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Das Handwerk ist ein wichtiger Sektor der deutschen Volkswirtschaft. Die Erscheinungsformen handwerklicher Betriebe haben sich in den vergangenen Jahren aber entscheidend verändert. Während früher die mittleren Größenklassen dominierten, haben heute die Ränder an Bedeutung gewonnen. Dies sind zum einen Kleinst- und Ein-Personen-Unternehmen, deren Anteil stark gestiegen ist, und zum anderen handwerkliche Großbetriebe.

Das Handwerk ist ein bedeutender Faktor der deutschen Volkswirtschaft. Dabei zeichnen diesen Wirtschaftsbereich einige Besonderheiten aus. So leistet das Handwerk einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des Humankapitals. 85% der Beschäftigten sind qualifizierte Arbeitskräfte (Meister, Facharbeiter oder auch Akademiker), wobei das Handwerk durch Ausbildungsleistungen über den eigenen Bedarf hinaus eine Saatbeetfunktion in der Volkswirtschaft aufweist. Außerdem ist ein Teil der Gewerke reguliert, d.h. für eine selbstständige Betätigung ist ein Befähigungsnachweis (in der Regel Meisterprüfung) erforderlich. Nicht zuletzt hat das Handwerk ein eigenes Kammersystem, das auf einer jahrhundertelangen Tradition beruht. Innerhalb der EU ist dieses System fast einzigartig.

Das Handwerk war bislang sehr stark durch relativ stabile Kleinbetriebe, sehr häufig in der Größenklasse von fünf bis 20 Beschäftigten, geprägt. Hier waren in der Vergangenheit die größten Zuwächse zu verzeichnen. Dabei nahm der Anteil der Soloselbstständigen seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich ab.

Im letzten Jahrzehnt haben sich die Rahmenbedingungen für das Handwerk vor allem durch die Novellierung der Handwerksordnung zum 1.1.2004 erheblich geändert. Dadurch sind 54 Handwerksberufe zulassungsfrei gestellt worden, und auch in den 41 zulassungspflichtigen Zweigen ist eine Existenzgründung erleichtert worden. Außerdem sind in den vergangenen Jahren erhebliche Strukturveränderungen in der deutschen Volkswirtschaft zu registrieren, die auch Auswirkungen auf das Handwerk mit sich gebracht haben.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Handwerk sein Erscheinungsbild beibehalten oder ob die Struktur dieses Wirtschaftsbereichs erhebliche Veränderungen erfahren hat. Wenn letzteres zutrifft: Ist dies über alle Handwerksbranchen hinweg gleichmäßig geschehen oder haben sie sich sehr unterschiedlich entwickelt bzw. hat die Entwicklung in einzelnen Branchen das Gesamtbild des Handwerks geprägt?

Datenbasis

Über die genaue Größenordnung des Handwerks gab es lange keine verlässlichen Informationen, weil eine abgesicherte Statistik fehlte. Dies hat sich seit der amtlichen Handwerkszählung 2008 geändert, die auf einer neuen Methodik basiert.1 Die Ergebnisse der Zählung werden nunmehr aus dem Unternehmensregister gewonnen, das mehrere administrative Quellen zusammenführt. Mittlerweile erscheint diese Zählung, die jeweils etwa 30 Monate nach Beendigung des Berichtsjahres veröffentlicht wird, jährlich. Dieser Aufsatz stützt sich in erster Linie auf die Ergebnisse der Handwerkszählung 2010.2

Gegenüber früheren Zählungen3 bietet die neue Methodik der Handwerkszählung einen Vorteil. Die Handwerksunternehmen brauchen nicht mehr selbst den Fragebogen auszufüllen; sie werden also von bürokratischen Pflichten entlastet. Allerdings sind mit der neuen Vorgehensweise auch Nachteile verbunden. So ist die Zahl der Merkmale, die die Handwerkszählung ausweist, sehr stark reduziert worden. Im Wesentlichen enthält sie nur noch Informationen über Unternehmen, Beschäftigte und Umsatz. Dazu kommen Rechtsformen und eine Aufteilung der tätigen Personen nach sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass die nicht umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen (geringerer Umsatz als 17 501 Euro pro Jahr) in der Zählung nicht enthalten sind, sofern sie nicht mindestens eine Person sozialversicherungspflichtig beschäftigen.4 Diese Unternehmen konnten über die Hochrechnung der Ergebnisse einer breit angelegten Strukturumfrage im Handwerk aus dem Herbst 2009, durchgeführt vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und den meisten Handwerkskammern, mit etwa 13 000 verwertbaren Antworten ergänzt werden. So war ein Vergleich mit den Daten der Handwerkszählung von 1995 möglich.

