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Im April 2015 hat die Expertenkommission zur „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ ihren Bericht abgeliefert und damit die Diskussion über die Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland wieder angeregt. Einig sind sich die Autoren über den dringenden Investitionsbedarf – vor allem bei den Kommunen. Kontrovers ist, inwieweit private Investoren gewonnen werden können oder sollten, welche Kosten damit verbunden sind und ob sich die Finanzierungsmethode auf die Einhaltung der Schuldenbremse auswirkt.

Der Bericht der Expertenkommission zur „Stärkung von Investitionen in Deutschland“

Deutschland hat ein schwerwiegendes Investitionsproblem. Die öffentliche Infrastruktur – Straßen, Brücken und Schulgebäude – verfällt. Der Staat investiert bereits seit Langem nicht mehr genug, um diesen Wertverfall zu stoppen, geschweige denn, um neue, zukunftsweisende Bereiche zu erschließen. Auch die privaten Investitionen gehören in Deutschland mit zu den niedrigsten aller Industrieländer. Stattdessen investieren deutsche Unternehmen immer mehr im Ausland, auch weil die öffentliche Infrastruktur und die Rahmenbedingungen in Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Zu geringe private und öffentliche Investitionen heute gefährden Wohlstand und Beschäftigung zukünftiger Generationen. Deutschland lebt von seiner Substanz.

Wie groß ist die Investitionslücke?

Aber gibt es eine solche Investitionslücke in Deutschland wirklich? International ist dies unumstritten. In Deutschland selbst gibt es noch einige Wenige, die eine Investitionsschwäche nicht erkennen können oder wollen. Dies spiegelt nicht nur ein übermäßig starkes Vertrauen in die Effizienz von Märkten wider, sondern ein anderes Verständnis dessen, worum es sich bei einer solchen Investitionsschwäche handelt. Ein Beispiel: laut dem World Economic Forum (WEF) hatte Deutschland Anfang des Jahrtausends noch die zweitbeste Verkehrsinfrastruktur der Welt. Heute liegt Deutschland auf Platz elf. Eine jede solcher Ranglisten hat sicherlich Schwächen und sollte nicht überinterpretiert werden. Aber wenn wir diesem Ranking Glauben schenken, dann verfügt Deutschland zwar nach wie vor über eine vergleichsweise gute Verkehrsinfrastruktur, der Vorsprung gegenüber vielen Wettbewerbern hat sich jedoch verringert oder gar zu einem leichten Nachteil gewandelt.

Die Qualität einer Infrastruktur oder von Investitionen kann allerdings immer nur im Vergleich und mit Bezug auf einen Benchmark, eine Zielgröße oder ein weiterreichendes Ziel bewertet werden. So gesehen ergibt es wenig Sinn, über „optimale“ öffentliche oder private Investitionen zu sprechen. Eine „Investitionslücke“ oder „Investitionsschwäche“ identifiziert die fehlenden Investitionen im Vergleich zu einem Benchmark – wie dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland und einer gewünschten Potenzialwachstumsrate der Volkswirtschaft.

Wie groß ist also diese Investitionsschwäche? Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, Deutschlands Investitionsrückstand gegenüber anderen OECD-Ländern zu schließen. Dieser belief sich 2013 auf 3% der Wirtschaftsleistung oder knapp 90 Mrd. Euro jährlich. Sicherlich sind viele Zahlen und Ziele, die von der Politik ausgegeben werden, mit Vorsicht zu betrachten. Aber eine Reihe wissenschaftlicher Studien zeigt,1 dass Deutschland in der Tat eine Investitionslücke von ca. 3% der Wirtschaftsleistung hat. Studien des DIW Berlin, des Internationalen Währungsfonds (IWF), der OECD und anderer analysieren, wieviel zusätzliche öffentliche und private Investitionen Deutschland benötigt, um seine gegenwärtige globale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und eine bereinigte Potenzialwachstumsrate von etwa 1,5% pro Jahr – und damit einen moderaten Zuwachs von Wohlstand und die Sicherung von Beschäftigung – in den kommenden zwei Jahrzehnten zu ermöglichen. Diese Studien kommen in ihren Berechnungen ebenfalls auf eine Investitionslücke in Deutschland von 3% bis 4% der Wirtschaftsleistung.

Diese Zahl von fast 100 Mrd. Euro jährlich mag enorm groß erscheinen. Sie ist jedoch relativ gering im Vergleich zu der Nettoersparnis Deutschlands, die sich im Leistungsbilanzüberschuss von etwa 250 Mrd. Euro – oder 7,8% der Wirtschaftsleistung – im Jahr 2014 widerspiegelt. Eine Investitionslücke von 3% macht weniger als die Hälfte dieser Nettoersparnis aus.

