöhter Anreiz besteht, ungenutzte oder gering genutzte Grundstücke wieder zur Verfügung zu stellen bzw. zu verkaufen. Eine spürbare Steuer auf den Bodenwert kann auch ein adäquates Instrumentarium sein, um übertriebene Preisvorstellungen von Verkaufswilligen auf ein „Normalmaß“ zurückzuführen.19 Solche wurden nicht nur in dem Projekt von Elgendy und Michels,20 sondern ebenfalls in einer Studie, die für das Umweltbundesamt von Schiller et al. durchgeführt wurde,21 diagnostiziert. Unter derartigen Mismatches leidet maßgeblich die Mobilität des Bodenmarktes.

Die Intention des Wissenschaftlichen Beirates, einen Teil der Grundsteuer durch die Verlagerung der Steuer auf die Gebäudekomponente überwälzbar zu machen und die Grundstückseigentümer somit zu entlasten, geht also leider genau in die falsche Richtung.22

Soziale Aspekte, Zugang zum Boden

In der Realität hängen die Aspekte der Allokation und Distribution eng zusammen, obwohl sie in der ökonomischen Theorie über das zweite Wohlfahrtstheorem getrennt werden. Die Kehrseite der genannten Allokationsprobleme (ein effektiv verringertes Angebot durch eine mangelnde Mobilität des Grundstücksmarktes, mangelnden Nutzungsdruck etc.) ist der schlechte Zugang zur Fläche.

Dementsprechend wird auch von Akteuren mit geringer Zahlungsbereitschaft Druck auf Baulandproduktion (via Planung) ausgeübt. Diese findet dann zumeist an den Rändern von Ortschaften statt. Während oftmals die Kerne „verfaulen“, die Leerstände zu- und der Wert der Bestandsimmobilien abnehmen, wachsen Siedlungen an den Rändern. Bekannt sind „Strohfeuereffekte“ dahingehend, dass sich nach Ablauf einer Generation viele Wohnsiedlungen entleeren, während die Kosten der Infrastruktur aufrechterhalten werden müssen (getragen von immer weniger Erwerbstätigen) und die Versorgung der zurückgebliebenen Alten immer problematischer wird. Derartige Probleme würden mit Vorschlägen wie denen des Wissenschaftlichen Beirates keineswegs entschärft – eher dürfte das Gegenteil der Fall sein (siehe die oben dargestellten Zusammenhänge).

Steuertechnische Probleme

Das eigentliche Problem bei einer wertbasierten Grundsteuer liegt in der Bewertung der Gebäude. Dies macht die Festsetzung der Steuer so aufwändig.

Bei den Bewertungsfragen konzentriert sich der Wissenschaftliche Beirat auf die Ermittlung der anzusetzenden Mieten.23 Ich teile seine Auffassung, dass hier keine unüberwindlichen Probleme bestehen. Das größte Problem besteht allerdings auch gar nicht in den Mieten. Vielmehr kommt die für das Steuerrecht charakteristische Typisierungsproblematik (im Spannungsfeld zum Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG) vor allem bei der Ermittlung der Wohn- oder Nutzfläche zum Ausdruck. Bestimmte Charakteristika (gefangene Räume, Durchgangsräume, versetzte Geschosse etc.) lassen sich mit Typisierungen (wie z.B. nach der Wohnflächenverordnung, die zunächst für öffentlich geförderte Wohnungen gilt) kaum abbilden; und schon die korrekte Anwendung dieser Typisierungen ist relativ kompliziert. Wegen der Unzulänglichkeit der bisher vorliegenden, typisierenden Regelwerke ermitteln Grundstückssachverständige die Wohnfläche wohnwertabhängig, also einzelfallbezogen. Eine diesbezüglich privat verfasste Wohnflächen- und Mietwertrichtlinie (Geltungsanspruch: frei finanzierte Wohnungen) versucht zwar, mehr Nachvollziehbarkeit und Objektivität zu schaffen,24 ändert grundsätzlich jedoch nichts an der Einzelfallorientierung und ist daher für das Steuerrecht als Massenfallrecht ebenfalls keine taugliche Vorlage.

Im Übrigen stellt die zutreffende Ermittlung der Fläche auch ein bislang von Mietern unerkanntes Angriffspotenzial gegen ihre Vermieter dar (da eine Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Fläche dazu führen kann, dass ein Mangel an der Mietsache vorliegt).25 Selbst wenn sich zur Objektivierung an Mietverträgen orientiert wird, ist das innewohnende Streitpotenzial also nicht aus der Welt geschaffen. Dies gilt umso mehr dann, wenn (vor allem bei Selbstnutzung) keine Mietverträge existieren. Die vorliegend für Wohnraumnutzung geschilderten Probleme bei der Ermittlung der zutreffenden Wohn- bzw. Nutzfläche dürften bei Gewerbe- und Industriebauten in vielen Fällen noch wesentlich gravierender einzuschätzen sein.