Stellung des Handwerks in der Gesamtwirtschaft

In Deutschland gab es am 31.12.2010 knapp 580 000 Handwerksunternehmen. Über das Unternehmensregister ist ein Vergleich mit Daten der Gesamtwirtschaft (ca. 3,8 Mio.) möglich. Danach gehört etwa jedes siebte Unternehmen der deutschen Volkswirtschaft zum Handwerk (15,9%).5

Die Zahl der Beschäftigten im Handwerk liegt bei knapp 5 Mio. Leider stehen hier aus der gleichen Datenquelle (Unternehmensregister) keine Ergebnisse für die Gesamtwirtschaft zur Verfügung. Möglich ist dies jedoch für die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Von den insgesamt 25,7 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind 14,1% im Handwerk tätig (gut 3,6 Mio.). Aus einem Vergleich von Unternehmens- und Beschäftigtenzahlen folgt, dass die Unternehmensgröße in der Gesamtwirtschaft mit 6,7 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nur leicht über der entsprechenden Größe im Handwerk (6,3 Beschäftigte) liegt.

Der Umsatz im Handwerk betrug 2010 insgesamt 475 Mrd. Euro. Gegenüber 1994 hat er sich insgesamt um rund 16% erhöht, wobei dieser geringe Zuwachs, würde man die Preissteigerungen einbeziehen, real einen Rückgang darstellt. Im Bezug zur Gesamtwirtschaft beträgt der Umsatzanteil des Handwerks knapp 9% und ist damit deutlich geringer als der Anteil bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und den Unternehmen.

Aufgrund der bestehenden Datenlage lässt sich leider keine Bruttowertschöpfung für das Handwerk berechnen. Der Anteil an der Gesamtwirtschaft dürfte jedoch höher als beim Umsatz ausfallen. Dies geht indirekt aus einer Analyse von Wertschöpfungs- und Umsatzanteilen von verschiedenen Betriebsgrößenklassen hervor.6 Bei den Kleinst- und bei den kleinen Unternehmen (bis 49 Beschäftigte), wozu etwa 98% aller Handwerksunternehmen zählen, liegt der Anteil der Bruttowertschöpfung zu Faktorkosten an allen Unternehmen etwa 50% höher als beim Umsatz. Geht man von einer ähnlichen Relation auch für das Handwerk aus, dürfte der Anteil an der Bruttowertschöpfung bei gut 13% liegen und damit in etwa dem Anteil des Handwerks an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entsprechen.

Meisterpflicht im Handwerk

In einer Novelle zur Handwerksordnung wurden im Jahr 2004 im Zuge der Hartz-Reformen eine Reihe von Handwerkszweigen zulassungsfrei gestellt, d.h. für eine Betätigung in dem jeweiligen Zweig ist kein Großer Befähigungsnachweis (Meisterprüfung) mehr notwendig.7

Unterteilt man das Handwerk in einen zulassungspflichtigen (A-Handwerke) und einen zulassungsfreien Bereich (B1-Handwerke), gehören 81,5% zu den zulassungspflichtigen Handwerken (476 556) und 18,5% zu den zulassungsfreien Handwerken (99 923). Wenig überraschend ist, dass seit der Handwerkszählung (1995) der Zuwachs bei den B1-Handwerken mit über 80% erheblich höher lag (vgl. Abbildung 1).8 Aber auch die A-Handwerke haben die Zahl ihrer Unternehmen steigern können.

Abbildung 1
Grunddaten des Handwerks
Veränderung 1994/1995 gegenüber 2010, in %
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Quellen: Statistisches Bundesamt: Handwerkszählungen 1995 und 2010; eigene Berechnungen.

Interessanter ist die Entwicklung bei den Beschäftigten. Von diesen kommen 4,1 Mio. aus den zulassungspflichtigen und rund 970 000 aus dem zulassungsfreien Gewerken. Gegenüber 1994 ist die Zahl der Beschäftigten erheblich um etwa 1 Mio. gefallen (1994: 6,1 Mio.). Dabei war der Rückgang im zulassungspflichtigen etwas höher als im zulassungsfreien Bereich. Würde man nur die Entwicklung bei den abhängig Beschäftigten betrachten, ist der Rückgang bei den B1-Handweken (-20,9%) fast ebenso hoch wie bei den A-Handwerken (-21,5%).9 Aus diesen Zahlen allein ergeben sich somit keine Hinweise, dass die Handwerksrechtsreform Beschäftigungseffekte mit sich gebracht hat.10

Längerfristige Entwicklung des Handwerks

Die Entwicklung des Handwerks nach dem Zweiten Weltkrieg konnte anhand der Ergebnisse der neun seitdem durchgeführten Handwerkszählungen nachgezeichnet werden. Um Verzerrungen wegen des unterschiedlichen Gebietsstandes auszuschließen, beschränken sich die Ausführungen hier auf das frühere Bundesgebiet.

