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Deutschland ist mit den übrigen Ländern des Euroraums wirtschaftlich eng verknüpft. Einige Länder befinden sich in einer tiefen Rezession und es wird zum Teil befürchtet, dass Deutschland sich diesem Rezessionssog nicht entziehen kann. Die deutsche Wirtschaft profitiert aber auch von dem schwachen Euro und den niedrigen Zinsen. Um die Größenordnung dieser gegenläufigen Effekte abzuschätzen, werden Simulationen mit dem RWI-Mehrländermodell durchgeführt.

Die deutsche Konjunktur zeigt sich im bisherigen Verlauf des Jahres 2012 erstaunlich robust, obwohl sich die Verschuldungskrise in vielen Ländern des Euroraums verschärft hat und sich Volkswirtschaften wie Griechenland, Italien, Portugal und Spanien in einer tiefen Rezession befinden. Da die deutsche Wirtschaft mit diesen und allen übrigen Ländern des Euroraums wirtschaftlich eng verflochten ist, wird immer wieder die Befürchtung geäußert, Deutschland könne sich auf Dauer dem Abwärtssog nicht entziehen und müsse früher oder später ebenfalls in eine Rezession abgleiten. Allerdings wird dabei vernachlässigt, dass die deutsche Konjunktur von dem schwachen Euro und den niedrigen Zinsen positive Impulse erhält. Um die tatsächliche Gesamtbelastung für die deutsche Wirtschaft abzuschätzen, müssen die Effekte der verschiedenen Faktoren quantifiziert und aufgerechnet werden.

Bei der Gesamtbeurteilung der Effekte ist auch zu berücksichtigen, dass die Bedeutung der Schwellenländer für die deutschen Exporte in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, während die europäischen Handelspartner an Gewicht verloren haben. Diese Verschiebung der Handelsgewichte dürfte bewirkt haben, dass die deutsche Wirtschaft von der gegenwärtigen konjunkturellen Schwäche in den europäischen Partnerländern nicht in dem Maße betroffen ist, wie es noch vor einigen Jahren der Fall gewesen wäre.

Natürlich dürften auch binnenwirtschaftliche Faktoren zu der relativ stabilen Entwicklung beigetragen haben. Insbesondere ist hier an die überraschend positive Arbeits-marktentwicklung zu denken, die sich bereits in der großen Rezession der Jahre 2008/2009 zeigte und als „deutsches Wunder“ bezeichnet wurde.1 Aber wie schon die Phase nach der Lehman-Pleite verdeutlichte, konnte eine Rezession dadurch allein nicht verhindert werden. Die stabile Arbeitsmarktentwicklung dürfte stattdessen lediglich dazu beigetragen haben, dass sich der konjunkturelle Einbruch nicht wie in anderen Ländern verfestigt hat, sondern rasch wieder überwunden werden konnte.

Im Folgenden beschränken wir uns auf die Analyse der außenwirtschaftlichen Faktoren. Deren Bedeutung wird mit Hilfe von Simulationen mit dem RWI-Mehrländermodell abgeschätzt. Dazu werden zunächst die Belastungen, die aus der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in ausgewählten Ländern des Euroraums entstehen, quantifiziert. Zusätzlich werden die Größenordnungen der Effekte, die von den Zinsen, dem Wechselkurs und der veränderten Bedeutung Chinas ausgehen, ermittelt und miteinander verglichen.

Das RWI-Mehrländermodell

Das für die Simulationen verwendete Mehrländermodell umfasst 39 Ländermodelle, die über eine Handelsmatrix miteinander verknüpft sind. Für 22 Länder bestehen ökonometrische Teilmodelle, die sich hinsichtlich ihres Detaillierungsgrades in zwei Gruppen unterteilen lassen. Die sechs weltwirtschaftlich besonders bedeutenden Länder USA, Japan, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien sind durch Teilmodelle abgebildet, die jeweils aus 65 Gleichungen bestehen. Deutschland und Kanada sind noch kompakter modelliert. Sie sind wie weitere 14 Industrieländer durch jeweils 36 Gleichungen abgebildet.

Die Ländermodelle sind über eine Handelsmatrix miteinander verknüpft. Diese gewährleistet eine konsistente Umrechnung der nationalen Gesamtimporte aller Länder in bilaterale Exporte der anderen Modellländer. Welcher Anteil der Gesamtimporte des importierenden Landes durch Lieferungen der verschiedenen exportierenden Länder bedient wird, determinieren endogen bestimmte Handelskoeffizienten. Diese sind zeitvariabel durch stochastische Gleichungen modelliert und ändern sich in Abhängigkeit der Wechselkurse und relativen Preise. Durch Multiplikation der Gesamtimporte mit den Handelskoeffizienten lassen sich die bilateralen Exporte berechnen und länderweise zu den Gesamtexporten aggregieren. Diese gehen in die nationalen Teilmodelle ein.

