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Nach der aktuellen Prognose des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ (AKS) können Bund, Länder und Gemeinden in den kommenden Jahren aufgrund der guten Konjunktur mit kräftig steigenden Steuereinnahmen rechnen. Der AKS hat die Entwicklung des Steueraufkommens in Deutschland bis 2018 auf Basis der gesamtwirtschaftlichen Frühjahrsprojektion der Bundesregierung1 prognostiziert. Die Steuerschätzung ist die Grundlage für den Haushaltsentwurf 2015 des Bundes und die mittelfristige Finanzplanung.

Breit angelegter Wirtschaftsaufschwung

Die Bundesregierung geht – wie auch die Gemeinschaftsdiagnose in ihrer Frühjahrsprognose2 – davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft in einem breit angelegten Aufschwung befindet. Für 2014 und 2015 prognostiziert sie einen Anstieg des realen BIP von 1,8% bzw. 2% (vgl. Tabelle 1). Die gesamtwirtschaftliche Produktion expandiert damit in beiden Jahren stärker als das Produktionspotenzial, dessen Wachstum auf je 1,5% geschätzt wird. Das Potenzialwachstum wird sich von 2016 bis 2018 aufgrund des demografisch bedingten Rückgangs der Erwerbsbevölkerung voraussichtlich auf durchschnittlich 1,3% pro Jahr abschwächen. Es dürfte damit schwächer wachsen als das reale BIP, dessen Anstieg auf 1,4% pro Jahr veranschlagt wird; hierbei wird davon ausgegangen, dass im Endjahr der Projektion eine konjunkturelle Normallage erreicht wird und keine Produktionslücke mehr vorliegt.

Tabelle 1
Gesamtwirtschaftliche Eckdaten für die Steuerschätzungen vom November 2013 und Mai 2014
  2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
  Mrd. Euro Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
    Nov. Mai Nov. Mai Nov. Mai Nov. Mai Nov. Mai Nov. Mai
Reales BIP 2471,8 0,5 0,4 1,7 1,8 1,4 2,0 1,4 1,4 1,4 1,4 1,4 1,4
Nominales BIP 2666,4 2,6 2,7 3,3 3,5 3,0 3,8 3,0 3,1 3,0 3,1 3,0 3,1
Bruttolöhne und -gehälter 1124,7 3,1 3,0 3,2 3,6 2,8 3,7 2,8 3,0 2,8 3,0 2,8 3,0
Unternehmens- und Vermögens­einkommen 676,6 3,0 3,9 5,0 3,6 3,6 5,0 3,6 3,5 3,6 3,5 3,6 3,5
Modifizierte Inlands­nachfrage 2243,4 2,9 2,8 3,3 3,5 2,9 3,8 2,9 3,1 2,9 3,1 2,9 3,1

Anmerkungen: Nov. = November 2013, Ist: 2012, Prognose: 2013 bis 2018; Mai = Mai 2014, Ist: 2012 und 2013, Prognose: 2014 bis 2018.

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, http://www.bmwi.de/DE/Themen/Wirtschaft/konjunktur-und-statistiken.html.

Wichtige Indikatoren für die Prognose des Steueraufkommens wurden im Vergleich zur vorangegangenen Schätzung nach oben revidiert. So prognostiziert die Bundesregierung den Zuwachs des nominalen BIP nunmehr auf 3,5% (2014), 3,8% (2015) und durchschnittlich 3,1% (2016 bis 2018); er ist damit in diesem und dem kommenden Jahr um 0,2 bzw. 0,8 Prozentpunkte und in der mittleren Frist um 0,1 Prozentpunkte pro Jahr höher veranschlagt als in der Projektion vom Herbst 2013. Auch bei den Bruttolöhnen und -gehältern und der modifizierten Inlandsnachfrage – den wegen ihrer fiskalischen Ergiebigkeit für die Steuerschätzung besonders relevanten makroökonomischen Bezugsgrößen – wird in der kurzen wie der mittleren Frist mit höheren Zuwächsen als bislang gerechnet. Bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen wird in diesem Jahr ein geringerer und im nächsten Jahr ein höherer Zuwachs zugrunde gelegt als im Herbst 2013; in der mittleren Frist wurde der Anstieg geringfügig nach unten revidiert.

