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Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 wurde zum Teil heftig kritisiert. Besonders der Hotellerie- und Gastronomiebereich sah gravierende Probleme auf sich zukommen. Die Erwartungen dieser Branche wurden in einer empirischen Untersuchung aufgrund einer umfassenden Befragung spezifiziert. Dabei spiegeln sich branchenspezifische und regionale Unterschiede wider. Der Westen ist weniger betroffen als der Osten und der Norden weniger als der Süden.

Seit einiger Zeit wird das Thema Mindestlohn in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen und Beschäftigungseffekte stehen dabei im Zentrum. 2013 erhielten bundesweit ca. 9% aller Arbeitnehmer Stundenlöhne unter 8,50 Euro. Dabei gibt es ein regionales Gefälle: In Westdeutschland waren 7,4% von diesen geringen Stundenlöhnen betroffen, in Ostdeutschland waren es 19,1%.1 In bestimmten Branchen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe sind niedrige Stundenlöhnen besonders verbreitet.2

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA) ist überzeugt, dass der Mindestlohn die Branche, die vor allem von Kleinst- und Kleinbetrieben gezeichnet ist, stark beeinflussen wird. Die Hotellerie- und Gastronomie-Branche betrachtete in den Diskussionen die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Mindestlohns von 8,50 Euro mit einem Fokus auf die neuen Bundesländer, die in den letzten zehn Jahren mit 25% einen besonderen Zuwachs sozialversicherungspflichtig Beschäftigter der Branche verzeichnete. Der Zuwachs in dieser Branche betraf auch gering qualifizierte Mitarbeiter. Dies führt aus Sicht des Verbandes zu dem Risiko einer Verringerung des Lohnabstands zwischen un- und angelernten Mindestlohnbeziehern und qualifizierten Fachkräften und somit unter Umständen zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Umsetzung des Mindestlohns. Das Mindestlohngesetz führte in der Hotellerie und Gastronomie zusätzlich zu einer angepassten bzw. erweiterten Erfassung der Arbeitszeiten. Das seit 20 Jahren etablierte Arbeitszeitgesetz wurde durch eine bürokratischere Arbeitszeiterfassung ergänzt. Der Mindestlohn zwingt die Betriebe, eine bisher nicht gelebte Transparenz zu schaffen. Die Schwierigkeit liegt dabei in der Beschränkung der täglichen Höchstarbeitszeit auf maximal zehn Stunden, die vor allem in dienstleistungsintensiven Branchen kritisch gesehen wird. Dies ist ein zentrales Problem der Hotel- und Gastronomiebranche, deren Merkmal neben der Heterogenität auch in einer ausgeprägten Struktur von Kleinst- und Kleinbetrieben liegt. Ein Beispiel: Was passiert bei Kleinst- und Kleinbetrieben, die ein Fest bis weit nach der maximalen Arbeitszeit von zehn Stunden netto noch begleiten wollen und keine Mitarbeitender haben? Die Stuttgarter Nachrichten3 zitieren hierzu Daniel Ohl, den Landessprecher des DEHOGA: „Das Gesetz führt zu einer alarmierenden Kollision mit der Lebenswirklichkeit.“ Viele Betriebe könnten dadurch nicht mehr legal arbeiten. Deshalb fordert der DEHOGA eine Ausnahme mit einer Ausweitung auf zwölf Stunden und befürchtet im anderen Fall hohe Strafen für Betriebe: „Wir rechnen mit einer ernsthaften Kontrolltätigkeit.“ Dabei geht es nicht darum, die wöchentliche Gesamtarbeitszeit zu verlängern oder unbezahlte Mehrarbeit zu unterstützen. Die eigentliche Problematik der Zeiterfassung ist nicht in der Einführung des Mindestlohns begründet, sie wird lediglich durch diese in den Fokus gerückt. Neben den Kosten für den Mindestlohn ist somit die Frage nach den Herausforderungen für Betriebe im Umgang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen zur Arbeitszeit zentral.

