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Die Zahl der Personen, die mit über 65 Jahren einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen, hat sich in den letzten 20 Jahren in Deutschland mehr als verdoppelt.1 Dabei handelt es sich einerseits um Personen, die ein Altersruhegeld erhalten und gleichzeitig einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen, und andererseits um Erwerbspersonen, die ihren Eintritt in den Ruhestand über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinausschieben. Über beide Personengruppen ist relativ wenig bekannt. Ziel dieses Beitrags ist es, wesentliche Merkmale der Erwerbstätigen über 65 Jahre zu beschreiben (Geschlecht und Bildungsniveau) und diese Personengruppe somit differenziert zu betrachten.

Die Auswirkungen des demografischen Wandels und seine Konsequenzen für den Arbeitsmarkt sind zu zentralen Themen in Politik und Wirtschaft geworden. Gegenwärtig befinden sich die geburtenstarken Jahrgänge (Geburtskohorten der späten 1950er und frühen 1960er Jahre) auf dem Arbeitsmarkt und stellen einen erheblichen Teil der Erwerbspersonen dar. 2011 waren in Deutschland mit 38 Mio. Personen mehr Menschen zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig als je zuvor.2 Mit der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung ändert sich auch die Erwerbstätigenstruktur. Zum einen wird sich die Alterung der Bevölkerung in einer älter werdenden Erwerbsbevölkerung niederschlagen. Ein zentrales Kennzeichen dieser demografischen Veränderung – der starke Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Menschen über 55 Jahren – ist bereits sichtbar. Zum anderen werden die zurzeit 40- bis 55-jährigen Angehörigen der Babyboomer-Generation den Arbeitsmarkt bis 2030 verlassen. Angesichts der schwächeren Besetzung jüngerer Geburtskohorten wird dies mit einem starken Rückgang der Erwerbsbevölkerung einhergehen. Diese Entwicklungen bringen schwerwiegende Lasten für die Rentenkassen, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt mit sich. Befürchtet werden insbesondere „ein Engpass an jungen und hochqualifizierten Mitarbeitern, ein Rückgang der Innovationskraft und Produktivität der Unternehmen sowie niedrige Beitragszahlungen bei steigenden Sozialausgaben“3. Eine denkbare Lösung dieses Problems ist der bereits eingeleitetete spätere Austritt aus der Erwerbsphase.

Paradigmenwechsel in der Alterssicherungspolitik

Die Erwerbstätigkeit Älterer wird in Deutschland für den Arbeitsmarkt immer wichtiger, was sich auch in der Politik bemerkbar macht. In den 1990er Jahren setzte sich die Ausgliederungspraxis der Vergangenheit in Deutschland fort. Die betrieblichen Ausgliederungsstrategien und die staatlichen Ausgliederungsanreize, die zum großen Teil auf die Transformationsprozesse im Zuge der Wiedervereinigung und auf die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen waren, führten zu einer „Kultur der Frühverrentung“4. Aufgrund der absehbaren demografischen Verschiebung sowie der staatlichen Finanzeng­pässe ist spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts ein Paradigmenwechsel in der Alterssicherungspolitik zu beobachten.5 Es erfolgten zahlreiche rentenpolitische Veränderungen und Arbeitsmarktreformen mit dem Ziel, der gängigen Praxis des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben entgegenzuwirken und die Wiedereingliederung von älteren Arbeitslosen zu fördern. Vor dem Hintergrund der schrittweisen Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters für die Altersrente auf 67 Jahre ist die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung der ab 65-Jährigen besonders interessant.

