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Die Einzahlungen und Bürgschaften im Rahmen des Europäischen Stabilisierungsmechanismus führen zu einer starken Belastung der soliden Euroländer – ob das Kapital überhaupt ausreicht, ist zudem nicht sicher. Sinnvoller wäre es, nicht die Staatsschulden in den Fokus zu nehmen, sondern die Banken, die in der Krise hohe Verluste erleiden. Für ein Verfahren zur Bankenrettung gibt es historische Vorbilder: beispielsweise die Tilgungsfonds nach der deutschen Bankenkrise 1931/1932 und den Währungsreformen 1948 und 1990.

Im Zuge der sich rasch zuspitzenden Schuldenkrise im Euroraum sind unter großem Zeitdruck sehr weitreichende Entscheidungen getroffen worden. Die Errichtung eines dauerhaften Rettungsschirms (ESM) für die Länder der Eurozone ist beschlossene Sache, seine endgültige Höhe und vor allem die konkrete Verwendung der Mittel steht aber noch nicht abschließend fest. Die noch verbleibenden politischen Gestaltungsmöglichkeiten sollten genutzt werden, um die Risiken der Gläubigerländer zu begrenzen und Fehlanreize für die Schuldnerländer zu minimieren. Insbesondere sollte der Fonds die Finanzmärkte stabilisieren, ohne jedoch eine künftige staatliche Überschuldungspolitik zu erleichtern. Ohnehin wäre ein noch so großer Rettungsschirm damit überfordert, im Falle einer Panik die Staatsschulden der Euroländer aufzukaufen. Allein die Schulden Italiens belaufen sich auf rund 2 Billionen Euro, wozu insgesamt noch 700 Mrd. Euro Staatsschulden Spaniens und weitere rund 700 Mrd. Euro Schulden Griechenlands, Portugals und Irlands kommen. Im Falle eines weiteren Schuldenschnitts für diese Problemländer würde daher selbst ein auf 1 Billion Euro aufgestockter Rettungsfonds nicht ausreichen. Auch eine Hebelung seiner Garantiesummen kann dieses Problem nicht lösen, im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Rettungsfonds im Krisenfall sein Kapital vollständig verliert, würde dadurch noch größer werden. Denn es fielen dann nicht nur Buchverluste an, sondern die Garantiesummen müssten unmittelbar an die Gläubiger ausgezahlt werden. So oder so wird es bei einer weiteren Eskalation der Krise nicht möglich sein, die Begrenzung des deutschen Beitrags von derzeit 211 Mrd. Euro einzuhalten. Vielmehr wird es dann erst recht „alternativlos“ sein, den Rettungsfonds abermals aufzustocken.

Diesen Risiken stehen auf der anderen Seite nur unzureichende Absicherungen gegenüber. Auch der inzwischen beschlossene Fiskalpakt dürfte sich, ähnlich wie zuvor bereits der Maastrichter Vertrag, letztlich als unzureichend erweisen. Es ist zweifelhaft, inwieweit er sich im Ernstfall überhaupt durchsetzen bzw. gerichtlich einklagen ließe. Zudem enthält er auch keine wirklich abschreckenden Sanktionen. Von Strafzahlungen in Höhe von 0,1% des BIP werden sich Staaten, deren jährliche Neuverschuldung ohnehin schon ein Mehrfaches davon beträgt, kaum nennenswert beeindrucken lassen. Härtere Sanktionen wie der Zwang zur Verpfändung von Gold und Privatisierungserlösen, Stimmrechtsverlust oder Zwangsaustritt aus der Währungsunion sind aber bisher nicht vorgesehen. Sie dürften auch kaum durchsetzbar sein, schon gar nicht, wenn erst einmal der dauerhafte Rettungsschirm ESM in Kraft ist. Denn dieser bedeutet eine sowohl zeitlich als auch – letztlich – in der Höhe unbegrenzte Bürgschaft der solide wirtschaftenden Länder, und diese sind in der Eurozone in der Minderheit. Letztlich werden sich aber immer die Interessen der Mehrheit in Europa durchsetzen. Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung der Eurozone wird deshalb auf Dauer kaum Stabilitätspolitik nach deutschen Vorstellungen betreiben, sondern dürfte eher auf eine Mischung von französischer Planification und einer eher lockeren Haushaltspolitik der mediterranen Länder hinauslaufen.