Empirische Untersuchung

Das Heilbronner Institut für angewandte Marktforschung H-InfaM der Hochschule Heilbronn befasste sich mit dem zum Jahreswechsel 2014/2015 eingeführten Mindestlohn: Wie bewerten Hoteliers und Gastronomen den Mindestlohn für ihre Branche? Welche Konsequenzen werden erwartet? Welche Maßnahmen wurden ergriffen? Neben einer Differenzierung von Hotellerie und Gastronomie wurde die Frage in Hinblick auf Unterschiede nach Regionen und Betriebsgrößen untersucht. Von November 2014 bis Januar 2015 wurden deutschlandweit Hoteliers und Gastronomen mithilfe der Verbände (DEHOGA, IHA, HDV) online befragt. Nach Datenbereinigung nahmen 1512 Personen, davon 49,2% Hoteliers und 50,8% Gastronomen an der Befragung teil. Insgesamt konnte eine große Bandbreite an Unternehmen von Kleinstunternehmen bis Großunternehmen erfasst werden, was die Branche gut widerspiegelt und dementsprechend zu großen Streuungen aller Kennzahlen führt. In der Hotellerie setzt sich die Stichprobe aus 89,9% Individualhotels und 10,1% zu Hotelketten gehörenden Betrieben zusammen. Im Schnitt beschäftigten die teilnehmenden Hotels 28 Mitarbeiter im Jahr 2014.4 In der Gastronomie nahmen 95,2% Individualgastronomen und 4,8% Systemgastronomen teil mit durchschnittlich 25 Mitarbeitern.

Ergebnisse

Die befragten Hoteliers erwarten von 2014 bis 2015 eine durchschnittliche Umsatzsteigerung von 5,0% und eine Personalkostensteigerung von 9,4%.5 2014 betrug der durchschnittliche Anteil der Personalkosten am Umsatz 30,7%, 2015 wird er auf 32,0% geschätzt. Dies entspricht in beiden Jahren ungefähr der branchenüblichen „1/3-2/3-Faustformel“, fällt jedoch 2015 um 1,3 Prozentpunkte höher aus. Im Schnitt rechnen die Hoteliers durch den Mindestlohn mit Mehrkosten in Höhe von 2% des erwarteten Umsatzes und 6,6% der erwarteten Personalkosten.6 Ca. zwei Drittel dieser Personalkostensteigerung ist dem Mindestlohn zuzurechnen. Wie erwähnt ist der Range in den Auswirkungen relativ groß: Während in der Erhebung manche Unternehmen keine Mehrkosten durch den Mindestlohn erwarten, rechnen andere mit bis zu 19% Mehrkosten vom Umsatz und 50% bei den Personalkosten. Dies spiegelt die Heterogenität und Individualität der Hotels in Deutschland wider.

Die gastronomischen Betriebe erwarten von 2014 bis 2015 im Schnitt eine Umsatzsteigerung von 9,7% und eine Personalkostensteigerung von 13,2%. Der Anteil der Personalkosten am Umsatz betrug 2014 29,4% und wird 2015 auf 31,4% geschätzt. Auch in der Gastronomie entspricht der Prozentsatz in beiden Jahren ungefähr der „1/3-2/3-Regel“, fällt 2015 jedoch ebenfalls 2 Prozentpunkte höher aus. Die erwarteten Mehrkosten für 2015 durch den Mindestlohn in der Gastronomie liegen im Schnitt bei 3% des Umsatzes und 10% der Personalkosten. Für die Gastronomen sind damit 82% der Steigerung der Personalkosten durch den Mindestlohn induziert. Auch in der Gastronomie gibt es eine große Bandbreite: Manche Betriebe erwarten keine Mehrkosten durch den Mindestlohn, während andere Betriebe massiv getroffen werden und mit bis zu 23% Mehrkosten vom Umsatz und 67% Mehrkosten an den Personalkosten rechnen.

Abbildung 1
Mehrkosten durch die Einführung des Mindestlohns nach Branche und Region
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Ost: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen; West: Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein; Nord: Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein; Süd: Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Thüringen.

Quelle: eigene Berechnungen.

Einflussfaktoren auf Mehrkosten durch Mindestlohn

Branche, Umsatz und Region haben Einfluss auf den Anteil der Mehrkosten am Umsatz.7 In der Hotellerie (2,0%) fällt der Anteil geringer aus als in der Gastronomie (3,0%). Zudem gibt es ein Ost-West- und ein Süd-Nord-Gefälle: Im Westen (2,2%) ist der Anteil der Mehrkosten am Umsatz geringer als im Osten (4,2%), im Norden (2,3%) ist er geringer als im Süden (2,7%). Größere Betriebe mit über 1 Mio. Euro Umsatz erwarten einen geringeren Anteil (1,8%) als kleinere Betriebe (bis 250 000 Euro Umsatz: 2,9%, bis 1 Mio Euro Umsatz: 2,7%). Diese Unterschiede finden sich im Wesentlichen auch beim Anteil der Mehrkosten für Mindestlohn an den Personalkosten. Dieser Anteil ist wiederum in der Hotellerie (6,6%) geringer als in der Gastronomie (10%), im Westen (7,3%) geringer als im Osten (12,8%) und im Norden (7,4%) geringer als im Süden (8,8%). Je größer der Betrieb desto kleiner der Anteil der Mehrkosten an den Personalkosten (bis 250 000: 11,4%, bis 1 Mio: 8,3%, über eine Mio: 4,9%).

