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Die HSH Nordbank ist nach dem Beginn der internationalen Finanzkrise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Sind ihre Probleme symptomatisch für die Lage der Landesbanken oder hatten Auflagen der EU-Kommission im Rahmen eines Beihilfeverfahrens die Schieflage verursacht? Die Mehrheitseigentümer der HSH Nordbank, Hamburg und Schleswig-Holstein, wurden bisher noch nicht stark liquiditätswirksam belastet. Das kann sich in Zukunft aber ändern.

Paul Lerbinger, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank, meinte 2011 zum Ausgang des EU-Beihilfeverfahrens: „Die Bank hat mit dem heutigen Tag wieder eine klare Perspektive und wird als wettbewerbsfähiges, solide kapitalisiertes Institut am Markt positioniert. Gleichzeitig wissen wir um das große in uns gesetzte Vertrauen seitens der Kommission und unserer Anteilseigner, welches wir nicht enttäuschen werden.“1 Bekanntermaßen musste die HSH Nordbank als öffentlich-rechtliche Landesbank in ihrer Bilanz für das Geschäftsjahr 2008 einen Jahresverlust von 2,8 Mrd. Euro ausweisen und konnte nur durch eine Eigenkapitalhilfe von 3 Mrd. Euro und einer Garantiezusage der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein in Höhe von 10 Mrd. Euro gerettet werden. Eine unkontrollierte Pleite wäre vor dem Hintergrund der noch offenen Verpflichtungen aus der Gewährträgerhaftung der staatlichen Eigentümer in Höhe von seinerzeit 67 Mrd. Euro (Stand heute: 35 Mrd. Euro) für die Länder sehr teuer geworden. Die Rettungsmaßnahme führte aber zu einem EU-Beihilfeverfahren, das enge Auflagen für die zukünftige Geschäftsentwicklung der HSH vorgab. Bei der Garantie handelt es sich um eine Zweitverlustgarantie, d.h. bis zu einem Maximalbetrag von 3,2 Mrd. Euro muss die Bank die Verluste selbst tragen, erst dann greift die Haftung der Bundesländer für Altverbindlichkeiten.

Wie konnte es soweit kommen? 2002 hatte die Bundesregierung bekanntlich mit der EU-Kommission einen Kompromiss geschlossen, der bis 2005 die Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Gewährträgerhaftung für die Landesbanken vorsah. Damit fiel der Wettbewerbsvorteil der günstigen Refinanzierung auch für die HSH Nordbank weg. In der Übergangszeit sogen sich die Landesbanken noch einmal mit billiger Liquidität voll. Dies war aus geschäftspolitischen Überlegungen der Landesbanken heraus durchaus nachvollziehbar, aber nicht im „Sinne“ der Brüsseler Verständigung. Im Zuge der Vorbereitungen auf den Wegfall der öffentlichen Haftung versuchten die Entscheidungsträger die HSH als internationale Geschäftsbank an die Börse zu bringen und zu privatisieren. Dieses Vorhaben verdient durchaus Anerkennung. Um den potenziellen neuen Eigentümern eine angemessene Rendite bieten zu können, betätigte sich das Management der HSH auch im internationalen Kreditgeschäft und baute die Position als weltweit führende Bank im Bereich der Schiffsfinanzierungen aus. Allerdings machte die Bank, wie viele andere, einen Kardinalfehler: Sie legte ihre billig eingekauften Liquiditätsreserven in verbrieften US-Häuserkrediten an. Als dieser Markt einbrach, handelte sich die HSH Milliardenverluste ein.

