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Großstädte und viele Universitätsstädte wachsen, während andere Städte schrumpfen. Dies stellt insbesondere den Wohnungsmarkt vor große Herausforderungen, da in einigen Städten neuer Wohnungsbau dringend erforderlich ist und andere Städte mit zunehmendem Leerstand umgehen müssen. Die Autoren zeigen die Folgen für die Wohnungsmärkte in Deutschland anhand des Beispiels Wuppertal, Köln und Düsseldorf auf und stellen Lösungsansätze vor.

Deutschlands Bevölkerung schrumpft. Nach der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2060 gegenüber 2010 je nach Szenario um 15% bis 5% zurückgehen. Dabei ist die Entwicklung jedoch nicht einheitlich, sondern höchst divergent. Während Großstädte und viele Universitätsstädte weiter wachsen, sind die Bevölkerungsrückgänge in wirtschaftlich weniger dynamischen Städten sowie auf dem Land schon heute besonders stark. Ursächlich hierfür sind die Wanderungen insbesondere junger Menschen und von Berufstätigen, die in den Großstädten und Universitätsstädten bessere Beschäftigungsmöglichkeiten, bessere Ausbildungschancen und ein größeres Infrastrukturangebot sehen.1 Darüber hinaus machen auch die gestiegenen Mobilitätskosten Städte und zentrale Lagen attraktiv, weshalb der Zusammenhang von Arbeitsplatz und Wohnort wieder enger geworden ist. In der Folge verstärken sich die Ungleichgewichte zwischen den Kommunen, zumal die Schrumpfung in vielen Fällen mit höheren Infrastrukturkosten verbunden ist, da die In­fra­strukturen häufig hohe Fixkosten haben und nicht kurzfristig angepasst werden können. So liegen beispielhaft die Trink- und Abwassergebühren schon heute in Ostdeutschland um rund 25% höher als im Bundesdurchschnitt.2

Eine besonders große Herausforderung stellt die divergente Entwicklung für den Wohnungsmarkt dar. Während in den Großstädten heute Wohnungsmangel herrscht und in der Folge die Mieten und Preise steigen, stagnieren sie aufgrund von Angebotsüberhängen in vielen Teilen des Landes, und es droht vermehrter Leerstand. Henger, Schier und Voigtländer zufolge, könnte die Wohnungsnachfrage bis zum Jahr 2030 in 60% der Kreise rückläufig sein.3 Das Besondere ist, dass schrumpfende und wachsende Städte oftmals nah beieinander liegen. Dies gilt gerade für das bevölkerungsreiche Nordrhein-Westfalen. Im Folgenden wird die Situation für die Städte Köln, Düsseldorf und Wuppertal diskutiert und es werden mögliche Ansätze für eine Verbesserung der Allokation im Wohnungsmarkt aufgezeigt.

Die Lage in Köln, Düsseldorf und Wuppertal

In Nordrhein-Westfalen leben knapp 18 Mio. Menschen, wovon rund 2 Mio. in den drei Städten Wuppertal, Köln und Düsseldorf zu Hause sind. Etwa 1 Mio. Menschen wohnen in Köln, weitere 600 000 in Düsseldorf und etwa 350 000 Menschen in Wuppertal. Wuppertal und Köln trennt eine Autostrecke von etwa 50 km, zwischen Wuppertal und Düsseldorf sind es sogar nur rund 35 km. Demografisch gesehen trennen Wuppertal und die beiden Rheinmetropolen jedoch Welten.