In Abbildung 1 sind die Kennzahlen gemeinsam mit Umsatzsteigerung und Personalkostensteigerung nach Branche getrennt dargestellt. In der Regel geben Betriebe mit höherer Belastung durch den Mindestlohn oder höheren Personalkostensteigerungen auch eine im Vergleich größere erwartete Umsatzsteigerung an. Damit könnten die Mehrkosten eventuell ausgeglichen werden. Die gastronomischen Betriebe im Osten rechnen mit den größten ökonomischen Auswirkungen und erwarten 15,2% Mehrkosten durch den Mindestlohn und 20,8% Personalkostensteigerung. Diese Betriebe erwarten für 2015 mit 25,3% auch die mit Abstand größte Umsatzsteigerung. Hotels im Osten und im Süden, die eine geringere Umsatzsteigerung im Verhältnis zu den erwarteten Mehrkosten erwarten, bilden die Ausnahme.

Es zeigt sich sowohl in der Hotellerie als auch in der Gastronomie ein Zusammenhang zwischen dem Umsatz 2014 und dem Anteil der Mehrkosten an den Personalkosten bzw. am Umsatz. Mit zunehmendem Umsatz und damit der Betriebsgröße wird der Anteil der Mehrkosten durch den Mindestlohn geringer, vor allem in Bezug auf Personalkosten (vgl. Abbildung 2). Besonders Kleinst- und Kleinbetriebe sind durch die Einführung des Mindestlohns ökonomisch betroffen. So liegt beispielsweise der Anteil der Mehrkosten durch den Mindestlohn an den Personalkosten bei diesen Betrieben mit unter 100 000 Euro Umsatz bei 13%, während er bei Großbetrieben mit 5 Mio. Euro Umsatz und mehr bei 3% liegt. Andererseits sind die gesamten Personalkosten für Betriebe mit höherem Umsatz anteilig größer.

Abbildung 2
Mehrkosten durch den Mindestlohn nach Umsatz
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Quelle: eigene Berechnungen.

Finanzierung des Mindestlohns

Um die Mehrkosten für den Mindestlohn zu kompensieren, sind verschiedene Maßnahmen möglich. Die Mehrheit der Betriebe plant zumindest Teile der Mehrkosten über eine Veränderung der Verkaufspreise an ihre Kunden weiterzugeben oder die Verkaufspreise zu erhöhen (Hotellerie: 75%; Gastronomie: 88%). Des Weiteren wird mindestens jeder zweite Gastronomie- oder Hotelbetrieb die Mitarbeiterstruktur (Voll-, Teilzeit, Auszubildende) verändern, wobei je nach Arbeitsverhältnis die Mitarbeiterzahl gesenkt oder erhöht wird. Nach Auskunft der teilnehmenden Betriebe wird sich die Gesamtzahl der Mitarbeiter von 2014 auf 2015 weder in der Gastronomie noch in der Hotellerie ändern. Betrachtet man die verschiedenen Anstellungsverhältnisse, ergeben sich signifikante, wenn auch geringe Änderungen. In der Hotellerie wird ein Anstieg von Teilzeitkräften (2014: 5,6%; 2015: 5,8%) und Auszubildenden (2014: 5,7%; 2015: 5,9%) erwartet, dem eine Reduktion an Minijobbern (2014: 6,6%; 2015: 6,0%) gegenübersteht. In Bezug auf Vollzeitangestellte ergeben sich keine Änderungen. In der Gastronomie wird ein leichter Anstieg an Teilzeitangestellten (2014: 6,2%; 2015: 6,7%) und Auszubildenden (2014: 2,1%; 2015: 2,3%) erwartet. In Bezug auf Vollzeitangestellte sind die Änderungen im Osten und Westen unterschiedlich. Während im Westen keine Änderung angegeben wird (2014: 10,9%; 2015: 11,0%), geht der Osten von einer Reduktion aus (2014: 8,5%; 2015: 7,7%).