Schließlich müssen auch noch die baulichen Änderungen laufend nachgehalten werden. Eine Aussage über die hierbei entstehenden Kosten trifft der Wissenschaftliche Beirat nicht; er fordert lediglich eine „kostengünstige Lösung“.

Die gebäudebezogenen Komplikationen einer verbundenen Bemessungsgrundlage können vermieden werden, wenn sich auf die von den Gutachterausschüssen festgestellten Bodenrichtwerte als Bemessungsgrundlage beschränkt wird (§§ 195, 196 Baugesetzbuch – „unverbundene Bemessungsgrundlage“). Zu berücksichtigen ist jedoch ein bislang sehr unterschiedlicher Qualitätsstandard des Gutachterausschusswesens in den verschiedenen Bundesländern. Hier wären eine größere Vereinheitlichung (nach oben) und gegebenenfalls in bestimmten Ländern (wie z.B. in Baden-Württemberg und Bayern) Nacharbeiten notwendig. Allerdings wäre auch dies mit vertretbarem Aufwand machbar. Für eine bundesweite Anpassung wurden Ende der 90er Jahre Kosten in Höhe von ca. 5 Mio. Euro veranschlagt.26 Auch Praxistests haben ergeben, dass es sich (abgesehen von einer reinen Flächensteuer) bei der Bodenwertsteuer um diejenige Reformalternative handelt, die am einfachsten und billigsten zu administrieren ist.27

Legitimation

Die Grundsteuer stellt (neben anderweitigen steuerlichen Belastungen, so z.B. aus Einkommen und ohne Anrechnung auf diese) eine besondere steuerliche Belastung der Grundeigentümer dar. Die Rechtfertigung dieser besonderen Belastung ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip (abgeleitet aus Art. 3 Abs. 1 GG). Bei der Grundsteuer handelt es sich danach um eine Objektsteuer, die wirtschaftlich auf die durch den Besitz sogenannten „fundierten Einkommens“ vermittelte besondere Leistungsfähigkeit abzielt, die neben die Leistungsfähigkeit aufgrund von Arbeitseinkommen tritt („Fundustheorie“). Damit wird steuerrechtlich in Kauf genommen, dass die Leistungsfähigkeit des Realobjekts deutlich von der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners abweicht.28 Dem Leistungsfähigkeitsprinzip wird am ehesten eine Bewertung gerecht, die sich an den Verkehrswerten orientiert.29 Die Legitimation der aktuell bestehenden Grundsteuer krankt, wie der Wissenschaftliche Beirat zu Recht bemerkt, vor allem an den Einheitswerten, die mit Niveau und vor allem der Struktur der Verkehrswerte kaum mehr etwas zu tun haben. Nach dem Auslaufen der Vermögensteuer, der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und entsprechenden Änderungen im Erbschaft- und Bewertungsgesetz werden die Einheitswerte fast30 nur noch für die Grundsteuer fortgeschrieben.

Anstelle oder neben der Fundustheorie wird – insbesondere aus finanzwissenschaftlicher Sicht – auch das „Äquivalenzprinzip“ zur Rechtfertigung der Grundsteuer herangezogen: Hiernach wird eine Steuer als „Preis“ für die vom Staat oder der Gemeinde erbrachten Leistungen angesehen. In erster Linie profitieren hiernach die Grundstückseigentümer von gemeindlichen Infrastrukturinvestitionen.31 Nach Groth et al. ist allerdings das Äquivalenzprinzip dem Begriff der Steuer wesensfremd; es kann daher nur ein rechtspolitisches Argument unter anderen rechtspolitischen Erwägungen sein.32 Andererseits wird auf die Sonderstellung der Grundsteuer im Reigen der Substanzsteuern hingewiesen: Die Grundsteuer erhalte (anders als die Gewerbesteuer) eine äquivalenztheoretische Rechtfertigung, die sich auf die Überlassung des Grund und Bodens durch den Staat bezieht und dementsprechend den sozialgebundenen Status des Eigentums an Grundstücken (Art. 14 GG) konkretisiert. Der Status des Grundstückseigentümers würde hierdurch an denjenigen eines Erbbauberechtigten angenähert. Tipke/Lang schränken diese Argumentation als nur für Grund und Boden gültig ein, da das aufstehende Gebäude vom Eigentümer selbst geschaffen und nicht vom Staat „überlassen“ wird.33

