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Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich anfang des Jahres 2015 in robuster Verfassung. So konnten die im letzten Jahr wieder einsetzenden Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Monaten Januar bis April fortgeführt werden. Trotz der konjunkturellen Belebung im 4. Quartal 2014 war eine Fortsetzung des Aufwärtstrends im laufenden Jahr durchaus fraglich. Denn mit der zum Jahresbeginn vollzogenen Einführung des flächendeckenden Mindestlohns wurde ein institutionell bedeutender regulatorischer Eingriff in den Arbeitsmarkt vorgenommen, dessen Wirkung angesichts der differenzierten Lohn- und Arbeitsmarktverhältnisse in den Branchen nur schwer in Wirkungsweise, Größe und Wirkungszeitraum abzuschätzen ist. Angesichts dieser Heterogenität und der branchenspezifisch unterschiedlichen Möglichkeiten, höhere Lohnkosten gegebenenfalls an die Kunden weiterzugeben, ist es für eine abschließende Bewertung des Mindestlohns auch weiterhin zu früh.

Dabei deuten die aktuellen Arbeitsmarktzahlen darauf hin, dass der Mindestlohn erste Wirkungen am Arbeitsmarkt gezeigt haben dürfte. So verlangsamte sich der Beschäftigungsaufbau zu Beginn des Jahres spürbar. Zwar legte die Erwerbstätigkeit im Inland in saisonbereinigter Rechnung um rund 20 000 Personen gegenüber dem Vorquartal zu, jedoch war dies vor allem auf den statistischen Überhang Ende des Vorquartals zurückzuführen. Im März 2015 lag die Erwerbstätigkeit mit saisonbereinigt knapp 42,8 Mio. im Vergleich zum Vorjahr um 280 000 Personen höher. Dieser deutliche Anstieg speiste sich im Wesentlichen aus dem Zuwachs des Arbeitsangebotes, der aus der Zuwanderung nach Deutschland resultierte.

Bei den Komponenten der Erwerbstätigkeit zeigte sich die neue Lohnuntergrenze vor allem dadurch, dass die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten („Minijobs“) zurückging. So sank ihre Zahl im Januar um saisonbereinigt 66 000 und im Februar um weitere 13 000 gegenüber dem Vormonat. Auch die Zahl der im Nebenjob geringfügig Beschäftigten war rückläufig. Der Effekt war bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen erwartungsgemäß am größten, da hier der Anteil der Jobs mit Löhnen unterhalb des neuen Mindestniveaus relativ hoch war. Auch die Zahl der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen war leicht rückläufig, unter anderem weil die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen zurückgefahren wurde. Zudem hielt der negative Trend bei der Selbstständigkeit an.

Dass die Erwerbstätigkeit trotz der bremsenden Entwicklungen bei Minijobs, Fördermaßnahmen und Selbstständigkeit zunahm, lag daran, dass die größte Komponente, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, den Schwung des Vorjahres mitnehmen und in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres kräftig zulegen konnte. Verglichen mit dem Februar 2014 waren im gleichen Monat des laufenden Jahres über 530 000 Menschen mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zu einem kleinen Teil dürfte hierzu in den letzten Monaten eine durch den Mindestlohn verursachte Umwandlung der geringfügigen Beschäftigung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse beigetragen haben. Gleichwohl war auch in den Monaten vor der Einführung des Mindestlohns bereits ein kräftiger Aufwärtstrend zu beobachten. Treibende Kraft war dabei der tertiäre Sektor. Hier entstanden im genannten Zeitraum allein rund 470 000 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse. Besonders starke Zuwachsraten gab es in den Branchen des Gastgewerbes, bei Immobilien, freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sowie bei den sonstigen Dienstleistungen. Auch die Zeitarbeit verzeichnete ein Beschäftigungswachstum deutlich über dem Durchschnitt. Die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung verlief dabei in Westdeutschland dynamischer. Das Wachstum war hier mit 1,9% gegenüber dem Vorjahr um einen halben Prozentpunkt höher als in Ostdeutschland.