Einstellung zum Mindestlohn

Auf einem fünfstufigen semantischen Differential (Adjektiv-Gegensatzpaare) wurden die Teilnehmer gebeten, ihre Einstellung zum Mindestlohn zu äußern. Die Ergebnisse der Befragung sind in Abbildung 3 dargestellt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Betriebe dem Mindestlohn kritisch gegenüberstehen. Dabei ist die Hotellerie weniger kritisch eingestellt als die Gastronomie, Betriebe im Westen äußern eine weniger kritische Einstellung zum Mindestlohn als im Osten und Betriebe im Norden eine weniger kritische Einstellung als im Süden.

Abbildung 3
Einstellung zum Mindestlohn
in %
31420.png

Quelle: eigene Berechnungen.

Wahrgenommene Herausforderungen

Mit dem Mindestlohn sind verschiedene Auswirkungen und Aufgaben verbunden, die unterschiedlich große Herausforderungen darstellen können. Die teilnehmenden Hoteliers und Gastronomen wurden gebeten, auf einer fünfstufigen Skala von „1 = sehr große Herausforderung“ bis „5 = keine Herausforderung“ anzugeben, was diese Änderungen für sie bedeuten (vgl. Tabelle 1). Fasst man die Angaben zu sehr großen und großen Herausforderungen zusammen, werden die meisten Aspekte von mindestens der Hälfte der Betriebe als (sehr) große Herausforderungen wahrgenommen. Dabei stellt sowohl für die Hotellerie als auch für die Gastronomie die Dokumentations­pflicht zur Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit die größte Herausforderung dar: 70,1% der Hoteliers und 77,7% der Gastronomen nehmen dies als sehr große oder große Herausforderung wahr. Ähnlich herausfordernd wird der Aufwand zur Umsetzung erlebt (Hotellerie: 65,8%, Gastronomie: 75,3%). Von allen abgefragten Herausforderungen landen die Lohnkosten an letzter Stelle. Die Höhe des Mindestlohns als solches stellt für ca. ein Drittel der Hoteliers (34,5%) und für ca. die Hälfte der Gastronomen (47,9%) eine sehr große oder große Herausforderung dar. An zweitletzter Stelle der Herausforderungen wird die Auswirkung auf die Löhne höher qualifizierter Mitarbeiter genannt (Hotellerie: 42,0%, Gastronomie: 52,6%). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Gastronomie größere Herausforderungen wahrnimmt als die Hotellerie. Zudem besteht auch hier ein Ost-West- und ein Süd-Nord-Gefälle. Betriebe im Osten nehmen größere Herausforderungen wahr als im Westen und Betriebe im Süden größere als im Norden.

Die Pflicht zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit wollen die meisten manuell durch den Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten (Hotellerie: 39,9%; Gastronomie: 41,1%) oder manuell durch den Arbeitnehmer (Hotellerie: 31,1%; Gastronomie: 30,6%) umsetzen. Nur ein kleiner Teil zieht ein elektronisches Zeiterfassungssystem in Betracht (Hotellerie: 16,7%; Gastronomie: 11,3%). Einige Betriebe wissen noch nicht, wie sie dieser Pflicht nachkommen werden (Hotellerie: 12,3%; Gastronomie: 16,9%).

Tabelle 1
Wahrgenommene Herausforderungen
in %
  Hotellerie   Gastronomie
Herausforderung ... sehr groß/groß klein/keine   sehr groß/groß klein/keine
Mindestlohn 8,50 Euro 34,5 41,7   47,9 29,5
Auswirkungen auf Löhne höherqualifizierter Mitarbeiter 42,0 40,7   52,6 33,9
Auswirkungen auf Lohnstruktur insgesamt 48,6 29,5   60,1 22,2
Dokumentationspflicht der täglichen Arbeitszeit 70,1 19,7   77,7 12,4
Unsicherheiten bei Umsetzung 56,0 26,4   63,2 18,9
Aufwand bei Umsetzung 65,8 21,3   75,3 12,1
Zollkontrollen 55,6 28,3   61,1 22,0
Haftungsrisiko für Fremdfirmen 56,3 28,7   55,4 27,3

Fünfstufige Skala: Herausforderungen sehr groß, groß, mittel, klein, keine.

Quelle: eigene Berechnungen.

