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Anfang 2004 trat der in der sogenannten Hartz-III-Reform beschlossene Umbau der Vermittlungstätigkeit der öffentlichen Arbeitsverwaltung in Kraft. Ziel war es, die Arbeitslosigkeit durch eine schnellere Jobvermittlung zu senken. Zwar nahm die Arbeitslosigkeit seitdem tatsächlich ab, der Autor kommt in seiner Bilanz nach mehr als zehn Jahren aber zu dem Ergebnis, dass trotz erheblichen Personalaufbaus bei der Bundesagentur für Arbeit eine effektivere Vermittlung in den Arbeitsmarkt nicht gelungen ist.

Vor mehr als einem Jahrzehnt wurde der deutsche Arbeitsmarkt grundlegend reformiert. Den Anstoß für die diversen Hartz-Reformen gab eine als unzureichend angesehene Vermittlungstätigkeit der öffentlichen Arbeitsverwaltung. Deren Umbau mit dem Ziel der Verminderung der Arbeitslosigkeit durch eine schnellere Jobvermittlung (Hartz III) stellte ein Kernstück der Reformen dar. In diesem Beitrag wird anhand von amtlichen Daten und den Erhebungen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) untersucht, ob sich die mit dem Umbau verbundenen Erwartungen erfüllt haben.

Anfang 2002 wurde ein Prüfbericht des Bundesrechnungshofes bekannt, demzufolge Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit ihre Vermittlungsstatistiken geschönt hätten. Es seien erfolgreiche Vermittlungen von Arbeitslosen in Beschäftigungsverhältnisse verbucht worden, die es tatsächlich gar nicht gegeben habe. Es wurde festgestellt, dass lediglich 20% der vormals Arbeitslosen über die Arbeitsämter zu einem neuen Job gekommen seien.1

Die Prüfergebnisse schlugen hohe Wellen in den Medien: Sofort setzte eine hitzige politische Debatte über eine Umorganisation der Arbeitsverwaltung ein; es kamen sogar Forderungen nach deren Privatisierung auf.2 Die Bundesregierung berief eine Expertenkommission unter Führung des VW-Managers Peter Hartz ein, die Vorschläge zum Umbau der Bundesanstalt vorschlagen sollte. Obwohl es nicht ihr Auftrag war, wurden auch Konzepte für tiefgreifende Reformen des deutschen Arbeitsmarkts vorgelegt. Zentrales Element des präsentierten Reformpakets war „das neue Arbeitsamt“: Die einzurichtenden Jobcenter „sollten die zentralen Anlaufstellen für alle sein, die arbeitslos sind, also auch für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger.“3 Die Arbeit der Jobcenter sei auf die Vermittlung, auf vermittlungsfördernde Leistungen und die Existenzsicherung der Arbeitslosen zu beschränken.4 Durch die Neuorganisation könnten die Arbeitslosen schneller in eine Beschäftigung gebracht werden, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit würde sinken und die Zahl der Erwerbslosen dadurch abnehmen.5 Insbesondere wurde auf den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit gesetzt.6 Sie könne bei voller Wirksamkeit der Reform der Arbeitsverwaltung sogar völlig abgebaut werden.7

Mit dem Anfang 2004 in Kraft getretenen Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz III) wurde der grundlegende Umbau der früheren Bundesanstalt für Arbeit auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Sie hieß nun Bundesagentur für Arbeit (BA). Ein Jahr später folgte die Zusammenlegung der steuerfinanzierten Leistungen für Arbeitslose (Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe) zum Arbeitslosengeld II, die sogenannte Hartz-IV-Reform.

Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob sich die mit der Hartz-III-Reform verbundenen Erwartungen erfüllt haben, und es tatsächlich zu einer verbesserten Vermittlung von Arbeitslosen kam. Die Untersuchung stützt sich zum einen auf amtliche Daten, insbesondere auf Informationen der Bundesagentur für Arbeit. Diese Quelle weist allerdings Lücken auf – insbesondere aufgrund von Schwierigkeiten bei der Erfassung und Weitergabe von Daten in der Phase des Umbaus der Arbeitsverwaltung. Manche Informationen sind nur für die letzten Jahren verfügbar; zudem gibt es mitunter deshalb Probleme, weil sich über die Zeit die Erhebungskonzepte und somit die Aussagekraft der Angaben verändert haben. Zum anderen werden Daten der Haushaltsumfragen des SOEP8 verwendet, die Angaben darüber enthalten, auf welchen Wegen Arbeitnehmer – und darunter auch frühere Arbeitslose – zu einem neuen Beschäftigungsverhältnis gekommen sind.9

