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Der föderale Verteilungswettbewerb zwischen Landes- und Kommunalebene macht eine Messgröße erforderlich, die für eine angemessene Finanzausstattung und eine „vertikale Symmetrie“ sorgt. Ein solcher empirisch bestimmter Indikator stützt sich jedoch auf eine Reihe von Annahmen, die in der finanzpolitischen Realität verletzt werden.

Angesichts hoher Defizite auf allen staatlichen Ebenen hat der innerföderale Verteilungswettbewerb um die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder deutlich an Schärfe gewonnen. Hiervon betroffen ist nicht zuletzt die Finanzmittelverteilung zwischen Ländern und Kommunen. Vor diesem Hintergrund ist eine geradezu „fieberhafte“ Suche nach einem geeigneten – d.h. verfassungsrechtlich und ökonomisch begründeten sowie finanzpolitisch anerkannten und umsetzbaren – Verteilungsmaßstab entbrannt.

Der Grundsatz einer „vertikalen Verteilungssymmetrie“ zwischen den beiden föderalen Partnern, die sowohl die Aufgabenwahrnehmung als auch die Einnahmenverteilung abbilden soll, bietet dabei eine bestechend einfach erscheinende Lösung an. Demzufolge ließe sich anhand eines einzelnen Indikators die Gleich- oder Ungleichverteilung ablesen und durch eine simple Modellrechnung könnte der „Korrekturbedarf“ bestimmt werden, der zur Wiederherstellung einer symmetrischen Einnahmenverteilung notwendig wäre.

Das Gebot der „vertikalen Verteilungssymmetrie“ geht maßgeblich auf zwei Urteile des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes sowie des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes aus dem Jahr 1997 zurück. Im Kern stellt das Symmetriegebot eine Konkretisierung des in einigen Ländern auch verfassungsrechtlich festgeschriebenen Leistungsfähigkeitsvorbehaltes des Landes dar, der den Finanzausstattungsanspruch der Kommunen gegenüber dem Land begrenzt.

Diese – zunächst allgemein gehaltene – (verfassungs-) rechtliche Norm wurde von uns im vergangenen Jahr aufgegriffen und finanzwissenschaftlich ausgefüllt.1 Zeitgleich entwickelten Horst Zimmermann und Wolfgang Scherf einen ähnlichen – wenn auch weniger explizit ausformulierten – Ansatz.2 Die Umsetzung sieht in einem ersten Schritt eine sachgerechte Abgrenzung der Ausgaben und Einnahmen der beteiligten Ebenen vor. Beide Größen – Ausgaben und Einnahmen – müssen dabei in ihrer statistischen Erfassung strikt aufeinander bezogen sein. Beide Ansätze kommen dabei nicht umhin, zur Erfassung der Aufgabenwahrnehmung auf die damit verbundende Ausgabentätigkeit der Ebenen zurückzugreifen.

Diese Ansätze zur Operationalisierung der Verteilungssymmetrie wurden im Rahmen finanzwissenschaftlicher Begutachtungen einzelner Finanzausgleichssysteme entwickelt oder sind in solche eingeflossen.3 So hat die zunächst deskriptiv-empirische Umsetzung der Symmetrie in den Ländern Hessen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz mittlerweile konkrete verteilungspolitische Bedeutung erfahren. Dies ist nicht zuletzt auf die Einfachheit und vermeintliche empirische Exaktheit einer solchen Berechnung zurückzuführen. So hat die finanzwissenschaftliche Interpretation mittlerweile auch den Weg zurück in die verfassungsrechtliche Sphäre gefunden.4

Die Übersetzung der Symmetrieergebnisse in konkrete verteilungspolitische Maßnahmen unterliegt allerdings einer Reihe von theoretisch-konzeptionellen Annahmen, die in der finanzpolitischen Realität in den deutschen Flächenländern nicht gegeben sind. Die praktische Anwendung unserer Erörterungen ist daher allenfalls mit äußerster Vorsicht und kritischer Beachtung dieser Voraussetzungen vorzunehmen. In diesem Beitrag sollen nach einem kurzen Rekurs auf die grundsätzlichen Überlegungen zur vertikalen Symmetrie insbesondere die – in der finanzpolitischen Realität nicht erfüllten – Annahmen erläutert und die in der Folge auftretenden Fehler bei der Interpretation eines „Symmetriekoeffizienten“ beschrieben werden.