Zusammenfassung und Diskussion

Die ökonomischen Auswirkungen des Mindestlohns wurden in Relation zu Umsatz und Personalkosten bewertet. Laut der branchenüblichen Faustformel machen Personalkosten ca. ein Drittel des Umsatzes aus. Dies gilt auch in der diesem Artikel zugrundeliegenden Studie. Von 2014 auf 2015 steigen die Personalkosten in der Hotellerie durchschnittlich um 9% und in der Gastronomie um 13%. Ca. zwei Drittel der Personalkostensteigerung in der Hotellerie und mehr als drei Viertel in der Gastronomie sind dem Mindestlohn zuzurechnen. Diese Mehrkosten durch den Mindestlohn entsprechen in der Hotellerie durchschnittlich 2% und in der Gastronomie 3% des für 2015 erwarteten Umsatzes.

Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen sind je nach Betriebsart, -typ, Region und Unternehmensgröße unterschiedlich. Mit zunehmender Betriebsgröße bzw. steigendem Umsatz haben die zu erwartenden Mehrkosten durch den Mindestlohn in Relation zu den Gesamtkosten für Personal bzw. zum Umsatz eine geringere Bedeutung. Vor allem die Kleinst- und Kleinbetriebe sind von der Einführung des Mindestlohns stärker betroffen. Betriebe im Osten im Vergleich zum Westen und Betriebe im Süden im Vergleich zum Norden erwarten größere ökonomische Auswirkungen. Das regionale Gefälle zeigt auf, dass gastronomische Betriebe im Osten von Deutschland die größten ökonomischen Folgen des Mindestlohns erwarten. Hotels und Gastronomiebetriebe in anderen Regionen sind im Schnitt von geringeren Personalkostensteigerungen betroffen.

Durchschnittlich geben Betriebe, die mit höheren Mehrkosten durch den Mindestlohn rechnen, auch eine im Verhältnis größere Umsatzsteigerung an. Die Erhebung des Statistischen Bundesamtes für den Verbraucherpreisindex hat im Warenkorb des Monats Januar 2015 vor allem die Erhöhung der Preise in Hotellerie und Gastronomie mit 2,5% gegenüber dem Vorjahresmonat als größten Preistreiber erfasst.8 Die vorliegende Studie bestätigt, dass die Branche einen Teil der Mehrkosten durch den Mindestlohn bereits in Preiserhöhungen und damit Umsatzsteigerung ausgleichen möchte. Treten die erwarteten Umsatzsteigerungen ein, so fallen je nach Region bzw. Betriebsgröße im Schnitt Mehrkosten durch den Mindestlohn zwischen 1% und 4% des Umsatzes an. Bei der direkten Abfrage geplanter oder umgesetzter Maßnahmen zur Kompensation des Mindestlohns zeigt sich: Die große Mehrheit der Betriebe hat bereits einen Teil der Mehrkosten über eine Erhöhung der Verkaufspreise kompensiert oder plant dies. Des Weiteren wird mindestens jeder zweite Gastronomie- oder Hotelbetrieb die Mitarbeiterstruktur überprüfen, um die Personalkosten zu optimieren. Allerdings erwartet die Branche insgesamt keine negativen Beschäftigungseffekte. Je nach Anstellungsverhältnis ergeben sich Unterschiede: Ein geringer Anstieg an Teilzeitkräften und Auszubildenden steht einer geringen Reduktion an Minijobbern gegenüber.

Die Branche nimmt den Mindestlohn als zusätzliches Hindernis im täglichen Geschäft wahr. Der Mindestlohn wird sowohl in der Hotellerie als auch in der Gastronomie kritisch bewertet und die damit verbundenen Herausforderungen werden als groß eingeschätzt. Die branchenspezifischen und regionalen betriebswirtschaftlichen Unterschiede spiegeln sich analog in der Bewertung des Mindestlohns wider. In der Gastronomie wird der Mindestlohn kritischer bewertet als in der Hotellerie, Betriebe im Osten äußern eine kritischere Einstellung zum Mindestlohn als im Westen und Betriebe im Süden eine kritischere Einstellung als Betriebe im Norden. Gleiches gilt für die wahrgenommenen Herausforderungen. Die Höhe des Mindestlohns und die Auswirkungen auf die Löhne höher qualifizierter Mitarbeiter stellen nach Wahrnehmung der teilnehmenden Hoteliers und Gastronomen die geringsten Herausforderungen dar. Die Dokumentationspflicht und die damit verbundenen Aufwendungen bei der notwendigen Erfassung der Informationen zur Ermittlung des Mindestlohnes werden als größte Hürde empfunden. Hotellerie und Gastronomie gehören zu den dienstleistungsintensiven Branchen. Die Arbeitszeitenregelung in Deutschland hat eine tägliche zeitliche Begrenzung von zehn Arbeitsstunden, die gerade bei saisonbedingten Nachfrageschwankungen kaum eingehalten werden können. Die Abneigung der Branche gegenüber dem Mindestlohn ergibt sich demnach nicht ausschließlich aus rein wirtschaftlichen Gründen. Auch ist die Frage der Kontrolle und die damit verbundene praktische Unterstützung zur Umsetzung des Mindestlohns zentrales Thema. Pragmatische Ansätze, die eben diese Zeiterfassung nicht infrage stellen und unbezahlte Mehrarbeit nicht fördern, aber die Zeitbegrenzung differenzieren, sind erforderlich.