Während die Bevölkerung zwischen 2002 und 2012 in Köln um 5,8% und in Düsseldorf um fast 4% zugenommen hat, ist sie in Wuppertal um 2,6% gesunken. Für diese Entwicklung gibt es einen ökonomischen Hintergrund. Die Arbeit suchende Bevölkerung wandert dorthin, wo Beschäftigungsverhältnisse winken und auch die ausbildungsorientierten jungen Menschen suchen sich die Städte danach aus, in welchen sie vielleicht künftig einen besseren Arbeitsplatz ergattern können. Der Blick auf den Arbeitsmarkt unterstützt die These von der ungleichgewichtigen Lage der drei Städte: Zeigt sich in Düsseldorf seit 2002, spätestens aber seit 2008 ein 6%iger Zuwachs an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, in Köln seit 2008 ein Zuwachs von über 11%, muss Wuppertal im gleichen Zeitraum einen rund 9%igen Rückgang verkraften. Wuppertal wurde durch die Wirtschaftskrise Anfang der 2000er Jahre stärker als andere Kommunen der Region getroffen und konnte auch in der Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs ab 2010 den überdurchschnittlichen Verlust an Beschäftigten aus den 2000er Jahren nicht ausgleichen. Wuppertal ist eine Stadt, die noch immer tief im Prozess des wirtschaftlichen Strukturwandels steckt und deren Arbeitsmarktindikatoren eine deutliche Sprache sprechen. So ist Wuppertal im regionalen Vergleich immer noch die Stadt mit der höchsten Arbeitslosigkeit und den niedrigsten Einkommen. Für den Wohnungsmarkt sind die Höhe der Einkommen und der Kaufkraft sowohl im Segment des Wohneigentumsmarktes als auch im Mietwohnungsmarkt eine entscheidende Nachfragegröße.

Schaut man auf die Bevölkerungswanderungen zwischen diesen drei Städten, so lässt sich feststellen, dass Wuppertal sowohl an Köln als auch an Düsseldorf im Saldo Einwohner verliert (vgl. Abbildung 1). Allein von 2009 bis 2012 sind über 500 Menschen mehr von Wuppertal nach Köln und ca. 400 mehr von Wuppertal nach Düsseldorf gezogen als umgekehrt. In etwas geringerem Umfang in Höhe von jeweils rund 200 Einwohnern verlor Wuppertal in den vier Jahren im Saldo an Bonn, Münster, Bochum und Essen. Interessant hierbei ist, dass der Wanderungssaldo z.B. mit Düsseldorf von 2009 an jedes Jahr geringer geworden ist. Im Jahr 2012 betrug er nur noch rund 20 Personen.

Abbildung 1
Saldo der Bevölkerungswanderungen zwischen Wuppertal und anderen Städten in Nordrhein-Westfalen
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Quelle: R. Busch, G. Spars: Wohnungsmarktstudie Wuppertal, im Auftrag der Quartiersentwicklungsgesellschaft Wuppertal, Wuppertal 2014.

Hierfür könnten die steigenden Wohnkosten und die schlechte Verfügbarkeit von Wohnraum in der Landeshauptstadt verantwortlich sein. Für die Wohnstandortwahl von Haushalten ist neben der Bedeutung der Arbeitsplatzverfügbarkeit auch noch der Faktor der Wohnkosten relevant. Das bedeutet, dass die Haushalte ihren Wohn­standort so wählen, dass sie ein Minimum der Summe aus Wohn- und Mobilitätskosten (inklusive zeitlichem Aufwand für die Arbeitsplatzmobilität) erreichen.4 So können Haushalte z.B. in der Stadt mit der besseren Arbeitsplatzauswahl arbeiten und in der Stadt mit den niedrigsten Wohnkosten wohnen. Das allerdings unter der Voraussetzung, dass die Entfernung zwischen diesen Städten nicht allzu groß ist und der Wohnstandort auch den Präferenzen des Haushalts entspricht bzw. dort die Wohnangebote vorzufinden sind, die der Haushalt wünscht.

Wohungsleerstand und Wohnungsbau

Eine aktuelle Studie der Bergischen Universität Wuppertal zeigt,5 dass laut Zensus im Jahr 2011 in Wuppertal 190 165 Wohnungen in Wohngebäuden sowie sonstigen Gebäuden mit Wohnraum existierten.6 Gemäß den Angaben der Stadt Wuppertal beträgt die Zahl der Haushalte aktuell (2013) 178 178. Unter der Annahme, dass pro Haushalt eine Wohnung nachgefragt wird,7 ergibt sich daraus auf die Zensus-Zahlen zum Wohnungsbestand bezogen ein Überhang von aktuell 12 607 Wohnungen. Bezieht man diesen Zensus-Leerstand auf die Zensus-Grundgesamtheit von 190 165 Wohnungen, so ergibt sich eine aktuelle Leerstandsquote von 6,6%.