Das EU-Beihilfeverfahren wurde nach der Rettung der HSH Nordbank durch ihre öffentlichen Eigentümer 2009 eröffnet. Nachdem das Beihilfeverfahren im September 2011 abgeschlossen wurde, war die breite Öffentlichkeit davon ausgegangen, dass für ihre Landesbank im Norden eine tragfähige Lösung gefunden worden war. Beginnend mit der Vorlage der Zahlen für das erste Halbjahr 2012 musste der Vorstand der Bank aber eingestehen, dass die aktuelle Geschäftsentwicklung Anlass zur Sorge bietet. Die Landesbank sieht sich in dem für sie essenziellen Marktsegment der weltweiten Schiffsfinanzierungen einer massiven Krise an den Märkten ausgesetzt. Auch die Entwicklung des US-Dollar-Kurses bedeutet für die Landesbank Verluste. Vor diesem Hintergrund berichtete die FTD im September 2012 erstmalig von wachsenden Zweifeln der Ratingagentur Moody’s am Geschäftsmodell der HSH Nordbank.2 Am 17. Oktober 2012 informierte dann Paul Lerbinger die Öffentlichkeit, dass er sich mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der HSH Nordbank, Hilmar Kopper, verständigt habe, seine Tätigkeit per Ende Oktober aufzugeben. Sein Nachfolger wurde der bisherige Finanzvorstand der Bank, Constantin von Österreich. Dieser musste einräumen, dass die Zweitverlustgarantie der Länder möglicherweise zwischen 2019 und 2025 mit bis zu 1,3 Mrd. Euro in Anspruch genommen werden könnte.

Vor diesem Hintergrund ist die Beantwortung von drei Fragen von besonderem Interesse:

  1. Welchen Einfluss hatte die Fusion zur HSH Nordbank auf deren spätere Entwicklung, und hätte man durch eine rechtzeitige Neuordnung des Landesbankensektors die Schieflage einzelner Landesbanken vermeiden können?
  2. Waren die EU-Auflagen für die HSH Nordbank zu restriktiv?
  3. Welche Belastungen der öffentlichen Haushalte resultieren aus den Rettungsmaßnahmen für die HSH Nordbank?

Historische Entwicklung

Die HSH Nordbank ist 2003 aus dem Zusammenschluss der Landesbank Schleswig-Holstein mit der Hamburgischen Landesbank entstanden (zur Eigentümerstruktur vgl. Tabelle 1). Wie die damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis im Hamburger Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank ausführte, sollte damit die Idee eines Nordstaates unterstützt werden. Sie erwähnte aber auch, welche Mühen und fast unüberblickbaren Probleme es bei der Umsetzung gegeben habe.3

Tabelle 1
Eigentümerstruktur der HSH Nordbank
Anteilseigner Anteile in %
Freie und Hansestadt Hamburg 10,80
Land Schleswig-Holstein 9,58
HSH Finanzfonds AöR, gemeinsame Anstalt der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein 65,00
neun Trusts, die von J.C. Flowers & Co. LLC (USA) beraten werden 9,31
Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein (SGVSH) 5,31

Thomas Völsch, Obmann der SPD im selben Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, sieht interessanterweise im Nachhinein in der Fusion keinen Fehler, seiner Meinung nach war der zusätzlich geplante Börsengang zu ehrgeizig. Er stellt fest, dass weite Teile der Geschäftspolitik dieser Zielsetzung untergeordnet wurden. Als Beispiel nennt er das Kreditersatzgeschäft, das zum Zeitpunkt der Fusion eine Größenordnung von ungefähr 30 Mrd. Euro hatte. Hier wurden in der Folgezeit wesentliche Umschichtungen vorgenommen, die seiner Meinung nach mit den erhöhten Renditeerwartungen zusammenhängen dürften. Das Ziel, aus den beiden Landesbanken eine internationale Geschäftsbank zu machen, wurde explizit vereinbart. Thomas Völsch verweist darauf, dass es notwendig war, bestimmte Doppelstrukturen in Norddeutschland zu vermeiden und bewertet die vorgenommene Fusion ex post als „vom Grundsatz her … richtige Entscheidung“.4

Dem ist zuzustimmen. Inwieweit die Finanzkrise vorhersehbar war und somit die eingegangenen Risiken der HSH Nordbank durch den Vorstand vertretbar waren, soll an dieser Stelle nicht weiter analysiert werden. Fakt für die Bank war aber wohl auch, dass das Risikomanagement im Handelsgeschäft zahlreiche Defizite aufwies und der Vorstand das Gesamtobligo teils nur bedingt im Detail nachvollziehen und steuern konnte. In diesem Zusammenhang ist die Frage von Bedeutung, ob die vorhandenen organisatorischen Mängel als Folge des schwierigen Fusionsprozesses anzusehen sind.

