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Die Steuereinnahmen werden nach der Prognose des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ bis zum Jahr 2017 auf 706,6 Mrd. Euro steigen und damit das im Jahr 2011 erreichte Niveau um 133 Mrd. Euro übertreffen. Ein strukturell ausgeglichener Staatshaushalt wird voraussichtlich in diesem Jahr erzielt werden, so dass der geplante Abbau der kalten Progression mit der Haushaltskonsolidierung vereinbar ist.

Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ (AKS) hat vom 28. bis 31. Oktober 2012 in Frankfurt am Main die Entwicklung des Steueraufkommens in Deutschland für den Finanzplanungszeitraum bis 2017 auf Basis der gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Herbstprojektion der Bundesregierung prognostiziert.1 Dabei wurden die zwischenzeitlich beschlossenen Steuerrechtsänderungen berücksichtigt.

Die Bundesregierung geht – wie auch die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose2 in ihrer Herbstprognose3 – davon aus, dass die Konjunktur in Deutschland angesichts der europäischen Staatsschuldenkrise und der konjunkturellen Abschwächung im asiatischen Raum im Winterhalbjahr 2012/2013 eine wirtschaftliche Schwächephase durchläuft, dass sie aber im Verlauf des kommenden Jahres wieder Fahrt aufnimmt. Sie unterstellt, dass der Finanzsektor stabil bleibt und die Lösung der Eurokrise im Laufe des Projektionszeitraums weiter vorankommt. Dass die Staatsschuldenkrise rasch bewältigt wird, ist freilich nicht gesichert. Eine Verschärfung der Schuldenkrise stellt weiterhin das Hauptrisiko für die konjunkturelle Entwicklung dar. Die Bundesregierung veranschlagt den Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2012 auf 0,8% und für 2013 auf 1,0%; er ist damit in diesem Jahr aufgrund der bislang günstiger als erwartet verlaufenden Konjunktur geringfügig höher und im kommenden Jahr aufgrund der Schwäche im Winterhalbjahr 2012/2013 niedriger veranschlagt als in der Frühjahrsprojektion (0,7% bzw. 1,6%).

Für 2012 wurden auch wichtige Indikatoren für die Prognose des Steueraufkommens gegenüber der Frühjahrs­projektion nach oben revidiert – das nominale BIP von 2,3% auf 2,4%, die Bruttolöhne und -gehälter von 3,7% auf 3,8% und die Unternehmens- und Vermögenseinkommen von 0,3% auf 0,7%; der Anstieg der modifizierten Inlandsnachfrage – ein Indikator für die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer – wurde hingegen von 3,2% auf 2,6% herabgesetzt. Für 2013 wurden das nominale BIP von 3,2% auf 2,8% und die Unternehmens- und Vermögenseinkommen von 4,9% auf 3,7% nach unten revidiert.

Für den mittelfristigen Schätzzeitraum von 2014 bis 2017 wird mit einer Zunahme des realen BIP von durchschnittlich 1,4% p.a. und des nominalen BIP von 2,9% p.a. gerechnet (vgl. Abbildung 1). Während der Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter in der mittleren Frist mit durchschnittlich 2,6% p.a. um 0,2 Prozentpunkte höher veranschlagt wird als in der vorangegangenen Schätzung, werden die Zuwächse bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen mit 3,8% p.a. um 0,7 Prozentpunkte und bei der modifizierten Inlandsnachfrage mit 2,9% p.a. um 0,1 Prozentpunkte zurückgenommen (vgl. Tabelle 1).

Abbildung 1
Nominales BIP und Steueraufkommen
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in %
31407.png

1992 bis 2011: Ist-Ergebnis; 2012 bis 2017: Schätzung.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie; Bundesministerium der Finanzen; eigene Berechnungen.