Finanzwissenschaftliche Interpretation der vertikalen Verteilungssymmetrie

Den gedanklichen Ausgangspunkt der Verteilungssymmetrie bildet die Vorstellung, dass Landes- und Kommunalaufgaben prinzipiell gleichwertig sind und daher eine aufgabensymmetrische Verteilung der im Land insgesamt vorhandenen Steuereinnahmen zwischen den Ebenen erforderlich machen; die föderale Einnahmen- sollte der Aufgabenverteilung folgen. Unabhängig vom Niveau der insgesamt verfügbaren Einnahmen müssen Land und Kommunen dann zu gleichen Teilen an etwaigen Budgetüberschüssen und Defiziten beteiligt werden. Das bedeutet auch, dass die Ausgabenbedarfe einer Ebene nicht zwangsläufig voll abgedeckt werden können.

Eine aufgabensymmetrische Verteilung setzt also zunächst die Möglichkeit voraus, die jeweilige Aufgabenbelastung von Landes- und Kommunalebene – insbesondere in ihrem relativen Verhältnis zueinander – möglichst exakt zu erfassen. Dies ist jedoch bislang nicht möglich. In Ermangelung statistisch belastbareren Datenmaterials wird die Aufgabenverteilung durch die Ausgabenanteile der beteiligten Gebietskörperschaftsebenen abgebildet. Eine aufgabensymmetrische vertikale Einnahmenverteilung liegt dieser Logik zufolge dann vor, wenn die Ausgaben- und Einnahmenanteile einer Ebene einander entsprechen.5

Zu diesem Zweck sind der jeweilige Ausgaben- und Einnahmenbegriff so abzugrenzen, dass in der empirischen Erfassung

  • alle relevanten Einnahmen- und Ausgabenpositionen erfasst sind,
  • die Einnahmen mit Bezug auf ihre haushaltsrechtliche Dispositionsfreiheit sowie
  • die Ausgaben mit Blick auf die Finanzierungsverantwortung der jeweiligen Ebene zugeordnet werden,

so dass Einnahmen- und Ausgabenbegriff konsistent aufeinander bezogen sind. Sind diese methodisch-statistischen Voraussetzungen erfüllt, dann bildet eine Übereinstimmung von Einnahmen- und Ausgabenanteil einer Ebene eine vertikale ausgabensymmetrische Einnahmenverteilung ab.6

Empirisch umsetzen und überprüfen lässt sich auf diese Weise jedoch nur, ob die Einnahmen ausgabensymmetrisch zwischen den Ebenen verteilt sind; nicht jedoch, ob diese aufgabensymmetrisch verteilt sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob bzw. unter welchen Umständen eine auf den Ausgaben beruhende Verteilungssymmetrie aus finanzwissenschaftlicher Sicht überhaupt verteilungspolitische Schlussfolgerungen zulässt.

Theoretisch-konzeptionelle Voraussetzungen

Die Vorstellung, dass der Ausgabenanteil als Maßstab einer gleichmäßigen Finanzierung von Landes- und Kommunalaufgaben geeignet ist, basiert auf drei Annahmen:

  • Der Ausgabenanteil spiegelt die föderale Aufgabenverteilung adäquat wider; umfangreiche Belastungen schlagen sich dementsprechend in einem hohen Ausgabenniveau bzw. -anteil nieder.
  • Der Ausgabenanteil einer jeden Ebene spiegelt vor allem ihre eigenen Aufgaben wider, d.h. solche Aufgaben, die diese selbst veranlasst hat und politisch gestalten kann. Belastungsverschiebungen – d.h. steigende bzw. sinkende Aufgabenlasten – werden dementsprechend in der Höhe und Entwicklung der Gesamtausgaben sowie des Ausgabenanteils abgebildet.
  • Auch wenn die Ausgaben nicht dem zwangsläufig bestehenden Finanzierungsbedarf entsprechen, ist eine einseitige Wirtschaftlichkeits- bzw. Unwirtschaftlichkeitsvermutung zugunsten bzw. zulasten einer der beiden Ebenen nicht gerechtfertigt.

Während die letztgenannte Annahme empirisch bislang weder bestätigt noch widerlegt und daher als Arbeitshypothese – zumindest vorläufig – durchaus verwendet werden kann, gilt dies für die anderen beiden Annahmen nicht. Vor dem Hintergrund der gemeindefinanzpolitischen Wirklichkeit wird deutlich, dass die Gültigkeit der Annahmen mehr als zweifelhaft ist.

Spiegelt der Ausgabenanteil die Aufgabenbelastung sachgerecht wider?

Die Ausgabenanteile werden nicht nur durch die jeweilige Aufgabenbelastung geprägt, sondern basieren überdies auch auf den Möglichkeiten ihrer Finanzierung durch ordentliche bzw. außerordentliche Einnahmen. Sofern der haushaltsrechtliche Konsolidierungsdruck zwischen den Gebietskörperschaftsebenen systematisch divergiert (z.B. aufgrund unterschiedlicher Kreditobergrenzen sowie verschieden restriktiver bzw. strikt exekutierter Haushaltsausgleichsgebote), ist der Ausgabenanteil als alleiniger Maßstab einer gleichmäßigen Finanzierung von Landes- und Kommunalaufgaben nicht geeignet. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass haushaltsrechtlich bedingte Unterschiede des Konsolidierungsdrucks zusätzlich noch durch eine Verschlechterung der – ausgabensymmetrischen – Steuerverteilung bestraft werden, obwohl die föderale Aufgabenverteilung ansonsten unverändert geblieben ist. Wer viel ausgeben kann, der bekommt auch viel.

Im Gegensatz zu den Ländern unterliegt die kommunale Ebene einer Haushaltsaufsicht, die die Pflicht zum Ausgleich von Ausgaben und Einnahmen vergleichsweise streng exekutiert.7 Darüber hinaus besteht auf kommunaler Ebene bereits seit Jahrzehnten eine relativ restriktive Obergrenze für Investitionskredite. Für die verteilungspolitische Nutzung des Symmetriekonzepts sind diese Unterschiede von zentraler Bedeutung, da den Möglichkeiten einer kreditfinanzierten Ausweitung der eigenen Ausgaben auf kommunaler Ebene deutlich engere Grenzen als auf Landesebene gesetzt sind.

Wie unterschiedlich die Zugriffsmöglichkeiten auf die Kreditfinanzierung zwischen Landes- und Kommunalebene sind, lässt sich an der Relation von Nettokreditaufnahme und allgemeinen Deckungsmitteln ablesen. Dafür wird die Nettokreditaufnahme jeweils auf die Höhe der allgemeinen Deckungsmittel einer Ebene bezogen. Der einnahmenseitige Bezug wird gewählt, da die Ausgaben in zweifacher Hinsicht verzerrt sind. Der jeweilige Deckungsmittelverbrauch einer Ebene enthält unter Umständen auch Ausgaben, die nur getätigt werden konnten, weil sie sich durch Kredite finanzieren ließen. Im Vergleich mit der Kommunalebene würde die Nettokreditaufnahmequote des Landes daher kleiner erscheinen als sie tatsächlich ist.

