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Seit 2005 existiert das Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) zur Regulierung von Treibhausgasemissionen in energieintensiven Industrien. Als zentrales Element der europäischen Klimapolitik wurde das EU-ETS mit dem Ziel einer effizienten Reduzierung von Treibhausgasemissionen implementiert. Dabei müssen die betroffenen Anlagenbetreiber für jede emittierte Tonne CO2 ein sogenanntes Zertifikat vorweisen und an die regulierende Behörde abgeben. Die Zertifikate sind frei handelbar.

Das EU-Emissionshandelssystem ist nicht nur das weltweit größte seiner Art, sondern führte aufgrund der multinationalen Struktur auch zu zahlreichen neuen Designüberlegungen für Emissionshandelssysteme. Vielfältige Interessen innerhalb der Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen mussten dabei in Einklang gebracht werden. Es ist nicht erstaunlich, dass die Schaffung eines solchen neuen Marktes für Treibhausgasemissionen mit zahlreichen Anfangsproblemen konfrontiert war. Dieser Aufsatz soll einen Überblick über die bisherigen Erfahrungen mit diesem marktorientierten umweltpolitischen Instrument geben sowie das bisherige und zukünftige Design einer kritischen Würdigung unterziehen. Dabei wird deutlich werden, dass das Ziel der Effizienz zwar (noch) nicht erreicht wurde, jedoch der Emissionshandel – eingebettet in andere umweltpolitische Maßnahmen – durchaus als ein Erfolgsmodell gesehen werden kann, das potenziell eine Blaupause für andere internationale Emissionshandelssysteme liefern kann.

Die Regelungen des EU-ETS

Das EU-ETS dient der effizienten Erreichung der durch die EU im Rahmen des Kyoto-Protokolls eingegangenen internationalen Emissionsreduktionspflichten sowie der EU-Ziele bis 2020 und darüber hinaus. Die EU stand Bestrebungen im Kyoto-Prozess, marktorientierte Instrumente zur flexiblen und kosteneffizienten weltweiten Umsetzung von Emissionsreduktionszielen einzuführen, zunächst zögerlich gegenüber. Insbesondere auf Druck der USA gab sie diesen Widerstand gegenüber internationaler Flexibilität auf und begann mit internen Überlegungen zur Einführung eines Emissionshandelssystems auf Anlagenebene, um Vermeidungsziele kosteneffizient zu erreichen.

Das EU-Emissionshandelssystem umfasst seit 2005 etwa 10 000 Betreiber größerer Anlagen in energieintensiven Industriesektoren. Dazu gehören unter anderem Stromerzeugung, Eisen- und Stahlproduktion, Zement- und Kalkherstellung, Papier- und Zelluloseanlagen. Insgesamt werden ca. 50% der europäischen CO2-Emissionen erfasst. Der Haushalts- und der Transportsektor gehören zu wichtigen Emittenten, die nicht unter das EU-ETS fallen. Jedoch wurde der Flugverkehr 2012 in das EU-ETS aufgenommen. Mit 27 EU-Staaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein ist das EU-ETS das größte grenzüberschreitende Emissionshandelsregime.

Zur Einführung des EU-ETS wurde zunächst eine Initialphase I (2005 bis 2007) implementiert, die den Kyoto-Verpflichtungen vorgeschaltet war und somit explizit als Markteinführungsphase verstanden werden konnte. Phase 2 (2008 bis 2012) umfasst den Zeitraum, in dem die EU auch internationalen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll unterworfen ist. Dementsprechend wurde das Gesamtziel in der zweiten Phase verschärft, um aus den energieintensiven Sektoren einen substanziellen Beitrag zur Umsetzung des Kyoto-Zieles zu generieren.

Im Unterschied zu vorherigen Erfahrungen mit Emissionshandelssystemen1 stellten sich bei der Einführung des EU-ETS weiterführende Herausforderungen: zum einen umfasst das Emissionshandelssystem nur einen Teil der Wirtschaftssektoren, so dass das übergeordnete Emissionsziel entsprechend auf die handelnden Sektoren sowie die restlichen Bereiche der Volkswirtschaften alloziiert werden musste. Zum anderen, erforderte die EU-weite Umsetzung entsprechende koordinierende Maßnahmen bei der Allokation der Emissionszertifikate.