Die zitierte Wohnungsmarktstudie prognostiziert auf der Grundlage der niedrigeren Zensus-Angabe zum aktuellen Wohnungsbestand, dass sich der bereits jetzt schon vorhandene Überhang bis zum Jahr 2025 auf 20 605 Wohnungen steigern wird. Es wird aufgrund der Analyse deutlich, dass man in Wuppertal nicht umhinkommen wird in den nächsten Jahren rund 13 000 Geschosswohnungen vom Markt zu nehmen. Rund 6000 leer stehende Wohnungen könnten als eine „gesunde“ 3%ige Fluktuationsreserve erhalten bleiben.8 Auch wenn die betreffenden 13 000 Wohnungen wohl eher am unteren Ende der Qualitätsskala angesiedelt sein dürften, so würde mit ihrem Rückbau doch in nicht unerheblichem Umfang volkswirtschaftliches Kapital vernichtet. Selbst wenn man für eine solche Wohnung nur durchschnittlich 40 000 bis 50 000 Euro als Wert ansetzt, kommt man immerhin auf Werte von 500 bis 650 Mio. Euro, die mit einem solchen Schritt vernichtet würden.

Auf der anderen Seite muss der Wohnungsbau in Köln und Düsseldorf deutlich ausgeweitet werden. Beide Städte wachsen zumindest bis zum Jahr 2030 noch kräftig. Um den damit verbundenen Anstieg der Wohnungsnachfrage zu kompensieren, müssten in Köln etwa 4100 Wohnungen und in Düsseldorf rund 2500 Wohnungen pro Jahr gebaut werden.9 Tatsächlich wurden in Köln 2013 aber nur 3100 Wohnungen und in Düsseldorf knapp 1400 Wohnungen gebaut. Es ist nicht damit zu rechnen, dass der Neubau kurzfristig das notwendige Niveau erreicht oder gar den kumulierten Mangel der letzten Jahre kompensieren kann. Schließlich sind die Bauflächen in den Städten knapp und Planungen können nur langfristig angepasst werden.

Möglicherweise findet aufgrund der Wohnungsmarktsituation langfristig ein Ausgleich zwischen den Standorten statt, aber dies ist ungewiss. In der Zwischenzeit müssen – um größere Ungleichgewichte zu vermeiden – umfangreiche Abrisse und Neubauten getätigt werden, die mit hohen Kosten verbunden sind. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Bezahlbarkeit des Wohnraums für sozial schwächere Schichten in den prosperierenden Großstädten. Schon heute liegen die Mieten in Düsseldorf und Köln deutlich über dem Niveau in Wuppertal. Während die Durchschnittsmiete in Wuppertal nach Angaben von F+B rund 6 Euro pro Quadratmeter beträgt, sind es in Köln 9 Euro und in Düsseldorf 8,80 Euro.10 Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich dieser Unterschied noch verstärken. Da die Löhne im unteren Einkommensdrittel langsamer wachsen als die Mieten, wird sich das Problem der Bezahlbarkeit in den Metropolen weiter verschärfen.11 Angesichts der Probleme des Neubaus in den Großstädten und der hohen Kosten des Abrisses in Städten wie Wuppertal ist es sinnvoll zu überlegen, ob es nicht effizientere Lösungen im Umgang mit der demografischen Entwicklung gibt.

Subventionswettlauf um Unternehmensansiedlungen nicht sinnvoll

Die Chancen, die Attraktivität des Standortes Wuppertal so weit zu erhöhen, dass er mit Köln und Düsseldorf konkurrieren kann, sind sicherlich gering. Schließlich zeigen Studien, dass die Unternehmen vor allem dort hingehen, wo sie viele Fachkräfte finden.12 Die Fachkräfte lassen sich ohne Unternehmensansiedlungen nicht anlocken, und die Unternehmen ohne hohe Förderungen nicht in strukturschwache Regionen versetzen. Doch nicht nur deshalb ist eine derartige Strategie problematisch. Insgesamt wird die Bevölkerung in Deutschland zurückgehen und es droht im Fall eines Subventionswettlaufs um Unternehmensansiedlungen ein ruinöser Wettbewerb der Kommunen.13 Schließlich ist es absehbar, dass auch die Unternehmenszahlen rückläufig sind. Darüber hinaus würden neue Flächen, die für diesen Zweck bereitgestellt werden, die Leerstandsprobleme an anderer Stelle wieder erhöhen.