Abbildung 2
Zahl der Handwerksunternehmen
Nur früheres Bundesgebiet, 1949 bis 2010, in 1000
32252.png

1 Ergebnisse der Handwerkszählungen ergänzt um Unternehmen ohne steuerbaren Umsatz.

Quellen: Statistisches Bundesamt: verschiedene Handwerkszählungen; eigene Berechnungen.

Die Entwicklung des Handwerks in den letzten 60 Jahren folgte bis zu der Zählung 199511 einem eindeutigen Trend: eine Abnahme der Unternehmenszahlen bei gleichzeitiger Steigerung der Unternehmensgröße (vgl. Abbildung 2). So gab es 1949 noch knapp 900 000 Handwerksunternehmen; 1995 waren es nur noch gut 450 000. Bei leicht ansteigenden Beschäftigtenzahlen stieg die durchschnittliche Unternehmensgröße von 3,5 auf 10,7 Personen je Unternehmen. Zwischen den beiden Zählungen (1995 und 2008) trat jedoch ein Bruch dieser Entwicklung auf. Die Unternehmenszahlen stiegen wieder (auf gut 550 000) und die durchschnittliche Unternehmensgröße sank (auf 7,4 Beschäftigte).

Wann dieser Bruch genau stattfand, lässt sich aus den Daten der Handwerkszählungen nicht ablesen. Aus der Betriebsstatistik des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks geht jedoch hervor, dass ab 2004 ein Anstieg der Betriebszahlen im Handwerk zu verzeichnen ist.12 In diesem Jahr trat die Novelle der Handwerksordnung in Kraft, auf Grund derer insgesamt 55 Handwerkszweige zulassungsfrei gestellt wurden, was zu einem Gründungsboom in einigen dieser Zweige führte. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass Mitte des letzten Jahrzehnts generell die Unternehmenszahlen – hervorgerufen durch viele Gründungen infolge der Wirtschaftskrise und der verbesserten Gründungshilfen (Gründungszuschuss) – anstiegen. Im Handwerk kamen die vielen Anmeldungen von selbstständigen Handwerkern aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten nach der EU-Erweiterung 2004 (insbesondere in den zulassungsfreien Handwerken) hinzu.

Bei den tätigen Personen zeigt sich kein eindeutiger Entwicklungstrend (vgl. Abbildung 3). Tendenziell stieg jedoch deren Zahl, um 1994 mit knapp 5 Mio. einen Höhepunkt zu erreichen. Zwar ging danach die Beschäftigung wieder um gut 800 000 zurück; mit gut 4,1 Mio. wurde 2010 jedoch immer noch der zweithöchste Wert nach dem Krieg erreicht. Dieser Zuwachs wird jedoch durch die gestiegenen Bevölkerungszahlen in den letzten 60 Jahren relativiert. Bezieht man nämlich die Zahl der Handwerksbeschäftigten auf die Einwohnerzahlen (Beschäftigtendichte bzw. -besatz), zeigt sich eine interessante Entwicklung. Hier ergeben sich mit Ausnahme des Jahres 199513 nur relativ geringe Abweichungen. Der Wert liegt etwas über 60 Personen je 1000 Einwohner. Anders ausgedrückt: Gut 6% der Bevölkerung sind im Handwerk tätig.14

Abbildung 3
Zahl tätiger Personen im Handwerk
Nur früheres Bundesgebiet, 1949 bis 2010, in Mio.
31497.png

1 Ergebnisse der Handwerkszählungen ergänzt um Unternehmen ohne steuerbaren Umsatz.

Quellen: Statistisches Bundesamt: verschiedene Handwerkszählungen, eigene Berechnungen, ifh Göttingen.