Zudem ist dies keine abstrakte Zahl, sondern wir wissen in vielen Bereichen konkret, wo es in Deutschland an Investitionen mangelt und wie hoch diese ausfallen müssten. Im Bereich der Verkehrsinfrastruktur fehlen jährlich 7 Mrd. bis 10 Mrd. Euro, nur um den Wert der bestehenden Verkehrsinfrastruktur zu erhalten.2 Dies berücksichtigt nicht den Wertverfall der öffentlichen Infrastruktur in den vergangenen zwei Jahrzehnten, der sich nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) auf fast 500 Mrd. Euro beläuft und der zumindest zum Teil kompensiert werden muss.

Im Bereich von Bildung und Wissenschaft gibt der deutsche Staat jährlich knapp 1% oder 25 Mrd. Euro weniger aus als andere OECD-Länder.3 Alleine um die Qualität von Kitas und Kindergärten auf den von der OECD empfohlenen Standard zu bringen, müssten in Deutschland jedes Jahr 9 Mrd. Euro an zusätzlichen Ausgaben getätigt werden. Ist dies eine enorme Summe? Sicherlich. Aber sie entspricht in etwa den Kosten der Rentenreformen, die die Bundesregierung 2014 umgesetzt hat. Auch wenn nur ein Teil dieser Ausgaben als öffentliche Investitionen geführt wird und es bei Bildung und Wissenschaft eher auf die Qualität und Effizienz der Ausgaben ankommt, so zeigen diese Zahlen doch, dass die öffentliche Hand in Deutschland auch in diesem Bereich in den kommenden Jahren deutlich mehr Anstrengungen unternehmen muss.

Der größte Teil der Investitionslücke basiert auf unzureichenden privaten Investitionen. Damit die Ziele der Energiewende erreicht werden können, müssen in Deutschland mindestens über das nächste Jahrzehnt mehr als 30 Mrd. Euro zusätzlich in Netze, Technologie und Energieeffizienz investiert werden. Deutschlands digitale In­frastruktur gehört zu den schlechtesten in ganz Europa. Schätzungen zeigen, dass ein flächendeckender Glasfaserausbau in Deutschland insgesamt 80 Mrd. Euro kosten würde – auch wenn diese Schätzung mit Vorsicht zu genießen ist, da auch in diesem Bereich umstritten ist, welche Lösung die beste für den Ausbau der digitalen Infrastruktur wäre.

Dass es in Deutschland eine „private“ Investitionslücke gibt, bedeutet nicht, dass Unternehmen die für sie falschen Investitionsentscheidungen treffen. Ganz im Gegenteil: Für viele deutsche Exportunternehmen ist es extrem wichtig, in globalen Märkten auch durch Direktinvestitionen präsent zu sein. Auslandsinvestitionen spiegeln häufig die hohe Attraktivität anderer Wirtschaftsstandorte wider. Aber sie reflektieren eben auch die vergleichsweise schlechteren Rahmenbedingungen für private Investitionen in Deutschland. Die größten deutschen Exportunternehmen haben in den vergangenen 15 Jahren ihre Zahl der Beschäftigten außerhalb Deutschlands um 50% gesteigert, ihre Beschäftigung in Deutschland ist jedoch gesunken. Das Argument, Auslandsinvestitionen würden dazu dienen, Beschäftigung in Deutschland zu sichern, ist daher alles andere als überzeugend. Die Investitionslücke bedeutet also nicht, dass private Unternehmen falsche Entscheidungen treffen. Für die Wirtschaftspolitik ergeben sich damit zwingende Fragen, etwa wie sie die Rahmenbedingungen für private Investitionen in Deutschland so gestalten kann, dass sowohl einheimische als auch ausländische Unternehmen in Zukunft mehr Investitionen in Deutschland tätigen.

Das Argument mancher, es gebe zwar eine öffentliche, aber keine private Investitionsschwäche, ist widersprüchlich und falsch. Eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur dient nicht nur dem privaten Konsum und Vergnügen seiner Bürger, sondern ist eine essenzielle Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit privater Unternehmen. Eine unzureichende öffentliche Infrastruktur führt deshalb auch zu geringeren privaten Investitionen.