Vielmehr geht es also darum, die vorhandenen Potenziale bestmöglich zu nutzen. Wuppertal hat im Vergleich zu den Rheinmetropolen insbesondere Vorteile bei den Wohnkosten. Vielfach können Haushalte ihre Wohnkosten durch einen Umzug nach Wuppertal um 30% bis 40% reduzieren bzw. sich eine bessere Wohnqualität zu niedrigeren Preisen erlauben. Es ist gut möglich, dass der weiter vorne angesprochene rückläufige Wanderungstrend nach Düsseldorf bereits ein Ergebnis der verschärften Versorgungssituation und der günstigeren Wuppertaler Wohnkostenrelation zu Düsseldorf ist. Für Köln lässt sich eine solche Entwicklung jedoch nur in sehr geringem Umfang ausmachen. Neben den Wohnkosten spielen aber auch die Mobilitätskosten eine große Rolle. Da die Beschäftigungsmöglichkeiten in Köln und Düsseldorf deutlich größer sind, müssen Wuppertaler verstärkt pendeln. Anscheinend sind die Mobilitätskosten vielfach noch zu hoch, damit der Umzug nach Wuppertal lohnend ist. Dabei sind neben den finanziellen Kosten auch die Zeitkosten zu berücksichtigen, die erheblich an Bedeutung gewonnen haben.14 Hinzu kommt natürlich auch die sonstige Attraktivität, beispielsweise hinsichtlich der Freizeitgestaltung und anderer weicher Standortfaktoren, die ebenfalls in die Standortentscheidungen einfließen.

Optionen für Wuppertal im demografischen Wandel

Aus den bisherigen Überlegungen folgt, dass die beobachteten Wohnsitzverlagerungen von den schrumpfenden in die wachsenden Städte aus volkswirtschaftlicher Sicht mit hohen Zusatzkosten verbunden sind, die individuelle Rationalität jedoch aufgrund der Mobilitätskosten für entsprechende Wanderungen spricht. Dies bedeutet, dass es gesamtwirtschaftlich rational ist, durch entsprechende Anreize das individuelle Kalkül zu verändern. Das Ziel sollte dabei zum einen darin bestehen, Wanderungen aus schrumpfenden Städten zu begrenzen und zum anderen möglicherweise neue Nutzer für den Wohnungsbestand zu gewinnen.

Naheliegend ist es, die Verkehrsinfrastruktur zu verbessern und insgesamt die Anbindung an die Rheinmetropolen zu optimieren. Besonders schnellere und zusätzliche Bahnverbindungen können die Entscheidungen deutlich verändern. So ist beispielsweise zu erwarten, dass der geplante Rhein-Ruhr-Express einen Wohnsitz im Ruhrgebiet deutlich attraktiver machen wird. Solche Bahnprojekte sind jedoch mit sehr hohen Kosten und mit einer langen Vorlaufzeit verbunden. So ist etwa beim Rhein-Ruhr-Express mit Kosten von mindestens 2 Mrd. Euro und einer Fertigstellung Mitte der 2020er Jahre zu rechnen, womit die Fertigstellung insgesamt seit der Planung mehr als 15 Jahre dauern wird.15 Auf der anderen Seite ist eine Ausweitung der Bahntaktung aufgrund der Auslastung des Schienennetzes kaum mehr möglich.