Unternehmensgrößenstrukturen

Bei dem längerfristigen Vergleich der Handwerkszahlen fällt seit 2008 noch ein Phänomen auf: die Polarisierung des Handwerks. Zwar hatte auch schon zuvor die Bedeutung der handwerklichen Großunternehmen15 kontinuierlich zugenommen, es waren aber vor allem die mittleren Größenklassen (10 bis 49 Beschäftigte), welche die Entwicklung des Handwerks prägten. Dies hat sich nun geändert. Gegenüber 1995 haben vor allem die Ein-Personen-Unternehmen gewonnen, teilweise auch die Kleinstunternehmen mit 2 bis 4 Beschäftigten. Verlierer waren die mittleren Größenklassen.

Bei den handwerklichen Großunternehmen ist die Entwicklung nicht eindeutig. Trotz insgesamt gestiegener Unternehmenszahlen ist deren Zahl von etwa 14 000 (1995) auf ca. 12 000 (2010) gesunken. Auch ein Beschäftigtenrückgang um knapp 300 000 Personen ist bei diesen Unternehmen zu verzeichnen,16 wobei ihr Beschäftigtenanteil trotzdem um einen Prozentpunkt auf 34,4% gestiegen ist (wegen des hohen Beschäftigtenverlustes im gesamten Handwerk).

Deutliche Zuwächse gab es dagegen mit 60 Mrd. Euro bei den Umsätzen. Dies ist umso erstaunlicher, da es sonst bei diesem Merkmal gegenüber 1994 nur noch eine Zunahme bei den Kleinstunternehmen gab, diese absolut gesehen aber viel geringer ausfiel. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die zunehmende Bedeutung der handwerklichen Großunternehmen in den Zahlen nur teilweise zum Ausdruck kommt, da Zweigbetriebe von handwerklichen Großunternehmen oft eine eigene Rechtsform besitzen und daher in der Handwerkszählung als eigenständige Unternehmen gelten. Ein Beispiel hierfür sind die Fielmann-Filialen bei den Augenoptikern.

Noch spannender ist die Entwicklung bei den Ein-Personen-Unternehmen (vgl. Abbildung 4). Bis Mitte der 1990er Jahre war die Tendenz eindeutig: ein kontinuierlicher Bedeutungsverlust. Dies hat sich nun entscheidend geändert. Der Anteil der Soloselbstständigen an allen Handwerksunternehmen ist massiv gestiegen und übertrifft sogar den Anteil von 1949. Für diesen Entwicklungsbruch waren sicher die oben bereits erwähnten Gründe verantwortlich: die gesamtgesellschaftliche Tendenz mit einem deutlichen Zuwachs an Selbstständigen (bedingt vor allem durch hohe Gründerquoten Mitte des letzten Jahrzehnts) und die Novellierung der Handwerksordnung 2004.

Abbildung 4
Anteil der Ein-Personen-Unternehmen im Handwerk
Im jeweiligen Gebietsstand, 1949 bis 2010, in %
31622.png

1 Ergebnisse der Handwerkszählungen ergänzt um Unternehmen ohne steuerbaren Umsatz.

Quellen: Statistisches Bundesamt: verschiedene Handwerkszählungen; eigene Berechnungen.

Entwicklung einzelner Branchen

Die Branchenanalyse17 zeigt, dass die oben geschilderte Entwicklung nicht auf alle Zweige gleichermaßen zutrifft. Vielmehr lassen sich verschiedene Gruppen von Handwerkszweigen bilden. Zunächst können Expansions- (z.B. Feinwerkmechaniker, Hörgeräteakustiker) und Kontraktions- oder Schrumpfungshandwerke (z.B. Schuhmacher, Damen- und Herrenschneider, Informationstechniker) identifiziert werden. Diese beiden Gruppen gab es schon in den 1970er Jahren, wenn sich auch die Zuordnung einzelner Zweige zu diesen Kategorien in einigen Fällen geändert hat.

Auch nicht neu ist die Gruppe der Konzentrationshandwerke (z.B. Bäcker, Fleischer); bislang noch nicht bekannt war dagegen der Gegenpart, die Dekonzentrationshandwerke. Die zugehörigen Zweige haben die Zahl der Kleinstunternehmen bei abnehmender Zahl an größeren Unternehmen stark ausweiten können. Sie finden sich hauptsächlich im Baugewerbe und bei den Gebäudereinigern. Hierfür ist vor allem ein Outsourcing bei größeren Unternehmen verantwortlich.