In den ersten beiden Phasen wurden dazu durch die einzelnen Mitgliedstaaten sogenannte Nationale Allokationspläne erstellt, die festlegten, wie viele Zertifikate insgesamt ausgegeben und wie diese an die Teilnehmer verteilt werden. Entsprechend musste die Erreichung des Gesamtziels aus den Kyoto-Verpflichtungen durch begleitende Maßnahmen in anderen Sektoren sichergestellt werden. Die Nationalen Allokationspläne wurden durch die Kommission geprüft und in vielen Fällen korrigiert.

In Phase 1 und 2 erfolgte die Verteilung der Zertifikate weitestgehend kostenlos. Die Teilnehmer im EU-ETS konnten die Zertifikate frei, d.h. bilateral oder über entsprechende Börsen handeln. Ende April jeden Jahres müssen die Zertifikate zur Abdeckung der Vorjahresemissionen abgegeben werden. Bei Unterdeckung wurde pro fehlendem Zertifikat eine Strafe von 40 Euro in Phase 1 und 100 Euro in späteren Phasen festgelegt.

Ab 2013 werden sich einige Regeln des Emissionshandels grundlegend ändern. Die Phasen des Emissionshandels umfassen dann jeweils acht Jahre. Zudem werden die Nationalen Allokationspläne durch EU-weit einheitliche Allokationsregeln abgelöst. Dies soll unter anderem der Erhöhung der Effizienz des Systems dienen, insbesondere aber wird durch die Vereinheitlichung der Regeln die Gleichbehandlung von Anlagen unabhängig vom Betriebsort sichergestellt. Die Gesamtmenge der Zertifikate soll jährlich um 1,74% gedrosselt werden, so dass 2020 eine 21%ige Reduktion im Vergleich zu 2005 erreicht wird. Einige weitere Sektoren werden integriert (Aluminiumindustrie, Flugverkehr) sowie das System auf weitere Treibhausgase ausgedehnt. Zur Erreichung der Ziele auf EU-Ebene müssen die Sektoren der Volkswirtschaften, die nicht dem EU-ETS unterliegen, ihre Emissionen bis 2020 um ca. 10% gegenüber 2005 reduzieren.

Eine der wichtigsten Änderungen des Emissionshandelssystems ab 2013 betrifft die Allokation der Zertifikate. Während diese bisher weitestgehend kostenlos erfolgt und weniger als 5% der Zertifikate in Phase 2 auktioniert wurden, wird der Anteil von auktionierten Zertifikaten stetig ausgedehnt. Für den Elektrizitätssektor wird dabei Auktionierung bereits ab 2013 die Regel sein, in anderen Sektoren wird der Anteil auktionierter Zertifikate von ca. 20% (2013) auf ca. 70% (2020) erhöht. Über die Verwendung des Auktionsaufkommens kann dabei durch die Mitgliedstaaten entschieden werden, mindesten 50% sind jedoch für klimapolitische Maßnahmen vorgesehen. Die restlichen Zertifikate können auch weiterhin kostenlos vergeben werden, allerdings zu EU-weit einheitlichen Regeln. Dabei werden produktspezifische Benchmarks entwickelt, die sich an den jeweils EU-weit 10% CO2-effizientesten Anlagen orientieren.

Eine ökonomische Würdigung des EU-ETS

Das Ziel marktorientierter Instrumente ist die Umsetzung von Emissionsreduktionszielen zu möglichst geringen Kosten. In diesem Sinne soll an dieser Stelle auch keine Diskussion des Gesamtzieles erfolgen. Stattdessen wird die bisherige Umsetzung des Emissionshandels vor dem Hintergrund betrachtet, inwiefern sie eine kosteneffiziente Umsetzung ermöglicht.

Emissionshandelssysteme erfordern zumindest in der statischen Sicht keine Informationen der Regulierungsbehörden über die Kostenstruktur einzelner Anlagen. Stattdessen wird in der Theorie bei Vorliegen perfekter Märkte der Ausgleich der Grenzvermeidungskosten automatisch erreicht. Damit finden Emissionsvermeidungsmaßnahmen dort statt, wo sie am kostengünstigsten erreichbar sind. Die Effizienz des Marktes ist jedoch an einige Voraussetzungen gekoppelt. So darf keine Marktmacht einzelner Akteure vorliegen, müssen die potenziell handelnden Anlagenbetreiber über aktuelle Preise und Preiserwartungen informiert und Transaktionskosten gering sein, um einen entsprechend flüssigen Markt zu ermöglichen.2

Dem Ziel der EU-weiten Kosteneffizienz standen bei Einführung des Emissionshandelssystems jedoch diverse Probleme im Weg:

  • erstens erfolgte eine Segmentierung des Marktes durch eine nur partielle Einbeziehung von Sektoren und Anlagen in den Emissionshandel,
  • zweitens konnte die Allokationsmethode in den ersten Perioden potenzielle Verzerrungen induzieren und
  • drittens führte die Einführung des Emissionshandels zu einer Überlappung mit anderen umweltpolitischen Instrumenten.