Eine Alternative hierzu kann jedoch der Ausbau des Schnellbus-Systems darstellen.16 Seit der Marktliberalisierung ist das Schnellbus-System schnell gewachsen, und es werden bereits zahlreiche Strecken angeboten. Allerdings werden Verbindungen von schrumpfenden Regionen wie Wuppertal nach Köln oder Düsseldorf nur sporadisch angeboten. Für die Stadt Wuppertal kann es sich daher lohnen, das Schnellbus-System zu subventionieren und damit mehr Verbindungen anbieten zu lassen. Auch Gutscheine für Zugezogene könnten auf Umzugswillige positiv wirken. Im Vergleich zu den hohen Kosten des Abrisses könnten sich also umfangreichere Verbesserungen des Bus-Systems lohnen. Dabei sollten gegebenenfalls auch Busanbindungen an das Regionalbahnsystem oder die ICE-Strecken geprüft werden.

Denkbar sind auch Umzugsprämien für diejenigen, die aus Wachstumsregionen nach Wuppertal und Umgebung ziehen.17 Vor dem Hintergrund der hohen gesellschaftlichen Kosten, die aus den Wanderungen in die Großstädte resultieren, ergibt sich ein Potenzial für die Zahlung von entsprechenden Prämien. Diese könnten entweder von der Stadt Wuppertal selbst oder aber besser noch vom Land Nordrhein-Westfalen gezahlt werden. Wichtig ist es dabei, dass nur solche Zuwanderer eine Prämie erhalten, die eine Wohnung oder ein Haus im Bestand mieten oder erwerben. Neubau sollte aufgrund der demografischen Perspektiven und des hohen Leerstands vermieden werden.

Neben einer verbesserten Verkehrsanbindung und finanziellen Anreizen ist es darüber hinaus wichtig, dass sich eine Stadt wie Wuppertal insbesondere um ihr Freizeitangebot bemüht. Als Wirtschaftsstandort kann Wuppertal kaum mit Köln und Düsseldorf konkurrieren, aber als Wohnstandort kann es mit gepflegten Parks, attraktiven Fahrradwegen und einem insgesamt großzügigen Raumangebot überzeugen. Hier sind mit der Nordbahntrasse und dem Skulpturenpark von Tony Cragg wichtige Projekte angeschoben worden, das Potenzial der Wupper in der Stadt hingegen scheint noch nicht „gehoben“ zu sein. Vorteilhaft ist es auch, wenn Lösungen für bereits länger leerstehende Firmen- und Wohngebäude gefunden werden. Hier haben sich zum Beispiel Ideenwettbewerbe in vielen ostdeutschen Städten bewährt.18 Viele Gebäude lassen sich beispielsweise für Jugendliche in Form von Skatehallen oder Proberäumen verwenden oder können für Ausstellungen von Künstlern genutzt werden.19 Der vorhandene Raum bietet viele Potenziale, die jedoch genutzt werden müssen.

Übertragung auf andere Regionen und (politische) Schlussfolgerungen

Ähnliche Konstellationen der räumlichen Nähe von wachsenden und schrumpfenden Städten, wie in Wuppertal, Köln und Düsseldorf, lassen sich in vielen Bundesländern finden. So schrumpften beispielsweise von 2005 bis 2010 die Städte Bremerhaven (-2,8%), Delmenhorst (-2%) und ganz leicht auch Bremen (-0,1%), wohingegen die Nachbarstädte Oldenburg (+2,3%), Rastede (+2,1%), Stuhr (+1,9%), Oyten (+1,1%) und Ritterhude (+2%) wuchsen. Auch in Thüringen liegen – legt man erneut die Bevölkerungsentwicklung von 2005 bis 2010 zugrunde – die schrumpfenden Städte Apolda (-5,6%), Gotha (-2,8%), Arnstadt (-2,9%) und Sömmerda (-4,4%) direkt neben den wachsenden Städten Jena (+2,5%), Weimar (+1,4%) und Erfurt (+1,1%). Ein weiteres Beispiel für ungleiche räumliche Entwicklungen (2005 bis 2010) lässt sich in Hessen beobachten, wo dicht neben den schrumpfenden Städten Hannoversch Münden (-2,4%), Göttingen (-0,7%) und Baunatal (-1,1%) das leicht wachsende Kassel (+0,6%), Rosdorf (1,7%) und Friedland (+13,5%) liegen. Auch in Bayern finden sich in der Nähe der wachsenden Region um Erlangen (+2,4%), Fürth (+1,1%) und Nürnberg (+1,3%) einige Städte, die eher von Stagnation oder Schrumpfung geprägt sind, wie Bamberg (-0,1%), Bayreuth (-1,8%) und das etwas weiter entfernt liegende Hof (-5,0%).

