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Nach den Terroranschlägen vom 13. November befand sich die französische Hauptstadt mehrere Tage im Ausnahmezustand. Auch in Brüssel wurde die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen, sodass die Innenstadt einige Tage komplett abgeriegelt war und das öffentliche Leben stark beeinträchtigt wurde. Folgen für die Außen- und Sicherheitspolitik sind bereits sichtbar: Sicherheitsmaßnahmen wurden verstärkt, die militärischen Interventionen im syrischen Bürgerkrieg wurden ausgeweitet, die Zahl der Kriegsparteien hat sich erhöht. Ohne die humanitären und politischen Aspekte zu relativieren, werfen Terroranschläge auch Fragen zu den wirtschaftlichen Folgen auf.

Terrorattacken erhöhen die Unsicherheit der ökonomischen Akteure und die subjektive Lebenserwartung sinkt. Beide Effekte sollten die privaten Investitionen belasten, bei anhaltender Terrorgefahr dauerhaft, was wiederum die zukünftigen Einkommen und das Konsumniveau nachhaltig reduzieren würde.1 Hinsichtlich der gegenwärtigen Konsum­ausgaben wirken zwei gegenläufige Effekte: Einerseits ergibt sich infolge der Terrorgefahr eine stärkere Gegenwartspräferenz, andererseits ist das Sicherheitsgefühl ein Komplement vieler Konsumausgaben. Die privaten Konsummöglichkeiten werden zudem dadurch vermindert, dass zusätzliche Kosten entstehen, z.B. für Sicherheitsvorkehrungen bei Großveranstaltungen oder erhöhte Versicherungsprämien, die letztlich zu höheren Konsumgüterpreisen (z.B. für Eintrittskarten) führen.2 Gleichzeitig stellen viele Sicherheitsmaßnahmen zusätzlichen öffentlichen Konsum dar. Hinsichtlich der privaten Konsumausgaben dürfte kurzfristig der dämpfende Effekt überwiegen.3

Reisen und internationaler Warenhandel werden durch verstärkte Sicherheitsvorkehrungen und damit verbundene zunehmende Wartezeiten verteuert. Dieser Effekt ist kurzfristig zum Teil deutlich spürbar, aber auch längerfristig birgt er das Potenzial, den internationalen Handel und damit verbundene Wohlfahrtsgewinne merklich zu dämpfen, selbst wenn er im Vergleich zu den sonstigen Transaktionskosten gering scheint.4 Schließlich werden sich die Staatsausgaben durch die Bemühungen der Regierung, der Terrorgefahr zu begegnen, erhöhen. Sofern der Ausgabenanstieg durch Kredite finanziert wird und freie Kapazitäten vorhanden sind, kann von dem steigenden Staatskonsum für sich genommen eine stimulierende Wirkung ausgehen. Langfristig müssen die gestiegenen Ausgaben für Sicherheit aber weitgehend durch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen an anderer Stelle finanziert werden, und selbst bei Kreditfinanzierung werden andere, direkt produktive Verwendungen verdrängt, sodass insgesamt die Produktion und die Konsummöglichkeiten gebremst werden.

Um die Auswirkungen der jüngsten Ereignisse abzuschätzen erscheint es sinnvoll, die wirtschaftliche Entwicklung im Umfeld von Einzelanschlägen in Zentren von entwickelten Volkswirtschaften zu betrachten, von denen es in den vergangenen 15 Jahren einige gegeben hat. Allerdings unterschieden sich auch diese in Ausmaß und Signalwirkung erheblich. Die Anschläge von New York und Washington vom 11.9.2001 hatten zweifellos ein dramatischeres Ausmaß als die neuerlichen Pariser Anschläge. Die Anschläge in Madrid und London (2004 bzw. 2005) dürften von vergleichbarer Größenordnung sein, auch gemessen an der Zahl der Todesopfer. Die Pariser Anschläge auf die Redaktion der Zeitschrift „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt im Januar 2015 dürften mutmaßlich weniger wirtschaftliche Auswirkungen haben, da sie die wahrgenommene individuelle Bedrohungslage vieler Menschen aufgrund der erkennbaren Zielrichtung (auf die Meinungs- und Pressefreiheit sowie auf eine religiöse Minderheit) weniger stark beeinflusst haben dürfte.

Abbildung 1
Verlauf von Aktienkursen und Verbrauchervertrauen in zeitlicher Nähe zu Terroranschlägen
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Wichtige Aktienindizes betroffener Länder (USA: Dow Jones, Spanien: IBEX 35, Großbritannien: FTSE 100, Frankreich: CAC 40) bis 30 Handelstage nach einem Terroranschlag. Indexwert am Vortag des jeweiligen Anschlags = 100.

Quelle: Dow Jones, BME - Spanish Exchanges, FTSE, IBES.

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Verbrauchervertrauen in betroffenen Ländern bis 12 Monate nach dem Anschlagsmonat. Konsumklima in den USA auf rechter Achse, sonstige Werte auf linker Achse.