Jedoch ist für die Beurteilung des Emissionshandelssystems insbesondere die dynamische Effizienz des Systems entscheidend, d.h. inwiefern Innovationen und Investitionen in neue und emissionsärmere Technologien angeregt werden.

Die Segmentierung von Märkten

Das EU-ETS umfasst nur einen Teil der volkswirtschaftlichen Sektoren. Dementsprechend kann auch durch den Handel allein kein ökonomieweiter Ausgleich der Grenzvermeidungskosten über alle Sektoren induziert werden, der jedoch zur kosteneffizienten Umsetzung eines Zieles nötig wäre. Stattdessen müssen in den anderen Sektoren, wie beispielsweise dem Haushalts- oder Transportsektor, alternative Instrumente zum Einsatz kommen, wobei sich die dort umgesetzten Emissionsreduktionen am Kriterium der Kosteneffizienz orientieren sollten.

Ausnahmen einzelner Akteure oder Sektoren vom Emissionshandelssystem können im Prinzip durch Transaktionskosten motiviert sein: die Fixkosten der Teilnahme können insbesondere bei kleinen Anlagen die durch die Teilnahme entstehende Kostenersparnis übersteigen. Transaktionskosten durch viele kleine Emittenten wie im Transportsektor könnten jedoch auch verringert werden, indem dieser Sektor upstream, d.h. z.B. auf der Ebene der Raffinerien einbezogen wird.

Aus Effizienzsicht wäre – abgesehen von Transaktionskosten – eine Ausweitung des Emissionshandels auf weitere Sektoren wünschenswert, da die effiziente Aufteilung des Emissionsbudgets auf die verschiedenen Sektoren Informationen über die Vermeidungskosten aller Anlagen erfordern würde, was praktisch unmöglich erscheint.3 Insbesondere lässt das Festschreiben von separaten Emissionszielen im EU-ETS und anderen Sektoren kaum eine flexible Anpassung bei Vorliegen neuer Informationen oder Zeittrends zu.

Eine Ausweitung des Emissionshandels hätte auch einen weiteren Vorteil: Bei einem segmentierten System würde eine Ausweitung des Emissionsbudgets in den EU-ETS-Sektoren – z.B. durch die Einflussnahme von Interessenverbänden – aufgrund der Verzerrung zwischen ETS- und Nicht-ETS-Sektoren direkte Effizienzwirkungen entfalten. Bei einem umfassenderen Emissionshandel hingegen würde eine Ausweitung vor allem Konsequenzen für die Lastenverteilung, nicht jedoch für die Effizienz des Systeme haben. Ein Indiz für eine potenziell durch politische Akzeptanzgründe induzierte höhere Ausstattung der EU-ETS-Sektoren mit Zertifikaten kann im Preisverfall in der ersten Phase gesehen werden, die auch die Frage stellt, inwiefern Emissionsvermeidung überhaupt stattfand.4

Verteilungs- und Effizienzwirkungen der Allokation

Während der ersten Phase konnten 5% der Emissionszertifikate auktioniert werden, in Phase 2 bis zu 10%. Mit einem Auktionsanteil von ca. 1% in Phase 1 und 4% in Phase 2 wurden diese Limits bei weitem nicht ausgeschöpft. Dementsprechend ist durch die kostenlose Allokation die tatsächliche Kostenbelastung der Anlagenbetreiber in der Regel limitiert worden.

Die großzügige Ausstattung mit Zertifikaten kann auch an der Debatte um sogenannte Windfallprofits abgelesen werden: unabhängig von der ursprünglichen Allokationsmethode, d.h. ob die Zertifikate kostenlos vergeben oder auktioniert werden, müssen die Firmen die entstehenden Opportunitätskosten in ihr Kostenkalkül einbeziehen. Abhängig von der Nachfrageelastizität in den von ihnen bedienten Märkten kann somit ein Teil dieser Opportunitätskosten an die Verbraucher weitergegeben werden. Insbesondere im Elektrizitätssektor führte die Preiserhöhung im Outputmarkt bei gleichzeitiger kostenloser Allokation zu Windfallprofits, d.h. Unternehmen sahen sich durch die Einführung des EU-ETS nicht mit höheren Kosten konfrontiert, sondern haben stattdessen davon profitiert. Auch als Konsequenz dieser Erfahrung wird die Bedeutung von Auktionen in der Zukunft steigen.