Tabelle 1
Wichtige gesamtwirtschaftliche Eckdaten für die Steuerschätzungen vom Mai und Oktober 2012
  2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
  Mrd. Euro Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
Mai 20121
Reales BIP 2439,7 0,7 1,6 1,5 1,5 1,5  
Nominales BIP 2570,8 2,3 3,2 3,0 3,0 3,0  
Bruttolöhne und -gehälter 1073,2 3,7 2,8 2,4 2,4 2,4  
Unternehmens- und Vermögenseinkommen 644,4 0,3 4,9 4,5 4,3 4,3  
Modifizierte Inlandsnachfrage 2163,2 3,2 3,2 3,0 3,0 3,0  
Oktober 20122
Reales BIP 2451,5 0,8 1,0 1,4 1,4 1,4 1,4
Nominales BIP 2592,6 2,4 2,8 2,9 2,9 2,9 2,9
Bruttolöhne und -gehälter 1082,0 3,8 2,8 2,6 2,6 2,6 2,6
Unternehmens- und Vermögenseinkommen 656,7 0,7 3,7 3,8 3,8 3,8 3,8
Modifizierte Inlandsnachfrage 2175,3 2,6 3,3 2,9 2,9 2,9 2,9

1 Ist: 2011; Prognose: 2012 bis 2016.
2
Ist: 2011; Prognose: 2012 bis 2017.

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/projektionen.html.

Steuerrechtsänderungen schmälern das Steueraufkommen

Der AKS prognostizierte das Steueraufkommen wie üblich auf der Grundlage des geltenden Steuerrechts. Die aus den geplanten Steuerrechtsänderungen (Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression; Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts) erwarteten Mindereinnahmen wurden daher nicht berücksichtigt (vgl. Tabelle 2). Auch das nicht ratifizierte Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt wurde nicht in die Prognose einbezogen.

Gegenüber der Schätzung vom Mai 2012 wurden für 2012 bis 2017 die finanziellen Auswirkungen von drei Rechtsänderungen berücksichtigt: Zum einen wurden das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. Oktober 2011 zur Besteuerung von Streubesitzdividenden, das bei der Steuerschätzung im Mai 2012 bereits berücksichtigt wurde, neu quantifiziert und die gegenüber dem damaligen Ansatz aufgetretenen Differenzen erfasst. Zum anderen wurde die Umsetzung des EuGH-Urteils vom 12. Juni 2012 zur Kindergeldberechtigung europäischer Wanderarbeitnehmer in Deutschland erstmals als unmittelbar geltendes Recht einbezogen. Zudem wurde die Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes in Mecklenburg-Vorpommern zum 1. Juli 2012 berücksichtigt. Diese Rechtsänderungen führen 2012 zu Mehreinnahmen von 0,4 Mrd. Euro, mittelfristig schmälern sie aber das Steueraufkommen des Bundes und der Länder (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2
Finanzielle Auswirkungen der Steuerrechtsänderungen
Steuermehreinnahmen (+) und Steuermindereinnahmen (-) in Mrd. Euro gegenüber 2011
  2012 2013 2014 2015 2016 2017
Steuerrechtsänderungen insgesamt1,2 0,4 -1,4 -0,3 -0,3 -0,3 -0,8
Bund 0,2 -0,7 -0,2 -0,2 -0,2 -0,4
Länder 0,2 -0,6 -0,1 -0,1 -0,1 -0,4
Gemeinden 0,0 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0
Nachrichtlich: Geplante Steuerrechtsänderungen            
Gesetz zum Abbau der kalten Progression2,3 -1,9 -5,7 -6,3 -6,4 -6,6
Bund -1,3 -3,8 -4,0 -4,1 -4,2
Länder und Gemeinden -0,7 -1,9 -2,3 -2,3 -2,4
Jahressteuergesetz 20132,4 -0,3 -0,3 -1,1 -1,1 k.A.
Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts2,5 -0,2 -0,3 -0,3 -0,3

1 Seit der Steuerschätzung vom Mai 2012 beschlossene Steuerrechtsänderungen.
2 Ohne Berücksichtigung makroökonomischer Rückwirkungen.
3 Bundesrat-Drucksache 847/11, vom 30.12.2011.
4 Deutscher Bundestag, Drucksache 17/10000, vom 19.6.2012.
5 Deutscher Bundestag, Drucksache 17/10774, vom 25.9.2012.

Quellen: Bundesministerium der Finanzen; Deutscher Bundesrat; Deutscher Bundestag.