Erstmalig beobachtet wird auf Grund der Zählungsergebnisse 2008 das Phänomen der gespaltenen oder Polarisierungshandwerke (z.B. Elektrotechniker, Kfz-Techniker, Raumausstatter, Textilreiniger). Bei diesen Zweigen expandieren große und kleine Unternehmen, mittlere Unternehmensgrößenklassen verlieren dagegen an Bedeutung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Kleinst- und Großunternehmen in ihrer Tätigkeitsstruktur teilweise stark unterscheiden. Bei den Kfz-Technikern beispielsweise haben sich die Kleinstunternehmen auf Reparaturen spezialisiert, während es sich bei den handwerklichen Großunternehmen um Autohäuser häufig mit mehreren Standorten handelt. Bei den Textilreinigern wiederum bearbeiten die Kleinstunternehmen den privaten Markt, während die größeren Einheiten vor allem an Abnehmer aus der gewerblichen Wirtschaft liefern. In anderen Gewerken ist der Übergang von Handwerk zu Industrie oder Handel zunehmend fließend.

Handwerkszweige, bei denen sich im Gegensatz dazu die mittleren Größenklassen am besten entwickelt haben, sind im Unterschied zu den 1970er und 1980er Jahren nicht zu identifizieren. Da sich die Expansions- und die Kontraktionshandwerke einerseits und die Konzentrations- und die Dekonzentrationshandwerke andererseits in etwa die Waage halten, wird das Gesamtbild des Handwerks in erster Linie durch die Polarisierungshandwerke geprägt.

Tabelle 1
Vergleich Handwerk früheres Bundesgebiet und neue Bundesländer, 2010
  Unter­nehmen Unter­nehmens­dichte1 Tätige Per­sonen Beschäf­tigten­dichte2 Umsatz
insgesamt je Unter­nehmen je tätige Per­son je Ein­wohner
  Zahl in 1000 Euro
Deutsch­land ins­gesamt 576 479 70,4 4 978 690 60,8 475 642 403 825,08 95,54 5,81
früheres Bundes­gebiet 447 897 68,3 4 011 996 61,2 398 408 921 889,51 99,30 6,08
neue Bundes­länder3 128 582 78,9 966 694 59,3 77 233 482 600,66 79,89 4,74

1 Unternehmen je 10 000 Einwohner.

2 Tätige Personen je 1000 Einwohner.

3 Einschließlich Berlin.

Quellen: Statistisches Bundesamt: Handwerkszählung 2010, 2013; eigene Berechnungen.

Verteilung des Handwerks über den Raum

Das Handwerk ist nicht gleichmäßig über den Raum verteilt, vielmehr ist es in bestimmten Ländern oder Regionen stärker, in anderen schwächer besetzt. Einen ersten Anhaltspunkt für räumliche Unterschiede bietet ein Vergleich zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Bundesländern (vgl. Tabelle 1).18 Von den knapp 580 000 Handwerksunternehmen kommen etwa 450 000 (77,7%) aus dem westlichen und 130 000 (22,3%) aus dem östlichen Teil Deutschlands. Dabei lag die Unternehmensdichte im Beitrittsgebiet beträchtlich höher als in den alten Bundesländern.

Verglichen mit der Gesamtwirtschaft war der Unternehmensanteil in den neuen Bundesländern mit über 20% bedeutend höher als im früheren Bundesgebiet (gut 14%). Dies verdeutlicht, welche große Bedeutung das Handwerk im Aufholprozess der neuen Bundesländer spielt. Bei den tätigen Personen im Handwerk zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Von den knapp 5 Mio. Beschäftigten kommen gut 80% aus dem Westen und knapp 20% aus dem Osten Deutschlands. Die Beschäftigtendichte ist im früheren Bundesgebiet etwa genauso hoch wie in den neuen Bundesländern.

Bei den monetären Werten ist das Handwerk im Westen Deutschlands eindeutig stärker. Dies gilt insbesondere für den Umsatz je Unternehmen. Bei dieser Kennziffer wird im Beitrittsgebiet weniger als 70% des Wertes der alten Länder erreicht. Beim Umsatz je tätige Person und beim Umsatz je Einwohner liegt der Prozentsatz zwar etwas höher, beträgt aber auch nur etwa 80%.

Auch bei einem zeitlichen Vergleich der handwerklichen Entwicklung im früheren Bundesgebiet und in den neuen Bundesländern treten erhebliche Unterschiede zu Tage (vgl. Abbildung 5). Während im Osten Deutschlands die Zahl der Unternehmen stärker zugenommen hat, haben sich in den alten Ländern die Beschäftigten- und Umsatzzahlen besser (bzw. weniger schlecht) entwickelt. Daraus folgt indirekt, dass die durchschnittliche Unternehmensgröße im Beitrittsgebiet deutlich stärker gefallen ist.