Abschreibungs- bzw. Kapitalbedarf des europäischen Bankensystems

Es gibt aber durchaus eine realistische Alternative zu diesem problematischen Weg. Statt unsolide wirtschaftenden Staaten immer größere Hilfsgelder und Garantien und damit falsche Anreize zu geben, sollten sich die Rettungsaktivitäten der Gläubigerländer vor allem auf die Aufrechterhaltung des Finanzsystems konzentrieren. Nach der Lehman-Pleite wurden ja auch nicht etwa amerikanische Immobilien oder Lehman-Aktien aufgekauft, um deren Preise zu unterstützen, sondern sinnvollerweise versucht, nur die Folgen für das Finanzsystem zu minimieren. Andernfalls wären die Kosten der Finanzkrise schon damals ins Unermessliche gestiegen und hätten zudem noch deren Verursacher nachträglich belohnt. Analog sollten auch in der aktuellen Krise nicht die Kurse notleidender Staatsanleihen gestützt, sondern stattdessen der Zusammenbruch des Finanzsystems aufgrund der bilanziellen Folgen verhindert werden. Damit gäbe es einen viel größeren und effizienteren Hebel als mit dem derzeit vorgesehenen ESM-Instrumentarium, zumal ein Teil der notleidenden Staatsanleihen bereits abgeschrieben ist und ein anderer Teil sich mittlerweile ohnehin im Eigentum von EZB und EFSF befindet.

Allerdings sind die verbleibenden Risiken im Finanzsystem nach wie vor beträchtlich. Die Europäische Bankaufsichtsbehörde hat dazu in Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden Zahlen im Rahmen der EU-weiten Rekapitalisierungsumfrage vorgelegt.1 Dabei wurde 71 Banken in 20 europäischen Staaten nicht nur auferlegt, alle ihre direkten Forderungen gegenüber Staaten des europäischen Währungsraumes offenzulegen und zu Marktpreisen zu bewerten, sondern auch von einem erhöhten regulatorischen Kapital von 9% auszugehen, basierend auf neuen, strengeren Bewertungsrichtlinien. Zum Stichtag 30. September 2011 wiesen demnach die teilnehmenden Banken einen Rekapitalisierungsbedarf von ca. 115 Mrd. Euro auf. Die deutschen Banken haben daran einen Anteil von ca. 13 Mrd., wovon ca. 5,3 Mrd. auf die Commerzbank und 3,2 Mrd. Euro auf die Deutsche Bank entfallen.

Wären 115 Mrd. Euro vor der Finanzkrise eine unvorstellbare große Summe gewesen, so erscheint die Summe angesichts heutiger Dimensionen überschaubar. Etwas mehr als die Hälfte des deutschen Beitrages zum ESM wäre bereits ausreichend, den Kapitalbedarf aus Abschreibungen aufgrund von Neubewertungen sowie erhöhten Kernkapitalanforderungen zu decken. Allerdings steigt der reale Abschreibungsbedarf stark an, bezieht man Zweitrundeneffekte sowie Derivate, insbesondere Credit Default Swaps mit in die Berechnung ein. Die Netto-Forderungen aus den Kreditabsicherungsgeschäften sind zurzeit schwer abzuschätzen, können aber vermutlich erhebliche Belastungen für solche Kreditinstitute nach sich ziehen, die als Sicherungsgeber fungiert haben. Davon können wegen der breiten Streuung dieser Derivate auch Institute betroffen sein, die bisher von staatlicher Seite kaum beachtet wurden. Zudem können Zweitrundeneffekte auch Banken in die Insolvenz reißen, die von den unmittelbaren Abschreibungen auf Staatsanleihen nicht in kritischer Weise betroffen sind. Es überrascht daher nicht, dass Ende 2011 die Einlagefazilität der EZB erneut deutlich angestiegen ist, was auf einen Vertrauensverlust im Interbankenmarkt – vergleichbar mit der Situation nach dem Lehman-Kollaps – hinweist. Insbesondere Banken aus den besonders von der Krise betroffenen Staaten sind mittlerweile von einer Finanzierung über diesen Markt praktisch abgeschnitten.