Die Allokation der Zertifikate kann zusätzlich zu den Verteilungswirkungen jedoch Auswirkungen auf die Effizienz des Systems haben. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn hohe Transaktionskosten den Handel behindern. Die Verteilung der Zertifikate hat auch Auswirkungen auf potenzielle Marktmacht, die die einzelnen Teilnehmer im Markt ausüben können.5 Zudem werden, wenn nur wenig Handel im Markt stattfindet, nur wenige Informationen für potenzielle Marktteilnehmer geschaffen. Für diese drei Problemfelder ergeben sich signifikante Vorteile aus der regelmäßigen Auktion von Zertifikaten gegenüber einer kostenlosen Vergabe. Zum einen wird ein Höchstmaß an Transparenz geschaffen, da regelmäßig öffentliche Preissignale entstehen. Zum anderen kann die Auktion bereits weitgehend eine effiziente Erstallokation der Zertifikate generieren. Auch werden dadurch alle bestehenden Firmen sowie neu in den Markt eintretende Firmen gleichbehandelt. Der sukzessive Übergang zu Auktionierung ist daher aus Effizienzsicht zu begrüßen.6

Emissionszertifikate sind dabei homogene Güter, so dass das Auktionsdesign recht einfach ist. Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten haben die Eckpfeiler der Auktionen festgelegt: die Mitgliedstaaten können auf eine gemeinsame Plattform zurückgreifen oder eigene Auktionsplattformen implementieren. Letzteres haben Deutschland, Großbritannien und Polen gewählt. Die Bieter können jeweils ein verdecktes Gebot abgeben, das spezifiziert, bei welchem Preis sie wie viele Zertifikate erwerben wollen. Der einheitliche Auktionspreis wird dann durch das gerade nicht mehr zum Zuge kommende Gebot definiert. Auktionsvolumen und -zeitpunkte müssen jeweils ein Jahr im Voraus veröffentlicht werden. Auktionen finden mindestens wöchentlich statt. Teilnehmen können Anlagenbetreiber, die unter das EU-ETS fallen, sowie deren Tochter- oder/und Mutterfirmen sowie Finanzintermediäre. Die Auktionierung sollte dabei ein regelmäßiges Marktsignal generieren und somit der Effizienz des Marktes dienen.

Dynamische Anreizwirkung und überlappende Regulierung

Klimaschutz ist ein langfristiges Problem. Daher sind einerseits temporäre Ineffizienzen bei der Einführung eines Marktes für Emissionen weniger essenziell, sofern das dadurch kreierte System langfristig die richtigen Anreize setzt und in Folgeperioden statische Effizienz erreicht wird.

Für die langfristig gewünschten Anreize für Innovation und Investition in neue Technologien ist unter anderem ein langfristig verlässliches Preissignal vonnöten.7 Bisher ist die Gesamtzertifikatemenge bis 2020 festgelegt. Viele Investitionen, insbesondere im Kraftwerksbereich erfordern jedoch längerfristige Planungssicherheit, so dass eine Einführung von Preisunter- und -obergrenzen auch für die längere Frist zu überlegen ist. Solche Floors und Caps für Zertifikatepreise werden beispielsweise im avisierten australischen Emissionshandelssystem implementiert.8 Die Frage der Höhe des Preises ist jedoch natürlicherweise mit dem Gesamtemissionsziel korreliert, so dass auch hier die Verlässlichkeit des Preissignals durch ein längerfristiges und verlässliches Festlegen der EU-Ziele erhöht werden kann.

Neben dem Emissionshandel bestehen noch vielfältige andere umweltpolitische Regulierungen, die der Emissionsminderung oder der Erreichung technologischer Ziele dienen: die Förderung erneuerbarer Energien, Umweltabgaben und Effizienzstandards wurden alle mit dem Ziel des Klimaschutzes initiiert. Aus ökonomischer Sicht sollte dieser Instrumentenmix vor dem Hintergrund der effizienten Umsetzung kurz- und langfristiger umweltpolitischer Ziele beurteilt werden. Theoretisch kann ein Emissionshandelssystem dabei begleitende Instrumente redundant erscheinen lassen.