Thomas Völsch bemerkt: „Ich glaube nicht, dass die Finanzkrise allein ursächlich für die Schieflage der HSH Nordbank war! Die Finanzkrise hat das sehr stark zugespitzt, zugegeben, sie hat es deutlich gemacht. Die Grundprobleme, die Grundlagen für eine krisenhafte Zuspitzung waren aber in Wahrheit lange vor dem Zusammenbruch der Lehmann-Bank gelegt. Sie hatten ihre Ursache in der mangelhaften Kapitalausstattung der HSH Nordbank Ende 2007.“5 Diese Ausführungen lassen die Schlussfolgerung plausibel erscheinen, dass Fusionen auch unter den anderen Landesbanken vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 oder im Verlauf der Finanzkrise zu keinem besseren gesamtwirtschaftlichen Ergebnis geführt hätten.

Eine Bewertung der Bemühungen, eine Fusion zwischen der WestLB und der Bayern LB im Herbst 2010 herbeizuführen, nimmt der EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia vor. Seiner Meinung nach führt eine Fusion von zwei Banken, die sich in einem Restrukturierungsprozess befinden, nicht automatisch zur Wiederherstellung ihrer langfristigen Lebensfähigkeit. Auch Beatrice Weder di Mauro – damals noch Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – positionierte sich in diesem Zusammenhang eindeutig: „Das Problem liegt tiefer als nur in der Frage der optimalen Strategie der Zusammenschlüsse. Wo Geschäftsmodelle fehlen, entstehen sie auch nicht durch Fusionen. Dass die immer wiederkehrenden Versuche von Ländern und Sparkassen, eine Lösung zu finden, gescheitert sind, deutet auf eine politische Pattsituation hin.“6

Hilmar Kopper weist zu Recht darauf hin, dass schon weitergehende Vernetzungen bestanden haben: Die WestLB war ja schon beginnend in den 1990er Jahren an der HSH Nordbank beteiligt. „Gebracht hat dies ja auch nichts!“ so Hilmar Kopper wörtlich. Ferner habe der öffentlich-rechtliche Sektor die Chance nicht genutzt, den West-LB-Anteil zurückzukaufen, sondern es wurde einer privaten Investorengruppe unter J.C. Flowers der Vorzug gegeben.7

Was die Zukunft anbetrifft, ist festzustellen: Eine politisch erzwungene Fusion zwischen einzelnen Landesbanken ist der falsche Weg!8 Die unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Bundesländer und der regionalen Sparkassenverbände als Eigentümer der Landesbanken, aber auch des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, waren in der Vergangenheit hinderlich für eine Neuausrichtung/Konsolidierung des Landesbankensektors und werden es auch in Zukunft sein. Weiterhin hat die unterschiedliche Betroffenheit der einzelnen Institute durch die Finanzkrise 2007/2008 Fakten geschaffen. Durch die EU-Auflagen müssen jetzt zwei Institute, wenn auch in unterschiedlicher Form, ihre Marktpräsenz als „Big Player“ unter den Landesbanken aufgeben. Die WestLB wird völlig verschwinden und die HSH Nordbank wird mit deutlich kleinerem Geschäftsvolumen auftreten müssen. Die Nord/LB und die Hessische Landesbank, die keine öffentlichen Beihilfen als Folge der Finanzkrise in Anspruch nehmen mussten, müssen ihre Eigenkapitalbasis als Folge der Überprüfung durch die European Banking Authority im Rahmen des aktuellen Stresstestes verbessern. Im Falle der Nord/LB wurde diese Hilfe durch das Bundesland Niedersachsen formal als Beihilfe gewertet. Die Eingliederung des übrig gebliebenen Verbundgeschäftes der WestLB in die Hessische Landesbank ist nicht als planmäßige Fusion zu würdigen. So wird sich durch die Marktentwicklungen und die hiermit verbundenen neuen Herausforderungen, wie z.B. die aktuelle Verschuldungskrise einiger Euroländer, und den verstärkten Wettbewerb zwischen den einzelnen Landesbanken um das Verbundgeschäft mit den Sparkassen ohnehin eine weitergehende Konzentration im Landesbankensektor ergeben!