Vorbild Bankenrettung in Deutschland

Vor diesem Hintergrund sollte es die vorrangige Aufgabe eines wie immer gearteten Rettungsfonds sein, die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auch im Fall einer weiteren Zuspitzung der Schuldenkrise zu sichern. Dazu gibt es durchaus geeignete und historisch erfolgreich erprobte Instrumente. So hat Deutschland bereits viermal erfolgreich seine Banken von vergleichbaren Solvenz- und Bilanzproblemen befreit, und dies jeweils ohne größere Belastungen der Steuerzahler. Der Ansatz ist, mit einigen Variationen im Detail, ähnlich gewesen: Den Banken wurden durch den Staat garantierte Statthalterpapiere in die Bilanzen gestellt und auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, ihre Verluste zeitlich gestreckt aus künftigen Gewinnen zu begleichen, statt durch sofortige Bilanzierung in die Insolvenz zu gehen. Auf diesem Prinzip beruht sowohl das deutsche Bad-Bank-Gesetz2 von 2009 als auch das Instrumentarium der sogenannten Ausgleichsforderungen, mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der deutschen Vereinigung die damaligen Bilanzprobleme der Banken gelöst wurden.

Tilgungskasse in der Weltwirtschaftskrise

Die ursprüngliche Idee ist sogar noch älter und wurde bereits zur Lösung der deutschen Bankenkrise 1931/1932 erfolgreich eingesetzt.3 Im Gefolge der Weltwirtschaftskrise waren viele Unternehmen zu Sanierungsfällen geworden, was zu hohem Abschreibungsbedarf in den Bankbilanzen führte. Für einige von ihnen hätte dies wie im Fall der Danat-Bank die sofortige Insolvenz nach sich gezogen, was die Deflationsspirale und damit die Wirtschaftskrise weiter verschärft hätte. Um dies zu verhindern, wurde das Finanzsystem 1931 auf dreierlei Weise gestützt:

  1. Insolvente Banken und solche ohne tragfähiges Geschäftsmodell wurden zusammengelegt und umstrukturiert.
  2. Das Reich stellte überschuldeten Banken Schatzanweisungen zum Ausgleich ihrer Bilanzen zur Verfügung (sogenannte Verlustschatzanweisungen). Diese waren teils verzinslich, teils unverzinslich, und konnten als Kreditsicherheit verpfändet, jedoch nicht ohne Genehmigung weitergeben werden. Sie waren aus zukünftigen Gewinnen der Banken abzulösen, also keineswegs ein Geschenk des Staates.
  3. Die Reichsbank rekapitalisierte die angeschlagenen Banken über einen Sonderfonds der Deutschen Golddiskontbank, indem sie Aktienanteile erwarb. Diese Beteiligungen (91% an der Dresdner Bank, 70% an der Commerzbank- und Privatbank und 35% an der Deutschen Bank) wurden von einer Treuhandgesellschaft gehalten, deren Vertreter – hauptsächlich pensionierte Mitarbeiter der Reichsbank – weitreichende Befugnisse in den Aufsichtsräten innehatten. Sie wurden bis 1936 wieder an ein Konsortium aus Privatbankiers verkauft.

Nach der notwendigen Stabilisierung der Banken galt es dann, die langfristige Abwicklung der wertgeminderten Forderungen sicherzustellen. Dabei wurde 1932 ein Ansatz gewählt, der eine allmähliche Liquidierung der Verluste und die Sanierung der angeschlagenen Unternehmen erlaubte. Hierzu wurde die „Tilgungskasse für gewerbliche Kredite“ (Tilka) als rechtsfähiger Verein eingerichtet, der die allmähliche Tilgung von abschreibungsbedürftigen Forderungen gegen Unternehmungen ermöglichte. Im Gegenzug für die Überlassung eines unverzinslichen, nicht liquidierbaren Guthabens übernahm die Tilka wertgeminderte Forderungen der Banken, wobei deren Verwaltung weiterhin bei den Banken verblieb, oftmals in Form von Besserungsscheinen. Dieses Guthaben konnten die Banken zum vollen Wert in die Bilanz einstellen, da deren Erfüllung der Bank durch einen Garantie- und einen Tilgungsfonds gesichert war.

