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Seit 2006 werden schulische Leistungen im Rahmen des nationalen Bildungsmonitorings regelmäßig erhoben und zwischen den Ländern verglichen. Die aktuelle Untersuchung liefert sehr unterschiedliche Ergebnisse für die einzelnen deutschen Länder. Dabei zeigt sich, dass soziale und ethnische Merkmale zentrale Determinanten des Bildungserfolgs sind. Die Autoren stellen fest, dass das Abschneiden der Länder vor allem von nicht-schulischen Rahmenbedingungen abhängt und nicht von schulischen Qualitätsunterschieden. Handlungsempfehlungen müssen dies berücksichtigen.

Im Jahr 2006 brachten die Länder die „Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungsmonitoring“ auf den Weg.1 Dieser Schritt war eine Reaktion auf das schlechte Abschneiden Deutschlands in internationalen Schulleistungsvergleichen und wurde als Teil eines Strategiewechsels hin zu mehr Output-Orientierung in der Bildungspolitik verstanden. Zu den Zielen des Bildungsmonitorings gehören unter anderem eine zentrale Überprüfung, ob Bildungsstandards in den Ländern erreicht wurden, und standardisierte Vergleichsarbeiten, die die Leistungsfähigkeit der Schulen in den deutschen Ländern überprüfen.2 Regelmäßige Erhebungen zu schulischen Leistungen sowie Leistungsvergleiche zwischen den Ländern sind seither feste Bestandteile des nationalen Bildungsmonitorings. Dazu gehören der im Jahr 2011 vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) durchgeführte Ländervergleich zu den Leistungen von Viertklässlern3 sowie der im Jahr 2012 durchgeführte und jüngst publizierte IQB-Ländervergleich zu den Leistungen von Neuntklässlern.4

Zu den Erwartungen der Kultusministerkonferenz an solche länderübergreifenden Schulleistungsvergleiche gehört, aus den länderspezifischen Stärken und Schwächen Lehren für die zukünftige Bildungspolitik zu ziehen. Ländervergleiche sollen einen gemeinsamen Referenzrahmen für die Weiterentwicklung und Verbesserung der Schulpolitik bilden.5

Können indessen aus den vorliegenden IQB-Ländervergleichen tatsächlich sinnvolle bildungspolitische Schlussfolgerungen gezogen werden? Können insbesondere die Länder, deren Schüler im Leistungsvergleich schlecht abgeschnitten haben, von den Ländern mit den besseren Schülern für ihre Schulpolitik etwas lernen? Der vorliegende Beitrag zweifelt daran. Anhand des jüngsten IQB-Ländervergleichs zeigt sich, dass zwar wichtige (wenn auch nicht unbedingt neue) Erkenntnisse zum durchschnittlichen Leistungsunterschied der Schüler gewonnen werden, dass sich daraus aber keine Lehren für die künftige Schulpolitik ziehen lassen. Dafür vernachlässigt der Ländervergleich in viel zu großem Maße zentrale nicht-schulische Unterschiede in den Rahmenbedingungen der Länder.

Der IQB-Ländervergleich 2012

Im Rahmen des vom IQB im Jahr 2012 durchgeführten Ländervergleichs wurden Bildungsstandards für mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen entwickelt. Mit entsprechend konzipierten Aufgaben für die Schüler wurde gemessen, in welchem Umfang die Schüler eines Landes diese Bildungsstandards erreichen. Konkret wurden die Leistungen von Schülern der neunten Jahrgangsstufe in den Fächern Mathematik, Biologie, Chemie und Physik aus zufällig ausgewählten Schulen in allen Ländern untersucht. Insgesamt nahmen etwas mehr als 44 000 Schüler teil. Die Leistungen der Schüler wurden mit Hilfe eines eindimensionalen Maßes erfasst und so skaliert, dass sich im gesamtdeutschen Durchschnitt ein Mittelwert von 500 Punkten ergab.

