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Der Anstieg der Preise auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt seit Anfang 2008, besonders in den Ballungszentren der Großstädte,1 löst Bedenken bezüglich eines beginnenden Immobilienbooms aus, vor allem vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in den USA, Spanien und Irland. In der Tat sind die Voraussetzungen für einen Boom in Deutschland im Augenblick gegeben: historisch niedrige Kreditzinsen, Angst vor einem Inflationsanstieg und, verglichen mit anderen Ländern, niedrige Immobilienpreise. Die folgende Analyse der OECD-Immobilienpreiszyklen zeigt jedoch, dass der Anstieg der realen deutschen Immobilienpreise seit 2008 mit 1,7% jährlich verglichen mit den Anstiegen in den vergangenen deutschen Zyklen nicht nur moderat ist, sondern auch deutlich unter dem in anderen OECD-Ländern liegt. Aus einem solchen Vergleich kann zwar nicht die künftige Entwicklung abgeleitet werden, er hilft aber den Status quo des deutschen Zyklus einzuordnen.

Identifizierung der Preiszyklen bei Wohnimmobilien

Um einen Immobilienpreiszyklus zu identifizieren, wird ein methodisch relativ einfacher Ansatz verwendet.2 Ein Aufschwung der Immobilienpreise ist definiert als ein Preisanstieg über mindestens sechs aufeinanderfolgende Quartale, wobei die Höhe des Preisanstiegs unberücksichtigt bleibt. Im Gegensatz dazu handelt es sich um einen Abschwung, wenn das Preisniveau mindestens sechs Quartale hintereinander fällt. Unter Verwendung der OECD-Immobilienpreisdaten wird im Folgenden die Entwicklung von 27 Industrie­ländern auf Quartalsbasis ab 1970 betrachtet.3 In diesem Zeitraum gab es 92 Aufschwünge und 74 Abschwünge. Da die ökonomischen Auswirkungen in extremen Zyklen (Immobilienboom und anschließender Krise, sogenannte Boom-Bust-Zyklen) besonders ausgeprägt sind, wird die Stichprobe weiter aufgeteilt. Um die moderaten Zyklen von den Boom-Bust-Zyklen abzugrenzen, wird der Medianpreisanstieg aller Aufschwünge, der im Durchschnitt der OECD-Länder 6,9% p.a. betrug, als Maß verwendet. Preisanstiege unterhalb des Wertes werden im Folgenden als „moderat“ und Preisanstiege darüber als „Boom“ bezeichnet.

Größe und Dauer internationaler Hauspreiszyklen

Der internationale Hauspreiszyklus offenbart interessante Unterschiede zwischen Boom-Bust- und moderaten Zyklen. Im Vergleich zu früheren Zyklen der OECD-Länder ist die Amplitude des gegenwärtigen deutschen Zyklus äußerst moderat. International stiegen die nominalen Hauspreise um jährlich 13,3% während eines Booms und 7,6% während eines moderaten Zyklus, real stiegen sie um 9,2% bzw. 3,6%. Während der Krise fielen die realen Preise um 7,2% jährlich und 3,2% während eines moderaten Preissenkungszyklus. Die Median-Dauer eines Booms beträgt 17 Quartale (Mittelwert: 25) und ist damit etwas länger als die Dauer der Preisrückgänge (Median: 14 Quartale, Mittelwert: 17). Der hohe Durchschnittswert für die Boomzyklen verglichen mit dem Medianwert resultiert aus einigen besonders langen Boomphasen. Darunter waren Irland, Spanien und die USA mit 50 Quartalen (1994 bis 2007), 45 Quartalen (1996 bis 2007) und 56 Quartalen (1993 bis 2006). Während dieser Boomphasen stiegen die Preise in den USA um insgesamt 62%, in Spanien um 121% und in Irland sogar um 251%. Die sich anschließende Krise führte dann zu Preisrückgängen um 28% in den USA, um 35% in Spanien und um 50% in Irland. Diese Preiskorrekturen hatten starke negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft.

Wechselwirkungen zwischen Häuserpreisen, Finanzmärkten und der Realwirtschaft

Die Veränderung der Häuserpreise hat signifikante Effekte auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft während Boom-Bust-Zyklen. Die Kausalität ist allerdings nicht eindeutig, denn es gibt sicherlich auch Rückwirkungen von den Finanzmärkten und der Realwirtschaft auf die Häuserpreise. Im Folgenden wird die Entwicklung von für den Häusermarkt wichtigen ökonomischen Indikatoren (Kreditwachstum, Wirtschaftswachstum und Arbeitslosenquote) in Boom-Bust-Zyklen, insbesondere in Irland, Spanien und den USA genauer betrachtet.

Ein Haupttreiber der Immobilienbooms war ein kräftiges Kreditwachstum. Im Verlauf vergangener Booms stieg das Kreditwachstum in den OECD-Ländern kontinuierlich auf 15% zum Zeitpunkt des Höhepunkts der Booms an und betrug im Durchschnitt 12% p.a. Damit einher ging ein relativ kräftiges Wirtschaftswachstum, das allerdings nicht nachhaltig war. Während der Bust-Phase kühlte sich das Kreditwachstum innerhalb von fünf Jahren deutlich auf nur noch 2,5% ab. Dies hatte negative Effekte auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft. Zudem stieg die Verschuldung durch die massiven Interventionen der Staaten und der Zentralbanken erheblich an. Prominente Beispiele sind die Zyklen in den USA, Spanien und Irland.