Die leicht verkürzte Darstellung einiger räumlicher Beispiele macht bereits deutlich, dass dieses Thema in etlichen Regionen Handlungsbedarf hervorruft. Hierbei ist es natürlich genaueren Analysen vorbehalten, in Abhängigkeit von vorhandenen Infrastrukturen und demografischen Prognosen der jeweiligen Städte den tatsächlichen Eingriffsbedarf abzuschätzen. Es scheint nur so zu sein, dass vor dem Hintergrund der demografisch bedingt rückläufigen Wohnungsnachfrage, die ab ca. 2030 Gesamtdeutschland treffen wird, die Frage der räumlichen Fehlallokation durch den Wohnungsneubau in den nächsten Jahren eine immer stärkere Relevanz erhalten wird. Wenn es gelingen kann, in betreffenden Regionen durch vergleichsweise „preiswerte“ Maßnahmen im Bereich von Umzugs- oder Bleibeprämien, verbesserten Verkehrsangeboten für Pendler und ähnlichen Anreizen den leerstehenden Wohnraum wieder mit neuen Nutzern zu beleben und damit seinen Abriss und den Neubau von vergleichsweise teureren Wohnungen zu verhindern, so wird damit ein gesamtwirtschaftliches Problem gelöst.

Am Anfang einer solchen Problemlösung steht jedoch zunächst einmal für jede dieser schrumpfenden Städte eine genauere Analyse der Nachfragepotenziale, die für sie in den wachsenden Städten der Region bestehen. Hierbei könnten Befragungen unter Einpendlern und potenziellen Nachfragern in einem engeren Einzugsgebiet sowie unter jüngst Zugezogenen hilfreich sein. Auch ist eine Analyse der konkreten Verbesserungsmöglichkeiten der verkehrlichen Erreichbarkeit sinnvoll. Nicht zuletzt muss es aber auch darum gehen, in den jeweiligen Städten und mit den betroffenen Bundesländern eine offene Diskussion über die verschiedenen Wege und Instrumente zu führen, um eine entsprechend wirksame Politik daraus zu entwickeln. Neben der Bereitstellung öffentlicher Mittel der Länder und der betroffenen Kommunen ist es jedoch auch sinnvoll, die Wohnungswirtschaft mit an Bord zu nehmen, da diese auch ein betriebswirtschaftliches Interesse an den vorgeschlagenen Maßnahmen hat.