Im vergangenen Jahrzehnt war die Neuverschuldungsquote der Flächenländer mit durchschnittlich 12,3% viermal so hoch wie diejenige der kommunalen Ebene (3,1%). Hätten die Kommunen in diesem Zeitraum in demselben Maße auf das Kreditfinanzierungsinstrument zurückgegriffen wie die Landesebene, dann hätten sie allein zwischen 2001 und 2009 zusätzliche Ausgaben in Höhe von rund 70 Mrd. Euro tätigen können. Der kommunale Anteil an den Gesamtausgaben (Deckungsmittelverbrauch) wäre hierdurch deutlich höher ausgefallen, als dies aufgrund der restriktiveren Kreditobergrenze tatsächlich der Fall gewesen ist.

Die kreditrechtlichen Unterschiede zwischen Landes- und Kommunalebene allein beeinflussen das Symmetrieergebnis demnach bundesweit um mehrere Milliarden Euro zulasten der Gemeinden und Gemeindeverbände. Das heißt im Falle einer gleichen Kreditfinanzierungsquote – und einem entsprechend höheren föderalen Ausgabenanteil der Kommunen – stünden diesen bei ausgabensymmetrischer vertikaler Steuerverteilung Mehreinnahmen in entsprechender Höhe zu.

Die Aussagekraft der ebenenspezifischen Ausgabenanteile für die Steuerverteilung ist demzufolge stark eingeschränkt. Denn diese spiegeln nicht nur die jeweilige Aufgabenbelastung wider, sondern auch die jeweiligen Möglichkeiten der Ausgabenfinanzierung durch außerordentliche Einnahmen. Systematische haushalts- und kreditrechtliche Unterschiede zwischen den Ebenen wirken sich dementsprechend negativ auf die Aussagekraft der Verteilungssymmetrie aus.

Das Phänomen lässt sich mithilfe eines einfachen Zahlenbeispiels skizzieren: Angenommen sei ein Staat mit zwei Ebenen (A und B). Während Ebene A einen weitgehend unbeschränkten Zugang zur Kreditfinanzierung hat, unterliegt Ebene B einer restriktiven Haushaltsausgleichspflicht und kann etwaige Deckungslücken dementsprechend nicht durch die Aufnahme von Krediten schließen. In der ersten Haushaltsperiode sind Ausgaben und Einnahmen zwischen den Ebenen symmetrisch und gleichmäßig verteilt. Beide Ebenen tätigen Ausgaben in Höhe von 100 Mio. Euro und erwirtschaften (ordentliche) Einnahmen in gleicher Höhe (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1
Ausgaben- und Einnahmenverteilung in Periode 1
in Mio. Euro
Ebene Ordentliche Ausgaben Ordentliche Einnahmen Kredit­einnahmen
Ebene A 100 100 0
Ebene B 100 100 0
Insgesamt 200 200 0
Anteil Ebene A 50% 50% -
Anteil Ebene B 50% 50% -

Quelle: Eigene Darstellung.

Im folgenden Jahr (Periode 2) brechen die Einnahmen auf beiden Ebenen konjunkturbedingt um 20% ein (vgl. Tabelle 2). Sie betragen nunmehr 80 Mio. Euro. Aufgrund der strikt gefassten sowie hart exekutierten Haushaltsausgleichspflicht ist Ebene B in der Folge gezwungen die Ausgaben im gleichen Maße, d.h. um 20 Mio. auf 80 Mio. Euro zu kürzen. Im Gegensatz dazu muss Ebene A den – politisch kostspieligen – Weg der Ausgabenkürzung nicht beschreiten. Stattdessen wird das konjunkturbedingte Haushaltsdefizit hier durch eine Neuverschuldung in Höhe von 20 Mio. Euro ausgeglichen.

Tabelle 2
Ausgaben- und Einnahmenverteilung in Periode 2
in Mio. Euro
Ebene Ordentliche Ausgaben Ordentliche Einnahmen Kredit­einnahmen
Ebene A 100 80 20
Ebene B 80 80 0
Insgesamt 180 160 20
Anteil Ebene A 56% 50% 100%
Anteil Ebene B 44% 50% 0%

Quelle: Eigene Darstellung.

