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Transatlantische Freihandelszone: Ja, aber ...

Von Martin Klein

Seit dem 13. Februar dieses Jahres ist es offiziell: die USA und die EU haben die Absicht, eine transatlantische Freihandelszone zu schaffen. So steht es in der gemeinsamen Erklärung des amerikanischen Präsidenten mit den Spitzen der EU. Mit der angestrebten transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft würde das weltweit größte regionale Handelsabkommen, das grob die Hälfte der globalen Wirtschaft erfassen würde, entstehen. In seltener Einmütigkeit wurde dieser Beschluss von allen Seiten begrüßt. Nicht nur Deutschland, sondern auch Großbritannien und Frankreich haben sich ausdrücklich hinter das Vorhaben gestellt – und dies sind Länder, die in Welthandelsfragen traditionell entgegengesetzte Positionen vertreten, die einen Vertreter des Freihandels, die anderen eher Befürworter staatlicher Interventionen. Wissen sie alle, worauf sie sich einlassen? Und brauchen wir diese transatlantische Freihandelszone überhaupt? Haben wir nicht in den 1990er Jahren die Welthandelsorganisation WTO gegründet, um die internationalen Handelsbeziehungen auf eine feste multilaterale Grundlage zu stellen?

Tatsächlich haben sich die führenden Welthandelspartner USA und EU vom multilateralen Grundgedanken der WTO längst abgewendet und suchen den Fortschritt auf bilateraler Ebene. WTO-Verhandlungen auf multilateraler Ebene haben sich als unhandlich und nicht zielführend erwiesen. Sie sind zum Schauplatz eines Stellungskrieges zwischen Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländern, in dem sich die Fronten festgefahren haben, geworden. Bilateral vereinbarte Handelsabkommen versprechen schnellere Erfolge und lassen sich genauer auf die Ziele und Interessen der jeweiligen Partner ausrichten. Ohnehin ist der Zug in Richtung auf eine Proliferation regionaler Handelsabkommen längst abgefahren. Nach Informationen der WTO gibt es weltweit derzeit 546 derartige Abkommen, von denen 354 tatsächlich in Kraft sind. Die geplante transatlantische Handelspartnerschaft kommt also als Nachzügler. Hätte man jetzt nicht gehandelt, so drohte die Gefahr, im Welthandel ins Hintertreffen zu geraten.

Zurück zur Frage, ob die Europäer wissen, worauf sie sich einlassen? Fakt ist, dass die einfachen Fragen der Handelsliberalisierung zwischen Europa und den USA längst geklärt sind. Die Zollsätze liegen im Mittel unter 3%. Es bleiben die schwierigen Fragen, wie z.B.: die Spitzenzölle, d.h. die weit überdurchschnittlichen Zollsätze in einzelnen Wirtschaftsbereichen, in denen besondere Interessen im Spiel sind; die nicht-tarifären Handelshemmnisse (z.B. Qualitätsstandards), die die Kosten des Marktzugangs erhöhen; der Agrarbereich, mit den Dauerkonflikten um genmanipulierte Nahrung, Einsatz von Hormonen in der Rindermast oder Chlor-Hühnern; und schließlich das unerschöpfliche Thema der Subventionen, bei dem Deutschland im Bereich der erneuerbaren Energien verwundbar ist. In diesen Fragen sind nicht nur die Positionen der EU und der USA konträr, vielmehr vertreten auch die Mitgliedsländer der EU sehr unterschiedliche Positionen. Großbritannien wird die nun beginnenden Verhandlungen mit den USA sicher dazu nutzen, allzu restriktive Handelspraktiken in der EU zu Fall zu bringen. Außerdem hat es weit geringere Interessen im Bereich des Agrarprotektionismus als etwa Frankreich, so dass es gerade hier auf eine verstärkte Öffnung drängen wird. Es ist nicht abzusehen, dass Frankreich dies akzeptieren kann. Innereuropäische Konflikte sind also vorprogrammiert und müssen zeitgleich mit der Auseinandersetzung um den Verbleib Großbritanniens in der EU ausgetragen werden. So kommen zwei Problemkreise zueinander, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, und bei beiden wird sich die Bundesregierung zwischen den innereuropäischen Fronten wiederfinden. Es ist zu früh, den Ausgang der Verhandlungen zu prognostizieren, doch auf jeden Fall wird es spannend.