Im Falle des Konkurses wäre den Gläubigern der Bank der in den Büchern stehende Wert aus dem Tilgungsfonds ausgezahlt worden. Dieser sollte aus jährlichen Gebühren der einbringenden Banken gespeist werden, der staatliche Garantiefonds diente nur der zusätzlichen Absicherung und musste bei Inanspruchnahme aus dem Tilgungsfonds wieder aufgefüllt werden. Die derart besicherten Guthaben wurden dann jedes Jahr um einen festgelegten Prozentsatz gekürzt; dementsprechend mussten die Banken aus ihren Gewinnen Abschreibungen auf ihre Forderungen und Zahlungen an den Tilgungsfonds tätigen. Erst wenn die Zahlungen geleistet waren, durfte eine Dividende ausgeschüttet werden. Abgeschriebene Forderungen, denen kein Guthaben mehr gegenüberstand, wurden den Banken zurückübertragen. Im Endeffekt wurden so die notwendigen Abschreibungen über einen längeren Zeitraum gestreckt und aus den zukünftigen Gewinnen finanziert statt in das Vermögen der Schuldner sofort zu vollstrecken. Damit wurde zugleich ein Anreiz für Banken geschaffen, der Sanierung von Unternehmen zuzustimmen. Vor allem aber wurden mittels der Garantien für die Tilka-Guthaben Ansteckungseffekte aufgrund von Bankeninsolvenzen ausgeschlossen.

Ausgleichsforderungen nach den Währungsreformen 1948 und 1990

Diese Idee wurde 1948 erneut angewandt, allerdings unter veränderten Vorzeichen.4 Waren es zuvor notleidende Unternehmenskredite gewesen, so belasteten nun die wertlosen Staatsanleihen des Dritten Reiches im Zuge der asymmetrischen Währungsumstellung die Bankbilanzen. Denn Forderungen und Verbindlichkeiten (wie Mieten, Löhne, Renten etc.) wurden nicht gleichmäßig, sondern unter sozialpolitischen Gesichtspunkten umgerechnet. Zum Bilanzausgleich des Finanzsektors wurden deshalb spezielle Schuldtitel der öffentlichen Hand, sogenannte Ausgleichsforderungen, eingeführt. Diese waren unterverzinslich und kaum fungibel, zudem war anfangs eine Tilgung nicht vorgesehen. Dennoch wurde gesetzlich bestimmt, dass Ausgleichsforderungen zum Nennwert bilanziert und veräußert werden durften, um den Bilanzausgleich zu gewährleisten. Die Ausgleichsforderungen bedeuteten trotz ihrer Verzinsung eine erhebliche Belastung für die Rentabilität und Liquidität des Finanzsektors, sicherten aber das Überleben der Institute und lösten zugleich das Problem der Kriegsschulden.