Kräftiger Personalaufbau in der Arbeitsverwaltung

Für die Betreuung der Haushalte bzw. Bedarfsgemeinschaften der grundsätzlich erwerbsfähigen Bezieher von Arbeitslosengeld II sind die neu geschaffenen Jobcenter zuständig, die meist gemeinschaftlich von den Arbeitsagenturen und den Kommunen oder Landkreisen betrieben werden (Arbeitsgemeinschaften SGB II oder kurz: ARGE). Daneben gibt es die sogenannten zugelassenen kommunalen Träger; das sind Kommunen oder Landkreise, die auf die Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen verzichteten und sich allein um die Bezieher von Arbeitslosengeld II kümmern. Anfänglich gab es für 69 Landkreise und kreisfreie Städte zugelassene kommunale Träger, inzwischen ist ihre Zahl auf 105 angewachsen. In reichlich einem Viertel aller Kreise sind demnach die Arbeitsagenturen nicht für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger zuständig. Die Betreuung von Arbeitslosen mit Versicherungsansprüchen, also von Beziehern des Arbeitslosengeldes (I)­, blieb dagegen alleinige Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit bzw. deren regionaler Stellen.

Der Umbau der früheren Bundesanstalt ging mit einem kräftigen Personalaufbau einher. Von 2004 bis 2010 wuchs die Zahl der Beschäftigten bei der Bundesagentur für Arbeit stetig – von knapp 90 000 bis auf 125 000 und somit um mehr als ein Drittel (vgl. Abbildung 1). Danach baute sich der Personalstand bis auf 109 000 Mitte 2013 ab.10 Noch stärker hat sich die Relation von Mitarbeitern bei der Bundesagentur und den Arbeitslosen in ihrem Zuständigkeitsbereich (d.h. alle Arbeitslosen ohne diejenigen, die ausschließlich von den zugelassenen kommunalen Trägern betreut werden) verändert: Mitte 2002, also vor der Reform, kamen auf einen Mitarbeiter der BA fast 50 Arbeitslose; im Jahr 2013 waren es weniger als halb so viele – auch weil die Arbeitslosenzahl gesunken war.11

Abbildung 1
Beschäftigte bei der Bundesagentur für Arbeit
31922.png

1 Ohne Arbeitslose im Bereich der zugelassenen kommunalen Träger.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen.

Nur jeder dritte Abgang aus der Arbeitslosigkeit mündet in einer Erwerbstätigkeit ...

Die grundlegende Idee der Reform bestand darin, durch die Beschleunigung der Abgänge den Bestand an Arbeitslosen zu verringern. In der Tat unterliegt der Arbeitslosenbestand einer hohen Fluktuation.12 So betrug 2014 der durchschnittliche Bestand an Arbeitslosen 2,9 Mio. Die Zugänge in die Arbeitslosigkeit beliefen sich im Laufe jenes Jahres dagegen auf reichlich 7,6 Mio.; die Zahl der Abgänge war fast ebenso groß. Bezieht man die Zahl der Abgänge auf die Zahl der Arbeitslosen zu Jahresbeginn,13 wurde der Bestand rechnerisch 2,7mal umgeschlagen (vgl. Abbildung 2). Es scheiden allerdings nicht alle Arbeitslosen innerhalb eines Jahres aus den Registern der Bundesagentur für Arbeit aus. Denn es gibt Personen, die das ganze Jahr über als Arbeitslose gemeldet sind und daneben viele, die es für kürzere Zeit waren; nicht wenige davon tauchen jedoch auch rasch wieder in der Arbeitslosenstatistik auf.

Im Vergleich zum Beginn des vergangenen Jahrzehnts schlägt der Arbeitslosenbestand heute häufiger um. Das muss aber nicht mit einer besseren Vermittlungstätigkeit zusammenhängen. Entscheidend ist wohl eher, dass sich der Bestand an Arbeitslosen im Zuge konjunkturell bedingter Entspannung auf dem Arbeitsmarkt abgebaut hat. Zu einer deutlichen Zunahme der Umschlagsgeschwindigkeit kam es überdies erst ab 2008 – also Jahre nach der Reform. Sie erhöhte sich – ebenso wie die Zahl der Abgänge – bis 2010. Danach verminderte sich im Zuge rückläufiger Abgänge die Umschlagsgeschwindigkeit etwas. Da der Bestand deutlich geschrumpft ist, bewegt sie sich dennoch auf einem höheren Niveau als in den Jahren bis 2008.