Wir danken dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA Bundesverband), dem Hotelverband Deutschland IHA und der Hoteldirektorenvereinigung Deutschland HDV für ihre Unterstützung und die freundliche Weiterleitung der Befragung an ihre Mitglieder. Dieser Artikel basiert auf C. Buer, F. Drescher: Erweiterte betriebswirtschaftliche Konsequenzen und Bewertung des Mindestlohns in der Hotellerie und Gastronomie, Heilbronn 2015.

  • 1 Vgl. O. Falck, A. Knabe, A. Mazat, S. Wiederhold: Mindestlohn in Deutschland: Wie viele sind betroffen?, in: ifo Schnelldienst, 66. Jg. (2013), H. 24, S. 68-73.
  • 2 Vgl. S. Borstel: Andrea Nahles und die Tücken des Mindestlohns, in: Die Welt vom 6.3.2014, www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article125477652/Andrea-Nahles-und-die-Tuecken-des-Mindestlohns.html (23.1.2015).
  • 3 Vgl. J. Bock: Der Mindestlohn als zahnloser Tiger, in: Stuttgarter Nachrichten vom 7.2.2015.
  • 4 Alle Angaben zur Zahl der Mitarbeiter (z.B. Umsatz pro Mitarbeiter etc.) beziehen sich auf die angegebenen Mitarbeiter. Dies können auch Saisonkräfte sein, hier wurde nicht unterschieden.
  • 5 Relationen (Anteil Personalkosten am Umsatz, Umsatzsteigerung, Personalkostensteigerung, Mehrkosten Mindestlohn an Personalkosten bzw. am Umsatz etc.) wurden individuell pro Betrieb berechnet und anschließend gemittelt, um extreme Werte nicht stärker zu gewichten. Die exakten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen können unter www.h-infam.de nachgelesen oder von den Autoren angefordert werden.
  • 6 37 Hoteliers und 43 Gastronomen gaben die erwarteten Mehrkosten für den Mindestlohn nicht an, somit beziehen sich die Angaben auf 707 Hoteliers und 725 Gastronomen.
  • 7 Univariate Varianzanalysen mit den Faktoren Branche, Ost-West, Nord-Süd sowie Betriebsgröße nach Umsatz (bis 250 000, bis 1 Mio, über 1 Mio.) sowie getrennt mit den Faktoren Branche und System/Kette versus Individual sowie multiple Regressionsanalysen mit den unabhängigen Variablen Branche, Ost-West, Nord-Süd, Umsatz (als kontinuierliche Variable), Signifikanzen bis p < 0,05.
  • 8 Vgl. Statistisches Bundesamt: Preissteigerung für ausgewählte Waren und Dienstleistungen im Januar 2015. Statista 2015, http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1048/umfrage/preissteigerung-fuer-ausgewaehlte-waren-und-dienstleistungen/ (18.2.2015).

Title:Economic Consequences of the Minimum Wage in the Hotel and Restaurant Industry in Germany

Abstract:On 1 January 2015 a minimum wage of 8.50 euros per working hour was implemented in Germany. The hotel and restaurant industry, as a service-intensive sector, is especially affected. To study the economic impact of the minimum wage, an online survey with 1,512 hoteliers and gastronomers was conducted. The results show that no negative effects on the total number of employees are anticipated, but the participants do expect a changing staff structure. The expected economic impact depends on branch, region and company size. Most entrepreneurs plan to compensate for the extra costs by increasing prices. The participants considered the greatest challenges to be the documentation obligation of the daily working time and the implementation effort – more so than the extra wage costs. In total, the sector holds unfavourable attitudes towards the minimum wage, with hoteliers less negative than gastronomers, and entrepreneurs in the north and west less negative than those in the south and east of Germany.


DOI: 10.1007/s10273-015-1832-9