Vorschläge der Expertenkommission

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat im August 2014 eine Expertenkommission zur „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ berufen. Deren 21 Mitglieder, darunter vier Wissenschaftler, haben im April 2015 einen Zehn-Punkte-Plan für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung präsentiert.4 Auch wenn es innerhalb der Kommission unterschiedliche Positionen zum Thema Steuern und zur privaten Finanzierung öffentlicher Investitionen gibt, so bildet der Plan doch einen ungewöhnlich breiten gesellschaftlichen Konsens ab. Er zielt sowohl darauf ab, dem Staat und vor allem den Kommunen neue Handlungsoptionen zu eröffnen, als auch Marktmechanismen zu stärken und die Anreize für private Investitionen zu verbessern.

Die Kommission schlägt eine stärkere Selbstbindung des Staates bezüglich öffentlicher Investitionen vor. Er sollte sich rechtlich binden, damit Investitionen zumindest so hoch sind, dass sie die Abschreibung auf das Staatsvermögen kompensieren. Die Kommission hinterfragt die Schuldenbremse nicht, befürwortet jedoch eine haushaltsrechtliche Regelung, so dass finanzielle Spielräume durch unerwartete Überschüsse in Zukunft prioritär für öffentliche Investitionen verwendet werden. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, die inhärente Asymmetrie der Schuldenbremse auszugleichen. Denn in schlechten Zeiten, oder dann wenn der öffentliche Haushalt konsolidieren muss, ist es bislang leicht möglich, öffentliche Investitionen als konsumtive Ausgaben zu kürzen. Umgekehrt werden diese in Zeiten mit unerwarteten Einnahmen häufig nicht dafür genutzt, die entstandenen Investitionsrückstände auszugleichen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Prioritäten der großen Koalition im Jahr 2014, die vor allem auf eine Erhöhung der konsumtiven Ausgaben abzielten.

Zudem empfiehlt die Kommission die Schaffung einer öffentlichen Verkehrsinfrastrukturgesellschaft für Bundesfernstraßen, die nicht nur kostengünstiger agieren kann, sondern durch ihre Autonomie sicherstellt, dass Bundesfernstraßen in Zukunft den Anforderungen gerecht werden. Diese Verkehrsinfrastrukturgesellschaft sollte direkt alle Mauteinnahmen und einen Teil der Mineralölsteuer erhalten, um so zu vermeiden, dass diese Einnahmen für andere Zwecke verwendet werden und die Infrastruktur weiter an Wert verliert. Ferner sollte diese Gesellschaft mehrheitlich in öffentlicher Hand aber auch privatrechtlich organisiert sein, damit sie sich selbstständig über den Kapitalmarkt finanzieren kann, um in Jahren eines hohen Investitionsbedarfs diesen decken zu können. Die Maut und Mineralölsteuer reichen aus, damit sich diese Gesellschaft langfristig aus diesen Einnahmen finanzieren kann. Ob die Gesellschaft mit einer staatlichen Garantie ausgestattet ist, ist zweitrangig. Ziel ist es ausdrücklich nicht, einen Schattenhaushalt zu schaffen, um die Schuldenbremse zu vermeiden. Einiges spricht sogar dafür, eine solche Gesellschaft nicht unabhängig vom Bundeshaushalt zu führen.

Bei den öffentlichen Haushalten leiden vor allem viele Kommunen unter einem chronischen Investitionsnotstand. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau schätzt den kommunalen Investitionsrückstand auf 118 Mrd. Euro. Die Expertenkommission empfiehlt einen „nationalen Investitionspakt für Kommunen“, der mit 15 Mrd. Euro in den kommenden drei Jahren zumindest den weiteren Substanzverfall stoppen soll. Zudem benötigen Kommunen Kapazitäten, um Infrastrukturprojekte planen zu können. Die Kommission schlägt daher die Schaffung einer „Infrastrukturgesellschaft für Kommunen“ vor, die bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, Auswahl von Beschaffungsoptionen und dem Planungsprozess den Kommunen beratend zur Seite stehen soll. Umfragen bei Kommunen zeigen, dass vor allem schwächere und kleinere Kommunen häufig noch nicht einmal Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchführen können, um Investitionsprojekte systematisch zu evaluieren und zu planen.