Abbildung 2
Arbeitslose und Umschlagsgeschwindigkeit des Arbeitslosenbestandes
31956.png

Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen.

Zur Beurteilung der Vermittlungstätigkeit kommt es aber nicht auf das Ausmaß aller Abgänge aus der Arbeitslosigkeit an, sondern nur auf diejenigen Abgänge, die in eine Beschäftigung münden. Deren Zahl und ihr Anteil an allen Abgängen ist dem Trend nach gesunken (vgl. Tabelle 1). 2014 belief sich ihr Anteil an allen Abgängen aus der Arbeitslosigkeit gerade einmal auf ein Drittel; in den Jahren vor der Reform war er etwa 10 Prozentpunkte höher. Das hängt auch mit Einschränkungen bei den Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem zweiten Arbeitsmarkt zusammen, ist aber nicht der einzige Grund, denn soweit es sich nach den verfügbaren Daten beurteilen lässt,14 ist auch der Anteil derjenigen Personen an allen Abgängen kleiner geworden, die aus der Arbeitslosigkeit in eine abhängige Beschäftigung auf den ersten Arbeitsmarkt wechselten – dem eigentlichen Ziel der Arbeitsvermittlung.

Tabelle 1
Struktur der Abgänge aus der Arbeitslosigkeit
in %
31922.png

1 Von 2000 bis 2002: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Strukturanpassungsmaßnahmen, zum Teil für Obdachlose und sonstige Hilfen.

2 Selbständigkeit, Wehr-, Zivildienst, freiwilliges Jahr.

3 Ohne geförderte Ausbildung.

4 Nur Daten aus dem IT-Fachverfahren der Bundesagentur für Arbeit.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen.

Abgenommen hat unter den Abgängen aus der Arbeitslosigkeit auch der – inzwischen nur noch kleine – Anteil jener, die eine selbständige Beschäftigung aufgenommen haben; hier machte sich ein Abbau der Förderung solcher Beschäftigungsverhältnisse für ehemalige Arbeitslose bemerkbar.15 Erheblich ist – mit knapp einem Fünftel – der Anteil jener Personen, die aufgrund der Teilnahme an einer arbeitsmarktpolitischen Bildungsmaßnahme aus der Arbeitslosenstatistik ausgebucht wurden. Besonders groß war ihr Anteil an allen Abgängen in der Krisenzeit 2009/2010; damals stieg die Zahl entsprechender Abgänge aus der Arbeitslosigkeit um etwa eine halbe Million.

Noch mehr Personen (ein Viertel) werden aufgrund einer temporären oder dauerhaften Erwerbsunfähigkeit sowie wegen ihres höheren Alters nicht mehr als Arbeitslose gezählt – deren Anteil an den Abgängen hat in den letzten Jahren deutlich angezogen. Überdies kommt es zu nicht wenigen sanktionsbedingten Abgängen – aufgrund mangelnder Verfügbarkeit bzw. fehlender Mitwirkung bei der Jobsuche. Daneben gibt es eine kleine und etwas abnehmende Zahl an Personen, die wegen der Aufnahme einer (nicht geförderten) Ausbildung aus der Arbeitslosigkeit ausscheiden – etwa wegen des Beginns eines Studiums oder einer Lehre.

Einen Sonderfall stellen diejenigen Personen dar, die aus „sonstigen Gründen“ aus der Arbeitslosigkeit ausscheiden oder über deren weiteren Verbleib die Arbeitsagenturen keine Informationen haben. Deren durchaus erhebliche Zahl hatte in der Zeit gleich nach der Hartz-IV-Reform stark zugenommen – von 2005 bis 2006 stieg sie um mehr als eine halbe Million auf knapp 1,3 Mio. Personen. Das lag vor allem daran, dass im Zuge der Einführung von Hartz IV nicht wenige Kommunen viele Empfänger von Sozialleistungen als erwerbsfähig und somit als arbeitslos eingestuft hatten, obwohl sie es tatsächlich gar nicht waren. Die Kommunen wollten sich von Kosten entlasten. Solche unzulässigen Einstufungen wurden danach mehr und mehr zurückgenommen.16 In den letzten Jahren ist die Zahl der Abgänge dieser Kategorie bis auf etwa eine halbe Million geschrumpft.