Institute, die sich durch eine ausgewogene Geschäftspolitik auszeichnen, dürften in Zukunft auch ihren Platz im deutschen Bankwesen haben. Hier sei als Beispiel die Nord/LB angeführt, die in ihrem Geschäftsbericht 2007 anmerken konnte: „Die Nord/LB hat kein Subprime bezogenes Geschäft gemacht und ist durch die Finanzmarktkrise daher nur indirekt und moderat betroffen. Trotz der Verwerfungen auf den Märkten hat sie ihr Konzernergebnis deutlich steigern können.“9 Darüber hinaus betreut die Nord/LB bereits jetzt nicht nur als Sparkassenzentralbank Sparkassen aus Niedersachsen, sondern auch aus anderen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Es bleibt zu hoffen, dass die Landesbanken ungeachtet der Eigentümerstruktur ein neues Geschäftsmodell entwickeln bzw. ihre Kernkompetenzen in Zukunftsgeschäftsfeldern im EU-Finanzmarkt ausbauen.

Waren die Auflagen zu restriktiv?

Die EU-Auflagen für die HSH Nordbank wurden nach langwierigen Abstimmungen und Verhandlungen mit den deutschen Behörden endgültig im September 2011 festgelegt. Während des laufenden Beihilfeverfahrens wechselte die Verhandlungskommission unter dem Vorsitz von Manuel Barroso zu Joaquin Almunia. Berthold Bose, Aufsichtsratsmitglied der HSH Nordbank, stellt für die Folgezeit eine Veränderung der Vorstllungen fest, „wie denn Auflagen aussehen könnten, die man der HSH Nordbank macht und wie groß/wie klein eine solche Bank sein darf und wem sie gehören darf.10“ Die neue Sichtweise richtete sich darauf, eine deutlichere Reduzierung der Bilanzsumme vorzugeben, um die Gefahr des Klumpenrisikos zu mindern. Die Reduzierung der Bilanzsumme auf jetzt 82 Mrd. Euro sollte durch eine Reduzierung des Schifffahrtsgeschäftes und einen Verkauf des Aviationzweiges vollzogen werden. Der vollständige Verzicht auf das Luftfahrtgeschäft wird von Berthold Bose als Ausstieg aus einem boomenden Markt gewürdigt. Positiv sieht er die Tatsache, dass im Gegenzug auf die Abgabe der öffentlichen Mehrheitsanteile an der Bank verzichtet wurde.

Der EU-Kommissar Almunia sprach davon, dass diese Maßnahmen notwendig seien, weil die Bank wieder auf ihr Kerngeschäft zurückgeführt werde und so Gelegenheit habe, den bis hierher verfolgten Expansionskurs zu revidieren.11

Weitere Einzelheiten erfährt die Öffentlichkeit auf der Webseite der HSH Nordbank. Dort wird weiter ausgeführt: „Über die derzeitige Vergütung der Zweitverlustgarantie hinaus, hat die EU-Kommission der Bank eine zusätzliche Einmalzahlung in Höhe von 500 Mio. Euro an die Garantiegeber auferlegt. Diese ist im Wege einer Sacheinlage innerhalb von vier Monaten nach der formellen EU-Entscheidung wieder in die Bank einzubringen. Darüber hinaus hat die EU-Kommission die Bank zur Zahlung einer beihilferechtlichen Kompensationszahlung in Höhe von 3,85 Prozent des jeweils ausstehenden Garantievolumens verpflichtet, die jedoch nur im Falle einer Inanspruchnahme der Garantie zu zahlen ist.“12 Die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein haben aber zum 30. September 2012 gegen die Gewährung eines so genannten Besserungsscheins auf die Zahlung der Zusatzprämie auf ein Sperrkonto verzichtet, da die Common Equity Quote der Bank aktuell unter 10% liegt. Zur Stärkung der Eigenmittelquote hat die EU-Kommission weitere Vorgaben gemacht. So ist die Bank verpflichtet, bis einschließlich des Geschäftsjahres 2014 keine Dividenden an die Aktionäre auszuschütten. Die von der EU-Kommission verfügte Einmalzahlung in Höhe von 500 Mio. Euro an die garantiegebenden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein wurde am 18. Januar 2012 wieder als Eigenkapital in die HSH Nordbank eingebracht.