Öffentlich-private Partnerschaften

Die private Finanzierung öffentlicher Infrastruktur – öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) – wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Viele ÖPP-Projekte sind gescheitert, aber es gibt auch Beispiele, wo der Staat profitieren konnte. Die Expertenkommission spricht sich per se weder für noch gegen ÖPP aus. ÖPP sollten nur dann installiert werden, wenn sie Staat und Gesellschaft nutzen – wenn also deren Effizienzgewinne größer sind als die höheren privaten Finanzierungskosten. Die Kommission schlägt die Prüfung sowohl eines „öffentlichen Infrastrukturfonds“ für institutionelle Investoren als auch eines „Bürgerfonds“ für den Kleinsparer vor. Diese Fonds sollen öffentliche Infrastrukturprojekte bündeln, somit das Risiko für Bürger und Investoren reduzieren und letztlich die Finanzierungskosten für den Staat senken.

Das Thema der ÖPP ist für viele in Deutschland ein rotes Tuch. ÖPP sind in der Tat nicht immer die beste Lösung und haben sich in der Vergangenheit in einigen Fällen sicherlich auch als teurer für die öffentliche Hand erwiesen. Ziel der öffentlichen Hand muss es jedoch sein, eine Infrastruktur für die Bürger so günstig und effizient wie möglich bereitzustellen. Hierbei gilt es die Finanzierungskosten, die Effizienz von Bereitstellung und Erhalt sowie das Risiko eines Projekts zu berücksichtigen. Für eine kleine, finanzschwache Kommune, die beispielsweise eine Umgehungsstraße für 10 Mio. Euro bauen will, deren Kosten jedoch auch 12 Mio. Euro oder 15 Mio. Euro betragen könnte, kann es in vielen Fällen Sinn ergeben, sich gegen dieses Risiko zu versichern.

Die vorgeschlagenen Lösungen der Expertenkommission sollen eine solche Versicherung ermöglichen und gleichzeitig die Probleme vergangener ÖPP vermeiden (bei denen beispielsweise Privatunternehmen dann Insolvenz angemeldet haben, wenn es zu erheblichen Mehrkosten kam, sodass die Risiken letztlich bei der öffentlichen Hand verblieben sind). Dies geschieht dadurch, dass sowohl Projekte als auch Investoren gebündelt werden, sodass das Gesamtrisiko gestreut und damit das Risiko für jeden individuellen Investor minimiert wird. Dies bedeutet auch geringere Finanzierungskosten für die öffentliche Hand als sonst üblich bei ÖPP.

Wir sollten beim Thema ÖPP offen sein und uns nicht von Vorurteilen leiten lassen. Es wird sicherlich auch in der Zukunft so sein, dass nicht ÖPP für viele öffentliche Projekte die beste Lösung sind, sondern die konventionelle Beschaffung. Grundsätzlich sollte es darum gehen, öffentlichen Entscheidungsträgern mehrere Optionen an die Hand zu geben, um ihrem Auftrag, eine öffentliche Infrastruktur so günstig und effizient wie möglich bereitzustellen, nachkommen zu können. Wenn es gelingt, durch die Vorschläge der Expertenkommission öffentliche Investitionen in Deutschland zu verbessern und zu erhöhen, dann sollte dies zu einer „win-win“-Situation führen, in der es sowohl mehr konventionelle Beschaffung als auch mehr ÖPP geben wird.

Private Investitionen fördern

Um Deutschland zukunftsfähig zu machen, muss man Zukunftsthemen für Wirtschaft und Gesellschaft frühzeitig erkennen und fördern. Viele Konkurrenten Deutschlands investieren deutlich mehr in Forschung und Entwicklung (FuE). Deshalb sollte Deutschland ambitionierter sein und ein Ziel von 3,5% der Wirtschaftsleistung für FuE-Ausgaben anstreben. Auch müssen Wege gefunden werden, junge Unternehmen zu fördern, um neue Ideen zu generieren und Deutschland in vielen zukunftsgerichteten Branchen wettbewerbsfähig zu machen. Die Expertenkommission hat dazu eine Reihe von konkreten Empfehlungen formuliert, wie die Wirtschaftspolitik bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen in vier Kernbereichen – Innovation, junge Unternehmen, Energie und digitale Infrastruktur – schaffen kann.

Nicht nur Deutschland hat eine große Investitionsschwäche. Europa steckt nach wie vor tief in der Krise, und Wachstum und Beschäftigung müssen in erster Linie über höhere private Investitionen generiert werden. Die Zukunft Deutschlands und Europas sind unweigerlich miteinander verknüpft. Deutschland kann nur dann seinen Wohlstand sichern, wenn Europa aus der Krise kommt und wächst. Die Expertenkommission begrüßt daher den Juncker-Plan zur Einbindung privaten Kapitals in Zukunftsinvestitionen. Wenn er erfolgreich ausgestaltet werden kann, dann empfiehlt die Kommission diesen Juncker-Plan in eine dauerhafte Einrichtung zu überführen. Dies würde auch höhere Finanzmittel der Bundesregierung für einen gemeinsamen europäischen Investitionsplan erfordern.