Abbildung 1
Reales BIP-Wachstum (Boom-Bust-Zyklen)
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Quellen: OECD, Deutsche Bank Research.

Während das reale Wirtschaftswachstum im Verlauf der Boom-Phasen in den OECD-Ländern bei 3,2% p.a. lag, war dies in Bust-Phasen nur noch 0,8% (vgl. Abbildung 1). In den am stärksten getroffenen Ländern (25. Perzentil) ging die Wirtschaftsaktivität sogar zurück und es dauerte rund fünf Jahre, bis diese sich wieder erholte. Mit der Verlangsamung des Wachstums erhöhte sich die Arbeitslosenquote in den OECD-Ländern kontinuierlich von etwa 5% im Jahr des Höhepunkts der Häuserpreise auf 8% fünf Jahre danach. Dabei stieg die Arbeitslosenquote in den besonders betroffenen Ländern sogar um 5 Prozentpunkte auf 12% an (75. Perzentil). Interessanterweise liegt das durchschnittliche BIP-Wachstum während des gesamten Boom-Bust-Zyklus unter dem eines moderaten Zyklus. Dies verdeutlicht, dass Boom-Bust-Zyklen negative ökonomische und gesellschaftliche Auswirkungen haben.

Bis 2006/2007 waren die jährlichen BIP-Wachstumsraten in den USA (2%), Spanien (3%) und Irland (5%) relativ konstant. Mit dem Einbruch der Häuserpreise fiel das Wachstum – insbesondere zwischen dem ersten und dritten Jahr – rapide. In den USA ging das reale BIP zeitweise um 3,8%, in Spanien um 3,7% und in Irland sogar um 7,1% zurück. 20 Quartale nach dem Höhepunkt der Häuserpreise und anschließender Korrektur expandierten die Volkswirtschaften wieder. Das BIP-Niveau lag allerdings immer noch unter dem vor dem Platzen der Blase. Besonders ausgeprägt war der Anstieg der Arbeitslosenquote in Spanien, die von 8% auf 26% zunahm. In Irland erhöhte sie sich von 4% auf 14% und in den USA verdoppelte sie sich von 5% auf 10%. Die Erholung auf dem Arbeitsmarkt setzte in den USA allerdings durch die schneller beginnende und stärkere Erholung der Realwirtschaft sowie dem wohl flexibleren Arbeitsmarkt früher als in Irland und Spanien ein. Zudem nahm die Bedeutung des Bausektors an der Gesamtwirtschaft in den USA während des Booms geringer zu als in Spanien und Irland. Daher waren die Effekte der sektoralen Anpassungen, die die strukturelle Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben, in den USA geringer.

Moderate deutsche Amplituden

Im Vergleich zu den internationalen Hauspreiszyklen waren die Preisbewegungen in deutschen Zyklen deutlich geringer. Während Aufschwüngen verteuerten sich die realen Hauspreise um 2,6% p.a. in Deutschland und um 6,9% in den OECD-Ländern. In den darauffolgenden Abschwungphasen fielen die Preise um 2,3% in Deutschland und um 5,2% in den OECD-Ländern. Die Entwicklung des Wirtschaftswachstums, der Arbeitslosigkeit und der Kredite war ebenfalls deutlich unterschiedlich. In Preisanstiegsphasen expandierten die OECD-Länder um durchschnittlich 3% p.a., und das Kreditwachstum lag bei etwa 11% p.a. In Abschwungphasen verlangsamte sich das Wachstum auf 1% und die Kreditvergabe auf 8% p.a. Die Arbeitslosenquote stieg in der OECD um etwa 1 Prozentpunkt. In Deutschland ist eine so unterschiedliche Entwicklung nicht sichtbar, da es bisher keinen Boom-Bust-Zyklus gegeben hat, der zu solchen Ausschlägen führte. In Deutschland war das Wirtschaftswachstum in vergangenen Abschwungphasen der Hauspreise sogar höher als in Aufschwungphasen. Dagegen waren das Kreditwachstum und die Entwicklung der Arbeitslosenquote in den beiden Phasen nicht signifikant unterschiedlich.

In der Vergangenheit kam es in Deutschland nur dann zu Anstiegen der realen Hauspreise, wenn sich die Einkommens- und Inflationserwartungen signifikant änderten. Anfang der 1970er Jahre boomte die deutsche Wirtschaft und es herrschte Vollbeschäftigung. Die Phase Ende der 1970er Jahre fiel mit der Ölpreiskrise zusammen, die für ein Anziehen der Inflationsraten sorgte. Der Anstieg der realen Hauspreise ab Anfang der 1990er Jahre wurde durch den deutschen Wiedervereinigungsboom getrieben, wobei attraktive Abschreibungsbedingungen zu hohen Bauinvestitionen in Ostdeutschland führten. Die jüngste Phase begann mit dem Ausbruch der globalen Wirtschaftskrise 2008, wobei historisch niedrige Geld- und Kapitalmarktzinsen, aufkommende Inflationssorgen und eine verglichen zu anderen Ländern niedrige Bewertung die Preisentwicklung begünstigte. Im Vergleich zu vergangenen Phasen realer Hauspreisanstiege ist die aktuelle Preisentwicklung in Deutschland äußerst moderat (vgl. Abbildung 2). Während die realen Preise seit Anfang 2008 um nur 1,7% p.a. stiegen, erhöhten sie sich in vergangenen Aufschwungphasen signifikant stärker.