Steuereinnahmen steigen auf neues Höchstniveau

Für dieses Jahr prognostiziert der AKS ein Steueraufkommen von 602,4 Mrd. Euro – ein Plus von 29 Mrd. Euro bzw. 5,1% gegenüber dem Vorjahr. Dies ist zum einen der positiven Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung und den damit verbundenen steuerlichen Progressionseffekten zu verdanken, zum anderen der Struktur der gesamtwirtschaftlichen Expansion, die in diesem Jahr vor allem von der Inlandsnachfrage getragen wird und damit steuerergiebig ist. Nach dem kräftigen Anstieg in diesem Jahr dürfte das Steueraufkommen im kommenden Jahr nur um 2,6% expandieren. Im weiteren Projektionszeitraum rechnet der AKS auf Basis der gesamtwirtschaftlichen Eckdaten mit einem kontinuierlichen Anstieg der Steuereinnahmen von durchschnittlich 3,4% je Jahr; das Steueraufkommen dürfte damit 2017 mit 706,6 Mrd. Euro einen neuen Höchstwert erreichen und das Niveau von 2011 um 133 Mrd. Euro übertreffen. Die Steuereinnahmen des Bundes dürften bis 2017 auf 297,5 Mrd. Euro, die der Länder auf 277,7 Mrd. Euro und die der Gemeinden auf 97,2 Mrd. Euro steigen; auf die EU entfallen 34,2 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3
Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom Oktober 20121
  2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Steuern insgesamt (Mrd. Euro) 573,4 602,4 618,0 642,3 664,2 685,9 706,6
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % 8,1 5,1 2,6 3,9 3,4 3,3 3,0
Steueraufkommen nach Ebenen
Steueraufkommen des Bundes2 (Mrd. Euro) 248,0 256,2 260,5 270,4 278,5 287,7 297,5
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % 9,8 3,3 1,7 3,8 3,0 3,3 3,4
Steueraufkommen der Länder2,3 (Mrd. Euro) 224,3 236,8 242,9 252,6 261,0 269,3 277,7
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % 6,8 5,6 2,6 4,0 3,3 3,2 3,1
Steueraufkommen der Gemeinden4 (Mrd. Euro) 76,6 81,3 83,9 87,3 90,7 94,0 97,2
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % 8,9 6,1 3,3 4,0 3,9 3,6 3,5
Steueraufkommen der EU (Mrd. Euro) 24,5 28,1 30,7 32,0 34,0 35,0 34,3
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % 0,4 14,9 9,0 4,3 6,3 2,9 -2,1
Steueraufkommen nach Steuerarten
Lohnsteuer (Mrd. Euro) 139,7 148,9 157,1 165,9 174,7 183,8 193,5
Veranlagte Einkommensteuer (Mrd. Euro) 32,0 36,8 39,8 42,5 45,3 47,7 49,6
Kapitalertragsteuern (Mrd. Euro) 26,2 28,0 22,8 25,6 26,6 27,6 28,8
Körperschaftsteuer (Mrd. Euro) 15,6 18,4 20,6 21,9 22,7 23,4 23,9
Gewerbesteuer (Mrd. Euro) 40,4 42,7 43,4 44,9 46,4 47,8 49,2
Steuern vom Umsatz (Mrd. Euro) 190,0 195,5 202,2 208,4 214,5 220,9 227,4
Sonstige Steuern (Mrd. Euro) 129,4 132,1 132,3 133,2 134,0 134,8 134,4
Steuerquote (in % des nominalen BIP) 22,11 22,69 22,64 22,86 22,97 23,04 23,06

1 Ist: 2011; Prognose: 2012 bis 2017.
2
Nach Ergänzungszuweisungen, Umsatzsteuerverteilung und Finanzausgleich.
3 Ohne Gemeindesteuereinnahmen der Stadtstaaten.
4 Mit Gemeindesteuereinnahmen der Stadtstaaten. – Abweichungen in den Summen durch Rundung der Zahlen.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen.

Die gesamtwirtschaftliche Steuerquote wird nach der aktuellen Prognose des AKS von 22,1% im Jahr 2011 auf 23,1% (2017) zunehmen; sie liegt damit um 0,4 Prozentpunkte über dem vor der Wirtschafts- und Finanzkrise erzielten Niveau und um 0,2 Prozentpunkte über dem seit der Wiedervereinigung Deutschlands erreichten Höchstwert aus dem Jahr 2000. Der Anstieg resultiert aus inflations- und progressionsbedingten Mehreinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer; der geplante Abbau der kalten Progression ist in dieser Prognose – wie erwähnt – nicht mit einbezogen.