  • 1 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Renaissance der Großstädte – eine Zwischenbilanz, BBSR-Kompakt, Nr. 9/2011, Bonn 2011.
  • 2 Vgl. Statistisches Bundesamt: Ein Modellhaushalt zahlt 441 Euro für Wasser und Abwasser im Jahr 2010, Pressemitteilung 170, Wiesbaden 2011.
  • 3 R. Henger, M. Schier, M. Voigtländer: Wohnungsleerstand – eine wirtschaftspolitische Herausforderung, IW-Position, Nr. 62, Köln 2013.
  • 4 Vgl. D. DiPasquale, C. W. Wheaton: Urban Economics and Real Estate Markets, New York 1995.
  • 5 R. Busch, G. Spars: Wohnungsmarktstudie Wuppertal, im Auftrag der Quartiersentwicklungsgesellschaft Wuppertal, Wuppertal 2014.
  • 6 Die Statistikstelle der Stadt Wuppertal meldet auf Basis der Fortschreibung der Bautätigkeitsstatistik für das Jahr 2012 sogar einen Bestand an 196 884 Wohnungen. Im Rahmen der Fortschreibung wird auch ein Abgleich mit den Daten des Liegenschaftskatasters durchgeführt. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Zahl des Mikrozensus realistischer ist.
  • 7 Da einige Haushalte in Heimen oder Wohngemeinschaften zusammenleben, andere hingegen über Zweitwohnungen verfügen, ist nicht automatisch davon auszugehen, dass pro Haushalt genau eine Wohnung nachgefragt wird. In der Zusatzerhebung des Mikrozensus 2006 zum Thema Bautätigkeit und Wohnungen wurde für Nordrhein-Westfalen jedoch ein Verhältnis zwischen bewohnten Wohneinheiten und Haushalten von 0,99 ermittelt, so dass man aufgerundet mit dem Faktor 1 rechnen kann. Vgl. Statistisches Bundesamt: Bautätigkeit und Wohnungen, Mikrozensus – Zusatzerhebung 2006. Bestand und Struktur der Wohneinheiten, Wohnsituation der Haushalte, Fachserie 5, H. 1, Wiesbaden 2006, S. 10.
  • 8 Die Wohnungsmarktstudie empfiehlt allerdings zur weiteren Ausdifferenzierung des Wohnungsangebotes in einer Doppelstrategie von Rück- und Neubau auch den jährlichen Neubau von rund 350 Wohnungen.
  • 9 Vgl. IW Immobilien-Monitor: Wohnungsmangel in Großstädten, H. 1/2014, S. 2.
  • 10 F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt: Mietenbarometer Wohnen, Hamburg 2014.
  • 11 Vgl. T. Heyn, R. Braun, J. Grade: Wohnungsangebot für arme Familien in Großstädten, Gütersloh 2013.
  • 12 Vgl. zum Beispiel A. M. Williams, V. Baláž, C. Wallace: International Labour Mobility and Uneven Regional Development in Europe, in: European Urban and Regional Studies, 11. Jg. (2004), H. 1, S. 27-46.
  • 13 Vgl. z.B. K. Behrens, P. M. Picard: Bidding for Horizontal Multinationals, in: Journal of the European Economic Association, 6. Jg. (2008), H. 6, S. 1244-1278.
  • 14 G. Gottholmseder, K. Nowotny, G. J. Pruckner, E. Theurl: Stress Perception and Commuting, in: Health Economics, 18. Jg. (2009), H. 5, S. 559-576.
  • 15 Vgl. D. Ernst: Bahn unterliegt in Streit um Rhein-Ruhr-Express, in: WAZ vom 28.10.2014, http://www.derwesten.de/wirtschaft/bahn-unterliegt-in-streit-um-rhein-ruhr-express-id9978554.html (17.11.2014).
  • 16 Vgl. S. Maertens: Buslinienfernverkehr in Deutschland – effiziente Ausgestaltung einer Liberalisierung, in: Wirtschaftsdienst, 92. Jg. (2012), H. 8, S. 554-562.
  • 17 Vgl. R. Henger, M. Schier, M. Voigtländer, a.a.O.
  • 18 BMVBS: „Menschen und Erfolge“ Wettbewerb 2011-2013. Aktiv für ländliche Infrastruktur, Berlin 2013.
  • 19 So haben z.B. Architekturstudierende der Bergischen Universität für das Prym-Areal Nutzungskonzepte erarbeitet und mit Eigentümern und Stadtverwaltung diskutiert. Vgl. https://www.wuppertal.de/wirtschaft-stadtentwicklung/meldungen/102370100000580724.php.

Title:Diverging Housing Markets in Germany: Consequences and Solutions for the Cases of Wuppertal, Cologne and Dusseldorf

Abstract:Due to demographic changes, housing markets in Germany differentiate notably. Frequently, shrinking and booming cities are located closely to each other, as in the cases of Wuppertal, Cologne and Dusseldorf. In order to enhance economic efficiency and prevent the demolition of buildings in some cities and the simultaneous erection of new houses and infrastructure in others, it would be favourable to implement incentives using the living space in shrinking cities. Better transportation facilities, more leisure time facilities and moderate financial incentives could make shrinking cities like Wuppertal more attractive, thereby encouraging price­sensitive households to stay or migrate there.

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DOI: 10.1007/s10273-015-1807-x