Dem Kapitalerhöhungsbeschluss liegt eine aktuelle Bewertung der Bank zu Grunde, aus der sich ein Preis für die neuen Aktien von 13,05 Euro ergeben hat. Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher bewertet den ursprünglichen Preis von 19,00 Euro, der 2009 in einer Verhandlungssituation mit den Minderheitsaktionären festgelegt wurde, als eindeutig zu hoch. Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein erhielten nun nachträglich zusätzliche Aktien im Wert von 500 Mio. Euro, die diesen wirtschaftlichen Nachteil ausgleichen würden.13 Genauso wie bei den Minderheitsaktionären ergibt sich jetzt aber durch die Neubewertung der HSH-Aktien ein zusätzlicher Abschreibungsbedarf für den Hamburgischen Versorgungsfonds, die HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH und den HSH Finanzfonds.

Aus heutiger Sicht sind der Verzicht auf Flugzeugfinanzierungen und die Auflagen bei der Schiffsfinanzierung zu restriktiv. Hierzu das Aufsichtsratsmitglied Berthold Bose: „Die Auflage, die die EU der Bank gegeben hat, ist unter dem eigenen Anspruch erteilt worden, dass keine Auflagen gemacht werden, die eine Bank in der Existenz gefährden. Diese Restrukturierungsauflage [Verkleinerung des Volumens der Schiffsfinanzierungen] erscheint mir eine Abstrafung für eine öffentliche Bank zu sein. Um im internationalen Wettbewerb der Schiffsfinanzierung wirklich eine Rolle zu spielen, braucht man ein gewisses Volumen, braucht man ein gutes Rating, braucht man auch entsprechende Mengen an Aufträgen, die man auch verarbeiten kann. Mit dem Beschneiden einer Bank in dem Sektor nimmt man ihr natürlich auch ein Stück internationale Wettbewerbsfähigkeit. Das scheint aber offenbar gewollt zu sein!“14

Im November 2011 berichtete das „Hamburger Abendblatt“ von einer Fokussierung der HSH Nordbank auf das nationale Immobiliengeschäft und einem EU-konformen Rückzug aus dem internationalen Immobiliengeschäft. Unter Berufung auf den Leiter des Bereiches Immobilienkunden, Peter Axmann, wurde von einer expansiven Strategie im nationalen Bereich berichtet, wobei ein Zielportfolio von 14 Mrd. Euro in diesem Geschäftsfeld angestrebt wird. Axmann spricht im Abendblatt von Erfolgen bei der Neuakquisition von Kunden und von einer positiven Immobilienkonjunktur, vor allem im Hamburg. Zusammenfassend stellte der Manager fest, die Nordbank habe sich vorausschauend am Kapitalmarkt mit Liquidität versorgt. Zudem sei die HSH nur wenig von der Schuldenkrise betroffen, da sie kaum als Staatsfinanzierer aktiv sei. Das gesamte Liquiditätspolster der Bank bezifferte der Manager auf etwa 17 Mrd. Euro.15

Belastungen für die öffentlichen Haushalte

Die Frage nach den Belastungen für die öffentlichen Haushalte der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein durch die Rettungsmaßnahmen ist relativ schwierig zu beantworten, denn diese sind noch nicht genau absehbar. Dies hängt mit den gewählten rechtlichen Konstruktionen für die öffentlichen Hilfen zusammen. Diese bestanden in der Bereitstellung von neuem Eigenkapital in Höhe von 3 Mrd. Euro und einem Garantierahmen von 10 Mrd. Euro. Interessanterweise stellten nur die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein jeweils 1,5 Mrd. Euro neues Eigenkapital bereit, aber nicht der Bund oder die Sparkassen. Diese Eigenkapitalzufuhr erfolgte über den neu gegründeten HSH Finanzfonds (Anstalt öffentlichen Rechts). Es muss aber angemerkt werden, dass die beiden Bundesländer zur Refinanzierung Kredite in gleicher Höhe aufnahmen und die Kreditzinsen durch die von der HSH Nordbank zu zahlenden Avalprovisionen für die Garantien aufbringen.