... und an der erfolgreichen Jobsuche sind die Arbeitsagenturen nur wenig beteiligt

Nur knapp ein Drittel aller Abgänge aus der Arbeitslosigkeit führt also zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung. An der Vermittlung in einen Job sind aber nur in relativ wenigen Fällen die Arbeitsagenturen bzw. Jobcenter beteiligt. Amtliche und hinreichend zuverlässige Daten über ihre Beteiligung an der Vermittlung sind nur für den Zeitraum von 2007 bis 2013 verfügbar. Im Jahr 2013 vermittelten die Arbeitsagenturen lediglich jede fünfte Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung durch einen Arbeitslosen. Die allermeisten Arbeitslosen, die erfolgreich eine Beschäftigung suchten, haben also ohne Zutun der Arbeitsverwaltung einen Job gefunden (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2
Abgänge aus der Arbeitslosigkeit aufgrund der Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung
  Zahl der Abgänge in eine abhängige Beschäftigung in 1000 Anteil der Abgänge durch Vermittlung der Arbeitsagenturen an allen Abgängen in eine abhängige Beschäftigung in %
  gefördert ungefördert insgesamt ungefördert insgesamt
20071 751,8 2203,8 2955,7 8,9 26,9
20081 768,4 2097,9 2866,3 11,7 30,1
20091 700,1 2114,2 2814,4 11,1 27,9
2010 692,4 2473,7 3166,1 14,7 29,3
2011 526,1 2305,4 2831,5 16,3 27,2
2012 375,1 2080,8 2455,9 15,5 24,6
2013 309,1 2080,8 2389,8 13,3 20,7

1 Ohne zugelassene kommunale Träger.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen.

Im Jahr 2007 waren die Arbeitsagenturen noch stärker in die Vermittlung einbezogen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die geförderten Beschäftigungsverhältnisse damals eine viel größere Rolle spielten; auf sie entfielen 2007 noch drei Viertel aller Arbeitsvermittlungen der Arbeitsagenturen, 2013 war es deutlich weniger als die Hälfte. Wird die geförderte Beschäftigung außer Betracht gelassen, kam 2013 nur jeder siebte Arbeitslose, der eine reguläre – also ungeförderte – abhängige Beschäftigung gefunden hatte, durch Vermittlung der Arbeitsagenturen zu seinem Job. Dieser Anteil ist zwar größer als noch 2007, nach einem Hoch im Jahr 2011 aber wieder abgeschmolzen. Zu dem damaligen Anstieg der Vermittlungen dürfte die Beschäftigungsausweitung nach der Krise beigetragen haben.

Weitere Informationen bieten die Haushaltsumfragen des SOEP. Dabei wird regelmäßig erhoben, auf welchen Wegen eine Beschäftigung gesucht wird und ob bei der erfolgreichen Jobsuche die Arbeitsverwaltung entscheidend beteiligt war. Nicht hinreichend identifizieren lässt sich, ob es sich bei den aufgenommenen Tätigkeiten um geförderte oder ungeförderte Jobs handelt.

Auch hier zeigt sich, dass nur ein kleiner Teil der vorherigen Arbeitslosen17 über die Arbeitsagenturen bzw. Jobcenter eine abhängige Beschäftigung gefunden hat; bei wenigen davon war ein von der Arbeitsverwaltung ausgestellter Vermittlungsgutschein hilfreich (vgl. Abbildung 3). Die ermittelten Anteile sind noch geringer als gemäß der amtlichen Quellen; das mag an Unterschieden zwischen den Erhebungskonzepten oder bei den Bewertungen der Befragten liegen.18 Entscheidend ist aber vor allem: Über die Zeit hat sich der Anteil der Arbeitslosen, die unter Mithilfe der Arbeitsverwaltung einen Job gefunden haben, wenig verändert und bewegte sich seit 200319 in einem Korridor zwischen 10% und 20%. Dass sich nach der Hartz-III-Reform die Vermittlungstätigkeit verbessert hat, ist auch anhand dieser Daten nicht erkennbar.

Abbildung 3
Von der Arbeitsverwaltung erfolgreich in einen abhängigen Job vermittelte Arbeitslose
in %
32503.png

Quelle: Das Sozio-ökonomische Panel (v30 beta); Berechnungen des DIW Berlin.