Der Ländervergleich lieferte in allen vier berücksichtigten Fächern ein ähnliches Ergebnis. Neben den ostdeutschen Flächenländern, besonders Sachsen, wiesen nur Bayern und Rheinland-Pfalz in mehreren Kompetenzbereichen überdurchschnittliche Ergebnisse auf. Besonders schlecht schnitten dagegen die drei Stadtstaaten sowie Nordrhein-Westfalen und das Saarland ab. Die gemittelten Werte der einzelnen Bundesländer schwankten im Fach Mathematik zwischen 536 (Sachsen) und 521 (Thüringen) einerseits und 471 (Bremen) und 479 (Berlin) andererseits. Unter der Annahme eines mittleren Kompetenzzuwachses von 25 bis 30 Punkten pro Schuljahr sind die sächsischen Schüler den Schülern in Bremen demnach im Fach Mathematik um durchschnittlich zwei Jahre voraus. Im Bereich Naturwissenschaften zeigten sich ähnliche Resultate.

Zur Erklärung der Unterschiede zwischen den Bundesländern betrachtet die IQB-Studie eine Reihe von Bildungsparametern wie beispielsweise die Zahl der Unterrichtsstunden in den berücksichtigten Fächern, das Alter der Lehrer und die jährlichen Weiterbildungen, an denen die Lehrer teilgenommen haben. In diesen Merkmalen gibt es zwar eine gewisse Variation zwischen den Ländern, eine überzeugende Erklärung für die gemessenen Leistungsunterschiede liefern sie aber nicht.

Neben den Bildungsparametern im engeren Sinne berücksichtigt die Studie weitere zentrale Determinanten des Bildungserfolgs wie soziale, geschlechts- und zuwanderungsbezogene Disparitäten. Dabei zeigt sich das aus der Bildungsforschung bekannte Ergebnis, dass Schulleistungen von der sozialen Herkunft der Eltern abhängen. Bei der ethnischen Herkunft unterscheidet die IQB-Studie zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen und stellt fest, dass es deutliche Unterschiede in den Schulleistungen zwischen den Herkunftsgruppen gibt. Schüler mit türkischen Wurzeln schneiden am schlechtesten ab, Schüler mit polnischen Wurzeln oder aus einem Land der ehemaligen Sowjetunion liegen dagegen in der Gruppe der Schüler mit Migrationshintergrund vorne. Die Studie zeigt außerdem, dass die beiden Merkmale soziale und ethnische Herkunft miteinander verknüpft sind. Was die IQB-Studie kaum berücksichtigt ist, dass sich die Bundesländer in diesen für die durchschnittlichen Leistungen ihrer Schüler so wichtigen Rahmenbedingungen zum Teil deutlich unterscheiden.

Soziale und ethnische Merkmale als zentrale Determinanten des Bildungserfolgs

Dass die soziale Herkunft und der Zuwanderungshintergrund für den schulischen Erfolg eine zentrale Rolle spielen, wird inzwischen kaum noch angezweifelt. So liefern Baumert und Schümer Evidenz dafür, dass Kinder aus unteren Sozialschichten signifikant geringere Lesekompetenzen aufweisen als altersgleiche Kinder aus höheren Sozialschichten.6 Kristen zeigt, dass Kinder mit Migrationshintergrund besonders im Fach Deutsch deutlich schlechter abschneiden als ihre deutschen Mitschüler. Viertklässler aus deutschen Familien erreichen mit einer mehr als fünfmal höheren Wahrscheinlichkeit eine Note im Bereich 1,0 bis 2,4 im Fach Deutsch als ihre Klassenkameraden mit türkischer oder italienischer Herkunft. Die Unterschiede zu Schülern, die der Gruppe der Aussiedler zugeordnet werden, sind deutlich geringer. Im Fach Mathematik sind die Unterschiede zwischen deutschen Kinder einerseits und türkischen und italienischen Kindern andererseits immer noch deutlich, aber nicht so stark ausgeprägt. Das mag insbesondere an der geringeren Sprachbarriere in diesem Fach liegen. Aussiedler schneiden im Fach Mathematik etwa genauso gut ab wie Schüler ohne Migrationshintergrund.7

Eine Erklärung für die Unterschiede zwischen den verschiedenen Migrantengruppen liefert die empirische Untersuchung von Alba et al., die auf Daten aus dem Mikrozensus und dem SOEP basiert. Die Autoren zeigen, dass eine ausgeprägte Ethnizität, gemessen an den Deutschkenntnissen der Eltern, der Zahl der co-ethnischen Freunde der Familie, der ethnischen Zusammensetzung der Nachbarschaft und dem Grad der Selbstidentifizierung als Deutscher, die Wahrscheinlichkeit eines Hauptschulbesuches deutlich erhöht. Dabei weist besonders die Gruppe der Türken eine ausgeprägte Ethnizität auf.8

Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie belegen ebenfalls einen starken Zusammenhang zwischen nationaler Herkunft und Schulerfolg in Deutschland. Zwar haben sich die Schulleistungen von Migrantenkindern seit 2003 deutlich verbessert, sie schneiden aber noch immer deutlich schlechter ab als Schüler ohne Migrationshintergrund. Dies gilt auch, wenn für den sozialen Status kontrolliert wird. Wiederum trifft dies besonders auf türkischstämmige Schüler zu.9

Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Schulleistungen und sozialer und ethnischer Herkunft sollten deshalb in einem Ländervergleich angemessen berücksichtigt werden. Der Anteil von Schülern mit geringem sozialen Status oder mit Migrationshintergrund dürfte sich nämlich nach Kristen in zweifacher Weise auf das Abschneiden eines Landes in einem bundesweiten Bildungsvergleich auswirken: Zum einen reduzieren die Schüler mit diesen Merkmalen den Landesdurchschnitt direkt durch ihr im Mittel schlechteres Abschneiden. Zum anderen schneiden auch deutsche Schüler in Umgebungen mit hohem Migrantenanteil schlechter ab, weil dort die schulischen Standards angepasst werden und Lehrer einen größeren Anteil ihres Zeitbudgets darauf verwenden müssen, Schüler mit Sprachbarrieren zu unterrichten.10

Ausländeranteile und Sozialhilfebedürftigkeit bestimmen die Ergebnisse des IQB-Vergleichs

Im Folgenden zeigen wir, dass sich in der Tat ein Großteil der vom IQB gemessenen Variation in den Schulleistungen zwischen den Ländern auf Unterschiede in der sozialen und ethnischen Zusammensetzung ihrer Bevölkerungen zurückführen lässt. Dazu verknüpfen wir administrative Daten zur Migration und zur Sozialhilfebedürftigkeit in den Ländern mit den in dem jeweiligen Land vom IQB gemessenen schulischen Leistungen. So lässt sich ermitteln, in welchem Umfang das Ausmaß der Sozialhilfebedürftigkeit und der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in den Ländern mit den dort gemessenen Schulleistungen variieren.

Als Näherung für den Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung eines Landes verwenden wir den jeweiligen Ausländeranteil, basierend auf dem Ausländerzentralregister zu Beginn des Jahres 2012.11 Zu den Ausländern zählen alle in Deutschland lebenden Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Zwar wären Informationen über die Anteile von Personen mit Migrationshintergrund als Kontrollgröße besser geeignet, weil damit auch deutsche Staatsbürger mit ausländischen Wurzeln berücksichtigt würden. Allerdings sind für die ostdeutschen Flächenländer bislang keine administrativen Daten über die Zahl von Personen mit Migrationshintergrund verfügbar, die neben dem Migrationsmerkmal an sich auch danach unterscheiden, aus welchen Herkunftsländern die Personen mit Migrationshintergrund stammen. Es wird sich aber zeigen, dass das Herkunftsland eine zentrale Rolle für die Schulleistungen spielt. Das Ausländerzentralregister enthält für alle Bundesländer Informationen über das jeweilige Herkunftsland der Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Deshalb werden hier die Ausländeranteile in den Ländern verwendet; diese dürften immerhin eine gute Näherung für den Anteil der Personen mit Migrationshintergrund darstellen. Als Maß für den Anteil der Hilfsbedürftigen an der Gesamtbevölkerung verwenden wir den Anteil der SGB-II-Empfänger an der Bevölkerung in den Bundesländern, basierend auf der Statistik der Bundesagentur für Arbeit.12 Die Daten zum Abschneiden der Neuntklässler in den Fächern Biologie, Physik, Chemie und Mathematik sind dem IQB-Ländervergleich 2012 entnommen.

Tabelle 1
Abschneiden im IQB-Ländervergleich1 und Ausländer- bzw. SGB-II-Anteil
Korrelationskoeffizienten
  Physik Chemie Biologie Mathematik
Ausländeranteil -0,845 -0,873 -0,898 -0,762
SGB-II-Anteil 0,033 0,075 0,081 -0,228

1 IQB = Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen.

Die in Tabelle 1 dargestellten Korrelationskoeffizienten ermöglichen eine erste deskriptive Analyse. Die erreichte Punktzahl im IQB-Ländervergleich in den vier Fächern Biologie, Physik, Chemie (jeweils in der Kategorie „Fachwissen“) und Mathematik (in der Kategorie „Global“) korreliert stark negativ mit dem Ausländeranteil im jeweiligen Bundesland; zum SGB-II-Anteil scheint dagegen praktisch kein Zusammenhang zu bestehen.