Fracking: Erkunden, aber nicht ausbeuten

Von Sven Schulze

Das Fracking, eine Methode zum Abbau von Gasvorkommen in Tongesteinsformationen, wird in Deutschland derzeit intensiv diskutiert. Das Gestein wird dabei mit einem Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien aufgebrochen, um an das Schiefergas zu gelangen. Nach vorläufigen Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe liegen die technisch gewinnbaren Schiefergasmengen in Deutschland beim 4,5- bis 15-fachen der konventionellen Erdgasreserven von etwa 0,15 Billionen m3. Im Vergleich zu den schätzungsweise 170 Billionen m3 globalen Reserven ist die deutsche Menge gering. Kernpunkt der Diskussion ist die Abwägung zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten.

Mit dem Fracking wird die Hoffnung auf eine höhere Versorgungssicherheit, eine größere Unabhängigkeit von Erdgasimporten, preisdämpfende Effekte sowie Beschäftigungsgewinne verbunden. Die vermuteten unkonventionellen nationalen Ressourcen erscheinen durchaus bedeutsam und könnten vorübergehend einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Inwieweit die kleine deutsche Menge selbst auf den regionalisierten Erdgasmärkten aber einen Preiseffekt haben wird, muss ebenso noch untersucht werden wie die Auswirkungen auf die Wertschöpfung. Der weitaus stärkere Abwärtsdruck auf die Erdgaspreise ergibt sich durch die zunehmende Selbstversorgung in den USA bis hin zu Exporten von Liquefied Natural Gas (LNG) und die Vorkommen in Polen, die ein Drittel der vermuteten europäischen Ressourcen ausmachen. Die wesentlichen Vorbehalte gegen das Fracking sind ökologischer Art. Erstens ist der Einsatz verschiedener Chemikalien notwendig. Zweitens gibt es eine Reihe von wasserwirtschaftlichen Bedenken, da für das Fracking genügend Wasser zur Verfügung stehen muss, grundsätzlich die Verschmutzung von Grundwasser ebenso möglich ist wie diejenige von Oberflächengewässern und Abwässer entstehen, die fachgerecht entsorgt werden müssen. Drittens können darüber hinaus Konsequenzen für andere Ökosysteme oder seismische Effekte nicht ausgeschlossen werden. Viertens gibt es unterschiedliche Ergebnisse zur Treibhausgasbilanzierung, einerseits im Vergleich zur Gewinnung und dem Transport von konventionellem Erdgas und andererseits in Bezug auf die Gefahr entweichenden Methans.

Unter Abwägung der wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte spricht einiges dafür, dass die Vorkommen weiter erkundet werden sollten. Für eine Erprobung der Technologie oder gar eine Gewinnung des Schiefergases ist neben einem Verbot in sensiblen Gebieten, einer Umweltprüfung und einer Bürgerbeteiligung die Implementierung einer Haftungsregel anzustreben. Diese würde das Verursacherprinzip bei kurz- bis langfristigen Folgeschäden durchsetzen und auftretende externe Kosten internalisieren. Damit würden ferner private Investitionsentscheidungen volkswirtschaftlich effizient gesteuert. Darüber hinaus erscheint es nicht notwendig, in der Fracking-Technologie eine internationale Vorreiterrolle zu übernehmen. Die hohe Bevölkerungsdichte in Europa und besonders in Deutschland ist ein guter Grund, zunächst die Konsequenzen in anderen Ländern zu beobachten. Außerdem besteht kein dringender Bedarf zur sofortigen Gewinnung, so dass die schlichte Drohung eines Abbaus in Deutschland einen Preisdruck auf Gasimporteure ausüben dürfte. Ferner könnten zunächst die Konsequenzen für die deutsche Energiewende systematisch überprüft werden. Schließlich dürften die Preiseffekte durch Verschiebungen auf den internationalen Gasmärkten größtenteils auch in Deutschland wirksam werden, während die deutschen Mengen hier wohl nur einen geringen Einfluss hätten.