Der AKS prognostiziert das Steueraufkommen stets auf der Grundlage des geltenden Steuerrechts. Daher bezog er die finanziellen Auswirkungen der seit der vergangenen Steuerschätzung beschlossenen Steuerrechtsänderungen erstmals in die Prognose ein. Dazu zählen das Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz3 sowie das Bundesfinanzhof-Urteil III R 22/13 vom 17.10.2013 zur Gewährung von Kindergeld für verheiratete Kinder; zudem wurde die Anhebung der Grunderwerbsteuersätze in Berlin, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen berücksichtigt. Diese Rechtsänderungen steigern das Steueraufkommen in diesem Jahr um 0,1 Mrd. Euro und in den Folgejahren um jeweils 0,3 Mrd. Euro.

Aufschwung beschert Steuermehreinnahmen

Auf Basis der gesamtwirtschaftlichen Eckdaten der Bundesregierung und unter Berücksichtigung des geltenden Steuerrechts prognostiziert der AKS für dieses Jahr ein Steueraufkommen von 639,9 Mrd. Euro – ein Plus von 20,2 Mrd. Euro bzw. 3,3% gegenüber dem Vorjahr (vgl. Tabelle 2). Der Anstieg resultiert zum einen daraus, dass die gesamtwirtschaftliche Expansion von der Inlandsnachfrage getragen wird und damit sehr steuerergiebig ist. Zum anderen ist er der positiven Einkommensentwicklung und den damit verbundenen inflations- und progressionsbedingten Mehreinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer zu verdanken. Außerdem führen Selbstanzeigen zu nicht unerheblichen Mehreinnahmen. Hingegen dämpfen Steuerrechtsänderungen per saldo den Anstieg des Aufkommens. Zwar sind die Anhebung der Tabaksteuer und die in vier Ländern beschlossene Erhöhung der Grunderwerbsteuer mit Mehreinnahmen verbunden, diesen stehen aber umfassendere Mindereinnahmen aus der Anhebung des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer und dem sukzessiven Übergang zur nachgelagerten Rentenbesteuerung gegenüber. Zudem müssen zur Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 20.10.2011 zur Besteuerung von Streubesitzdividenden voraussichtlich 2,5 Mrd. Euro Kapitalertragsteuern zurückgezahlt werden; davon dürften voraussichtlich zwei Drittel in diesem Jahr und ein Drittel im kommenden Jahr abfließen.

Tabelle 2
Ergebnisse der Steuerschätzung vom Mai 20141
in Mrd. Euro (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %)
  2013 2014 2015 2016 2017 2018 Veränderung 2018 zu 2013
Steueraufkommen insgesamt 619,7 (3,3) 639,9 (3,3) 666,6 (4,2) 690,6 (3,6) 712,4 (3,2) 738,5 (3,7) 118,8 (19,2)
Steueraufkommen nach Ebenen
Steueraufkommen des Bundes2 259,9 (1,4) 268,2 (3,2) 278,6 (3,9) 292,9 (5,2) 300,7 (2,6) 311,8 (3,7) 51,9 (20,0)
Steueraufkommen der Länder2,3 244,2 (3,3) 252,2 (3,3) 262,5 (4,1) 271,6 (3,5) 280,5 (3,3) 290,6 (3,6) 46,4 (19,0)
Steueraufkommen der Gemeinden4 84,5 (4,3) 87,6 (3,6) 91,4 (4,4) 94,8 (3,7) 98,1 (3,5) 101,8 (3,7) 17,2 (20,4)
Steueraufkommen der EU 31,1 (18,2) 31,9 (2,6) 34,1 (6,8) 31,2 (-8,5) 33,2 (6,3) 34,3 (3,6) 3,2 (10,4)
Steueraufkommen nach Steuerarten
Lohnsteuer 158,2 167,7 178,4 188,7 199,1 209,8 51,6
Veranlagte Einkommensteuer 42,3 45,5 47,8 50,0 52,1 54,3 12,0
Kapitalertragsteuern 25,9 24,4 26,0 28,0 29,0 30,1 4,2
Körperschaftsteuer 19,5 18,1 19,7 20,2 20,6 23,2 3,6
Steuern vom Umsatz 196,8 203,4 211,3 218,1 224,9 232,0 35,1
Sonstige Steuern 177,0 180,9 183,4 185,6 186,8 189,2 12,2
Steueraufkommen in % des nominalen BIP
Steuerquote 22,64 22,58 22,66 22,77 22,79 22,91  