Die unterschiedlichen haushaltsrechtlichen Zugriffsmöglichkeiten auf die Kreditfinanzierung haben auf diese Weise einen Einfluss auf die Ausgabenverteilung zwischen den Ebenen: Infolge der restriktiveren haushaltsrechtlichen Vorgaben sinkt der Ausgabenanteil von Ebene B auf rund 44% (vgl. Tabelle 3). Im Falle einer verteilungspolitischen Umsetzung der Symmetrie wäre diese Verschiebung der Ausgabenanteile überdies mit einem „Korrekturbedarf“ für die vertikale Einnahmenverteilung verbunden: Denn während Ebene A nunmehr 56% der gesamten Ausgaben tätigt, liegt ihr Anteil an den ordentlichen Einnahmen (d.h. Einnahmen ohne Einnahmen aus Krediten) nach wie vor bei 50%. Im Falle einer ausgabensymmetrischen Verteilung müsste der Wert jedoch auf 56% steigen. In absoluten Zahlen wäre hiermit eine Einnahmenerhöhung um rund 9 Mio. auf 89 Mio. Euro verbunden. Analog müsste der Steueranteil von Ebene B um mehr als 10% auf 44% sinken. Die Einnahmen würden in der Folge ein weiteres Mal, von 80 Mio. auf 71 Mio. Euro, sinken.

Tabelle 3
Ausgabensymmetrische Ausgaben- und Einnahmenverteilung in Periode 2
in Mio. Euro
Ebene Ordentliche Ausgaben Ordentliche Einnahmen Kredit­einnahmen
Ebene A 100 89 20
Ebene B 80 71 0
Insgesamt 180 160 20
Anteil Ebene A 56% 56% 100%
Anteil Ebene B 44% 44% 0%

Quelle: Eigene Darstellung.

Das Beispiel macht die Grenzen einer finanzpolitischen Nutzung des Symmetriekonzepts deutlich: Jenseits der bekannten Einschränkungen einer auf Ist-Zahlen beruhenden Analyse8 basiert das Konzept auf der Suggestion, dass der Ausgabenanteil einer Ebene ihre Aufgabenbelastung sachgerecht wiedergibt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwischen Landes- und Kommunalebene bestehen gravierende haushaltsrechtliche Regulierungsunterschiede, die einen verzerrenden Effekt auf die Ausgaben- und Einnahmenverteilung zwischen den Ebenen haben bzw. haben können. Hieraus ergibt sich die Gefahr eines Zirkelschlusses: Anstatt die föderale Aufgabenverteilung zu messen und die vertikale Steuerverteilung an diese anzupassen, werden in diesem Fall (auch) die unterschiedlichen Kreditfinanzierungsmöglichkeiten erfasst, d.h. die Möglichkeit der jeweiligen Ebene, Ausgaben auch dann zu tätigen, wenn eine Finanzierung mit ordentlichen Einnahmen nicht möglich ist.

Verstärkt werden die skizzierten Schwierigkeiten einer verteilungspolitischen Nutzung des Ausgabenanteils, wenn dieser Zinszahlungen für aufgenommene Kredite enthält. Im Falle divergierender haushaltsrechtlicher Zugriffsmöglichkeiten auf die Schuldenfinanzierung käme die Berücksichtigung der Zinsausgaben einer doppelten Begünstigung der kreditfähigeren Ebene im intraföderalen Steuerverteilungswettbewerb gleich. Denn zusätzlich zu dem – zuvor skizzierten – unmittelbaren Effekt der Kreditfinanzierung würde die vertikale Ausgabenverteilung in diesem Fall auch mittelbar, durch die mit der Kreditfinanzierung verbundenen Zinskosten systematisch verzerrt.9

Die faktische Relevanz dieses Einwands lässt sich an der unterschiedlichen Zinsausgabenbelastung zwischen Landes- und Kommunalebene erkennen. Gemessen an den jeweiligen allgemeinen Deckungsmitteln betrug die Zinsausgabenquote der Flächenländer zwischen 2001 und 2009 durchschnittlich 11%. Sie überstieg die Zinsausgabenbelastung auf kommunaler Ebene damit deutlich (4,3%).