Erfolgreiche Jobsuche vor allem über informelle Kontakte

Etwas größer ist gemäß der SOEP-Daten der Anteil der Arbeitslosen, die einen Job erhielten und angaben, dass sie zwar nicht über die Arbeitsagenturen vermittelt wurden, aber durch sie von ihrer neuen Stelle erfahren hatten (vgl. Abbildung 4). Dabei mag es sich um Hinweise von Beratern, um Aushänge oder um elektronische Stellenanzeigen gehandelt haben. Aber auch mit Blick auf die Informationsbeschaffung zeigt sich: Die allermeisten Arbeitslosen haben ohne die Arbeitsagenturen eine neue Beschäftigung gefunden. Im Jahr 2013 traf das auf reichlich drei Viertel der Arbeitslosen zu, die eine Stelle angetreten hatten.

Viel häufiger war die Jobsuche über Freunde oder Bekannte erfolgreich. Nicht selten wurden auch Stellenanzeigen oder andere Wege (etwa Initiativbewerbungen) genutzt. Mitunter wurde zu einem früheren Arbeitgeber gewechselt (etwa bei saisonaler Arbeitslosigkeit); eine recht geringe Rolle spielen indes private Vermittler. Dieses Muster hat sich über die Zeit wenig verändert. Ein Effekt der Hartz-III-Reform ist auch hier nicht sichtbar, denn zuvor war der Anteil der in eine Beschäftigung eingetretenen Arbeitslosen, die qua Arbeitsverwaltung über ihren neuen Job informiert worden waren, keineswegs kleiner.

Abbildung 4
Informationskanäle erfolgreicher Stellensuchender
in %
32064.png

Quelle: Das Sozio-ökonomische Panel (v30 beta); Berechnungen des DIW Berlin.

Eine ins Auge springende Änderung bei der Informationsbeschaffung gibt es aber doch – und zwar bei den Stellenanzeigen. Früher erfolgte die erfolgreiche Jobsuche mehr über Zeitungsanzeigen; inzwischen haben ihnen die vor wenigen Jahren noch weitgehend bedeutungslosen Anzeigen via Internet den Rang abgelaufen. Das gilt insbesondere für Arbeitslose, aber auch bei anderen Jobsuchenden haben Zeitungsanzeigen zugunsten des Internets stark an Relevanz verloren.

Passen Arbeitslose und offene Stellen immer weniger zusammen?

Es könnte sein, dass den Arbeitsagenturen die Vermittlung von Arbeitslosen deshalb immer schwerer fällt, weil sich zwischen dem Stellenangebot und den Arbeitslosen zunehmend ein „Mismatch“ gebildet hat. Eine Momentaufnahme zeigt deutliche Unterschiede zwischen der Struktur der Qualifikationen der Arbeitslosen und der Anforderungen der offenen Stellen. Das lässt sich anhand einer groben Klassifizierung der Berufe nachweisen; die hier verwendeten Daten sind allerdings erst für die Zeit seit Mitte 2011 verfügbar.20 So kommt für fast die Hälfte der Arbeitslosen lediglich eine Helfertätigkeit infrage – von den bei den Arbeitsagenturen gemeldeten offenen Stellen entfällt indes nur jede sechste auf eine solche Tätigkeit (vgl. Tabelle 3). Das Stellenangebot setzt sich entsprechend viel stärker aus qualifizierten Jobs zusammen, während Fachkräfte unter den Arbeitslosen im Vergleich dazu unterrepräsentiert sind. Dennoch besteht generell kein Engpass beim Arbeitskräfteangebot, denn in allen Tätigkeitskategorien beläuft sich die Zahl der Arbeitslosen auf ein Vielfaches der von den Arbeitsagenturen erfassten Vakanzen.

Tabelle 3
Arbeitslose und offene Stellen nach Tätigkeitsgruppen
Angaben für September des jeweiligen Jahres
  Struktur der Arbeitslosen in % Struktur der offenen Stellen in % Arbeitslose je offene Stelle
  2011 2014 2011 2014 2011
Helfer 44,3 46,3 16,5 16,9 14,0
Fachkraft 45,1 42,2 67,0 66,5 3,2
Spezialist 5,1 5,2 8,6 8,7 3,1
Experte 5,5 6,2 8,0 7,9 4,1
Insgesamt 100 100 100 100 5,4

Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen.

Auch in den allermeisten Berufen überwog bundesweit die Zahl der Arbeitslosen die der amtlich registrierten offenen Stellen. Zu den wenigen Ausnahmen zählten im September 2014 Fachkräfte in einigen Gesundheitsberufen (in der Altenpflege sogar Helfer), hier und da hoch qualifizierte Experten (etwa solche für Informationstechnik) sowie – in gerade einmal einem halben Dutzend Berufen – Personal mit abgeschlossener Lehre (Lokführer und andere Verkehrstechniker, Mechatroniker, Energietechniker, Kunststoffhersteller sowie Klempner).21 In regionaler Hinsicht mag es hier und da größere Engpässe für die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsagenturen geben.