Abbildung 5
Grunddaten im Handwerk nach früherem Bundesgebiet und neuen Bundesländern1
Veränderung 1994/1995 gegenüber 2010, in %
31633.png

1 Neue Bundesländer einschließlich Berlin.

Quellen: Statistisches Bundesamt: Handwerkszählungen 1995 und 2010; eigene Berechnungen.

Eine weitergehende Analyse beruht auf dem intraregionalen Raumabgrenzungskonzept des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung.19 Danach werden alle Kreise zu insgesamt neun siedlungsstrukturellen Kreistypen zusammengefasst. Diese Kreistypen basieren auf zwei Abgrenzungskriterien und zwar dem Verdichtungsgrad der einzelnen Kreise und deren Zentralität, d.h. der Lage des Kreises in einer Region. Dabei wird nach Agglomerationsräumen, städtischen Räumen und ländlichen Räumen unterschieden, wobei innerhalb dieser Räume verschiedene Kreistypen nach ihrer Zentralität gebildet wurden (z.B. Kernstädte, hochverdichtete Kreise, verdichtete Kreise, ländliche Kreise).

Die Analyse der Handwerksstrukturen in diesen Kreis­typen führt zu dem Ergebnis, dass teilweise erhebliche Unterschiede bestehen (vgl. Abbildung 6).20 Deutlich ist zu erkennen, dass der Handwerksbesatz in den Kernstädten (Typ 1 und 5) im Vergleich zu den jeweiligen Umlandkreisen und den ländlichen Regionen am geringsten ist und mit zunehmender Entfernung zum Zentrum ansteigt. Das Handwerk findet insbesondere in den ländlich geprägten Kreisen die besten Standortbedingungen (Typ 7, 8 und 9). Dort ist der Handwerksbesatz am stärksten. Auch ist das Handwerk in den Landkreisen stärker vertreten als in den kreisfreien Städten.

Abbildung 6
Beschäftigtendichte nach siedlungsstrukturellen Kreistypen und nach Stadt- und Landkreisen, 20081
Tätige Personen je 1000 Einwohner
31667.png

1 Im Gesamthandwerk.

2 Alle Bundesländer außer Baden-Württemberg.

Quellen: Statistisches Landesämter: Handwerkszählung 2008; eigene Berechnungen.

Die Unterschiede zwischen den Kreistypen können in erster Linie auf zwei Effekte zurückgeführt werden. Maßgeblich ist vor allem ein ländlicher Struktureffekt. Dieser besagt, dass in den ländlich geprägten Regionen die Handwerksunternehmen günstigere Standortbedingungen als in den Verdichtungsräumen aufweisen, was vor allem auf eine geringere Konkurrenz durch Industrie und Handel bzw. auf ein anderes Einkaufsverhalten der Bevölkerung zurückzuführen ist. Der Handwerksbesatz fällt hier höher als in den städtischen Regionen aus. Dieser Effekt trifft beispielsweise auf das Bauhauptgewerbe zu. Bei anderen Branchen wirkt dieser Effekt jedoch in die entgegengesetzte Richtung, so z.B. bei den zulassungsfreien Handwerken für den gewerblichen Bedarf (in erster Linie Gebäudereiniger). Hier ist die Beschäftigtendichte wegen der starken Nachfrage von öffentlichen Einrichtungen, Handel, Versicherungen, Kreditinstituten etc. in den Städten erheblich höher als in den ländlich geprägten Regionen.

Der zweite Effekt, der als Erklärungsansatz für den regional unterschiedlichen Handwerksbesatz herangezogen werden kann, ist der Kernstadt-Umland-Effekt. Hierunter versteht man, dass in den Zentren mehr Handwerksunternehmen als im Umland ansässig sind, weil insbesondere infolge der Pendlerströme Nachfrage nach handwerklichen Gütern und Leistungen vom Umland in die Städte abfließt. Dieser Effekt findet sich vor allem bei den Handwerken für den privaten Bedarf und den Gesundheitsgewerken.

Aber auch dieser Effekt kann in die entgegengesetzte Richtung wirken. Insbesondere aus einem Mangel an geeigneten Gewerbeflächen in den Städten bzw. hohen Gewerbemieten ziehen Handwerksunternehmen mit einem hohem Flächenbedarf, die nicht auf ein Ladengeschäft angewiesen sind, häufig aus den Kernstädten in das angrenzende Umland. Diese Verhaltensweise lässt sich gut bei den zulassungspflichtigen Handwerken für den gewerblichen Bedarf (Zulieferer und Investitionsgüterhersteller) und dem Lebensmittelgewerbe beobachten. Von letzteren Gewerken wird die Nachfrage in den Städten durch Verkaufsfilialen befriedigt, wohingegen die Produktion am Unternehmenssitz, der zunehmend in Gewerbegebieten des Umlands liegt, erfolgt.