Der AKS hat seine Aufkommenserwartungen für das laufende Jahr um 5,8 Mrd. Euro angehoben. Davon entfallen voraussichtlich 3,9 Mrd. Euro auf den Bund, 2,6 Mrd. Euro auf die Länder und 0,8 Mrd. Euro auf die Gemeinden; die EU-Abführungen dürften hingegen um 1,4 Mrd. Euro unter dem im Mai geschätzten Niveau liegen. Das Mehraufkommen in diesem Jahr ist darauf zurückzuführen, dass das nominale BIP, die Bruttolöhne und -gehälter und die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker expandieren als in der Prognose vom Mai 2012 erwartet; zudem wirken die kräftigen Gewinnsteigerungen noch nach, die sich im Zuge der konjunkturellen Erholung einstellten. Schließlich führen die erstmals in die Steuerschätzung einbezogenen Steuerrechtsänderungen zu Mehreinnahmen.

Die konjunkturelle Abschwächung im Winterhalbjahr 2012/2013 dämpft die Steuereinnahmen im kommenden Jahr merklich; nach dem kräftigen Plus in diesem Jahr rechnet der AKS im Vergleich zur Mai-Schätzung mit einem um 0,2 Mrd. Euro geringeren Aufkommen. Diese Entwicklung setzt sich jedoch zunächst nicht fort. Für 2014 wird ein geringfügig höheres Aufkommen als bislang erwartet. Erst für die Folgejahre werden um 0,4 Mrd. Euro (2015) und 1,3 Mrd. Euro (2016) geringere Steuereinnahmen prognostiziert (vgl. Tabelle 4 und Abbildung 2). Ausschlaggebend hierfür ist, dass der Zuwachs der Unternehmens- und Vermögenseinkommen mittelfristig mit 3,8% p.a. um 0,7 Prozentpunkte geringer angesetzt wird als bei der Frühjahrsprojektion, was Mindereinnahmen bei den gewinnabhängigen Steuern nach sich zieht. Zudem wird der Anstieg der modifizierten letzten inländischen Verwendung etwas geringer veranschlagt; dies dämpft das Aufkommen der Steuern vom Umsatz, die aber mit einem Drittel des gesamten Steueraufkommens weiterhin die mit Abstand ergiebigste Einzelsteuer bleiben. Zudem schmälern Steuerrechtsänderungen im weiteren Projektionszeitraum das Aufkommen.

Abbildung 2
Ergebnisse ausgewählter Steuerschätzungen1
in Mrd. Euro
31427.png

1 Steuerschätzung Mai 2010: Ist: 2007-2009; Prognose: 2010 bis 2014; Steuerschätzung Mai 2012: Ist: 2007-2011; Prognose: 2012 bis 2016; Steuerschätzung Oktober 2012: Ist: 2007-2011; Prognose: 2012 bis 2017.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen.

Tabelle 4
Abweichungen der Steuerschätzung vom Oktober 2012 zur Schätzung vom Mai 2012
in Mrd. Euro
  Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai 2012 Abweichungen Ergebnis der Steuerschätzung vom Oktober 2012
insgesamt Steuerrechts­änderungen1 Änderung EU-Abführung Schätzabweichung2
2012            
Steuereinnahmen insgesamt 596,5 5,8 0,4 0,0 5,4 602,4
Bund3 252,3 3,9 0,2 1,2 2,5 256,2
Länder3 234,2 2,6 0,2   2,3 236,8
Gemeinden3 80,5 0,8 0,0   0,8 81,3
EU 29,5 -1,4 0,0 -1,2 -0,2 28,1
2013            
Steuereinnahmen insgesamt 618,1 -0,2 -1,4 0,0 1,3 618,0
Bund3 260,1 0,3 -0,7 0,0 1,0 260,5
Länder3 242,6 0,3 -0,6   0,9 242,9
Gemeinden3 84,3 -0,3 -0,1   -0,2 83,9
EU 31,1 -0,5 0,0 0,0 -0,5 30,7
2014            
Steuereinnahmen insgesamt 642,1 0,2 -0,3 0,0 0,5 642,3
Bund3 270,5 -0,1 -0,2 -0,6 0,7 270,4
Länder3 252,0 0,6 -0,1   0,8 252,6
Gemeinden3 87,8 -0,5 0,0   -0,5 87,3
EU 31,8 0,1 0,0 0,6 -0,5 32,0
2015            
Steuereinnahmen insgesamt 664,7 -0,4 -0,3 0,0 -0,1 664,2
Bund3 278,7 -0,2 -0,2 -0,5 0,5 278,5
Länder3 260,7 0,4 -0,1   0,5 261
Gemeinden3 91,3 -0,6 0,0   -0,6 90,7
EU 34,0 0,0 0,0 0,5 -0,5 34,0
2016            
Steuereinnahmen insgesamt 687,3 -1,3 -0,3 0,0   685,9
Bund3 290,1 -2,3 -0,2 -2,3 0,1 287,7
Länder3 269,2 0,1 -0,1   0,2 269,3
Gemeinden3 94,9 -0,9 0,0   -0,9 94,0
EU 33,2 1,8 0,0 2,3 -0,5 35,0