Über die Zeit ergab sich bei den Arbeitslosen eine Veränderung in der Qualifikationsstruktur: Der Anteil der Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung hat in den letzten Jahren zugenommen (vgl. Tabelle 4). Er ist deutlich höher als in den Jahren gleich nach der Jahrtausendwende; allerdings wurden damals viele Erwerbslose, die Sozialhilfe bezogen und sich nicht bei den Arbeitsämtern als Arbeitslose gemeldet hatten, nicht mitgezählt. Wird das in Rechnung gestellt, war die Strukturverschiebung hin zu den Personen ohne Berufsausbildung wohl nicht groß. Eine erheblich gewachsenes Hemmnis für die Vermittlung dürfte sich deshalb nicht ergeben haben. Das lässt sich auch daran ablesen, dass nach wie vor zahlreiche Arbeitslose einen Job finden – und in den allermeisten Fällen ohne Mithilfe der Arbeitsagenturen oder Jobcenter.

Tabelle 4
Arbeitslose ohne Berufsausbildung, Langzeitarbeitslose und durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit
  Ohne Berufs­ausbildung Ein Jahr und länger arbeitslos Dauer der Arbeitslosigkeit bei deren Beendigung in Wochen
  Anteil an allen Arbeitslosen in % altes Messkonzept neues Messkonzept
20001 37,8 36,4 39,0  
20011 37,0 33,5 38,3  
20021 35,4 33,1 37,6  
20031 34,4 36,4 37,4  
20042 34,9 42,1 38,1  
20052 40,3 35,0 38,4  
2006     40,1  
2007   46,1 41,3 45,6
2008   40,7   42,1
2009 43,6 33,3   36,9
2010 42,7 35,2   37,9
2011 44,4 35,9   37,1
2012 44,9 36,1   37,1
2013 45,3 36,3   37,4
2014 46,0 37,2    

1 Angaben für September des jeweiligen Jahres.

2 Nur Angaben für kommunale Träger bzw. Kreise mit vollständigen Angaben.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen.

Ebenfalls etwas angezogen hat in den letzten Jahren der Anteil der Langzeitarbeitslosen. Kaum verändert hat sich indes die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit.22 Dass mit Blick auf die Langzeitarbeitslosigkeit wenig geschehen ist, wirft ein weiteres Schlaglicht auf den Erfolg bzw. den ausgebliebenen Erfolg der Reform. Denn es war das erklärte Ziel, durch rasche Vermittlung die Langzeitarbeitslosigkeit weitgehend zu beseitigen.

Folgerungen

Mit dem mehr als zehn Jahre zurückliegenden Umbau der Bundesagentur für Arbeit sollten die Arbeitslosen durch eine effektivere Vermittlung besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dieses Ziel wurde nach den hier vorgelegten Befunden wohl nicht erreicht. Nach wie vor findet nur ein geringer Teil der Arbeitslosen durch die Vermittlung der Arbeitsverwaltung einen Job. Vor der Reform wurde es als skandalös angesehen, dass das lediglich bei 20% der Fall sei; der Wert wird bis heute nicht übertroffen.

Dieses Ergebnis ist auch deshalb enttäuschend, weil die Reform mit einem erheblichen Personalaufbau bei der Bundesagentur für Arbeit einherging. Im ganzen Jahr 2014 kamen auf einen Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit gerade einmal 4,5 Vermittlungen; bei den ungeförderten Beschäftigungsverhältnissen waren es sogar nur 2,5 Vermittlungen.23 Allerdings sind längst nicht alle Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit in der Vermittlung tätig. Viele dürften etwa mit der Berechnung und der Auszahlung von finanziellen Leistungen beschäftigt sein; überdies hat die Bundesagentur für Arbeit Tätigkeiten auszuüben, die mit Angelegenheiten des Arbeitsmarktes nichts zu tun haben – etwa die Familienkasse für die Auszahlung des Kindergeldes zu verwalten. Die Vermittlung ist gleichwohl die Kernaufgabe der Bundesagentur für Arbeit, und sie muss ihren Erfolg daran messen lassen – zumal sie angesichts konjunkturbedingt sinkender Arbeitslosenzahlen erheblich entlastet wird und auch die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und die damit verbundenen Verwaltungstätigkeiten weniger geworden sind.