Mit Hilfe einer Regressionsanalyse untersuchen wir diese Zusammenhänge detaillierter. Die zu erklärende Variable ist das Abschneiden der Bundesländer im IQB-Ländervergleich 2012. Als Kontrollvariablen gehen die Ausländer- und SGB-II-Anteile in die Schätzung ein. Wie bereits erwähnt, haben die Schüler in den ostdeutschen Flächenländern in allen vier getesteten Fächern überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Um für generelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zu kontrollieren, berücksichtigen wir deshalb zusätzlich eine Dummy-Variable Ostdeutschland, die den ostdeutschen Flächenländer den Wert Eins und den westdeutschen Ländern den Wert Null gibt.13 Die Ergebnisse der linearen Regression sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2
Regressionsergebnisse: alle Ausländer
Korrelationskoeffizienten
  Physik Chemie Biologie Mathematik
Ausländeranteil -1,017* -1,145** -1,769*** -0,319
  (0,516) (0,415) (0,461) (0,633)
SGB-II-Anteil -2,295* -1,972* -1,434 -3,647***
  (1,121) (1,078) (0,958) (0,988)
Ostdeutschland 34,18*** 33,85*** 24,81*** 30,99***
  (5,675) (4,863) (5,201) (8,024)
Konstante 519,1*** 517,2*** 522,0*** 518,2***
  (7,604) (6,902) (7,530) (7,243)
R2 0,838 0,882 0,880 0,823

Standardfehler in Klammern. *** p < 0,01, ** p < 0,05, * p < 0,1.

Die Schätzung des Koeffizienten der Dummy-Variable Ostdeutschland zeigt, dass die Neuntklässler in den ostdeutschen Bundesländern im Durchschnitt um 25 bis 34 Punkte besser abschneiden als im Rest Deutschlands. Dieser Effekt ist in allen vier Modellen hochsignifikant und entspricht nach Interpretation der IQB-Studie einem Vorsprung von rund einem Schuljahr. Sowohl bezüglich des Ausländer- als auch des SGB-II-Anteils zeigt sich ein negativer Zusammenhang. Höhere Anteile an der Landesbevölkerung führen jeweils zu einem schlechteren Abschneiden im Ländervergleich. Die Effekte sind in jeweils drei der vier Schätzungen signifikant von Null verschieden. Bemerkenswert ist, dass die vorliegenden vergleichsweise einfachen Schätzmodelle bereits einen Großteil der Varianz zwischen den Bundesländern erklären. Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass die vom IQB gemessenen Unterschiede in den Schulleistungen zwischen den Ländern weniger mit der jeweiligen Schulpolitik zu tun haben, sondern vielmehr mit nicht-schulischen Größen wie der sozialen und ethnischen Zusammensetzung der jeweiligen Landesbevölkerung. Es lässt sich deshalb vermuten, dass der IQB-Ländervergleich keine landesspezifischen Unterschiede in den Schulpolitiken offenbart, sondern vielmehr entsprechende Unterschiede in den sozialen und ethnischen Rahmenbedingungen.

Betrachtung bestimmter Herkunftsgruppen

Nicht-deutsche Herkunft und niedriger sozialer Status gehen oft Hand in Hand. Daher lässt sich bislang nicht ausschließen, dass es in erster Linie soziale Disparitäten zwischen den Bundesländern sind, die sich in den unterschiedlichen Schulleistungen niederschlagen. Um ein besseres Verständnis für Herkunftseffekte zu gewinnen, unterscheiden wir im Folgenden nach den Herkunftsländern der Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Die bereits zitierte Literatur liefert ja Evidenz dafür, dass nicht allein der Zuwanderungshintergrund, sondern auch das Herkunftsland eine Rolle für den schulischen Erfolg spielt. Auch die IQB-Studie betrachtet verschiedene ethnische Herkunftsgruppen separat und weist darauf hin, dass eindeutige Effekte der Ethnizität besonders bei türkischstämmigen Zuwanderern auftreten, bei Zuwanderern aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion dagegen kaum. Türken stellen nicht nur eine der größten Zuwanderergruppen in Deutschland dar. Ihr Anteil an der gesamten Bevölkerung schwankt auch deutlich zwischen den Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern liegt der Anteil bei 0,08% und in Bremen bei fast 4%. Im Folgenden werden diese beiden Gruppen daher näher betrachtet. Vor dem Hintergrund der IQB-Ergebnisse liegt es nahe zu vermuten, dass die unterschiedlichen Anteile von türkischstämmigen Personen in den Bundesländern Einfluss auf die Unterschiede in den gemessenen Schulleistungen nehmen, während die Anteile von Zuwanderern aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion eher keinen Einfluss haben.