Erwerbsbeteiligung der älteren Erwerbstätigen

Die Altersgruppe der 65-jährigen und älteren Erwerbstätigen6 befindet sich in der Regel im Ruhestand und weist eine relativ niedrige und wenig dynamische Erwerbstätigenquote auf.7 Betrachtet man aber die Entwicklung über einen Zeitraum von 20 Jahren, ist eine starke Zunahme der Erwerbstätigenquote und der dahinter stehenden absoluten Zahlen zu beobachten. 1991 betrug sie 2,6% und 2011 4,4%.8 1991 gab es nach Angaben des Mikrozensus insgesamt 320 000 erwerbstätige Personen, die 65 Jahre oder älter waren. 2011 waren es mit 763 000 mehr als doppelt so viel. Die Zahl der Bevölkerung in dieser Altersgruppe ist in der gleichen Zeitspanne dagegen „nur“ um knapp 42% angestiegen.9 Daraus lässt sich schließen, dass die Zahl der Erwerbstätigen überdurchschnittlich zugenommen hat.

Die folgenden differenziellen Ergebnisse beziehen sich auf die Gruppe der 65- bis 69-Jährigen und beruhen auf Daten aus dem Mikrozensus, in dem eine Arbeitskräfteerhebung gemäß dem Erwerbsstatuskonzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) integriert ist. Die Entwicklung der Erwerbstätigenquote nach Geschlecht (vgl. Abbildung 1) zeigt, dass Männer und Frauen beinahe gleichermaßen zur gestiegenen Erwerbsbeteiligung im Ruhestandsalter beigetragen haben. Während 1996 noch 6,7% der Männer in dieser Altersgruppe erwerbstätig waren, stieg ihr Anteil 2011 auf 12,7% an. Ähnlich entwickelte sich die Erwerbstätigenquote der Frauen, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Hier stieg der Anteil von 3,3% auf 7,4%. 2011 waren insgesamt rund 425 000 Personen zwischen 65 und 69 Jahren in Deutschland beschäftigt.

Abbildung 1
Erwerbstätigenquote der 65- bis 69-Jährigen
in %
30877.png

Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, BiB: Grafik des Monats 01/2013, http://www.bib-demografie.de/DE/Aktuelles/Grafik_des_Monats/Archiv/2013/2013_01_erwerbstaetigkeit_aelterer.html?nn=3216112.

Soziodemografische Struktur der 65- bis 69-jährigen Erwerbstätigen

Bildung ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Erwerbschancen in Deutschland. Generell gilt, dass Arbeitsmarktpartizipation mit steigendem Alter und geringerer Qualifikation abnimmt.10 Die differenzierte Betrachtung nach Bildungsgruppen zeigt die unterschiedliche Erwerbsbeteiligung noch deutlicher (vgl. Abbildung 2 und Abbildung 3). Es fällt auf, dass in der Altersklasse der 65- bis 69-Jährigen vor allem höher Gebildete einer bezahlten Beschäftigung nachgehen. Jeder fünfte Mann (19,4%) mit Hochschulabschluss ist erwerbstätig, während bei den Männern mit niedrigem Bildungsniveau nur jeder 14. (6,9%) erwerbstätig ist. Außerdem nimmt in dem Beobachtungszeitraum der Abstand zwischen den Bildungsgruppen zu. Tendenziell trifft dieses bildungsspezifische Muster auch auf Frauen zu. Bei Frauen mit Hochschulabschluss ist jede Zehnte (9,9%) erwerbstätig. Bei Frauen mit niedrigem Qualifikationsniveau geht hingegen nur jede 16. (6,2%) einer Erwerbstätigkeit nach. Allerdings ist die Erwerbstätigenquote von Frauen mit mittlerer Bildung stärker gewachsen als die Erwerbstätigenquoten der anderen Bildungsgruppen. Im Gegensatz zu der Entwicklung bei den Männern ist bei den Frauen der Abstand zwischen den höher und niedriger Gebildeten über den Beobachtungszeitraum unverändert geblieben.11

Abbildung 2
Erwerbstätigenquote 65- bis 69-jähriger Männer nach Bildung
in %
31042.png

Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus.

Abbildung 3
Erwerbstätigenquote 65- bis 69-jähriger Frauen nach Bildung
in %
31051.png

Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus.