Von daher weisen Äußerungen des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit über Pläne für einen erheblichen Personalabbau wohl in die richtige Richtung.24 Belegt ist allerdings, dass eine größere Zahl an Vermittlern zu einer besseren Job-Vermittlung von Arbeitslosen beiträgt.25 Deshalb sollte im Zuge personeller Umstrukturierungen der Vermittlung mehr Gewicht zugemessen werden, etwa auf Kosten der erst in den letzten Jahren gesuchten neuen Betätigungsfelder – wie der Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland. Vielleicht haben sich auch Befürchtungen bestätigt, dass die Vermittlungstätigkeit mit zuviel Bürokratie belastet wurde.26

Von weitreichenden Konsequenzen wie einer neuerlichen Reform ist dagegen abzuraten. Dafür müssten Instrumente benannt werden können, die eine starke Hebelwirkung zur Verbesserung der Vermittlungstätigkeit entfalten. Anderenfalls wird wieder nur eines erzeugt: viel Wirbel verbunden mit der Hoffnung auf eine höhere Effektivität der Arbeitsverwaltung. Überdies hat sich gezeigt, dass viele Arbeitslose sich selbst zu helfen wissen – der Arbeitsmarkt funktioniert offenbar recht gut.

  • 1 Vgl. unter anderem o.V.: Arbeitsamt-Skandal: Die große Lüge der Vermittler, Spiegel-Online vom 5.2.2002, http://www.spiegel.de/wirtschaft/arbeitsamt-skandal-die-grosse-luege-der-vermittler-a-180770.html (15.4.2015).
  • 2 Vgl. O.V.: Massive Kritik an Bundesanstalt für Arbeit, in: Die Welt vom 6.2.2002; sowie R. Zylka: Callcenter im Arbeitsamt, in: Berliner Zeitung vom 15.2.2002, http://bit.ly/1Kevxao (25.6.2015); vgl. O. Bruttel: Privatisierung der öffentlichen Arbeitsverwaltung? Ein Alternativvorschlag zur gegenwärtigen Reformstrategie, in: Argumente zur Marktwirtschaft und Politik, Nr. 94, Berlin 2005.
  • 3 G. Schmid: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt: Strategie und Vorschläge der Hartz-Kommission, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 53. Jg. (2003), Bd. 6-7, S. 3.
  • 4 Vgl. P. Hartz: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Bericht der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit (Bericht der Hartz-Kommission) Berlin 2002, S. 59.
  • 5 G. Schmid, a.a.O., S. 4.
  • 6 Ebenda.
  • 7 Bericht der Hartz-Kommission, a.a.O., S. 100.
  • 8 Zum SOEP vgl.: G. G. Wagner, J. Göbel, P. Krause, R. Pischner, I. Sieber: Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP): Multidisziplinäres Haushaltspanel und Kohortenstudie für Deutschland – Eine Einführung (für neue Datennutzer) mit einem Ausblick (für erfahrene Anwender), in: AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv, 2. Jg. (2008), Nr. 4.
  • 9 Die Umfragedaten werden üblicherweise anhand eines an der amtlichen Statistik (Mikrozensus) angelehnten Hochrechnungsschemas gewichtet. Verwendet wurden die derzeit verfügbaren Hochrechnungsfaktoren. Diese haben allerdings nur vorläufigen Charakter, weil die Ergebnisse des jüngsten Zensus noch nicht berücksichtigt sind. Anzunehmen ist bei der hier in den Blick genommenen Thematik, dass Berechnungen anhand der endgültigen Hochrechnungsfaktoren zu nur unwesentlich anderen Ergebnissen führen dürften als die Datenauswertungen mit Hilfe der vorläufigen Faktoren.
  • 10 Bis Mitte 2013 gibt es derzeit Informationen.
  • 11 Es liegen keine hinreichenden Informationen über das Arbeitsvolumen der BA-Beschäftigten oder über das Verhältnis von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten für einen Zeitvergleich vor. Mitte 2002 betrug der Anteil der Teilzeitbeschäftigten 24%. Für das Jahr mit den gegenwärtig zeitnächsten Informationen – 2013 – gibt es lediglich Angaben über das Vollzeitäquivalent der Beschäftigten. Es belief sich auf 90% der Zahl der Beschäftigten. Demnach dürfte sich am Anteil der Teilzeitbeschäftigten über die Zeit kaum etwas verändert haben. Vgl. hierzu für die genannten Jahre: Statistisches Bundesamt: Finanzen und Steuern. Personal des öffentlichen Dienstes, Fachserie 14, Reihe 6.