Der HSH Finanzfonds ist als Anstalt öffentlichen Rechts gemäß HGB bilanzierungspflichtig. Da seinerzeit für die erworbenen HSH-Nordbank-Aktien im Rahmen der Eigenkapitalhilfe ein Aktienkurs von 19 Euro zugrunde gelegt wurde, dieser mittlerweile aber von der EU-Kommission als zu hoch deklariert wurde und auf Basis eines neuen Wertgutachtens ein Kurs von 13,05 Euro anzusetzen ist, sind Wertberichtigungen in Höhe von 439 Mio. Euro erforderlich.16 Es sei daran erinnert, dass Hamburg und Schleswig-Holstein gemeinsam Träger dieser Anstalt sind, die Buchverluste also anteilig zu tragen haben. Weiterhin hält die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH für die Hansestadt Hamburg Anteile an der HSH Nordbank. Als privatrechtliches Unternehmen ergibt sich auch hier eine Bilanzierungspflicht für die HSH-Nordbank-Anteile und damit die Pflicht zur Vornahme von Wertberichtigungen. Auch im Zusammenhang mit der HSH Nordbank wurde für 2010 ein Verlustausgleich von rund 95 Mio. Euro für dieses Unternehmen zu Lasten des Hamburger Haushaltes bewilligt. Tatsächlich in Anspruch genommen wurde dieser Verlustausgleich im Jahr 2011 aber nur in Höhe von rund 37 Mio. Euro.

Ferner ergaben sich deutliche finanzielle Probleme für den Hamburgischen Versorgungsfonds (HVF). Zur Finanzierung von Versorgungsverpflichtungen wurden dem Fonds seinerzeit von der Hansestadt Hamburg HSH-Nordbank-Aktien übertragen. Hier heißt es im Geschäftsbericht 2011 des HVF: „Bis zum Planungsjahr 2030 ergibt sich ein Finanzierungsbedarf des HVF in Höhe von ca. 700 Millionen Euro, der dem Barwert der ursprünglich angesetzten Dividendenzuflüsse aus den Anteilen an der HSH Nordbank und geringer ausfallenden Erlösen aus Grundstücksverkäufen entspricht. Der Senat hat der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg am 24. Mai 2011 eine Drucksache zur Kenntnis gegeben und darin dargestellt, dass es angesichts der dauerhaft strukturellen Finanzierungslücke einer langfristig tragenden Finanzierung der Altersversorgungsverpflichtungen bedarf, um ein außerhalb des Haushaltes aufwachsendes, aber später vom Haushalt zu tragendes Defizit zu vermeiden.“17 In der Tat sind Wertberichtigungen nicht unmittelbar liquiditätswirksam, es mag aber dahingestellt sein, ob die HSH-Nordbank-Aktien wieder an Wert gewinnen werden und somit Wertaufholungen vorgenommen werden können. Die Einschränkung der Geschäftstätigkeit der HSH Nordbank durch EU-Auflagen ist kontraproduktiv, was eine mögliche Wertsteigerung der Aktien anbetrifft.

Dem Quartalsbericht der HSH Nordbank für das III. Quartal 2011 ist zu entnehmen, dass „erstmalig ertragswirksam eine Ausgleichsforderung gegenüber der HSH Finanzfonds AöR in Höhe von 341 Mio. Euro aktiviert wurde.“ Eine genaue Interpretation dieser „bilanziellen Garantieinanspruchnahme“ ist leider nicht möglich, da der Garantievertrag zwischen der HSH Nordbank und dem HSH Finanzfonds nicht öffentlich zugänglich ist. Das „Hamburger Abendblatt“ summiert die Buchverluste auf insgesamt 1 Mrd. Euro.18 Die vom Hamburger Abendblatt errechneten Verluste wies der Pressesprecher der Finanzbehörde Daniel Stricker zurück und erklärte, dass die genannte Zahl nicht die von der EU verfügte Zahlung von 500 Mio. Euro berücksichtige, die zu einer Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts führt und dass es eher um eine Größenordnung von 439 Mio. Euro für den HSH Finanzfonds gehe.19 Aktuell beschäftigt nun die bereits angesprochene Inanspruchnahme der Zweitverlustgarantie von 1,3 Mrd. Euro ab 2019 die Öffentlichkeit. Da man bisher von keiner Inanspruchnahme ausgegangen war, gibt es sehr kontroverse Meinungen. Constantin von Österreich, der neue Vorstandssprecher der HSH Nordbank, weist darauf hin, dass bis 2019 noch erhebliche Gebühren für die Garantie fällig werden, 2012 allein 280 Mio. Euro.20

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Bundesländer die Garantiegebühren zweckentfremdet dazu verwenden, die zu zahlenden Sollzinsen für die Kredite zur Aufbringung des im Zuge der Rettungsmaßnahme bereit gestellten Eigenkapitals zu refinanzieren. Insofern ist die entscheidende Frage, wann die Bank wieder in der Lage sein wird, Dividenden auszuschütten.