Aus statischer Sicht ist eine kosteneffiziente Umsetzung eines gegebenen Emissionsziels durch ein Emissionshandelssystem allein erreichbar, begleitende Instrumente führen zu Verzerrungen. Als Beispiel können Ziele für den Anteil erneuerbarer Energien genannt werden: entweder sind diese nicht bindend, da bereits durch das Emissionshandelssystem ein entsprechender Anteil an erneuerbaren Energien erreicht wird. Oder sie sind bindend, was implizieren würde, dass die Grenzkosten für die Vermeidung von Emissionen nicht mehr für alle Vermeidungsoptionen einheitlich sind und somit das Emissionsreduktionsziel zu höheren Kosten erreicht wird. Zudem werden bei einem bindenden Emissionsziel durch das EU-ETS bzw. dessen umfassenderes Pendant, komplementäre Instrumente wie Steuern oder erneuerbare Energie nicht zu einem größeren Emissionsrückgang führen. Stattdessen können die Restriktionen, die durch das EU-ETS induziert werden, durch diese Begleitmaßnahmen entschärft werden, so dass der Preis für CO2-Zertifikate fällt. Als Konsequenz würden die emissionsintensivsten Anlagen am meisten profitieren, so dass der Mix zwischen Gas- und Kohlekraftwerken ineffizient verzerrt wird. Die induzierten Ineffizienzen verstärken sich noch, sofern die Regulierungen sich innerhalb der EU unterscheiden.

Aus dynamischer Sicht stellt sich jedoch die Frage, ob der Emissionshandel auch langfristig verlässliche Preissignale liefert und ob diese durch die handelnden Akteure effizient in ihr Entscheidungskalkül einbezogen werden. Begleitende Marktunvollkommenheiten wie Spillover-Effekte bei der Entwicklung neuer Technologien oder die Kostendegression durch deren vermehrte Nutzung könnten potenziell zusätzliche Politikmaßnahmen erfordern und somit auch eine Begründung für begleitende Eingriffe wie der zusätzlichen Förderung erneuerbarer Energien liefern. Allerdings bleibt festzuhalten, dass solche Eingriffe nicht allein durch die Externalität von CO2-Emissionen bedingt sind, sondern nur durch zusätzliche Formen von Marktversagen begründet werden können. Deren Offenlegung und auch quantitative Abschätzung ist Voraussetzung einer kosteneffizienzorientierten und damit ökonomisch sinnvollen Politik.

Zusammenfassung

Zur kosteneffizienten Umsetzung ihrer Treibhausgasemissionsziele hat die EU ein Emissionshandelssystem initiiert, das einen Teil der energieintensiven Sektoren und Anlagen umfasst. Als weltweit größtes Emissionshandelssystem stellt dieses einen Meilenstein ökonomisch fundierter Umweltpolitik dar.

Die Segmentierung der Volkswirtschaften in EU-ETS- Sektoren und solche, die anderen Regulierungsformen unterliegen, ist jedoch ein Hindernis für die effiziente Erreichung des gegebenen Emissionszieles. Während die Allokation in den ersten beiden Phasen (2005 bis 2012) durch Nationale Allokationspläne determiniert wurde und damit zum Teil Unterschiede in der Behandlung ähnlicher Industrieanlagen abhängig von ihrem Standort entstanden sind, wird die Allokation ab 2013 durch EU-weite Benchmarks bzw. durch Auktionierung vorgenommen.

Insbesondere in der Anlaufphase wurde viel Kritik am EU-ETS geübt: die Segmentierung der Märkte, hohe Transaktionskosten und überlappende Regulierungsmaßnahmen führen aufgrund differierender Grenzvermeidungskosten innerhalb der EU-ETS-Sektoren und insbesondere zwischen diesen und den restlichen Sektoren der Volkswirtschaften in der Regel zu Ineffizienzen. Mit dem Übergang zu Auktionierung als maßgeblicher Allokationsmethode werden einige dieser Probleme behoben. Durch eine Erweiterung des Emissionshandels auf weitere Sektoren könnte die Effizienz gesteigert werden. Dies sollte jedoch unter Berücksichtigung von Transaktionskosten erfolgen und könnte zu deren Minimierung eine kombinierte Down- und Upstream-Regulierung erfordern. Die Interaktion von EU-ETS und anderen Politikinstrumenten, beispielsweise zur Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien, sollte zudem so gestaltet werden, dass Zusatzkosten vermieden werden. Dafür sollten die mit den jeweiligen Instrumenten adressierten Formen von Marktversagen klar benannt werden.