Abbildung 2
Reale Immobilienpreise in Deutschland
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Quellen: OECD, Deutsche Bank Research.

Schlussfolgerungen

Die Analyse zeigt starke negative Auswirkungen von platzenden Häuserblasen auf die Finanzmärkte und die Realökonomie. Nicht nur war die Realwirtschaft in diesen Zeiten volatiler, auch das Wachstum war in Boom-Bust-Zyklen niedriger als in moderaten Hauspreiszyklen. Die negativen Konsequenzen platzender Hauspreisblasen waren in Irland, Spanien und den USA besonders tiefgreifend. Darüber hinaus zeigte sich, dass hohe Schuldenstände und der Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit das längerfristige Wachstum dämpften. Im Vergleich zu internationalen Hauspreiszyklen waren deutsche Zyklen in den 1970er Jahren und am Ende der 1980er Jahre eher durch moderate Entwicklungen gekennzeichnet. Richtige Boom-Bust-Zyklen mit im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Preisanstiegen und -rückgängen gab es in Deutschland nicht. Der durchgeführte Vergleich mit früheren Zyklen sowie der Entwicklung in anderen Ländern kann zwar die Frage nicht beantworten, ob die aktuelle deutsche Entwicklung in einen Boom mit anschließender schmerzhafter Korrektur endet. Die Analyse liefert aber eine Einschätzung der gegenwärtigen Marktlage, die von einigen Beobachtern schon als Hauspreisboom bezeichnet wird:

  1. Der aktuelle Preisanstieg in Deutschland ist relativ zur eigenen Historie und insbesondere zu früheren internationalen Entwicklungen eher moderat. Er konzentriert sich zudem vor allem auf Metropolregionen, wo die Preise überdurchschnittlich gestiegen sind und insbesondere Wohnungen überbewertet sein könnten.
  2. Die positive Interaktion von Preiserwartungen, Kreditentwicklung und Realwirtschaft, die die Boom-Bust-Zyklen in vielen OECD-Ländern charakterisieren, ist in Deutschland nicht gegeben. Aktuell wächst die deutsche Wirtschaft in etwa mit der Potenzialrate und das Kreditwachstum ist moderat. Ebenso sind die Kreditstandards laut der Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken (Bank Lending Survey) straffer geworden. Lediglich der Arbeitsmarkt mit einer historisch hohen Beschäftigung deutet auf ein relativ dynamisches makroökonomisches Umfeld hin.
  3. Der seit vier Jahren andauernde deutsche Hauspreiszyklus dürfte sich noch fortsetzen, da die Zinssätze wahrscheinlich noch eine Zeit recht niedrig bleiben. Die Nettozuwanderung nach Deutschland könnte auf hohem Niveau bleiben und die deutsche Wirtschaft sollte ihren robusten Wachstumskurs in den nächsten Jahren fortsetzen. Darüber hinaus könnten negative Entwicklungen in den Peripherieländern der Eurozone und ein Wiederaufleben der Unsicherheit an den Finanzmärkten zu zusätzlicher Nachfrage nach deutschen Wohn­immobilien führen.
  4. Eine Blase auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt ist allerdings weiterhin nicht zu erwarten. Dafür sprechen das institutionelle Umfeld, die demografische Entwicklung und, falls notwendig, Eingriffe von Regulierungsbehörden und der Regierung. Angesichts des zuvor 15 Jahre andauernden Rückgangs der realen Hauspreise ist der gegenwärtige Anstieg der Hauspreise daher weiterhin als Normalisierung zu interpretieren.
  • 1 Die Bundesbank schätzt, dass die Hauspreise in den wichtigen Metropolregionen 10% überbewertet sein könnten, wobei die fairen Werte demografische Entwicklungen und ökonomische Variablen berücksichtigen. In den großen attraktiven deutschen Städten könnten die Überbewertungen in einigen Fällen bis zu 20% betragen. Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Preissteigerungen bei Wohnimmobilien seit dem Jahr 2010: Einflussfaktoren und regionale Abhängigkeiten, Monatsbericht Oktober 2013.
  • 2 Vgl. D. Harding: Towards an econometric foundation for turning point based analysis of dynamic processes, Yale PhD dissertation, Chapter 4, 2003; R. Cunningham, I. Kolet: Housing Market Cycles and Duration Dependence in the United States and Canada, Bank of Canada Working Paper, Nr. 2007-2, 2007.
  • 3 Länder im Datenbestand: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz, Tschechien, USA.

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DOI: 10.1007/s10273-014-1628-3