Dass die Zinsausgaben im Falle unterschiedlicher haushaltsrechtlicher Zugriffsmöglichkeiten auf das Kreditfinanzierungsinstrument einen verzerrenden Effekt auf die Ausgabenbelastung von Landes- und Kommunalebene haben können, lässt sich überdies an einem einfachen Zahlenbeispiel illustrieren: Angenommen sei die Planung einer öffentlichen Leistung (z.B. Investitionsvorhaben) im Umfang von 100 000 Euro. In Abhängigkeit von der Finanzierungsmethode ergeben sich in der kameralistischen Rechnungslegung für dieselbe Maßnahme grundlegende Ausgabenniveauunterschiede. Während im Falle einer Steuerfinanzierung nur die Investitionsausgaben selbst (100 000 Euro) anfallen, zieht eine Kreditfinanzierung derselben Maßnahme darüber hinaus Zinsausgaben nach sich (vgl. Tabelle 4).

Tabelle 4
Ausgabeneffekt einer Investition bei alternativer Finanzierung
in 1000 Euro, Zinssatz 3%, Tilgungsdauer 20 Jahre, proportionale
jährliche Tilgung
Finanzierungs­instrument Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 20 Summe
Kredit­finanzierung 103 2,85 2,7 0,15 131,5
Steuer­finanzierung 100 0 0 0 100

Quelle: Eigene Darstellung.

Bei einem Zinssatz von 3% beträgt die Ausgabenbelastung desselben Investitionsprojektes in Jahr 1 daher nicht 100 000 Euro (Investitionsausgaben), sondern 103 000 Euro (Investitionsausgaben zuzüglich Zinsausgaben). In der kameralistischen Rechnungslegung zieht die Kreditfinanzierung damit systematisch höhere Ausgaben nach sich, als im Falle einer Steuerfinanzierung entstünden. Je nach Tilgungszeitraum und Zinssatz können die finanzierungsbedingten Ausgabenunterschiede erheblich sein: Im Falle eines Tilgungszeitraums von 20 Jahren beträgt die Differenz zwischen den Finanzierungsalternativen beinahe 32% der Investitionssumme (31 500 Euro).

Spiegelt der Ausgabenanteil vor allem die selbst veranlassten Aufgaben einer Ebene wider?

Die haushaltsrechtlichen Regulierungsunterschiede zwischen den Ebenen erschöpfen sich jedoch nicht in divergierenden Kreditobergrenzen (bzw. unterschiedlich eng gefassten sowie streng kontrollierten Vorgaben zum Haushaltsausgleich). Ein weiterer Unterschied zwischen den Ebenen betrifft die Gestaltbarkeit der Ausgaben.

Entscheidend für die Frage, ob sich der Ausgabenanteil als Maßstab einer gleichwertigen Finanzierung von Landes- und Kommunalaufgaben eignet, ist die unterschiedliche rechtliche Gestaltbarkeit der (durch den Staat veranlassten und regulierten) pflichtigen und der (selbst veranlassten, weitgehend unregulierten) freiwilligen Aufgaben. Denn während die Kommunen zur Erfüllung der regulierten Aufgaben verpflichtet sind, steht ihnen die Wahrnehmung der eigenen Selbstverwaltungsaufgaben rechtlich gesehen frei. In Zeiten knapper Kassen hat dies zur Folge, dass es zuallererst die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sind, die – unter dem doppelten Druck des Haushaltsausgleichsgebotes auf der einen und der Pflicht zur Erfüllung der Rechtsvorgaben auf der anderen Seite – gestrichen werden.