Managergehälter: Banker-Boni deckeln

Von Jochen Zimmermann

Die Bonuszahlungen von Bankern sollen auf höchstens das Doppelte der Fixbezüge begrenzt werden. Darauf haben sich Vertreter der EU und der Mitgliedstaaten Ende Februar 2013 geeinigt. Dem Vorstoß haftete sofort der Vorwurf des Populismus an: Er genießt also durchaus Unterstützung in der Bevölkerung, aber der Griff zu diesem Etikett zeigt auch Skepsis, ob diese Maßnahme tatsächlich die gewünschten Wirkungen zeigt.

Die Skepsis entsteht aus grundsätzlichen wie praktischen Überlegungen. Kritiker sehen hier den Eingriff in Marktmechanismen. In der Tat sollte zu regulativen Eingriffen die Begründung gehören, warum die Marktparteien selbst nicht zu einem effizienten oder gesellschaftlich angemessenen Ergebnis finden können. Eine solche Begründung fällt aber nicht sonderlich schwer. Wer etwa staatliche Eingriffe in die Lohnfindung mit Hinweis auf die Tarifautonomie ablehnt, erkennt bereits einen besonderen, in der Regel vermachteten Charakter des Arbeitsmarkts an, stellt doch die Tarifautonomie den Versuch eines möglichst marktkonformen staatlichen Eingriffs in die Entgeltfindung dar. Jedoch kann man den Bereich des Bankgeschäfts, der durch die geplante EU-Regulierung zu Boni betroffen ist, kaum durch asymmetrische Machtstrukturen zugunsten der Arbeitgeber beschreiben, sondern im Gegenteil gerade durch ein Machtvakuum auf deren Seiten. Großbanken, die für ihre besonders hohen Bonuszahlungen an ihre Angestellten bekannt sind, befinden sich oft im Streubesitz und werden von Aufsichtsräten kontrolliert, die ebenso aus dem Bankgeschäft stammen oder von ihm abhängig sind. Weder auf dieser noch auf Ebene der Anteilseigner dürfte eine wirksame Kontrolle ausgeübt werden; den Ansprüchen der angestellten Banker stehen keine gebündelten Eigentümerinteressen gegenüber. Man darf zweifeln, ob der Schweizer Initiative zur Aktionärsbeteiligung nach dem Erfolg an der Urne auch ein praktischer Erfolg beschieden ist. Schon bei der Verhandlungsstärke zeigt sich Marktversagen, das nach regulativer Korrektur verlangt.

Der Markt versagt aber auch, wenn seine Ergebnisse aus ökonomischer Sicht etwa bei Externalitäten verzerrt oder gesellschaftlich unerwünscht sind – als ein beliebiges Beispiel sei hier Kinderarbeit herausgegriffen. Auch dies ist bei der derzeitigen Bonierungspraxis oft der Fall. Dabei geht es nicht um eine Neiddebatte. Selten stehen Gewinne von Unternehmern in der Kritik, weil die Gesellschaft um die Bedeutung des Unternehmertums für Wohlstand und Wachstum weiß. Banker-Boni sind bonierte Gewinne, aber oft aus fragwürdigen Quellen: Auf effizienten Märkten wird in der Regel nur spekuliert. Geht das Geschäft der vermehrten Risikoübernahme gut, kommt es zu einem Bonus, schlägt es fehl, wird der Aktionär (oder der Steuerzahler) belastet. In Bereichen wie etwa den Umstrukturierungen entstehen Gewinne, indem man im Eigentumsübergang die Zukunftsgewinne eines Unternehmens schon heute entzieht. Es wird damit anfälliger für Krisen; zugleich steigt das Risiko einer gesellschaftlichen Belastung in Form von Sozialtransfers. Weder das eine noch das andere Phänomen ist ökonomisch effizient noch kann es gesellschaftlich erwünscht sein. Eine Einhegung der Bonus-Kultur ist daher ordnungspolitisch richtig. Reagieren die Banken hierauf lediglich mit einer Erhöhung der Fixgehälter, ist dies ein umso deutlicheres Zeichen für schiefe Machtstrukturen. Eine Antwort hierauf kann dann nur die weitere Stärkung der Kontrollmöglichkeiten sein, vor allem im Wege der substanziellen Verkleinerung der jeweiligen Großbanken.