Erwerbsverhalten von Älteren

Es gibt vielfältige Einflüsse auf die Erwerbsarbeit im Ruhestand. Eine zentrale Bedingung der Weiterbeschäftigung ist die günstige wirtschaftliche Entwicklung. Bei der Analyse des Erwerbsverhaltens von Älteren sind neben der gegenwärtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt auch Beweggründe der Betroffenen und Rahmenbedingungen der Arbeit (z.B. betriebliche Regelungen, Arbeitsplatzgestaltung, gesetzliche rentenpolitische Rahmenbedingungen) zu berücksichtigen.12 Dabei ist der empirische Befund, dass sich das Alter nicht allein auf das biologische Lebensalter reduzieren lässt,13 zentral bei der Erklärung des Erwerbsverhaltens im höheren Alter. Eine empirische Studie von Maxin und Deller ermittelt die Voraussetzungen für Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter.14 Wesentliche Beweggründe für die Beschäftigung im Ruhestands­alter sind: der Wunsch zu Helfen, Wissen weiterzugeben, aktiv zu bleiben, die eigene Weiterentwicklung sowie der Kontakt zu anderen. Humankapital und Erfahrungswissen sind also zentrale Aspekte der individuellen Motivation, was zum Teil das bildungsspezifische Erwerbsverhalten von 65-Jährigen und Älteren erklärt. Die besten Chancen für eine Erwerbstätigkeit haben vor allem Ruheständler, deren Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Ideale Rahmenbedingungen für die Erwerbstätigkeit im höheren Alter aus individueller Sicht sind altersgerechte Arbeitsbedingungen, die Berücksichtigung von spezifischen Bedürfnissen sowie Anerkennung und Wertschätzung. Entscheidende Rollen spielen außerdem die flexible Arbeitszeitgestaltung, die Berücksichtigung von Bedürfnissen sowie die Nutzung des Erfahrungswissens in einem intergenerationalen Austausch. Im Ruhestand wird eine beratende, freiberufliche Tätigkeit, in der man selbst bestimmen und entscheiden kann, gewünscht.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Daten zeigen, dass der Anteil der erwerbstätigen Menschen auch jenseits der bisherigen Regelaltersgrenzen angestiegen ist. Gegenwärtig geht jede zehnte Person im Alter zwischen 65 und 69 Jahren in Deutschland einer bezahlten Beschäftigung nach. Die hier vorliegenden Ergebnisse bestätigen die bisherigen empirischen Befunde über den positiven Zusammenhang zwischen Erwerbsbeteiligung im höheren Alter und Bildungsniveau.15 Männer und Frauen mit einem mittleren bis höheren Bildungsabschluss sind häufiger über das gesetzliche Rentenalter hinaus erwerbstätig als Niedrigqualifizierte. Diese deskriptiven Ergebnisse sagen nichts über die kausale Bedeutung des Qualifikationsniveaus für die Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter aus. Dafür sind nicht nur multivariate Analysen, sondern auch entsprechende Längsschnittdaten notwendig. Dennoch beschreiben diese Zahlen den gegenwärtigen Entwicklungstrend und deuten darauf hin, dass die Erwerbstätigkeit im hohen Alter nicht nur aufgrund finanzieller Notwendigkeiten ausgeübt wird.16 Sie liefern somit neue Erkenntnisse in Bezug auf die aktuelle Diskussion über eine in Deutschland drohende Altersarmut.

In Zukunft wird diese Altersgruppe zahlenmäßig zunehmen und es ist zu erwarten, dass auch die Erwerbstätigenzahl in dieser Gruppe weiter ansteigen wird. Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass sich die Erwerbschancen nicht gleichmäßig auf die Bildungsschichten verteilen. Vor diesem Hintergrund ist von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, relevante Rahmenbedingungen für die Teilhabe am Erwerbsleben zu schaffen und Maßnahmen für die längerfristige Beschäftigungsfähigkeit zu ergreifen, um weitere Potenziale für Erwerbsarbeit aus allen Bildungsschichten zu realisieren.17

Anmerkung: Die Autorin dankt Dr. Andreas Mergenthaler und Dipl.-Soziologe Robert Naderi für hilfreiche Anmerkungen zu diesem Artikel sowie Harun Sulak für die Sonderauswertungen auf Basis des Mikrozensus.