1 Ohne Steuerrechtsänderungen der Kommunen.
2 Aus gesamtwirtschaftlichen Gründen und infolge unvorhergesehener Verhaltensänderungen der Wirtschaftssubjekte.
3 Nach Ergänzungszuweisungen, Umsatzsteuerverteilung, Finanzausgleich und Konsolidierungshilfen. – Abweichungen in den Summen durch Rundung der Zahlen.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen.

Anhebung des Grundfreibetrags verfassungsrechtlich geboten

In der Steuerschätzung wurde der Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression nicht mit einbezogen: Er sieht zum einen eine Erhöhung des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer vor, und zwar zum 1. Januar 2013 von 8004 auf 8130 Euro und zum 1. Januar 2014 auf 8354 Euro. Zum anderen ist geplant, die Einkommensgrenzen der Tarifzonen – mit Ausnahme des Eingangseinkommens für die zweite Proportionalzone (Reichensteuer) – in den beiden kommenden Jahren nach Maßgabe des Anstiegs der Verbraucherpreise zwischen 2010 bis 2012 anzuheben, um „dem Effekt entgegenzuwirken, dass der Staat zulasten der Steuerpflichtigen inflationsbedingte Mehreinnahmen erhält. Ziel ist es, zu verhindern, dass Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, zu einem höheren Durchschnittssteuersatz führen“.4

Dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf stimmten die von der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geführten Länder im Bundesrat am 11. Mai 2012 nicht zu,5 weil die geplante Anpassung des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer an das Existenzminimum zum Bestreiten des notwendigen Lebensunterhalts nicht durch Vorlage eines aktuellen Existenzminimumberichts dargelegt werde. Eine Erhöhung des Grundfreibetrags würden sie aber mittragen, um das verfassungsrechtlich garantierte sachliche Existenzminimum steuerfrei zu stellen. Die hieraus resultierenden Steuermindereinnahmen seien indes aufgrund der schwierigen Haushaltslage nicht tragbar, sie müssten über eine Anhebung des Spitzensteuersatzes finanziert werden.6 Schließlich wurde moniert, dass die geplante Anhebung der übrigen Tarifeckwerte des Einkommensteuertarifs über das verfassungsrechtlich Notwendige hinausgehe und die hieraus resultierenden Mindereinnahmen der Länder und Gemeinden durch den Bund nur unzureichend ausgeglichen würden.

Den geforderten Existenzminimumbericht hat die Bundesregierung am 7. November 2012 vorgelegt. Danach reicht der derzeitige Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer von 8004 Euro nicht aus, um das sachliche Existenzminimum eines Erwachsenen ab dem Veranlagungszeitraum 2013 steuerfrei zu stellen; hierzu müsse der Grundfreibetrag 2013 um 120 Euro und 2014 um weitere 228 Euro angehoben werden.7 Die verfassungsrechtlich gebotenen Anpassungen entsprechen somit weitestgehend den im Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression zugrunde gelegten Planungen. Dennoch konnte im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am 21. November 2012 kein Kompromiss erzielt werden. Die Beratungen wurden auf den 12. Dezember 2012 vertagt.