Neben den direkten Handelseffekten werden in dem Modell weitere internationale Transmissionskanäle erfasst. Unter anderem wird angenommen, dass ein internationaler Zinsverbund existiert, der zu einer partiellen Koordination der Geldpolitik zwischen Ländern mit hoher Kapitalmobilität führt. Ferner wird berücksichtigt, dass sowohl von den internationalen Renditeunterschieden als auch von den Preisniveaurelationen ein Einfluss auf die Wechselkursentwicklungen ausgeht. Der Wechselkurs selbst beeinflusst in dem Modell maßgeblich das Preissetzungsverhalten der Exporteure, hierüber die Handelskoeffizienten und letztlich die bilateralen Handelsvolumina. Da neben dem Wechselkurs allerdings auch die heimischen Produktionskosten und ausländischen Konkurrenzpreise das Preissetzungsverhalten der Exporteure beeinflussen, führt eine Abwertung nicht zwangsläufig zu einer Senkung der Exportpreise in gleichem Umfang (Pricing-to-Market). Letztlich ermöglicht das RWI-Mehrländermodell durch das Zusammenspiel aller Transmissionskanäle mit den einzelnen Länderblöcken eine simultane Modellierung der Wirtschaftsentwicklung in den Modellländern unter Beachtung der wechselseitigen Abhängigkeiten.

Belastungen durch die Rezession im Euroraum

Die deutsche Wirtschaft wird zweifellos von der Staatsschuldenkrise im Euroraum belastet. Rund 40% der deutschen Exporte werden in die Euroländer geliefert, so dass allein die durch die Konsolidierung zu erwartenden Handelsausfälle spürbar sein dürften. Um schätzen zu können, wie stark die konjunkturellen Wirkungen der geplanten Konsolidierungsprogramme in den großen Volkswirtschaften des Euroraums sind, werden die Programme der größten Länder in dem Mehrländermodell simuliert. Ein Vorteil dieses Vorgehens ist, dass neben den direkten Effekten der Konsolidierung auch die indirekten Effekte ermittelt werden können. Die indirekten Effekte ergeben sich dadurch, dass die konjunkturelle Entwicklung in Drittländern gebremst wird, was zusätzlich dämpfend auf die deutschen Exporte wirkt.

Konkret wurde für Frankreich, Italien, Spanien und Portugal angenommen, dass diese Länder 2012 und 2013 bisher noch nicht wirksam gewordene Sparmaßnahmen im Umfang von jeweils 0,5% bis 1% ihres BIP ergreifen. Dies scheint vor dem Hintergrund der bekannten politischen Pläne realistisch zu sein. Im Teilmodell Portugals wird der Impuls vollständig über eine Reduktion der Staatsausgaben in Höhe von 1% des BIP umgesetzt. Da der Staatssektor in den Teilmodellen für die drei anderen Länder detaillierter dargestellt wird, ist für diese eine genauere Berücksichtigung der geplanten Maßnahmen möglich. Vorgesehen sind dabei neben Erhöhungen der direkten und indirekten Steuern auch Kürzungen der Staatsausgaben, wobei die Beiträge der Einzelmaßnahmen zum Gesamtpaket in etwa gleich ausfallen dürften.

Im Modell werden diese Vorgaben durch eine 1%ige Kürzung der Staatsausgaben, eine Anhebung des durchschnittlichen direkten Steuersatzes von 0,75 Prozentpunkten und eine Anhebung des durchschnittlichen indirekten Steuersatzes von 0,25 Prozentpunkten umgesetzt. Um die relative Bedeutung der einzelnen Pakete für die deutsche Wirtschaft schätzen zu können, wurde zunächst für jedes Land eine separate Simulation seines Sparprogramms berechnet. Anschließend wurden die Effekte der gleichzeitigen Konsolidierung simuliert. Da sich die isolierten Effekte auf die deutsche Wirtschaft bereits aus dem Zusammenwirken von direkten und indirekten Effekten infolge eines einzelnen Sparpaketes ergeben, entspricht der Gesamteffekt bei gleichzeitiger Konsolidierung der Summe aller Einzeleffekte.