1 Ist: 2013; Prognose: 2014 bis 2018.

2 Nach Ergänzungszuweisungen, Umsatzsteuerverteilung und Finanzausgleich.

3 Ohne Gemeindesteuereinnahmen der Stadtstaaten.

4 Mit Gemeindesteuereinnahmen der Stadtstaaten. Abweichungen in den Summen durch Rundung der Zahlen möglich.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen.

Für 2015 prognostiziert der AKS, dass sich der Anstieg der Steuereinnahmen auf 4,2% beschleunigt. Ausschlaggebend hierfür ist zum einen, dass die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer beschleunigt zunehmen und die Progressionseffekte der Lohn- und Einkommensteuer – anders als in diesem Jahr – nicht mehr durch eine weitere Anhebung des Grundfreibetrags geschmälert werden. Zum anderen legen die ertragsabhängigen Steuern aufgrund der kräftig expandierenden Unternehmens- und Vermögenseinkommen und die Steuern vom Umsatz infolge des verstärkten Anstiegs der Inlandsnachfrage deutlich zu.

In den Folgejahren kann mit einem weiteren, wenn auch wegen der weniger schwungvollen gesamtwirtschaftlichen Expansion langsameren Anstieg des Steueraufkommens gerechnet werden. 2018 dürften die Steuereinnahmen 738,5 Mrd. Euro betragen (vgl. Abbildung 1) – ein Plus von 118,8 Mrd. Euro bzw. 19,2% gegenüber 2013. Die Aufkommenssteigerung beträgt beim Bund 51,9 Mrd. Euro (20%), bei den Länder 46,4 Mrd. Euro (19%) und bei den Gemeinden 17,2 Mrd. Euro (20,4%); die erwarteten Abführungen an den EU-Haushalt fallen 2018 nach den derzeitigen Planungen um 3,2 Mrd. Euro (10,4%) höher aus als 2013.

Abbildung 1
Entwicklung des Steueraufkommens
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Ist: 1991 bis 2013; Prognose: 2014 bis 2018.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen, eigene Berechnungen.

Die Lohnsteuer wird im Prognosezeitraum voraussichtlich um 32,6% zunehmen. Der kräftige Anstieg ist vor allem der deutlichen Steigerung der Pro-Kopf-Löhne und den damit verbundenen inflations- und progressionsbedingten Mehreinnahmen4 zu verdanken. Die veranlagte Einkommensteuer wird bis 2018 mit 28,4% ebenfalls überproportional zulegen. Neben den steigenden Einkommen aus Unternehmensgewinnen und Vermögen beruht dies auf den Progressionseffekten des Einkommensteuertarifs. Die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag und die Körperschaftsteuer dürften im Schätzzeitraum aufgrund der guten Gewinnentwicklung mit 18,9% bzw. 18,7% zulegen. Hingegen dürfte die Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge nur um 10,9% zunehmen, auch wenn im Verlauf des Schätzzeitraums mit einem Anstieg des derzeit sehr niedrigen Zinsniveaus gerechnet wird. Die Steuern vom Umsatz profitieren davon, dass der Aufschwung von der Inlandsnachfrage getragen wird, sie dürften bis 2018 mit 17,8% aber nur unterproportional zulegen. Dennoch bleiben sie mit reichlich 31% des Steueraufkommens die ergiebigste Steuerart.