Deutschland steht am Scheideweg. Durch die günstige Konjunktur, niedrige Zinsen und den starken Arbeitsmarkt haben wir heute eine einmalige Chance, Deutschland für die Zukunft zu wappnen und den Grundstein für Wohlstand und Beschäftigung zukünftiger Generationen zu legen. Dies erfordert höhere private und öffentliche Investitionen in eine starke Infrastruktur, ein leistungsfähiges Bildungssystem und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen. Der Zehn-Punkte-Plan der Expertenkommission zeigt Wege auf, wie dies gelingen kann. Wir haben im Moment alle Voraussetzungen, diese Ziele zu realisieren. Notwendig ist nun ein stärkerer politischer Wille zur Umsetzung.

  • 1 C. Lewis, N. Pain, J. Strasky, F. Menkyna: Investment Gaps after the Crisis, OECD Economics Department Working Papers, Nr. 1168; International Monetary Fund: Uneven Growth: Short- and Long-Term Factors, World Economic Outlook, April 2015; B. Barkbu, P. Berkmen, P. Lukyantsau, S. Saksonovs, H. Schoelermann: Investment in the Euro Area: Why Has It Been Weak?, IMF Working Paper, Nr. 15/32, 2014; S. Elekdag, D. Muir: Das Public Kapital: How Much Would Higher German Public Investment Help Germany and the Euro Area?, IMF Working Paper, Nr. 14/227, 2014.
  • 2 DIW Berlin und Handelsblatt Research Institute: Private Investitionen in Deutschland, Studie im Auftrag des Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft, 2014, http://www.diw.de/sixcms/detail.php/489225.pdf (7.7.2015).
  • 3 G. Baldi, F. Fichtner, C. Michelsen, M. Rieth: Schwache Investitionen dämpfen Wachstum in Europa, in: DIW Wochenbericht, Nr. 27/2014, S. 637-651.
  • 4 Stärkung von Investitionen in Deutschland, Bericht der Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/I/investitionskongress-report-gesamtbericht-deutsch-barrierefrei,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf.

Zwischen (In-)Effizienz, (In-)Transparenz und politischen Interessen

Der sowohl in Fachkreisen als auch in der Öffentlichkeit diskutierte Bedarf an einer Erneuerung und teilweise auch an einer Erweiterung der Infrastruktur in Deutschland und anderen Staaten ist wohl weitgehend unstrittig. Jüngst hat die vom Bundesminister für Wirtschaft und Infrastruktur eingesetzte Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ eine allgemeine, sowohl die öffentliche Hand als auch die Privatwirtschaft betreffende „Investitionsschwäche“ in Deutschland konstatiert und Empfehlungen zur Überwindung derselben vorgelegt.1

In diesem Beitrag werden zunächst die Empfehlungen/Vorschläge der Kommission zur Sicherung nachhaltiger öffentlicher Investitionen und zur Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur vorgestellt. Anschließend werden deren Hintergründe beleuchtet und die Empfehlungen aus ökonomischer Sicht beurteilt. Nicht Gegenstand dieses Beitrags sind die Kommissionsvorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investitionen insgesamt und zur Verbesserung der Bedingungen für Investitionen in private Infrastruktur.

Vorschläge der Expertenkommission zu öffentlichen Investitionen und öffentlicher Infrastruktur

In Zusammenhang mit der Sicherung nachhaltiger öffentlicher Investitionen diskutiert die Kommission im zweiten Kapitel ihres Berichts zunächst die Wiedereinführung einer Investitionsorientierung als Zusatz zur neuen Schuldenregel bzw. eine modifizierte Rückkehr zur „Goldenen Regel der Finanzpolitik“. Entsprechend dieser Regel kann eine Staatsverschuldung, die die Produktivität und die Einkommensmöglichkeiten in der Zukunft erhöht, durchaus gerechtfertigt sein. Damit steht sie in Kontrast zur derzeit geltenden strikten „Schuldenbremse“. Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit der alten grundgesetzlichen Kreditaufnahmebegrenzung gemäß Art. 115 Abs. 1 Satz 2 a.F. und vor allem wegen der Abgrenzungsprobleme des Investitionsbegriffs verwirft die Kommission diesen Gedanken jedoch. So würde eine nach Ansicht der Kommission in diesem Kontext notwendige Mindest­investitionsquote aufgrund der Definitionsprobleme des Investitionsbegriffs die Gefahr einer Vernachlässigung von Vorleistungen des Staates für Private – Bildung, Gesundheit, öffentliche Sicherheit etc. – in sich bergen. Damit schlägt sie sich auf die Seite des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen.2 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR für Wirtschaft) hatte sich dagegen für eine (netto-)investitionsorientierte Schuldenregel ausgesprochen.3