Im Folgenden ersetzen wir den Anteil aller Ausländer zunächst durch den Anteil der Ausländer aus der Türkei und dann durch den Anteil der Ausländer aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und führen ansonsten die gleichen Regressionen durch wie im vorangegangenen Abschnitt. Die Ergebnisse sind in den Tabellen 3 und 4 dargestellt.

Tabelle 3
Regressionsergebnisse: türkischstämmige Ausländer
  Physik Chemie Biologie Mathematik
Türkei -5,275* -6,168*** -7,238*** -2,779
  (2,430) (1,816) (2,124) (2,361)
SGB-II-Quote -1,745 -1,309 -0,849 -3,257***
  (1,183) (1,028) (0,920) (0,978)
Ostdeutschland 29,21*** 27,65*** 21,26** 26,47**
  (7,636) (6,355) (7,042) (8,818)
Konstante 518,0*** 516,2*** 518,0*** 519,1***
  (5,751) (5,180) (5,275) (6,260)
R2 0,854 0,904 0,900 0,833

Standardfehler in Klammern. *** p < 0,01, ** p < 0,05, * p < 0,1.

Tabelle 4
Regressionsergebnisse: Ausländer aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion
  Physik Chemie Biologie Mathematik
Sowjetunion -8,989 -15,67 -14,84 12,81
  (23,82) (17,30) (15,45) (15,01)
SGB-II-Quote -2,244 -1,596 -1,390 -4,530***
  (1,756) (1,536) (1,233) (1,283)
Ostdeutschland 39,45*** 37,52*** 34,29*** 39,02***
  (12,09) (9,000) (8,758) (9,390)
Konstante 515,4*** 515,2*** 515,4*** 511,0***
  (11,57) (8,784) (9,551) (7,720)
R2 0,829 0,873 0,848 0,827

Standardfehler in Klammern. *** p < 0,01, ** p < 0,05, * p < 0,1.

Die Effekte der Variablen Ostdeutschland sind im Vergleich zur ursprünglichen Schätzung nahezu unverändert. Die Effekte der Variablen SGB-II-Anteil sind dagegen nur noch für das Fach Mathematik signifikant; für die naturwissenschaftlichen Fächer werden sie insignifikant. Interessant sind die unterschiedlichen Effekte der beiden Zuwanderergruppen. Während die negativen Effekte höherer Anteile türkischstämmiger Personen im Vergleich zum allgemeinen Ausländeranteil deutlicher hervortreten, sind die Effekte des Anteils der Zuwanderer aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion für alle vier Fächer nicht statistisch signifikant von Null verschieden. Den Ergebnissen zufolge führt ein zusätzlicher Anteil türkischstämmiger Personen an der Gesamtbevölkerung von einem Prozentpunkt beispielsweise im Fach Biologie zu einem durchschnittlich schlechteren Abschneiden im IQB-Ländervergleich um 7,2 Punkte. Der vierprozentige Anteil von Türken an der Bremer Bevölkerung erklärt entsprechend einen Unterschied von fast 29 Punkten im Vergleich zu Mecklenburg-Vorpommern (0,08%). Dies entspricht einem Kompetenznachteil von rund einem Schuljahr.