Tabelle 1
Auswirkungen der Konsolidierung in ausgewählten Ländern des Euroraums auf die deutsche Wirtschaft
  2012 2013
  BIP Exporte BIP Exporte
Nur Frankreich -0,13 -0,27 -0,20 -0,22
Nur Italien -0,06 -0,12 -0,04 -0,06
Nur Spanien -0,11 -0,21 -0,05 -0,07
Nur Portugal -0,00 -0,01 -0,00 -0,01
Summe -0,30 -0,61 -0,29 -0,36

Abweichungen der Zuwachsraten von denen in der Basislösung, in Prozentpunkten.

Quelle: Simulationsergebnisse des RWI-Mehrländermodells.

Ergebnisse der Simulationen

Die Ergebnisse in Tabelle 1 zeigen, dass von jedem Sparpaket isoliert eine negative Wirkung auf das deutsche BIP ausgeht, wobei die Stärke der Einzeleffekte im Wesentlichen durch das bilaterale Exportvolumen bestimmt wird. Dies begründet, warum Frankreich den größten und Portugal den kleinsten Beitrag zum Gesamteffekt liefert. Überraschend ist jedoch, dass angesichts der Größenrelationen das spanische Sparpaket die Konjunktur in Deutschland stärker dämpft als das italienische. Eine Erklärung für dieses Ergebnis ist, dass im Falle der Konsolidierung für den Übertragungseffekt zwei Kanäle besonders relevant sind.

Primär verringert sich durch die zusätzliche Besteuerung die Nachfrage im konsolidierenden Land, was dämpfend auf die deutschen Exporte wirkt. Die Größe dieses Effektes hängt maßgeblich von den geschätzten Elastizitäten in den Konsum- und Investitionsfunktionen des importierenden Landes ab. Sekundär bewirkt die Steuererhöhung eine Verschiebung der relativen Preise zugunsten Deutschlands, was ceteris paribus positiv auf die deutschen Exporte wirkt und den Primäreffekt abfedert. Für die Größe dieses Effektes sind die empirisch geschätzten Elastizitäten der Importfunktion relevant. Konkret zeigt sich im Modell, dass der relative Konsum- und Investitionsrückgang in Spanien größer ausfällt als in Italien. Zusätzlich reagieren die spanischen Importe weniger elastisch auf die Relativpreisänderung, so dass die Gegenbewegung geringer ist. Aus dem Zusammenspiel beider Effekte ergibt sich, dass der Rückgang der deutschen Exporte nach Spanien insgesamt größer ist als im Falle Italiens, obwohl Spanien ein geringeres Gewicht als Handelspartner zukommt.

Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, sind die Gesamteffekte einer gleichzeitigen Konsolidierung auf das deutsche BIP-Wachstum 2012 und 2013 mit jeweils 0,3 Prozentpunkten durchaus beachtlich. Um die deutsche Wirtschaft in eine Rezession zu treiben, dürfte dieser Effekt allein jedoch nicht ausreichen. Da weitergehende Sparpakete die Effekte vergrößern und entgegenwirkende Wachstumsprogramme die Effekte verringern, stellt der simulierte Rückgang von 0,3% zunächst nur einen Richtwert dar, der nahelegt, dass von den Sparmaßnahmen zwar nennenswerte aber keine dramatischen Auswirkungen auf die deutsche Konjunktur zu erwarten sind.2

Stützende Effekte

Es stellt sich andererseits die Frage, wie groß die stützenden Effekte sind. Zum einen profitiert Deutschland von den – nicht zuletzt durch die Vertrauenskrise verursachten – niedrigen Zinsen.3 Zum anderen begünstigt der gefallene Außenwert des Euro die deutschen Exporte in Länder außerhalb des Euroraums. Um die Größenordnung des Zinsimpulses für die Simulation zu schätzen, orientieren wir uns an einer Taylor-Regel.4 Überträgt man die deutsche Wirtschaftslage gedanklich auf den Euroraum, geht man zusätzlich davon aus, dass die deutsche Produktionslücke für den Simulationszeitraum in etwa geschlossen ist und unterstellt die Einhaltung des Inflationsziels, so würde der an deutschen Verhältnissen ausgerichtete Zins mindestens um 1 Prozentpunkt höher liegen. Auch für die Kapitalmarktzinsen wäre zu erwarten, dass sie über ihrem aktuellen Niveau liegen, wodurch sie die deutsche Konjunktur stärker dämpfen würden.