  • 12 D. Freiburghaus: Dynamik der Arbeitslosigkeit: Umschlagsprozeß und Dauerverteilung der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik 1966-1977, Meisenheim 1978.
  • 13 Als Jahresanfangswert wurden die Angaben für den Dezember des vorhergehenden Jahres verwendet.
  • 14 Es gibt Lücken in der Zeitreihe von 2003 bis 2006. Ungewiss ist, inwieweit die für die Zeit danach veröffentlichten Daten in methodischer Hinsicht den für die Zeit zuvor ausgewiesen Daten entsprechen.
  • 15 Im Januar 2015 betrug der Bestand an geförderten Selbständigen noch 32 000, in den Jahren 2005 und 2006 waren es etwa zehnmal so viele.
  • 16 Vgl. K. Brenke: Fünf Jahre Hartz IV – das Problem ist nicht die Arbeitsmoral, in: Wochenbericht des DIW, Nr. 6/2010, S. 4.
  • 17 Das sind Personen, die im Jahr vor der jeweiligen SOEP-Erhebung arbeitslos gemeldet waren und angaben, seit dem Jahr vor der Erhebung wieder eine bezahlte Tätigkeit aufgenommen zu haben. Ausgeklammert sind Selbständige. Die Zahl der nach dieser Definition im SOEP aufgefundenen Personen ist allerdings nicht groß und bewegt sich bei den hier verwendeten Erhebungswellen zwischen 300 und 500.
  • 18 Die Arbeitsagenturen ermitteln unter den Abgängern aus der Arbeitslosigkeit deren Erwerbsstatus qua Befragung. Dabei gibt es eine erhebliche Zahl an Antwortausfällen. Es könnte sein, dass ein Teil solcher Personen, die ohne Mithilfe der Arbeitsagenturen eine neue Stelle gefunden haben, sich nicht an der Umfrage beteiligen. Überdies wäre es möglich, dass ein Teil der Personen, die an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnehmen (etwa an einer sogenannten Arbeitsgelegenheit, einem sogenannten Ein-Euro-Job), sich bei den SOEP-Erhebungen als weiterhin arbeitslos einstufen.
  • 19 Für vorhergehende Jahre wurden keine entsprechenden Daten erhoben.
  • 20 Seitdem wird eine neue Berufssystematik verwendet, die eine einfache Berufsklassifizierung zulässt.
  • 21 Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt nach Berufen, September 2014. Der September wurde gewählt, weil saisonbedingt die Zahl der Arbeitslosen üblicherweise relativ klein und die der offenen Stellen relativ groß ist.
  • 22 Allerdings gibt es nur entsprechende Angaben für alle aus der Arbeitslosigkeit ausscheidenden Personen und keine Angaben für diejenigen, die durch die Aufnahme eines Jobs ihre Arbeitslosigkeit beendet haben.
  • 23 Die Zahlen sind sogar noch überhöht, da nicht nur die Bundesagentur für Arbeit, sondern auch die zugelassenen kommunalen Träger in der Arbeitsvermittlung tätig sind. Angaben über die Vermittlungen nach der Trägerschaft sind nicht verfügbar.
  • 24 Vgl. F. Specht: Chaos im Amt, in: Handelsblatt vom 7.4.2015.
  • 25 Vgl. T. Kruppe (Hrsg.): Mehr Vermittlungen durch mehr Vermittler. Ergebnisse des Modellversuchs „Förderung der Arbeitsaufnahme“ (FAIR), Nürnberg, Bielefeld 2008.
  • 26 Vgl. S. Sell: Vom Arbeitsamt zum Job Center und mehr – Arbeitsvermittlung nach Hartz, in: Wirtschaftsdienst, 82. Jg. (2002), H. 10, S. 589-596, http://www.wirtschaftsdienst.eu/downloads/getfile.php?id=75 (25.6.2015).

Title:Employment Agencies: No Greater Efficiency After the Reform

Abstract:An important component of German labour market reforms, implemented over ten years ago, was the remodelling of the Public Employment Service. Its aim was to reduce unemployment with improved and faster job placement. Although the number of employees at the Public Employment Service has increased sharply, this aim has not yet been achieved. The share of individuals who were no longer unemployed because they had taken up employment was no higher after the reform than it was before. Only a small number of unemployed found a job with the help of the Public Employment Service, and that number has not increased over time. Moreover, the share of the long-term unemployed remains virtually unchanged.


DOI: 10.1007/s10273-015-1849-0

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