Für das Fach Mathematik wird der Effekt des Anteils türkischstämmiger Personen an der Bevölkerung insignifikant. Dieses Resultat ist kompatibel mit früheren Befunden, dass der Unterschied in den Schulleistungen zwischen Schülern mit türkischen Wurzeln und altersgleichen deutschen Schülern im Fach Mathematik geringer ausfällt als in anderen Fächern. Interessant ist, dass der SGB-II-Anteil, d.h. der Anteil der Personen mit geringem Sozialstatus, nur im Fach Mathematik signifikant ist, wenn für den spezifischen Zuwanderungshintergrund kontrolliert wird. Um diesen Zusammenhang zu erhellen, besteht weiterer Forschungsbedarf. Die vom IQB erhobenen Mikrodaten liefern dafür gegebenenfalls eine geeignete Basis.

Fazit

Die vorliegende Analyse hat gezeigt, dass das Abschneiden eines Landes im jüngsten IQB-Ländervergleich weniger mit schulischen Faktoren als vielmehr mit nicht-schulischen Rahmenbedingungen wie der ethnischen Zusammensetzung und dem Anteil der Hilfsbedürftigen an der Landesbevölkerung zu tun hat. Der Ländervergleich offenbart daher weniger Qualitätsunterschiede im Bildungswesen als vielmehr ethnische und soziale Disparitäten zwischen den Bundesländern. Deshalb stellen die Ergebnisse des Ländervergleichs bislang keine geeignete Grundlage für output-orientierte Handlungsempfehlungen in der Bildungspolitik dar. Eher zeigen die Ergebnisse, dass die Schulen in einigen Bundesländern mehr und in anderen Bundesländern weniger für eine mangelnde Integrations- und Sozialpolitik herhalten müssen.

Die in diesem Beitrag enthaltenen, vergleichsweise einfachen Regressionsanalysen liefern nur einen ersten Hinweis darauf, dass der Blick stärker auf nicht-schulische Rahmenbedingungen gerichtet werden muss, um ein besseres Verständnis für die Unterschiede in den Schulleistungen zwischen den Ländern zu gewinnen. Erst wenn der Zusammenhang zwischen Schulleistungen und nicht-schulischen Rahmenbedingungen besser verstanden worden ist, lassen sich belastbare Empfehlungen für die Weiterentwicklung und Verbesserung der Schulpolitik in den Ländern ableiten.

  • 1 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) (Hrsg.): Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungsmonitoring, München 2006.
  • 2 Ebenda, S. 6.
  • 3 P. Stanat, H. A. Pant, K. Böhme, D. Richter (Hrsg.): Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik, Ergebnisse des IQB-Ländervergleichs 2011, Münster 2012.
  • 4 H. A. Pant, P. Stanat, U. Schroeders, A. Roppelt, T. Siegle, C. Pöhlmann (Hrsg.): IQB-Ländervergleich 2012 – Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I, Münster 2013.
  • 5 Ebenda, S. 17.
  • 6 Vgl. J. Baumert, G. Schümer: Familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb, in: Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich, Opladen 2001, S. 323-407.
  • 7 Vgl. C. Kristen: Hauptschule, Realschule oder Gymnasium?, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 54. Jg. (2002), H. 3, S. 542.
  • 8 Vgl. R. D. Alba, J. Handl, W. Müller: Ethnische Ungleichheit im deutschen Bildungssystem, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 46. Jg. (1994), H. 2, S. 228 ff.
  • 9 OECD: PISA 2012 Results: Excellence Through Equity: Giving Every Student the Chance to Succeed (Volume II), PISA, OECD Publishing und online Appendix 2013.
  • 10 Vgl. C. Kristen, a.a.O., S. 537 f.
  • 11 Vgl. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit –Ausländische Bevölkerung, Ergebnisse des Ausländerzentralregisters, Wiesbaden 2012.
  • 12 Vgl. Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II – Zeitreihe SGB II, Eckwerte nach Ländern.
  • 13 Das Land Berlin ist eher mit den westdeutschen Stadtstaaten vergleichbar und wird daher dem Westen Deutschlands zugerechnet.

Title:Differences in School Achievement Among the German States

Abstract:Since 2006 school achievement of German students has been measured on a regular basis within the so-called national educational monitoring. The most recent results show considerable differences between the states. At first glance, students in the eastern and southern states perform well while students in the city-states show poor results. This paper argues that these differences cannot be attributed to state-specific school policies. Rather, a large portion of the variance between the states can be explained by social and ethnical differences. As a consequence, not only educational policy but also social and integration policies have to be reviewed in order to get a better understanding of the differences in school achievement among the German states.


DOI: 10.1007/s10273-014-1693-7