Daher wurden wiederum mit dem Mehrländermodell die quantitativen Auswirkungen eines dauerhaft um 1 Prozentpunkt niedrigeren Kurzfristzinses ermittelt. Die Ergebnisse zeigen, dass das BIP-Wachstum in den ersten zwei Jahren um etwa 0,5 Prozentpunkte höher ist. Dies ist ein im Vergleich zu den Schätzungen für andere Länder relativ großer Effekt. Er liegt aber in einem Bereich, der auch mit Hilfe anderer Modelle ermittelt wurde.5

Darüber hinaus dürfte auch die Abwertung des Euro gegenüber den Währungen wichtiger Handelspartner, insbesondere gegenüber dem US-Dollar, auf die Verschuldungskrise im Euroraum zurückzuführen sein. Denn wie die Erfahrungen der Schweiz vermuten lassen, wäre es ohne die Gemeinschaftswährung wohl auch im Fall Deutschlands durch Kapitalzuflüsse zu einem erheblichen Aufwertungsdruck gekommen. Für sich genommen profitiert Deutschland somit von der Vertrauenskrise über eine gestiegene preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft. Mit dem Mehrländermodell wurde auch für diesen Effekt eine Simulation durchgeführt, die eine Einordung der quantitativen Größenordnung ermöglicht.

Die Ergebnisse der Simulation einer Abwertung des Euro um 10% belegen, dass das deutsche BIP auch durch diesen Effekt deutlich gestützt wird, und zwar stärker als die anderen großen EWU-Länder (vgl. Tabelle 2). Insgesamt ergibt sich im ersten Jahr ein Wachstumsanstieg von 0,85 Prozentpunkten. Die beachtliche Stärke dieser Effekte ist dadurch begründet, dass die zunehmende Auslandsnachfrage positiv auf das inländische Einkommen wirkt und dadurch über die heimische Nachfrage weitere expansive Effekte ausgelöst werden. Die überwiegend deutlich kleineren Effekte in den anderen Ländern des Euroraums zeigen, dass diese zwar weniger abhängig vom Außenhandel sind, spiegelbildlich aber auch weniger von einer Abwertung der Gemeinschaftswährung profitieren.

Tabelle 2
Effekte einer dauerhaften Abwertung des Euro auf das BIP
Abwertung um 10%
  2012 2013
EMU 0,62 0,95
Deutschland 0,85 0,94
Frankreich 0,29 0,38
Italien 0,63 0,91
Spanien 0,17 0,11
Portugal 1,01 0,37

Abweichung der Vorjahresveränderung des realen BIP zwischen
Szenario- und Basislösung, in Prozentpunkten.

Quelle: Simulationsergebnisse des RWI-Mehrländermodells.

Bedeutung der Schwellenländer

Begünstigt durch den niedrigen Außenwert, aber vorrangig getrieben durch regionale Wachstumsunterschiede, wurde die robuste Entwicklung in Deutschland erheblich durch die Exporte in Nicht-EU-Länder gestützt. 2011 lieferten die Exporte nach China, in die USA und nach Russland von dieser Ländergruppe die größten Wachstumsbeiträge. Durch den kräftig steigenden Anteil insbesondere der Exporte in die Schwellenländer wird dieser Trend noch verstärkt. Wie stark der Einfluss Chinas über die letzten Jahre gewachsen ist und welcher Effekt sich hieraus auf das deutsche BIP ergibt, wird in einer abschließenden Simulation ermittelt. Zunächst wurde für 2003 und 2004 von einem dauerhaften Anstieg der chinesischen Importe ausgegangen und anschließend dasselbe Szenario für 2012 und 2013 wiederholt. Die Ergebnisse der Tabelle 3 belegen, dass die Bedeutung Chinas für den deutschen Außenhandel und damit für die deutsche Konjunktur insgesamt in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Ähnliche Bilder ergeben sich für andere Schwellenländer. Durch die größere Streuung der deutschen Exporte hat die Anfälligkeit für Schocks aus einzelnen Ländern sicher abgenommen. Sollte sich die Konjunktur aber zeitgleich in mehreren wichtigen Abnehmerländern wie China oder den USA abkühlen, wäre die deutsche Konjunktur nach wie vor stark gefährdet. Dies würde umso mehr gelten, wenn es erneut zu einer globalen konjunkturellen Abschwächung käme.

Tabelle 3
Bedeutung Chinas für ausgewählte Euroländer
Anstieg der chinesischen Importe um 10%
  2003 2004 2012 2013
Deutschland
BIP 0,10 0,15 0,29 0,36
Exporte 0,30 0,36 0,57 0,64
Frankreich
BIP 0,05 0,08 0,10 0,14
Exporte 0,18 0,22 0,36 0,42
Italien
BIP 0,05 0,05 0,09 0,14
Exporte 0,19 0,11 0,38 0,52
Spanien
BIP 0,02 0,04 0,04 0,09
Exporte 0,11 0,13 0,24 0,33
Portugal
BIP 0,01 0,02 0,02 0,05
Exporte 0,09 0,08 0,16 0,24

Abweichung der Niveaus von der Basislösung, in %.