Zusammenfassend können aufgrund dieser beiden Effekte drei Gruppen von Kreisen gebildet werden:

  1. Das Handwerk in den ländlichen Räumen weist insgesamt den stärksten Handwerksbesatz auf. Dieser Effekt ist vor allem im Bauhauptgewerbe zu beobachten.
  2. In den Umlandkreisen der Städte gibt es einen mittelstarken Handwerksbesatz, wobei hierfür vor allem das Lebensmittelgewerbe und die zulassungspflichtigen Handwerke des gewerblichen Bedarfs beitragen.
  3. In den Kernstädten ist das Handwerk dagegen relativ schwach vertreten. Würde man die Gebäudereiniger herausrechnen, wäre hier mit Abstand der geringste Handwerksbesatz zu beobachten.

Gegenüber der Handwerkszählung 1995 haben sich einige Verschiebungen ergeben. Die größten Verluste hat das Handwerk in den Ballungszentren zu verzeichnen. Das Handwerk in den städtischen Umlandkreisen konnte dagegen im Vergleich an Bedeutung gewinnen. Dazu hat vor allem das Lebensmittelgewerbe beigetragen. Das Handwerk in den ländlichen Regionen konnte seine dominierende Stellung behaupten.

Resümee

Die Daten der Handwerkszählung zeigen, dass dieser Wirtschaftsbereich nach wie vor ein wichtiger Faktor der deutschen Volkswirtschaft ist. Die Erscheinungsformen des Handwerks haben sich in den letzten Jahren aber entscheidend verändert. Dominierten früher insgesamt die mittleren Größenklassen von etwa fünf bis 49 Beschäftigten, ist in den letzten Jahren bezogen auf das gesamte Handwerk eine Polarisierung erfolgt, indem die Ränder an Bedeutung gewonnen haben. Dies sind zum einen die Kleinst- und Ein-Personen-Unternehmen, deren Anteil seit einigen Jahren, nicht zuletzt infolge der Novellierung der Handwerksordnung von 2004, stark gestiegen ist. Zum anderen nehmen die handwerklichen Großbetriebe eine immer größere Rolle ein, wobei diese Entwicklung in den statistischen Daten nur teilweise zum Ausdruck kommt.

Setzt sich die polarisierende Entwicklung fort, bringt dies erhebliche Auswirkungen mit sich. Die Soloselbstständigen sind häufig geringer qualifiziert und können daher weniger den handwerklichen Qualitätsanspruch verkörpern. Bei den handwerklichen Großunternehmen ist teilweise der Übergang zu Industrie oder Handel fließend; viele Inhaber haben keinen Meisterbrief, sondern einen Hochschulabschluss. Der Bezug zum Handwerk und seinen Organisationen ist häufig gering. Ihnen fehlt oft, ebenso wie bei den Soloselbstständigen, die handwerkliche Sozialisation. Darunter könnte die Identität des Handwerks leiden, wodurch möglicherweise längerfristig das gesamte Handwerkskammersystem in Frage gestellt wird.