Anpassung des Tarifverlaufs im Bereich der Progressionszonen erforderlich

Mit Blick auf verfassungsrechtliche Erfordernisse und steuersystematische Überlegungen wäre es problematisch, wenn der Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression nicht umgesetzt würde. So ist es zum einen nach dem Neunten Existenzminimumbericht – wie dargestellt – geboten, den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer stufenweise zu erhöhen. Zum anderen resultiert aus dem inflationsbedingten Hineinwachsen der Steuerpflichtigen in höhere Progressionszonen (kalte Progression) steuerpolitischer Handlungsbedarf, denn die hieraus resultierenden Mehrbelastungen lassen sich nicht mit einer höheren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit rechtfertigen. Wenn lediglich der Grundfreibetrag angehoben würde, um das sächliche Existenzminimum steuerfrei zu stellen und damit verfassungsrechtlichen Erfordernissen zu entsprechen, die geplante Rechtsverschiebung der Tarifzonen des Einkommensteuertarifs aber unterbliebe, würde die kalte Progression nur unzureichend eingedämmt; Lohnsteigerungen, die nur die Inflation ausgleichen und die Kaufkraft sichern, würden zu steuerlichen Mehrbelastungen führen. Zudem würde der Einkommensteuertarif – bei unverändertem Eingangssteuersatz – innerhalb der ersten Progressionszone gestaut und damit im unteren Einkommensbereich noch steiler. Für Steuerpflichtige mit geringen Einkommen könnte dies zu Anreizproblemen führen; es ist daher zu begrüßen, dass die Einkommensgrenzen der Tarifzonen verschoben werden sollen.

Abbau der kalten Progression mit der nationalen Schuldenbremse vereinbar

Die mit dem geplanten Abbau der kalten Progression verbundenen Mindereinahmen sind tragbar,8 da sich die Lage der öffentlichen Haushalte, die sich im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise erheblich verschlechtert hatte, inzwischen merklich entspannt hat und bei den zugrunde gelegten gesamtwirtschaftlichen Perspektiven weiter bessern dürfte. Nach einem Budgetdefizit von 104 Mrd. Euro 2010 und von 20 Mrd. Euro im vergangenen Jahr wird in diesem Jahr und dem kommenden Jahr nach Einschätzung der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose ein annähernd ausgeglichener Staatshaushalt erzielt werden. Auch beim Bund zeichnet sich eine erheblich verbesserte Haushaltslage ab. Die Bundesregierung legt für den Bundeshaushalt 2012 ein strukturelles Defizit in Relation zum nominalen BIP von 0,8% zugrunde; die gemäß dem Abbaupfad maximal zulässige strukturelle Defizitquote in Höhe von 1,6% wird damit deutlich unterschritten.9 Nach der Haushaltsplanung 2013 soll das strukturelle Defizit des Bundes 2013 auf 0,34% des nominalen BIP gesenkt und die Vorgabe der nationalen Schuldenregel für 2016 mithin drei Jahre früher als geplant erfüllt werden. Im Jahr 2014 soll dann ein vollständiger Abbau des strukturellen Defizits angestrebt werden.

Zwar dürften die meisten Länder weiterhin Defizite aufweisen, doch entspannt sich die finanzielle Lage auch bei ihnen, zumal sie ihre Aufkommenserwartungen erneut nach oben revidieren können. So hat der AKS das Steueraufkommen der Länder um 2,6 Mrd. Euro (2012), 0,3 Mrd. Euro (2013), 0,6 Mrd. Euro (2014), 0,4 Mrd. Euro (2015) und 0,1 Mrd. Euro (2016) höher veranschlagt als bei der Frühjahrsprognose. Die Steuereinnahmen der Länder und der Kommunen dürften bei geltendem Steuerrecht 2017 um 57 Mrd. Euro höher ausfallen als 2012, während sich ihre Belastung aus dem Abbau der kalten Progression 2017 lediglich auf 2,4 Mrd. Euro beläuft, da der Bund nach den Planungen der Bundesregierung einen Großteil der Mindereinnahmen schultern soll, die aus der Erhöhung der Tarifeckwerte an die Preisentwicklung resultieren; so soll er im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung mittelfristig Einnahmeausfälle von Ländern und Gemeinden in Höhe von jährlich 1,2 Mrd. Euro ausgleichen.