Die Verdrängung kommunaler Selbstverwaltungs- durch rechtlich regulierte Pflichtaufgaben lässt sich an der Veränderung der kommunalen Ausgabenstruktur ablesen. Zwischen 1980 und 2006 hat sich der Ausgabenanteil weitgehend unregulierter Aufgaben10 mehr als halbiert. Im Durchschnitt der westdeutschen Gemeinden und Gemeindeverbände ist er von 25% im Jahr 1980 auf 11% 2006 gesunken (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Kommunale Ausgabenstruktur nach Aufgabenbereichen und rechtlicher Regulierungsdichte in den westdeutschen Flächenländern 1980 und 2006
Zuschussbedarfe im Verwaltungs- und Vermögenshaushalt in % der Gesamtzuschussbedarfe (Einzelpläne 0 bis 8)
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Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.

Derartige Entwicklungen lassen sich an dem für die Symmetrieberechnung verwendeten kommunalen Gesamtausgabenanteil jedoch nicht ablesen, obwohl sie mit Blick auf die Frage nach der Gleichwertigkeit von Landes- und Kommunalaufgaben und ihrer Finanzierung von überaus großer Bedeutung sind: Ob die Gemeinden und Gemeindeverbände eigene Aufgaben in relevantem Umfang wahrnehmen oder ob sich die kommunale Leistungserbringung in reiner Fremdverwaltung erschöpft, kann mit Blick auf den Grundgedanken der Symmetrie – die Gleichwertigkeit von Landes- und Kommunalaufgaben – nicht nebensächlich sein.

Der Versuch, die Gesamtausgabenanteile zum alleinigen methodischen Maßstab einer gleichwertigen Finanzierung von Landes- und Kommunalaufgaben zu machen, ist vor diesen Hintergrund zum Scheitern verurteilt. Neben der ganz grundsätzlichen Frage, inwiefern Ist-Ausgaben des öffentlichen Bereichs als unmittelbares Abbild des Aufgabenbestands geeignet sind, sind es vor allem zwei systematische Unterschiede zwischen den Ebenen, die eine unkritische Übersetzung der Symmetrieberechnungen in verteilungspolitische Entscheidungen verbieten: Die bessere Zugriffsmöglichkeit der Länder auf das Instrument der Kreditfinanzierung sowie die geringere Flexibilität der Gemeinden und Gemeindeverbände in Bezug auf die Gestaltung ihrer Aufgaben.

Der – oftmals dokumentierten und ebenso häufig kritisierten – Komplexität der deutschen Staatsfinanzierung im Allgemeinen bzw. des Gemeindefinanzsystems im Besonderen kann ein derart simpler Indikator schlichtweg nicht gerecht werden.