Während vielfältige Kritik am bestehenden Emissionshandelssystem geäußert werden kann, hat sich die Einführung in verschiedenen Phasen bewährt. Insbesondere bei einem langfristigen Problem wie dem Klimawandel sind anfängliche Ineffizienzen weniger wichtig als eine langfristig sinnvolle Ausgestaltung der Politik. Hier konnten durch die Lernperiode 2005 bis 2007 Unternehmen Erfahrungen sammeln, Emissionsregister aufgebaut werden und letztlich auch politische Unterstützung durch eine anfängliche kostenlose Allokation gewonnen werden. Aufgrund der relativ laxen Ziele in Phase 1, die sich in einem Preis nahe Null manifestierten, waren die Ineffizienzen aufgrund mangelnden Handels begrenzt. Durch die Erkenntnis der Existenz von Windfallprofits konnte zudem politische Unterstützung für eine schrittweise Ausweitung von Auktionen als primärer Allokationsmethode gewonnen werden.

Zusammenfassend stellt das EU-ETS aus unserer Sicht einen wichtigen Schritt in der Hinwendung der EU zu marktorientierter Umweltpolitik dar. Um noch stärker Effizienzgewinne aus der flexiblen Erreichung des Gesamtziels der Reduktion von Treibhausgasen zu heben, sollte eine Ausweitung auf weitere Sektoren und die Verknüpfung mit anderen bestehenden oder entstehenden internationalen Emissionshandelssystemen überprüft werden.

  • 1 Vgl. R. N. Stavins: What Can We Learn from the Grand Policy Experiment? Lessons from SO2 Allowance Trading, in: Journal of Economic Perspectives, 12. Jg. (1998), H. 3, S. 69-88; J. Kruger, W. Pizer: Greenhouse Gas Trading in Europe: The New Grand Experiment, in: The Environment, 46. Jg. (2004), H. 8, S. 8-23; F. Convery: Reflections – The Emerging Literature on Emissions Trading in Europe, in: Review of Environmental Economics and Policy, 3. Jg. (2009), H. 1, S. 121-137; J. B. Skjaerseth, J. Wettestad: EU emissions trading-initiation, decision-making and implementation, Aldershot 2008.
  • 2 Vgl. C. Boemare, P. Quirion: Implementing Greenhouse Gas Trading in Europe: Lessons from Economic Theory and International Experiences, in: Ecological Economics, 43. Jg. (2002), H. 2-3, S. 213-230.
  • 3 Vgl. C. Böhringer, A. Lange: Economic Implications of Alternative Allocation Schemes for Emission Allowances, in: Scandinavian Journal of Economics, 107. Jg. (2005), H. 3, S. 563-581; C. Böhringer, A. Lange: Mission Impossible!? On the Harmonization of National Allocation Plans under the EU Emissions Trading Directive, in: Journal of Regulatory Economics, 27. Jg. (2005), H. 1, S. 81-94.
  • 4 Vgl. A. D. Ellerman, B. Buchner: Over-allocation or abatement? A preliminary analysis of the EU-ETS based on the emissions 2005 data, in: Environmental and Resource Economics, 41. Jg. (2008), H. 2, S. 267-287; B. Hintermann: Allowance Price Drivers in the First Phase of the EU-ETS, in: Journal of Environmental Economics and Management, 59. Jg. (2010), H. 1, S. 43-56.
  • 5 Vgl. R. W. Hahn: Market Power and Transferable Property Rights, in: Quarterly Journal of Economics, 99. Jg. (1984), H. 4, S. 753-765; B. Hintermann: Market Power, Permit Allocation and Efficiency in Emission Permit Markets, in: Environmental and Resource Economics, 49. Jg. (2011), H. 3, S. 327-349.
  • 6 Vgl. C. Hepburn et al.: Auctioning of EU-ETS phase II allowances: how and why?, in: Climate Policy, 6. Jg. (2006), H. 1, S. 137-160.
  • 7 Vgl. z.B. T. Requate: Dynamic Incentives by Environmental Policy Instruments – a Survey, in: Ecological Economics, 54. Jg. (2005), H. 2, S. 175-195; T. Requate, J. Reichenbach: Subsidies for Renewable Energies in the Presence of Learning Effects and Market Power, in: Resource and Energy Economics, erscheint 2012.
  • 8 Clean Energy Bill: Department of Climate Change and Energy Efficiency, Australian Government, 13.9.2011, http://www.climatechange.gov.au/media/whats-new/clean-energy-legislative-package.aspx.

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DOI: 10.1007/s10273-012-1344-9

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