Statt einer an den Nettoinvestitionen ausgerichteten Kreditgrenze präferiert die Expertenkommission drei andere Ansätze zur Sicherung nachhaltiger öffentlicher Investitionen, die aus ihrer Sicht in Einklang mit der Einhaltung der derzeitigen Schuldenbremse stehen:

  • Die haushaltsrechtliche Verpflichtung zu öffentlichen Investitionen mindestens in Höhe der Abschreibungen auf das öffentliche Anlagevermögen,
  • die haushaltsrechtliche Verpflichtung der Verwendung von Überschüssen prioritär für öffentliche Investitionen und
  • die Schaffung spezialisierter Institutionen, d.h. selbständiger juristischer Personen, die unabhängig vom öffentlichen Haushalt über zur Aufgabenwahrnehmung ausreichende eigene Einnahmen verfügen.

Anschließend präsentiert die Kommission im dritten Kapitel konkretere Handlungsempfehlungen für die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur auf kommunaler und auf Bundesebene. Zur Sicherung der kommunalen Infrastruktur werden drei Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Die Vereinbarung eines nationalen Investitionspaktes für Kommunen (dies meint die Bereitstellung von Bundes- und Landesmitteln in Höhe des rechnerischen Substanzverzehrs kommunaler Infrastruktur in den letzten drei Jahren in Höhe von mindestens 15 Mrd. Euro),
  • die Gründung einer oder mehrerer Infra­struk­tur­gesellschaft(en), die die Kommunen bei der Planung, Projektauswahl und Projektrealisierung unterstützen, sowie
  • „öffentliche Kooperationen“, womit die vermehrte Zusammenarbeit von Kommunen gemeint ist.

Auf Bundesebene beschränken sich die Überlegungen auf Fernstraßen. Zur Beseitigung des dortigen „Investitionsstaus“ schlägt die Kommission die Einrichtung einer Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen („Verkehrsinfrastrukturgesellschaft“) vor. Diese solle folgende Merkmale erfüllen:

  • Eine Finanzierung wenigstens überwiegend aus Nutzungsentgelten ohne Mehrbelastung für die Pkw-Benutzer,
  • eine eigene „Kreditaufnahmekapazität“ ohne staatliche Garantie sowie
  • die Gewährleistung der öffentlichen Kontrolle über Bundesfernstraßen, wozu die Gesellschaft mehrheitlich oder ausschließlich im Besitz der öffentlichen Hand sein solle.

Die Kommission strebt „eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Infrastrukturgesellschaft und Staat“ an. „Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine Verschuldung der Gesellschaft, die nicht dem Staatssektor zugeordnet werden kann und somit bei der Prüfung der Einhaltung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht berücksichtigt werden sollte.“4

Des Weiteren plädiert die Expertenkommission für neue Beschaffungs- und Finanzierungsstrukturen, die den Einsatz zusätzlicher privater Mittel bei der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur ermöglichen würden. Dabei sollten „öffentliche Institutionen eine stärkere Rolle spielen als bei ÖPP (Öffentlich-Private-Partnerschaften), die Möglichkeit privater Finanzierung im Sinne echter Risikoübertragung an Private jedoch erhalten“ bleiben.5 In diesem Kontext werden zwei Möglichkeiten skizziert, nämlich

  • die Einrichtung eines Infrastrukturfonds für institutionelle Investoren gegebenenfalls unter Einbeziehung von Förderbanken und
  • ein an individuelle Sparer gerichteter sogenannter Bürgerfonds.

Hintergrund

Die Vorschläge der Expertenkommission sind – wie bereits angesprochen – vor dem Hintergrund der sogenannten Schuldenbremse und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu sehen. Die 2009 beschlossene Schuldenbremse erschwert ceteris paribus die Finanzierung von Infrastruktur, da anders als bei der alten Schuldenregelung Investitionen keine Kreditaufnahme erlauben. Die neue Schuldenbremse weist allerdings – abgesehen von der Frage der adäquaten Konjunkturbereinigung sowie den Interpretationsmöglichkeiten von besonders schweren Rezessionen, Naturkatastrophen und Schocks – zwei Schlupflöcher auf, worauf in Fachbeiträgen frühzeitig hingewiesen wurde.6 Dabei handelt es sich zum einen um ÖPP und zum anderen um sogenannte finanzielle Transaktionen.