Zentralbank: Deutsche Bankenaufsicht bündeln

Von Jürgen Kähler, Christoph S. Weber

Die Deutsche Bundesbank strebt derzeit die alleinige Kontrolle über die Banken an. Bisher ist die Aufsicht der Banken in Deutschland zwischen der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) aufgeteilt. Die Bundesbank ist im Wesentlichen für die laufenden Prüfungen sowie Sonderprüfungen verantwortlich, die BaFin hingegen für die Aufsicht. Im Euroraum gehört die Bundesbank damit zu einer Minderheit von Zentralbanken, die nicht alleine für die Kontrolle über die Banken zuständig sind. Für die Organisation der Bankenaufsicht gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder die Zentralbank ist neben der Geldpolitik auch für die Bankenaufsicht verantwortlich (Eine-Institution-Lösung) oder die Zentralbank konzentriert sich nur auf die Geldpolitik und eine separate Institution übernimmt die Bankenaufsicht (Zwei-Institutionen-Lösung). Für eine Eine-Institution-Lösung spricht: Wenn die Zentralbank die Rolle des Kreditgebers der letzten Instanz hat, sollte sie frühzeitig über die Lage der Banken informiert sein. Sie könnte zeitnah Anpassungen bei den gefährdeten Banken erzwingen. Die Bundesbank hat diese Doppelfunktion bisher abgelehnt. Es solle ein eindeutiges Primärziel geben (Preisstabilität); alles andere habe sich dem unterzuordnen. Für die Zwei-Institutionen-Lösung spricht, dass eine Doppelfunktion einer Zentralbank (Preisstabilität und Bankenstabilität) zu Zielkonflikten führen kann. Erkennt eine Zentralbank in der Bankenaufsicht, dass systemisch relevante Banken in einer Schieflage sind, hätte die Zentralbank einen Anreiz, durch lockere Geldpolitik die Banken zu stützen. Doch das könnte zu Inflation führen. Ein weiteres Argument kommt hinzu: Bankenaufsicht ist in der Regel mit Restrukturierung und Abwicklung von Banken verbunden. Wie die Erfahrungen mit vielen Bankenkrisen gezeigt haben, können sie zu hohen fiskalischen Kosten führen. Ein Finanzministerium wäre daher nicht bereit, einer unabhängigen Zentralbank diese Restrukturierungen zu überlassen. Dementsprechend steht die BaFin unter der Rechts- und Fachaufsicht des Finanzministeriums. Wenn die Bundesbank die Aufgabe der Bankenaufsicht hätte übernehmen wollen, hätte sie nicht unabhängig bleiben können. Daher hat die Bundesbank bei der der Neuordnung der Finanzaufsicht 2002 auf die alleinige Bankenaufsicht verzichtet. Sie arbeitet der BaFin nur zu. Deshalb ist die Bundesbank auch dagegen, dass die EZB die Bankenaufsicht im Euroraum erhält und dadurch die Unabhängigkeit der EZB gefährdet wird.

Die überraschende Wendung: Für Deutschland will die Bundesbank jetzt die Bankenaufsicht bei sich vereinen, d.h. die BaFin soll von der Bundesbank übernommen werden. Seit 1999 hat die Bundesbank keine geldpolitische Kompetenz mehr. Im EZB-Rat gibt es nur einen Vertreter der Bundesbank. Dass dieser leicht überstimmt werden kann, ist in den letzten Jahren deutlich geworden. Weil die Bundesbank keine direkte Verantwortung mehr für die Preisstabilität trägt, gibt es für sie auch keinen Zielkonflikt mehr zwischen Preis- und Bankenstabilität. Außerdem sieht die geplante Regelung zur europäischen Bankenaufsicht vor, dass die EZB die Aufsicht über die großen Banken (Bilanzsumme über 30 Mrd. Euro) übernimmt. Die Bundesbank würde dann kleinere Sparkassen und Banken beaufsichtigen. Die fiskalischen Konsequenzen, die sich aus einer Schieflagen dieser Institute ergeben können, sind überschaubar. Der Staat dürfte also bereit sein, den politischen Einfluss auf die deutsche Bankenaufsicht auf ein Mindestmaß zu beschränken. Die Bündelung der deutschen Bankenaufsicht bei der Bundesbank ist konsistent und vernünftig, wenn die Aufsicht über die großen und systemisch relevanten Banken an die europäische Ebene abgegeben wird.


DOI: 10.1007/s10273-013-1500-x

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