  • 1 Vgl. F. Boettcher, B. Holler: Relative Unterfinanzierung der kommunalen Ebene? Zur Frage der vertikalen Finanzmittelverteilung in den Ländern, in: M. Hansmann (Hrsg.): Kommunalfinanzen in der Krise. Problemlagen und Handlungsansätze, Berlin 2011, S. 72 ff.
  • 2 Vgl. S. Schäfer, H. Zimmermann: Ausgabenvergleich zwischen Bundesländern. Die Rolle des Kommunalisierungsgrades, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 4, S. 249 f.; W. Scherf: Kommunaler Finanzausgleich und Entwicklung der Kommunal- und Landesfinanzen im Ländervergleich, Gutachten im Auftrag des Hessischen Ministeriums der Finanzen für die Regierungskommission „Haushaltsstruktur“ des Landes Hessen, Gießen 2010.
  • 3 Vgl. H. Zimmermann: Aufgaben- und Ausgabenverteilung zwischen Land und kommunaler Ebene im Ländervergleich, Gutachten im Auftrag des Hessischen Ministeriums der Finanzen, Marburg 2010; W. Scherf, a.a.O.; M. Junkernheinrich, F. Boettcher, B. Holler: Ist die Einnahmenverteilung im Land Hessen zwischen den Kommunen und der Landesebene aufgabenangemessen?, Finanzwissenschaftliche Stellungnahme für den Haushaltsausschuss, Kaiserslautern 2012; W. Scherf: Die Schlüsselzuweisungen an die Landkreise in Rheinland-Pfalz und der Grundsatz der Verteilungssymmetrie, Gutachten im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz vertreten durch das Ministerium des Innern und für Sport, Gießen 2011; M. Junkernheinrich, F. Boettcher, B. Holler, S. Brand: Finanzausgleichsdotation und Sozialausgaben, Finanzwissenschaftliches Gutachten zur Fortschreibung des Kommunalen Finanzausgleichs in Brandenburg, Bottrop 2012.
  • 4 Vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz: Urteil vom 14.2.2012, VGH N 3/11, Koblenz 2012.
  • 5 Jeweils gemessen an den Ebenen übergreifenden Gesamtausgaben und -einnahmen im Land.
  • 6 Zur methodischen Abgrenzung vgl. F. Boettcher, B. Holler, a.a.O.
  • 7 Gleichwohl lassen sich im Bundesländervergleich erhebliche Unterschiede nachweisen. Diese betreffen sowohl den finanzpolitischen Ordnungsrahmen selbst als auch seine Durchsetzung durch die Aufsichtsbehörden. Vgl. B. Holler: Liquiditätsverschuldung außer Kontrolle?, Kommunale Finanzaufsicht im Ländervergleich, Forschung für Kommunen – Arbeitspapier 01/2012, http://forschung-für-kommunen.de/images/ffk_ap_01_2012.pdf.
  • 8 Vgl. F. Boettcher, B. Holler, a.a.O., S. 73, 78 f.
  • 9 Dieser Einwand gilt zumindest bei revolvierender Neuverschuldung – d.h. für den Fall, dass einmal aufgenommene Kredite nicht de facto (durch ordentliche Einnahmen) zurückgezahlt, sondern lediglich durch neue Schulden ersetzt werden. Unter diesen Umständen sind dauerhaft steigende Schulden und Zinsausgaben die Folge.
  • 10 Gemessen an den Zuschussbedarfen in den Einzelplänen 3 (Kultur), 5 (Gesundheit, Sport, Erholung), 7 (Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung) und 8 (Wirtschaftliche Unternehmen, allgemeines Grund- und Sondervermögen). Eine derartige – an der nach Aufgabenbereichen gegliederten kommunalen Ausgabenstruktur und ihrer rechtlichen Regulierungsdichte anknüpfende – Darstellung zeichnet ein relativ vergröbertes Bild von der gemeindefinanzpolitischen Realität: Im Rahmen von Rechtsquellenanalysen, Expertenbefragungen und finanzwissenschaftlichen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass auch die Ausgaben in den stark regulierten Aufgabenbereichen (z.B. dem Sozialbereich/Einzelplan 4) keineswegs vollends durch rechtliche Vorgaben determiniert sind. Auch in diesen Bereichen verfügen die Kommunen zum Teil über durchaus relevante Gestaltungsspielräume, wie interkommunale Vergleiche deutlich machen. Auf der anderen Seite ist auch die Leistungserbringung in den als nur wenig reguliert ausgewiesenen Aufgabenbereichen (Kulturpflege, Gesundheit und Erholung sowie öffentliche Einrichtungen und wirtschaftliche Unternehmen) keineswegs frei von rechtlichen Vorgaben. Den skizzierten Schwierigkeiten zum Trotz bleibt festzuhalten: Nicht nur ist die Grundaussage der Regulierungsdichteauswertung richtig. Überdies ist auch der Erkenntnisgewinn gegenüber dem „nackten“ Gesamtausgabenanteil ausgesprochen groß.

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DOI: 10.1007/s10273-012-1372-5