Quelle: Simulationsergebnisse des RWI-Mehrländermodells.

Fazit

Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wird zwar von der Krise im Euroraum erheblich belastet. Die direkten Effekte, die von der Konsolidierung in den großen Ländern des Euroraums über den Handelskanal auf Deutschland ausgehen, reichen aber nach unseren Ergebnissen nicht aus, um in eine Rezession abzugleiten. Allerdings gehen von der Krise weitere dämpfende Effekte auf die deutsche Wirtschaft aus. Vor allem wirkt die gegenwärtige Vertrauenskrise über die Erwartungen von Unternehmen und Konsumenten belastend auf die deutsche Wirtschaft. Beispielsweise ist nicht auszuschließen, dass ein weiterer Vertrauensverlust bzw. die Erwartung einer Verschärfung der Krise zu einer stärkeren Zurückhaltung bei Investitionen oder größeren Anschaffungen führt. Die Folge wäre eine weitere Verschärfung der Krise und ein größerer dämpfender Effekt auf die deutsche Konjunktur. Diese Effekte können im Rahmen des Mehrländermodells nicht quantifiziert werden.

Bei einer Gesamtschau der Belastungen durch die Verschuldungskrise im Euroraum ist aber auch zu berücksichtigen, dass durch die Krise positive Impulse für die deutsche Wirtschaft entstehen. Wie die Ergebnisse der Simulationen zeigen, gehen von der Zins- und Wechselkursentwicklung kräftige belebende Effekte auf die deutsche Konjunktur aus. Zudem wirkt das robuste konjunkturelle Umfeld außerhalb Europas stützend. Wie anhand der Simulationen zu der Bedeutung Chinas gezeigt wird, haben die Handelsgewichte der EWU-Länder deutlich zugunsten der Schwellenländer abgenommen. Daher hängt für die nahe Zukunft viel von dem außereuropäischen Umfeld ab. In dem Maße wie die Verschuldungskrise auf Länder außerhalb der Währungsunion ausstrahlt, nimmt auch für Deutschland die Gefahr einer erneuten Rezession zu. Durch die internationalen Kapitalbewegungen können auch Länder, die über den Handelskanal nicht betroffen sind, in Mitleidenschaft gezogen werden. Darüber hinaus sind die Nachwirkungen der großen Rezession immer noch deutlich spürbar, nicht zuletzt in den USA.

  • 1 Vgl. M. C. Burda, J. Hunt: What Explains the German Labor Market Miracle in the Great Recession?, in: Brookings Papers on Economic Activity, 2011, S. 273-335.
  • 2 Die Konsolidierung in Griechenland konnte nicht simuliert werden, da das RWI-Mehrländermodell kein entsprechendes Teilmodell enthält. Die Simulationsergebnisse für Portugal – dessen Gewicht im Euroraum ähnlich hoch ist wie das griechische – legen allerdings nahe, dass von den Sparmaßnahmen Griechenlands über den Außenhandel kein bedeutender Effekt auf das deutsche BIP ausgehen dürfte.
  • 3 Zu den unterschiedlichen Wirkungen der einheitlichen Geldpolitik vgl. J.-E. Sturm, T. Wollmershauser: The Stress of Having a Single Monetary Policy in Europe, CESifo Working Paper, Nr. 2251, 2008.
  • 4 Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Folgen der US-Immobilienkrise belasten Konjunktur, Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2008.
  • 5 Vgl. R. Döhrn, G. Barabas, H. Gebhardt, P. an de Meulen, T. Kitlinski, M. Micheli, T. Schmidt, S. Vosen, L. Zimmermann: Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Feste Konjunktur in unsicherem Umfeld, in: RWI Konjunkturberichte, 62. Jg. (2011), H. 1, S. 83-84.

Title:Why Germany Can Withstand the Euro Area Recession – Insights from RWI-Multi Country Model Simulations

Abstract:Germany is economically closely intertwined with the other member countries of the euro area. Some of these countries are in a deep recession, and it is feared that Germany will not manage to avoid being swept up by this economic burden for long. However, the German economy also benefits from the depreciation of the euro and low interest rates in the euro area – both of which are results of the economic slump in the euro area, too. In order to get an idea of the magnitude of these countervailing effects, we perform simulations with the RWI-Multi Country model.


DOI: 10.1007/s10273-012-1439-3

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