  • 1 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Produzierendes Gewerbe. Unternehmen, tätige Personen und Umsatz im Handwerk. Jahresergebnisse 2010, Fachserie 4, Reihe 7.2, Wiesbaden 2013; J. Feuerhake: Handwerkszählung 2008, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wirtschaft und Statistik, H. 1, Wiesbaden 2012, S. 51-62.
  • 2 Eine ausführliche Analyse der Handwerkszählung 2008 findet sich bei K. Müller: Analyse der Handwerkszählung 2008, in: K. Bizer (Hrsg.): Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien, Bd. 85, Duderstadt 2012.
  • 3 Die letzte Zählung in Form einer Vollerhebung fand 1995 (mit Daten für 1994) statt.
  • 4 Ebenso fehlt das handwerksähnliche Gewerbe, das in der Regel zum Handwerk gezählt wird.
  • 5 Mit dem handwerksähnlichen Gewerbe erreicht das Handwerk einen Anteil von etwa 19%.
  • 6 Vgl. R. Söllner: Ausgewählte Ergebnisse für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland 2009, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wirtschaft und Statistik, Wiesbaden 2011, S. 1086-1096.
  • 7 Vgl. K. Müller: Erste Auswirkungen der Novellierung der Handwerksordnung von 2004, in: K. Bizer (Hrsg.): Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien, Bd. 74, Duderstadt 2006.
  • 8 Für den Vergleich mit den Daten von 1995 wurden 2010 die Unternehmen ohne Umsatzsteuerpflicht (unter 17 501 Euro p.a.) hinzugeschätzt, da diese Unternehmen in der Zählung 1995 enthalten waren. Da es sich bei den Unternehmen ohne Umsatzsteuerpflicht fast ausschließlich um Soloselbstständige handeln dürfte, wurde die Zahl der tätigen Personen ebenfalls um diese Zahl ergänzt. Der Umsatz wurde nicht verändert, da der Umsatz der Soloselbständigen weit weniger als 1% des Gesamtumsatzes ausmachen dürfte.
  • 9 Hierbei wird unterstellt, dass die Handwerksunternehmen im Schnitt 1,2 Inhaber aufweisen.
  • 10 Wegen der unterschiedlichen Zeiträume (die letzte Zählung war 1995, die Reform der Handwerksordnung erst 2004) sind weitergehende Aussagen nicht möglich. Auch müssen Substitutionseffekte beachtet werden.
  • 11 Mit Beschäftigten- und Umsatzdaten für 1994.
  • 12 Zu beachten ist, dass es zwischenzeitlich, in den 1990er Jahren ebenfalls einen leichten Anstieg der Betriebszahlen im Handwerk gegeben hat. Auch ist zu berücksichtigen, dass bei dieser Betrachtung das handwerksähnliche Gewerbe nicht enthalten ist. In diesen Handwerken gab es bis 2006 einen kontinuierlichen Zuwachs an Betrieben.
  • 13 Ein Erklärungsversuch für diesen Ausreißer liegt darin, dass in die Handwerkszählung 1995 relativ großzügig Großunternehmen mit Handwerksbezug einbezogen worden waren, wie aus damaligen Gesprächen mit Mitarbeitern der Statistischen Ämter hervorging. Hinzu kommt, dass in dieses Jahr die Spitze des Baubooms nach der deutschen Vereinigung fiel. Vgl. hierzu Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI): Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk, Bd. 1, Schlussbericht, überarbeitete Endversion, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit – Forschungsvorhaben 40/02, Essen 2004, S. 49 f.
  • 14 Auch das RWI spricht hier von einer „bemerkenswerten Kontinuität“. Deren Analyse reicht sogar bis 1926 zurück. Vgl. ebenda, S. 46.
  • 15 Als handwerkliche Großunternehmen werden Handwerksunternehmen mit 50 und mehr tätigen Personen bezeichnet.
  • 16 Von 2008 bis 2010 ist jedoch die Zahl der Beschäftigten in den handwerklichen Großunternehmen wieder um fast 70 000 Personen gestiegen.
  • 17 Die Branchenanalyse kann leider nicht nach der üblichen Wirtschaftszweigklassifikation erfolgen, da die Ergebnisse der Handwerkszählung 2010 nach dieser Klassifikation nur in einem relativ hohen Aggregationsniveau ausgewiesen werden, für eine Ergänzung der Unternehmen ohne Umsatzsteuerpflicht die Grundlagen fehlen und ein Vergleich mit 1995 kaum möglich ist, da die Wirtschaftszweigklassifikation seitdem mehrfach geändert wurde.
  • 18 Zu den neuen Bundesländern wird auch Berlin gezählt. Würde man diese Zuordnung nicht vornehmen, läge der Wert für die neuen Bundesländer etwas über dem des früheren Bundesgebiets.
  • 19 Vgl. www.bbsr.bund.de (3.7.2013).
  • 20 Diese Analyse fußt auf der Handwerkszählung 2008. Vgl. K. Müller: Analyse der Handwerkszählung 2008, a.a.O., S. 104 ff.

Title:Structural Developments in the Skilled Crafts

Abstract:The skilled crafts are still an essential element in the German economy. The characteristics of these companies, however, have changed dramatically in recent years. Previously, medium-scale enterprises of approximately 5 to 49 employees dominated. In recent years, however, a polarisation of the skilled crafts spectrum has occurred. Partially due to the amendment of the Trades and Crafts Code in 2004, the share of small and one-person businesses has risen sharply. Additionally, larger-scale enterprises play an increasingly important role, and this development is only partially reflected in the statistical data.


DOI: 10.1007/s10273-013-1576-3