Die Einbeziehung der Gebäudewerte in die heutige Grundsteuer widerspricht dem Äquivalenzgedanken, da die Gebäude vollständig von den Eigentümern bezahlt werden und der isolierte Gebäudewert von den Leistungen der Kommune unabhängig ist. Die Grundsteuer belastet nach Tipke/Lang nur insoweit nicht als Substanzsteuer den Wert des vom Bürger selbst geschaffenen Vermögens, als sie sich auf das beschränkt, was der Staat dem Bürger überlässt: Nämlich die Nutzung von Grund und Boden.34

Schlussbemerkungen

Die Ansätze, mit der Grundsteuer zu steuern, sind mittlerweile kaum mehr überschaubar. Einige dieser Ansätze (z.B. die Flächensteuer allein oder kombiniert mit einer wertbezogenen Bemessungsgrundlage in der Absicht, Suburbanisierungstendenzen entgegenzuwirken) werden vom Wissenschaftlichen Beirat zu Recht verworfen.35

Angesichts der Vielzahl rivalisierender Lenkungsziele, die von verschiedenen Seiten mit einer Grundsteuerreform verfolgt werden, sollte die „Tinbergen-Regel“ nicht aus den Augen geraten. Hiernach ist eine volle Realisierung aller Ziele nur dann möglich, wenn mindestens so viele unabhängige (!) Instrumente eingesetzt, wie Ziele verfolgt werden.36 Bestimmte Lenkungsziele müssen priorisiert, andere in den Hintergrund gerückt werden. Während es bezüglich der Anlastung von Grenzballungskosten konzeptionelle Alternativen (wenngleich es sich um zweitbeste Lösungen handelt) gibt, ist dies hinsichtlich der hier behandelten Probleme (Nicht-Neutralität der Planung, mangelnde Effizienz und Compliance etc.) nicht der Fall.37 Dies spricht im vorliegenden Zielkonflikt für eine Priorisierung des Bodenwertes als alleiniger Bemessungsgrundlage.

In der diskutierten Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats findet allerdings keine diesbezügliche Abwägung statt. Zudem bleiben die Autoren auch eine Aussage schuldig, inwieweit die von ihnen favorisierte zweitbeste Lösung tatsächlich in der Lage ist, die Grenzballungskosten den Verursachern anzulasten. Aussagen über den Zusammenhang von Gebäudewerten und Grenzballungskosten werden in der Stellungnahme nicht getroffen.38

Zwar ist die Überwälzbarkeit einer auf die Gebäudewertkomponente erhobenen Steuer wohl im Grundsatz weitgehend unstrittig. Weiter ist auch klar, dass ein Zuzug von Unternehmen und Einwohnern die Grundstückswerte erhöht (oder eine Absenkung verhindert). Wie teilt sich aber diese Erhöhung auf Grundstück und Gebäude auf? Je geringer der Anteil der Werterhöhung, der auf den Gebäudeanteil entfällt, umso weniger effektiv ist möglicherweise die Einbeziehung der Gebäudekomponente mit Blick auf die verursachungsgerechte Anlastung der Grenzballungskosten.39 Das Mindeste, was sich zu dieser Frage sagen lässt, ist, dass sie bislang nicht befriedigend beantwortet ist.40 Derartige Unsicherheiten wären bei einer Abwägung zu berücksichtigen; sie können auch nicht mit dem Verweis auf das kommunale Hebesatzrecht aufgelöst werden.

Der Wissenschaftliche Beirat könnte seiner Aufgabe gerecht werden, wenn er seinen Fokus auf die sinnvolle Einbindung konzeptioneller Alternativen jenseits des Gebäudewertes zur verursachungsgerechten Anlastung der Grenzballungskosten richten würde. Oftmals nimmt man mit Bedauern zur Kenntnis, wenn Stellungnahmen wissenschaftlicher Beiräte von den zuständigen Ministerien nicht umgesetzt werden. Hinsichtlich der besprochenen Stellungnahme ist dies ausnahmsweise allerdings zu hoffen.