Bei der vom Bund und den meisten Bundesländern praktizierten kameralistischen Haushaltsführung unterscheiden sich die Zahlungs- bzw. Ausgabenströme von ÖPP vom zeitlichen Verlauf der Zahlungen bzw. Ausgaben, die bei konventionell durchgeführten Projekten anfallen. Bei konventionellen Projekten sind bereits in der Investitionsphase hohe Ausgaben und eine entsprechende Kreditaufnahme auszuweisen, während bei einer ÖPP eine private Vorfinanzierung erfolgen kann, die erst bei Zahlung der „ÖPP-Raten“ sukzessive haushaltswirksam wird. Gemäß der für die deutsche Schuldenbremse ausschlaggebenden zahlungsorientierten Finanzstatistik können mittels ÖPP kurzfristig mehr Projekte realisiert werden als auf konventionelle Weise. Kurzfristig orientierte Politiker werden dieser Versuchung kaum widerstehen können, selbst wenn damit langfristig höhere Haushaltsbelastungen verbunden sind.7 Verstärkt wird dieser Anreiz durch die leichte Möglichkeit, ÖPP vertraglich so zu gestalten, dass sie gemäß des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) nicht dem Staatssektor zugeordnet werden. Damit werden sie nicht defizitwirksam entsprechend der sogenannten Maastricht-Kriterien bzw. dem Europäischen Fiskalpakt.8

Da, wie auch von der Expertenkommission vermerkt, ÖPP in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch gesehen werden, ist es nicht überraschend, dass nun nach anderen bzw. weiteren Umgehungsmöglichkeiten der Schuldenbremse gesucht wird. Der politisch attraktive Vorschlag, Institutionen mit eigenen Kreditaufnahmemöglichkeiten zu schaffen, deren Kreditaufnahme nicht als Staatsverschuldung gilt, ist daher nicht überraschend. Politisch noch attraktiver wird er, wenn man ihn mit dem Schlupfloch „finanzielle Transaktionen“ kombiniert.

Finanzielle Transaktionen beinhalten Ausgaben für den Erwerb von Beteiligungen, für Tilgungen an den öffentlichen Bereich und für die Darlehensvergabe. Umgekehrt zählen auch die entsprechenden Einnahmen dazu. Die für die deutsche Schuldenbremse (und die Maastricht-Kriterien) relevanten Größen sind um finanzielle Transaktionen zu bereinigen. Damit können Bund und Länder den Erwerb von (Anteilen an) Unternehmen mittels Kreditaufnahme finanzieren, ohne damit die Schuldenbremse zu berühren. Gründet nun der Bund eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft, kann er auch deren Eigenkapital mit Krediten finanzieren. Damit würde das respektable Kunststück einer vollständigen Kreditfinanzierung der Bundesinfrastrukturgesellschaft außerhalb der Kreditaufnahmegrenzen gelingen.9

Die derzeitige Geldpolitik der EZB, die wiederum eine Folge der verfehlten Konstruktion der europäischen Währungsunion ist, erlaubt sowohl institutionellen Investoren als auch Privatanlegern (ohne das Eingehen erheblicher Risiken) kaum noch eine Erzielung nennenswerter Renditen. Dies stellt inzwischen ein erhebliches Problem für individuelle und institutionelle Anleger dar. Damit geraten beispielsweise die Renditezusagen kapitalgedeckter (Ver-)Sicherungssysteme in Gefahr.

Die Vorschläge der Expertenkommission bringen nun die Interessen von Kapitalanlegern und (kurzfristig denkenden) Politikern zusammen. Bestimmte Handlungsempfehlungen der Kommission bewirken trotz gegenteiliger Behauptungen eine Umgehung der Schuldenbremse und bedienen damit Politikerinteressen. Zugleich eröffnen sie den Anlegern höhere Kapitalrenditen als unter den derzeitigen Bedingungen.