Aufgrund des Erfolgs dieses Konzepts wurde es im Zuge der Währungsunion vom 1. Juli 1990 erneut eingesetzt. Banken und Außenhandelsbetriebe der DDR wurden mit Ausgleichsforderungen gegen den „Ausgleichsfonds Währungsumstellung“ ausgestattet, um Bilanzlücken aufgrund der asymmetrischen, sozialpolitisch motivierten Umstellung der Aktiva zu schließen und eine angemessene Eigenkapitalausstattung der Banken zu gewährleisten. Diese Forderungen wurden entsprechend dem Dreimonats-FIBOR mit dem Ziel verzinst, die Ertragsbasis der Banken angesichts der wirtschaftlichen Probleme in Ostdeutschland zu stärken. Sie waren in den Bilanzen zum Nennwert anzusetzen und vom Ausgleichsfonds bzw. Erblastentilgungsfonds jährlich, beginnend mit dem 1. Juli 1995, mit 2,5% zu tilgen. Gleichzeitig konnten endgültig zugeteilte Ausgleichsforderungen in börsennotierte, voll lombardfähige Inhaberteilschuldverschreibungen umgewandelt werden. Die gute Handelbarkeit der Ausgleichsforderungen führte dazu, dass ihr Bestand in den Bilanzen der Banken rasch abnahm und bis zum 1. Januar 2001 etwa 85,3 Mrd. DM, d.h. 96%, verbrieft wurden. Im Unterschied zu 1948 stellten die Ausgleichsforderungen nicht nur eine reine Bilanzhilfe dar, sondern waren wegen ihrer Verzinsung und hohen Liquidität ein gefragtes Anlagemedium, das die Ertragslage der ostdeutschen Banken stärken sollte. Die Belastungen aus der Währungsumstellung wurden also nicht auf die Geldinstitute abgewälzt, sondern vom Steuerzahler getragen, was im Hinblick auf die eingeschränkte Freiheit der DDR-Kreditinstitute bezüglich ihrer Geschäftspolitik auch angemessen war.

Bad-Bank-Gesetz in der Finanzkrise 2007/2008

Angesichts des Erfolgs wurden die Ausgleichsforderungen auch während der Finanzkrise 2007/2008 wieder als mögliche Lösung in die Diskussion eingebracht.5 Allerdings sollten die Banken die Kosten ihres leichtfertigen Engagements in toxischen Wertpapieren selber tragen müssen. Das deutsche Bad-Bank-Gesetz von 17. Juli 2009 trug diesen Überlegungen Rechnung, indem es wiederum auf das Prinzip der Statthalterpapiere und ihrer langfristigen Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen zurückgriff. Dazu konnten Geschäftsbanken ihre notleidenden Forderungen in dezentrale Zweckgesellschaften (Bad Banks) einbringen. Von dieser erhielten sie im Gegenzug Schuldtitel zu 90% des Buchwertes der eingebrachten Papiere, die vom Bund mittels des SoFFin garantiert werden und lombardfähig sind. Dafür müssen die Banken bzw. die Zweckgesellschaften eine marktgemäße Garantiegebühr zahlen. Hinzu kommt ein Ausgleichsbetrag als Differenz zwischen dem Übertragungswert und dem eigentlichen, sogenannten Fundamentalwert der Papiere, der in gleich bleibenden Raten über die Garantielaufzeit von maximal 20 Jahren auszugleichen ist. Haben die toxischen Papiere zu ihrem Fälligkeitsdatum den Fundamentalwert nicht vollständig erbracht, so dürfen so lange keine Dividenden ausgeschüttet werden, bis die Differenz aus den Gewinnen der Bank beglichen worden ist (Nachhaftungspflicht). Diese Konstruktion war zwar kompliziert, sicherte aber im Endeffekt ebenfalls das Überleben der Finanzinstitutionen, ohne den Eigentümern letztlich die Haftung für ihre Verluste abzunehmen.

Bessere Anreize für die Problemländer

Es spricht aus diesen historischen Erfahrungen alles dafür, auch bei der Lösung der aktuellen Schuldenkrise einen ähnlichen Weg zu gehen, denn eine immer weiter gehende Übernahme der Schulden der Problemländer überfordert letztlich auch die noch einigermaßen soliden Volkswirtschaften. Konkret wäre eine an den historischen Vorbildern orientierte Lösung etwa wie folgt denkbar.6 Die Banken können ihre wertgeminderten Staatsanleihen gegen Statthalterpapiere tauschen, die ihnen vom ESM zum Nominalwert in die Bilanzen eingestellt werden. Gläubiger wäre der ESM, garantiert würden die Papiere durch die Gesamtheit der Euroländer. Für den Fall des Konkurses der Bank würde die Auszahlung des Nominalbetrages in pari an die Gläubiger des Kreditinstitutes durch einen Garantiefonds sichergestellt, um Ansteckungseffekte zu vermeiden.