Dieser Aufsatz basiert auf der Recherche zu meinem Buch „Die Entwicklung der deutschen Landesbanken“, das im August 2012 erschienen ist. Zudem wird hier auf die von mir mit Thomas Völsch (SPD-Obmann im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank AG) und Berthold Bose (Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der HSH Nordbank AG) geführten Interviews zurückgegriffen. Ferner wurden Bewertungen von Hilmar Kopper, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der HSH Nordbank AG, berücksichtigt.

  • 1 Pressemitteilung der HSH Nordbank vom 20.9.2011.
  • 2 M. Schreiber: Eisberg in Sicht – Bei der Agentur Moody’s wachsen die Zweifel am Geschäftsmodell der HSH Nordbank, in: Financial Times Deutschland vom 28.9.2012.
  • 3 Zeugenvernehmung Heide Simonis am 9.4.2010 vor dem Hamburger Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank (gemäß Erinnerung des Verfassers).
  • 4 Interview mit Thomas Völsch, in: N. Dieckmann: Die Entwicklung der deutschen Landesbanken, 2012, S. 134.
  • 5 Ebenda, S. 135.
  • 6 „Restrukturierung der Landesbanken droht Stückwerk zu bleiben“, in: Handelsblatt vom 22.9.2010.
  • 7 Telefoninterview mit Hilmar Kopper am 9.9.2010.
  • 8 Wie schwierig Fusionen im Finanzsektor zu arrangieren bzw. umzusetzen sind, zeigt auch die Geschichte der gescheiterten Fusion Deutsche Bank/Dresdner Bank und der Ablauf der versuchten Integration der Dresdner Bank in den Allianz Konzern.
  • 9 Nord/LB: Geschäftsbericht 2007, S. 13.
  • 10 Interview mit Berthold Bose, in: N. Dieckmann, a.a.O., S. 154.
  • 11 Vgl. http://newsticker.sueddeutsche.de/ list/id/1208159.
  • 12 Vgl. http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/3246732/2012-01-18-fb-hshnordbank.html.
  • 13 Ebenda.
  • 14 Interview mit Berthold Bose, in: N. Dieckmann, a.a.O., S. 156.
  • 15 Vgl. http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article2103418/HSH-Nordbank-beschraenkt-sich-auf-deutsche-Immobilien.html.
  • 16 Mündliche Auskunft vom Pressesprecher der Hamburger Finanzbehörde Daniel Stricker am 26.1.2012.
  • 17 Vgl. http://www.hvf.hamburg.de/doc/HVFJA2011.pdf.
  • 18 „Nordbank: Steuerzahler verlieren eine Milliarde“, in: Hamburger Abendblatt vom 19.1.2012.
  • 19 Pressesprecher Daniel Stricker am 26.1.2012.
  • 20 „Immenser Schaden für den Norden“, Interview mit Constantin von Österreich, in: Hamburger Abendblatt vom 1./2.12.2012.

Title:The Development of the HSH Nordbank as a Public Bank (Landesbank) – Some Assessments

Abstract:Some of the German “Landesbanken” engaged in highly risky business with the acceptance of local politicians and then demanded bailouts during the financial crisis. The HSH Nordbank, the world’s largest provider of ship financing, based in northern Germany, lost almost 2.8 billion euros in 2008. The two German shareholders, the states of Hamburg and Schleswig-Holstein, had to agree on a 13 billion euro bailout plan for the bank (3 billion euros in cash and a “risk shield” of 10 billion euros). Furthermore, the German government provided the HSH Nordbank with 17 billion euros of liquidity guarantees under the Special Financial Market Stabilisation Fund (SOFFIN). In view of this situation, the following questions should be answered: What role did the merger of the Hamburger Landesbank and Landesbank Schleswig-Holstein play in the development of the HSH Nordbank? Was there a possibility to merge the HSH Nordbank with another bank to avoid the financial difficulties? Were the extensive conditions set by the EU Commission in the state aid proceedings too restrictive? What are the actual costs of the HSH Nordbank’s bailout programme for the shareholders and their governmental budgets?

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DOI: 10.1007/s10273-013-1474-8