Hinzu kommt, dass die aus dem Abbau der kalten Progression zu erwartenden Mindereinnahmen „brutto“ angegeben sind, also ohne Berücksichtigung der makroökonomischen Rückwirkungen. Bezieht man die durch den Abbau der kalten Progression induzierten Wachstums- und Beschäftigungseffekte und deren Wirkungen auf das Budget mit ein, muss mit geringeren Haushaltsbelastungen gerechnet werden, denn aus den positiven Beschäftigungseffekten resultieren höhere Einkommen- und Verbrauchsteuereinnahmen für den Staat sowie höhere Beitragseinnahmen und arbeitsmarktbedingte Ausgaben.10

  • 1 Die Prognose des mittelfristig erwarteten Steueraufkommens liefert die endgültigen Steueransätze für den Bundeshaushalt des Folgejahres und die Basis für die Arbeiten am Bundeshaushalt für das übernächste Jahr und für die mittelfristige Finanzplanung.
  • 2 T. Knaus: Die Herbstprojektion 2012 der Bundesregierung, in: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik, Monatsbericht, November 2012, S. 9-12.
  • 3 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Eurokrise dämpft Konjunktur – Stabilitätsrisiken bleiben hoch, Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2012, München 2012.
  • 4 Hierzu sowie zu den geplanten steuerrechtlichen Regelungen vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression, Bundesrat-Drucksache 847/11, vom 30.12.2011, http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2011/0847-11.pdf.
  • 5 Der Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression bedarf der Zustimmung des Bundesrates, da die Einkommensteuer eine Gemeinschaftsteuer ist, an deren Aufkommen Bund, Länder und Gemeinden beteiligt sind.
  • 6 Vgl. hierzu Bundesrat: Stenografischer Bericht der 896. Sitzung, 11.5.2012, sowie: Entschließung des Bundesrates zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer von 42% auf 49% – Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Bundesrat-Drucksache 64/12, vom 3.2.2012.
  • 7 Der Existenzminimumbericht, der alle zwei Jahre veröffentlicht wird, legt fest, wie viel Geld dem Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld „zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und … desjenigen seiner Familie“ mindestens verbleiben muss. Zur aktuellen Bemessung des von der Einkommensteuer zu verschonenden Existenzminimum vgl. Deutscher Bundestag: Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 (Neunter Existenzminimumbericht), Drucksache 17/11425, vom 7.11.2012.
  • 8 Vgl. hierzu auch H. Gebhardt: Steuermehreinnahmen eröffnen budgetäre Spielräume zum Abbau der kalten Progression, in: Wirtschaftsdienst, 92. Jg. (2012), H. 6, S. 392-398.
  • 9 Vgl. hierzu Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, a.a.O., S. 62-65; vgl. RWI: Stellungnahme: Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaushaltsgesetz 2012), RWI Projektberichte, Essen 2012.
  • 10 So haben sich beispielsweise rund 40% der im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets beschlossenen Entlastungen bei der Einkommensteuer nach Simulationen mit dem RWI-Konjunkturmodell über steigende Staatseinnahmen und geringere arbeitsmarktbedingte Ausgaben „refinanziert“. Vgl. hierzu G. Barabas, R. Döhrn, H. Gebhardt, T. Schmidt: Was bringt das Konjunkturpaket II?, in: Wirtschaftsdienst, 89. Jg. (2009), H. 2, S. 128-132; vgl. G. Barabas, R. Döhrn, H. Gebhardt: Was brachte das Konjunkturpaket II?, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 7, S. 496-498.

Title:Tax Revenue Forecasting 2012 to 2017: Favourable Perspectives

Abstract:In October 2012 the Working Party on Tax Revenue Forecasting released a tax revenue estimate for the current year and the following five years based on the macroeconomic benchmark figures contained in the German government’s autumn projection. Tax revenues will expand from €573.4 bn in 2011 to €706.6 bn in 2017. The tax ratio is projected to increase from 22.1% to 23.1%. The planned reduction of the fiscal drag in 2013 and 2014 has not been included. However, the reduction is compatible with the fiscal consolidation, because Germany is poised to achieve a budget that is close to balanced in structural terms this year.


DOI: 10.1007/s10273-012-1460-6