  • 1 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Reform der Grundsteuer, Dezember 2010. Online: http://www.bundesfinanzministerium.de/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Finanz__und__Wirtschafts¬politik/Wissenschaftlicher__Beirat/Gutachten__und__Stellungnahmen/Ausgewaehlte__Texte/1101111a3001.html (eingesehen: März 2011).
  • 2 Ebenda, S. 2-3.
  • 3 Vgl. W. F. Richter: Kommunaler Standortwettbewerb und effizienzorientierte Besteuerung, in: E. Theurl, R. Sausgruber, H. Winner (Hrsg.): Kompendium der österreichischen Finanzpolitik, Wien 2002, S. 704-733.
  • 4 E. Dransfeld: Erbbaurecht und Stadtplanung – Welche Vorteile bietet kommunales Erbbaurecht aus stadtplanerischer Sicht?, in: H. Dieterich, D. Löhr, F. Thiel, S. Tomerius (Hrsg.): Jahrbuch für Bodenpolitik 2008/2009, Berlin 2010, S. 17-40, hier: S. 21.
  • 5 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement (REFINA), 2011, http://www.refina¬info.de (eingesehen: April 2011).
  • 6 Umweltbundesamt: Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen vom Jahr 1993 bis zum Jahr 2009, 26. Oktober 2010, http://www.umweltbundesamt.de/rup/veroeffentlichungen/zunahme.pdf (eingesehen: März 2011).
  • 7 H. Elgendy, S. Michels: Raum+ Rheinland Pfalz – Zusammenfassung der Ergebnisse, Handout, herausgegeben im Rahmen der Abschlusspräsentation in der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz am 10. Februar 2011, S. 2-3.
  • 8 Zur Definition vgl. G. Tullock: The Rent-Seeking Society, Liberty Fund, Allison Pointe Trail, Indianapolis 2005, S. 9.
  • 9 Vgl. D. Löhr: The Driving Forces of Land Conversion, in: FAO Land Tenure Journal, 1, Juni 2010, S. 61-89.
  • 10 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, a.a.O., S. 2.
  • 11 Vgl. hierzu auch Expertenkommission Wohnungspolitik: Wohnungspolitik auf dem Prüfstand, Bonn 1994, Tz. 8205.
  • 12 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, a.a.O., S. 6.
  • 13 Ebenda, S. 2.
  • 14 Vgl. D. Löhr: The Driving Forces of Land Conversion, a.a.O., S. 84.
  • 15 E. Dransfeld, a.a.O., S. 38.
  • 16 Vgl. A. S. Holland, S. H. Ott, T. J. Riddiough: The role of uncertainty in investment: an examination of competing investment models using commercial real estate data, in: Real Estate Economy, 28. Jg. (2000), S. 33-64.
  • 17 Vgl. H. Dieterich: Reform der Grundsteuer – Wertbezogene Bemessungsgrundlage, in: H. Dieterich, D. Löhr, S. Tomerius (Hrsg.): Jahrbuch für Bodenpolitik 2004, Berlin 2004, S. 47-59, S. 57 ff.
  • 18 Vgl. P. Jakubowski, F. Dosch, E. Bergmann: Zur theoretischen Konzeption einer Flächenkreislaufwirtschaft, in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht, 30. Jg. (2007), Nr. 3, S. 325-350.
  • 19 Vgl. D. Löhr: The Driving Forces of Land Conversion, a.a.O., S. 84.
  • 20 H. Elgendy, S. Michels, a.a.O.
  • 21 G. Schiller, J.-M. Gutsche, S. Siedentop, C. Deilmann: Von der Außen- zur Innenentwicklung in Städten und Gemeinden – Das Kostenparadoxon der Baulandentwicklung, Forschungskennzeichen 203 16 123 / 02, Dessau 2009, S. 193 ff.
  • 22 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, a.a.O., S. 3.
  • 23 Ebenda, S. 4.
  • 24 Vgl. H.-O. Sprengnetter, C. Sauerborn, J. Gante: Wohnflächen- und Mietwertrichtlinie: Richtlinie zur wohnwertabhängigen Wohnflächenberechnung und Mietwertermittlung mit Kommentar, Sinzig 2008.
  • 25 Z.B. BGH: Urteil vom 23. Mai 2007, Az.: VIII ZR 138/06 unter II. 2. a); Urteil vom 22. Februar 2006, Az.: VIII ZR 219/04; Urteil vom 28. September 2005, VIII ZR 101/04; Urteile vom 24. März 2004, Az.: VIII ZR 44/03, VIII ZR 133/03, VIII ZR 295/03, in: H.-O. Sprengnetter, J. Kierig, C. Forkert: WF-Bibliothek, EDV-gestützte Entscheidungs-, Gesetzes-, Literatur- und Adresssammlung zur Grundstücks- und Mietwertermittlung, Version 16.0, Sprengnetter Immobilienbewertung, Sinzig 2008.