Abbildung 1
Erwerbstätige und Arbeitslose
Saisonbereinigter Verlauf in 1000 Personen
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Zahlenangaben: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber Vorjahr in 1000 Personen.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Prognose ab April 2015 bzw. Mai 2015 HWWI.

Auch bei der Arbeitslosigkeit konnten Erfolge verbucht werden. Nachdem die registrierte Arbeitslosigkeit bereits in den ersten drei Monaten des Jahres gesunken war, ging sie im April erneut zurück und fiel saisonbereinigt erstmalig seit 1991 unter die Marke von 2,8 Mio. Dies entsprach einer Arbeitslosenquote von 6,4%. Damit waren im April 2015 rund 95 000 Personen weniger arbeitslos gemeldet als im Vorjahr. Wenngleich sich der Abbau der Arbeitslosigkeit damit im letzten Halbjahr stetiger und dynamischer erwies als noch in den Monaten zuvor und die Stagnation bei der Arbeitslosigkeit überwunden wurde, konnte der rasante Aufbau der Erwerbstätigkeit nur in Teilen für den Abbau der Arbeitslosigkeit genutzt werden.

Im internationalen Vergleich zeigt sich der deutsche Arbeitsmarkt in außerordentlich guter Verfassung. Dies wird dadurch unterstrichen, dass die nach dem ILO-Konzept gemessene und international vergleichbare Erwerbslosenquote in Deutschland gegenwärtig am niedrigsten in Europa ist. Im März 2015 waren saisonbereinigt knapp 2 Mio. Menschen erwerbslos. Dies entsprach einer Quote von 4,7%. Demgegenüber lag die Erwerbslosenquote in der Europäischen Union (EU28) bei 9,8%. Krisengebeutelte Länder wie Spanien und Griechenland weisen derzeit Quoten zwischen 23% und 26% auf.

Im laufenden Jahr dürfte der Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt – wenn auch mit leicht verringertem Tempo – anhalten. Treibende Kraft wird hierbei vor allem die weiterhin aufwärts gerichtete Konjunktur sein. Sofern Risiken, wie die wirtschaftlich angespannte Lage im Euroraum oder der schwelende geopolitische Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, nicht zu Einbrüchen bei der Wirtschaftsleistung führen, ist im laufenden Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von preisbereinigt knapp 2% zu rechnen. Dabei werden neben der weiterhin kräftigen Binnennachfrage, die einerseits durch das in diesem Jahr zu erwartende reale Lohnwachstum, andererseits auch durch vermehrte Anlageinvestitionen getragen werden dürfte, zusätzliche Impulse für Produktion und Arbeitsnachfrage vom Außenhandel kommen. So ließ die erstarkende Konjunktur die Zahl der gemeldeten offenen Stellen zuletzt bereits ansteigen. Optimistisch stimmt auch, dass die Daten des 1. Quartals zum Verhältnis von offenen Stellen und Arbeitslosen bisher keinerlei Hinweise darauf geben, dass es durch den Mindestlohn zu erheblichen Änderungen bei den Matchingprozessen am Arbeitsmarkt gekommen wäre.

Zudem wird sich auch das Arbeitsangebot im laufenden Jahr erneut vergrößern und den Beschäftigungsaufbau erleichtern. So dürfte der Zuwanderungssaldo erneut deutlich positiv ausfallen und gegenläufige Effekte auf das Arbeitsangebot, wie die „Rente mit 63“, überkompensieren. Insgesamt wird sich – nach Einschätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – das Erwerbspersonenpotenzial im laufenden Jahr um 95 000 Personen vergrößern.

Für das Jahr 2015 ist daher davon auszugehen, dass die Zahl der Erwerbstätigen erneut expandieren wird. Im Jahresdurchschnitt dürfte sie um etwa 240 000 Personen oder 0,6% gegenüber 2014 zunehmen. Auch der Abbau der Arbeitslosigkeit wird voranschreiten, – wie im Jahr zuvor allerdings eine geringere Dynamik als der Beschäftigungsaufbau aufweisen. Im Jahresdurchschnitt 2015 wird die Arbeitslosigkeit voraussichtlich bei etwa 2,77 Mio. liegen.

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DOI: 10.1007/s10273-015-1834-7

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