Bezüglich der Ablösung der Statthalterpapiere gibt es mehrere Varianten. So könnte wie im Falle der Tilka eine schrittweise Abschreibung der dafür dem ESM übertragenen Staatspapiere erfolgen, wofür die abgebenden Banken die Kosten zu tragen hätten. Denkbar wäre aber auch eine Veräußerung dieser Papiere durch den ESM mit Anlage der Erlöse am Kapitalmarkt, bis deren Summe wieder dem Nominalwert der Statthalterpapiere entspricht. Zu diesem Zeitpunkt könnten die Statthalterpapiere in den Bankbilanzen dann wieder vom ESM gegen Auszahlung des ursprünglichen Ankaufwertes zurückgenommen werden. Letztlich belasten beide Varianten nicht den ESM, sondern laufen auf eine Tilgung der Abschreibungsverluste aus zukünftigen Gewinnen der abgebenden Banken hinaus.

Fazit

Eine Konzentration der ESM-Aktivität auf die Abschirmung des Finanzsystems vor den Folgen der staatlichen Schuldenkrise hat zwei wesentliche Vorzüge gegenüber dem reinen Ankauf von maroden Staatsanleihen: Erstens ist sie weitaus kostengünstiger und letztlich sogar nahezu kostenlos für die Steuerzahler, da die Abschreibungsverluste nicht endgültig vom ESM übernommen, sondern nur zeitlich gestreckt werden. Zweitens setzt eine solche Lösung keine Anreize zu weiterer staatlicher Schuldenpolitik, da nach wie vor jedes Euroland allein für seine Schulden haftet. Ginge es nur um eine Bankenkrise, so könnten entsprechende Maßnahmen sogar von jedem Land in eigener Verantwortung ergriffen werden, ohne dazu einen gemeinsamen Fonds zu bemühen. Der Einsatz des ESM wird allein deswegen nötig, weil es sich eben um eine staatliche Schuldenkrise handelt und daher viele Länder mangels eigener Solvenz auch ihre Banken nicht mehr stützen können. Im Gegensatz zu den derzeit verfolgten Plänen wäre auf diese Weise selbst der Zahlungsausfall eines großen Landes wie Italien in seinen Auswirkungen auf das Finanzsystem beherrschbar. Zudem verringert sich dadurch das Erpressungspotential überschuldeter Länder gegenüber den soliden Ländern entscheidend. Dagegen besteht bei der derzeit verfolgten Zielsetzung des ESM für eine wirkliche Umkehr der Sünderländer wenig Hoffnung.

  • 1 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Ergebnisse der EU-weiten Banken-Rekapitalisierungsumfrage für Deutschland, http://www.bafin.de/cln_117/nn_722758/SharedDocs/Mitteilungen/DE/Service/PM__2011/pm__111208__eba-rekapitalisierungsumfrage.html (9.1.2012); sowie Europäische Zentralbank: Statistical Data Warehouse. ILM – Euro area (changing composition), Eurosystem reporting sector – Deposit facility, Euro – Euro area (changing composition) counterpart – Weekly.
  • 2 Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung vom 17.7.2009.
  • 3 Vgl. zu den folgenden Ausführungen W. Eltester: Bankensanierung und Bankenentlastung. Vortrag von W. Eltester im Volkswirtschaftlichen Reichsbank-Club am 7.3.1933; sowie K. E. Born: Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1977, S. 483-502.
  • 4 Vgl. zu den folgenden Ausführungen U. van Suntum, C. Ilgmann: Das Bilanzproblem der Banken – Ein Lösungsvorschlag, in: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, 60. Jg. (2009), S. 223-246.
  • 5 Vgl. zum Folgenden auch U. van Suntum, C. Ilgmann: Bad banks: a proposal based on German financial history, in: European Journal of Law and Economics, im Erscheinen.
  • 6 Vgl. dazu auch U. van Suntum, C. Ilgmann: Das Bilanzproblem der Banken, a.a.O.

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DOI: 10.1007/s10273-012-1358-3

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