  • 26 K. Bizer, D. Joeris: Zur Eignung der Bodenrichtwerte als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, in: GuG Grundstücksmarkt und Grundstückswert 1998, S. 132 ff., hier: S. 132, 135; M. Hintzsche: Probleme der Bewertung und des Verwaltungsaufwands einer Grundsteuer, in: M. Reidenbach (Hrsg.): Bodenpolitik und Grundsteuer, in: Difu-Materialien, Nr. 2, Berlin 1999, S. 65.
  • 27 D. Coulmas, M. Lehmbrock: Grundsteuerreform – Was kommt nach dem Praxistest?, in: vhw Forum Wohneigentum, 12/2001, H. 6, S. 289-295, hier: S. 293.
  • 28 K. Bizer, D. Joeris, a.a.O., S. 132.
  • 29 Vgl. K.-M. Groth et al.: Möglichkeiten der Baulandmobilisierung durch Einführung einer bodenwertorientierten Grundsteuer, Forschungsvorhaben im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, aktualisierte Fassung des Endberichts vom März 2000, Berlin 2004, S. 99.
  • 30 Ausnahme: § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG.
  • 31 Man kann zwischen Kosten- und Nutzenäquivalenz unterscheiden. Vgl. A. Lemmer: Zur Reform der Grundsteuer, in: J. B. Donges, J. Eeckhoff (Hrsg.): Reihe Untersuchungen zur Wirtschaftspolitik, Köln 2004, S. 28 ff. Dieser Unterschied kann jedoch im vorliegenden Gutachten vernachlässigt werden.
  • 32 Bei der Grundsteuer handelt es sich eben nicht um eine Gebühr oder einen Beitrag. Sie wird daher eben gerade nicht für bestimmte, individuell oder gruppenweise zurechenbare Gemeindeleistungen erhoben (s. den Begriff der Steuer in § 3 Abs. 1 AO); das Äquivalenzprinzip hat im Rahmen des Steuerrechts einen gänzlich anderen Stellenwert als im Gebühren- und Beitragsrecht; vgl. K.-M. Groth et al., a.a.O., S. 71-72; vgl. auch P. Kirchhoff: Staatliche Einnahmen, in: J. Isensee, P. Kirchhoff (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung, Heidelberg 1990, S. 87-233, S. 108.
  • 33 K. Tipke, J. Lang: Steuerrecht, 19. Aufl., Köln 2008, § 8, Tz. 44 und § 13, Tz. 202.
  • 34 Ebenda, § 8, Tz. 44. – Vgl. auch Expertenkommission Wohnungspolitik, Wohnungspolitik auf dem Prüfstand, a.a.O., Tz. 8203.
  • 35 Zur Kritik verschiedener flächenhaushaltspolitisch motivierter Vorschläge vgl. D. Löhr: Flächenhaushaltspolitische Varianten einer Grundsteuerreform, in: Wirtschaftsdienst, 88. Jg. (2008), H. 2, S. 121-129.
  • 36 Gibt es weniger Instrumente, dann können nicht alle Ziele gleichzeitig erreicht werden; vgl. J. Tinbergen: On the Theory of Economic Policy, Amsterdam 1952. Deutsch: Über die Theorie der Wirtschaftspolitik, in: G. Gaefgen (Hrsg.): Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Bd. 11, 4. Aufl., S. 383-396. Voraussetzung ist u.a., dass zwischen den Zielen und Instrumenten eindeutige Ursache-Wirkung-Beziehungen bestehen. Vgl. zur Tinbergen-Regel: K.-H. Brodbeck: Grundlagen der Wirtschaftspolitik, 2. Aufl., Würzburg 1998, S. 29.
  • 37 Gegenüber weitgehenderen Ansätzen wie einer umfassenden Anwendung von Erbbaurechten handelt es sich bei einer Bodenwertsteuer schon um einen zweitbesten Ansatz.
  • 38 Auf S. 2 der Stellungnahme wird lediglich ein allgemeiner Verweis auf die „breite empirische Literatur“ gegeben.
  • 39 Dies ist stark abhängig vom Verlauf der Grenzballungskosten, der von Ort zu Ort sehr unterschiedlich sein kann (z.B. aufgrund unterschiedlicher Auslastung der Infrastruktur).
  • 40 In der Tat gibt es gute Argumente dafür, dass derartige Entwicklungen auf längere Sicht den Bodenwert wesentlich stärker berühren als den Gebäudewert.

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DOI: 10.1007/s10273-011-1227-5