Die reinen Bundessteuern werden im Schätzzeitraum voraussichtlich nur um 2,3% steigen. Zwar wird der Solidaritätszuschlag – gekoppelt an die Zuwächse bei der Einkommensteuer, den Kapitalertragsteuern und der Körperschaftsteuer – um 23,1% expandieren, doch dürften die Versicherungsteuer, die Stromsteuer und die Luftverkehrsabgabe nur leicht zunehmen und sich bei den übrigen Bundessteuern die seit langem anhaltenden Sättigungstendenzen fortsetzen; zudem wird der Verbrauch von Kernbrennstoffen nach geltendem Recht nur bis zum 31.12.2016 besteuert. Die reinen Ländersteuern werden bis 2018 um 10,9% expandieren. Insbesondere die Grunderwerbsteuer – die aufkommensstärkste Ländersteuer – wird mit 14,8% kräftig zulegen; dies ist neben der Anhebung der Grunderwerbsteuersätze in Berlin, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf zunehmende Aktivitäten auf dem Immobilienmarkt zurückzuführen. Die reinen Gemeindesteuern werden im Schätzzeitraum um 14,0% zulegen, zumal mit der Gewerbesteuer die ergiebigste Gemeindesteuer kräftig steigt (15,6%).

Der AKS hat seine Aufkommenserwartungen für das laufende Jahr im Vergleich zur Steuerschätzung vom November 2013 um insgesamt 0,4 Mrd. Euro nach unten revidiert. Während die Länder mit Mehreinnahmen von 0,3 Mrd. Euro rechnen können, müssen die Gemeinden und der Bund Mindereinnahmen von 0,6 Mrd. Euro bzw. 0,8 Mrd. Euro einplanen; beim Bund schlägt zu Buche, dass er zur Finanzierung des Haushalts der EU 0,6 Mrd. Euro mehr abführen muss als bislang geplant. In den Folgejahren werden dann aufgrund der im Vergleich zur letzten Steuerschätzung günstigeren gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen Mehreinnahmen von 2,8 Mrd. Euro (2015), 4,2 Mrd. Euro (2016), 5,7 Mrd. Euro (2017) und 7,0 Mrd. Euro (2018) prognostiziert. Von dem höheren Aufkommen profitieren die einzelnen Ebenen unterschiedlich. Während der Bund und die Länder von 2015 bis 2018 gegenüber der letzten Schätzung mit Mehreinnahmen von insgesamt 7,0 Mrd. Euro bzw. 10,2 Mrd. Euro rechnen können, dürfen die Gemeinden nur mit Mehreinnahmen von 0,3 Mrd. Euro kalkulieren. Die EU-Abführungen werden mittelfristig um 2,2 Mrd. Euro höher veranschlagt als bislang.

Mittelfristig steigende Steuerquote

Da das Steueraufkommen 2014 mit 3,3% etwas schwächer als das nominale BIP zunimmt (3,5%), sinkt die volkswirtschaftliche Steuerquote vorübergehend auf 22,58%. In den Folgejahren wird das Aufkommen rascher expandieren als das nominale BIP, was neben den inflations- und progressionsbedingten Mehreinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer auch darauf zurückzuführen ist, dass der Aufschwung von der steuerergiebigen Binnennachfrage getragen wird. Die Steuerquote wird daher 2018 auf 22,91% zunehmen; sie läge damit um 0,1 Prozentpunkte über dem seit der Wiedervereinigung erreichten Höchstwert aus dem Jahr 2000.

  • 1 Zur Frühjahrsprojektion der Bundesregierung vgl. C. Bork, T. Knaus: Frühjahrsprojektion der Bundesregierung: deutsche Wirtschaft – Aufschwung auf breitem Fundament, in: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik, Monatsbericht Mai 2014, S. 12-17.
  • 2 In der Gemeinschaftsdiagnose wird die gesamtwirtschaftliche Expansion aber etwas höher veranschlagt als in der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung. Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Deutsche Konjunktur im Aufschwung – aber Gegenwind von der Wirtschaftspolitik. Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2014, Halle 2014.
  • 3 AIFM = Alternative Investment Fund Manager.
  • 4 Vgl. zur kalten Progression H. Gebhardt: Steuerschätzung 2012 bis 2017: günstige Aufkommensperspektiven, in: Wirtschaftsdienst, 92. Jg. (2012), H. 12, S. 809-814; und ders.: Eröffnen die erwarteten Steuermehreinnahmen budgetäre Spielräume für Steuersenkungen?, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 12, S. 843-848.

Beitrag als PDF


DOI: 10.1007/s10273-014-1695-5