Quelle: The Conference Board, DG ECFIN.

Blickt man auf die Aktienmärkte als hochfrequenten Indikator für wirtschaftliche Erwartungen, zeigen sich nur zum Teil deutliche Reaktionen (vgl. Abbildung 1). Besonders stark reagierte die Börse in New York auf die Anschläge vom 11.9.2001; der Dow Jones Index brach um knapp 15% ein. Auch infolge einer Reaktion der Notenbank, die kurzfristig in großem Umfang Liquidität bereitstellte, erholten sich die Kurse jedoch rasch und lagen nach 30 Handelstagen bereits wieder nahezu auf dem vor den Anschlägen verzeichneten Niveau. In Madrid brach der IBEX nach dem dortigen Anschlag um knapp 8% ein, bevor schon nach wenigen Tagen eine Erholung einsetzte. Nach den Anschlägen von London und den Pariser Anschlägen zu Beginn dieses Jahres war ebenso wie nach den jüngsten Anschlägen in der französischen Hauptstadt gar kein erkennbarer Einbruch der Börsenkurse (FTSE 100 bzw. CAC 40) mehr festzustellen. Es scheint, als habe sich die Sorge vor gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen bei der Mehrheit der Anleger im Zeitablauf verringert.5 Dies deutet darauf hin, dass die ökonomischen Konsequenzen – unabhängig von den menschlichen Folgen – eher als Nadelstiche denn als gravierende Einschnitte wahrgenommen werden.

Hierzu passt, dass Indikatoren für die realwirtschaftliche Aktivität in noch geringerem Umfang auf Terroranschläge reagieren. So gab das Verbrauchervertrauen, das monatlich in Umfragen ermittelt wird, lediglich in den USA infolge der Anschläge vom 11.9.2001 deutlich nach, während sie in Europa zu keinen signifikanten Reaktionen führten. Selbst in den USA wird jedoch ein zunächst verzeichneter Rückgang bei den Einzelhandelsumsätzen und bei den persönlichen Konsumausgaben bereits im nachfolgenden Monat wieder überkompensiert. Im Umfeld der genannten Terroranschläge in Europa zeigen sämtliche konjunkturellen Indikatoren (Einzelhandelsumsätze, Industrieproduktion, Umfragen im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor) keine auffälligen Reaktionen, die eine dämpfende Wirkung von Terroranschlägen nahelegen.

Hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der jüngsten Terroranschläge ist zunächst zu berücksichtigen, dass der unmittelbare Einfluss auf Produktion und Nachfrage als Folge einer vorübergehenden Lähmung des öffentlichen Lebens (etwa durch sicherheitsbedingte Einschränkungen) stark regional konzentriert sein dürfte, im jüngsten Fall also auf Paris und Brüssel. In den übrigen Landesteilen bleiben die Wirtschaftsabläufe in der Regel weitgehend unbeeinträchtigt. In Anbetracht der Tatsache, dass vor allem Einrichtungen der Vergnügungsindustrie von den Anschlägen betroffen waren (Restaurants, Konzerthalle), dürfte die Aktivität in diesem Sektor für einige Zeit spürbar gedämpft sein. Insbesondere hat die Neigung zum Besuch von Großveranstaltungen (z.B. Stadion, Konzert, Theater, Volksfest) offenbar merklich nachgelassen, Einbußen gab es zudem beim Tourismus. Einer etwaigen Ausgabenzurückhaltung bei den Privaten stehen jedoch staatliche Mehrausgaben für Sicherheit und Militär gegenüber. Diese können kurzfristig sogar stimulierend wirken, sofern sie durch zusätzliche Kredite finanziert werden. Längerfristig gibt es freilich gerade in Frankreich erheblichen Konsolidierungsbedarf im Staatshaushalt, sodass diese Mehrausgaben über kurz oder lang zu Einsparungen an anderer Stelle oder zu Steuererhöhungen führen dürften.6 In der Summe dürfte der gesamte kurzfristige Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Aktivität gering sein.

  • 1 Z. Eckstein, D. Tsiddon: Macroeconomic Consequences of Terror: Theory and the Case of Israel, in: Journal of monetary economics, 51. Jg. (2004), Nr. 5, S. 971-1002.
  • 2 Vgl. OECD: Economic Consequences of Terrorism, in: Economic Outlook, Nr. 71, 2002, S. 117-140.
  • 3 Vgl. F. Llussa, J. Tavares: Which terror at which cost? On the economic consequences of terrorist attacks, in: Economics Letters, Nr. 110, 2011, S. 52-55.
  • 4 Vgl. OECD, a.a.O., 128 ff.
  • 5 Auch nach den Terroranschlägen in Mumbai (26.11.2008) gab es keinen Einbruch der Kurse an der dortigen Börse (NIFTY 500).
  • 6 Für das kommende Jahr scheinen die europäischen Instanzen freilich ein Überschreiten des bislang vorgesehenen Haushaltsdefizits von 3,3% in Relation zum BIP tolerieren zu wollen.


DOI: 10.1007/s10273-015-1917-5

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