  • 1 Ein aktueller Überblick über die Erwerbstätigen ab 65 Jahren und deren Erwerbstätigenquoten in anderen europäischen Länder findet sich in K. Brenke: Immer mehr Menschen im Rentenalter sind berufstätig, in: DIW Wochenbericht, 80. Jg. (2013), H. 6, S. 3-12, http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.415345.de/13-6-1.pdf.
  • 2 E. Grünheid, C. Fiedler: Bevölkerungsentwicklung. Daten, Fakten, Trends zum demografischen Wandel, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden 2013.
  • 3 Ebenda, S. 20.
  • 4 K. Brauer, W. Clemens: Zu alt? „Ageism“ und Altersdiskriminierung auf Arbeitsmärkten, Wiesbaden 2010, S. 159, http://www.gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=747921; J. Allmendinger et al.: Der deutsche Arbeitsmarkt – Entwicklung und Perspektiven, in: J. Allmendinger (Hrsg.): IAB Handbuch Arbeitsmarkt – Analysen, Daten, Fakten, Frankfurt a.M. u.a.O. 2005, S. 17-66; M. Heidenreich: Ungleichheiten und institutionelle Rahmenbedingungen im ostdeutschen Transformationsprozeß – Ein Diskussionsbeitrag, in: M. Diewald, K. U. Mayer (Hrsg.): Zwischenbilanz der Wiedervereinigung – Strukturwandel und Mobilität im Transformationsprozeß, Opladen 1996, S. 135-144.
  • 5 M. Dietz, U. Walwei: Germany – No Country for Old Workers?, in: Zeitschrift für ArbeitsmarktForschung, 44. Jg. (2011), H. 4, S. 363-376.
  • 6 Nach der Definition des Mikrozensus gilt als erwerbstätig, wer wenigstens eine Stunde pro Woche gegen Entgelt arbeitet.
  • 7 Die Erwerbstätigenquote beschreibt den Anteil der Erwerbstätigen einer Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung derselben Altersgruppe (Statistisches Bundesamt).
  • 8 Statistisches Bundesamt 2013, Stand: 6.5.2013, Mikrozensus.
  • 9 F. Micheel, R. Panova: Entwicklung der Erwerbstätigkeit Älterer in Deutschland – Rückblick auf die letzten zwei Jahrzehnte, in: Bevölkerungsforschung Aktuell, 34. Jg. (2013), H. 1, S. 6-12.
  • 10 M. Dietz, U. Walwei, a.a.O.
  • 11 Eine differenzierte Betrachtung der Erwerbstätigen ab 65 Jahren nach Berufsgruppen und häufigsten Berufe bietet der Beitrag von K. Brenke, a.a.O.
  • 12 A. Arlt, M. Dietz, U. Walwei: Besserung für Ältere am Arbeitsmarkt: Nicht alles ist Konjunktur, in: IAB-Kurzbericht, 2009, H. 16.
  • 13 I. Wickenheiser: Was bedeutet „Altsein“? – Befunde aus einer qualitativen Studie, in: Bevölkerungsforschung Aktuell, 34. Jg. (2013), H. 1, S. 2-5.
  • 14 L. Maxin, J. Deller: Beschäftigung statt Ruhestand. Individuelles Erleben von Silver Work, in: Comparative population studies, 35. Jg. (2010), H. 4, S. 767-800.
  • 15 Vgl. vor allem G. Bäcker, M. Brussig, A. Jansen, M. Knuth, J. Nordhause-Janz: Ältere Arbeitnehmer – Erwerbstätigkeit und soziale Sicherheit im Alter, Wiesbaden 2009, http://ebooks.ciando.com/book/index.cfm/bok_id/33322; M. Brussig: Weitere Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen ab 50 Jahren, in: Institut Arbeit und Qualifikation, Hans-Böckler-Stiftung: Altersübergangs-Report 2011, H. 2, Duisburg, Düsseldorf 2011.
  • 16 Vgl. auch K. Brenke, a.a.O.
  • 17 Vgl. M. Dietz, U. Walwei, a.a.O.

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DOI: 10.1007/s10273-013-1543-z

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