Ökonomische Bewertung der Kommissionsvorschläge

Der Vorschlag einer haushaltsrechtlichen Verpflichtung, öffentliche Investitionen mindestens in Höhe der Abschreibungen auf das öffentliche Anlagevermögen vorzunehmen, ist inkonsistent mit der ebenfalls von der Kommission vorgetragenen Argumentation, wonach eine Mindestinvestitionsquote wegen der dann drohenden Vernachlässigung von Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Sicherheit abzulehnen sei. Investitionen in Höhe der Abschreibungen auf Anlagevermögen als spezielle Mindestinvestitionsquote weisen genau das gleiche Problem auf, weil Abschreibungen nur auf das ansatzfähige Anlagevermögen ermittelt werden (können). Dazu gehören eben nicht Investitionen in Bildung, Gesundheit, Sicherheit etc.

Die haushaltsrechtliche Verpflichtung zur Verwendung von Überschüssen prioritär für öffentliche Investitionen ist aufgrund der prozyklischen Wirkungen problematisch. Die Schaffung spezialisierter Institutionen, die unabhängig vom öffentlichen Haushalt über zur Aufgabenwahrnehmung ausreichende Einnahmen verfügen, führt zu einer (verstärkten) Nutzerfinanzierung. Eine verursachungsgerechte Finanzierung z.B. von Fernstraßen – wenn sie intendiert ist – ist einerseits unter Lenkungsgesichtspunkten zu begrüßen. Andererseits möchte die Kommission diese Institution(en) unbedingt so gestalten, dass deren Schulden außerhalb des Staatshaushaltes geführt werden. Dies steht einem transparenten Ausweis aller staatlicher Schulden diametral entgegen.

In Hinblick auf die Sicherung der kommunalen Infrastruktur ist der Vorschlag zur einmaligen Bereitstellung von Bundes- und Landesmitteln grundsätzlich akzeptabel, wenn man davon ausgeht, dass ein Teil der finanziellen Engpässe der Kommunen durch nicht ausreichend kompensierte übertragene Aufgaben entstanden ist. Langfristig ist jedoch die Herstellung einer echten Konnexität vorzuziehen. Wenn Kommunen dann nicht ausreichend investieren, ist klarer erkennbar, dass die Gründe dafür nicht übergeordneten Gebietskörperschaften zugewiesen werden können. Dem Vorschlag verstärkter Kooperationen zwischen den Kommunen ist zuzustimmen, weil dadurch Effizienzverluste durch unkoordiniertes Handeln benachbarter Kommunen und unnütze Mehrfachkapazitäten vermindert werden können. Auch die Gründung einer oder mehrerer Infrastrukturgesellschaften zur Unterstützung der Kommunen erscheint sinnvoll. Allerdings muss bzw. müssen diese Gesellschaften anders als beispielsweise die gemischtwirtschaftliche ÖPP Deutschland AG unabhängig von den geschäftlichen Interessen privater Anteilseigner operieren bzw. die Städte und Gemeinden wirklich unabhängig und neutral beraten können.

Der auf die staatliche Ebene zielende Vorschlag zur Gründung einer Infrastrukturgesellschaft für Bundesfernstraßen dient in der hier vorgeschlagenen Ausgestaltung ganz klar der Aushebelung der Schuldenbremse, der Verschleierung staatlicher Schulden und der Steigerung der Renditen von Kapitalanlegern.10 Durch die Kreditaufnahme ohne staatliche Garantie wird den privaten Geldgebern ermöglicht, eine (zusätzliche) Risikoprämie zu fordern, die bei unmittelbarer staatlicher Verschuldung oder im Falle einer staatlichen Garantie nicht zur Diskussion stünde. De facto wird der Bund eine derartige Gesellschaft jedoch nicht insolvent werden lassen können, so dass ein „No bailout statement“ letztlich unglaubwürdig ist. Deshalb wird das Ausfallrisiko der Investoren fingiert und soll – so wie es aussieht – allein der Rechtfertigung höherer privater Renditen dienen.

Da die von der Kommission zur Erschließung neuer Anlegergruppen vorgeschlagenen Fonds ebenfalls keine staatlichen Garantien erhalten sollten, sind die Investoren wenigstens pro forma einem Verlust- und wegen der Gefahr, Anteile nicht vorzeitig veräußern zu können, einem Liquiditätsrisiko ausgesetzt. Diese Risiken werden in die Renditeerwartungen der Anleger eingepreist und damit entsprechend hohe Finanzierungskosten der öffentlichen Hand oder im Falle der Nutzerfinanzierung entsprechend hohe, von den Nutzern zu tragende Entgelte induziert. Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit es sich die öffentliche Hand leisten kann, die Fonds wirklich notleidend werden zu lassen, oder ob nicht wieder private Risiken fingiert werden.

Wenn die Anleger tatsächlich echtes Risiko tragen sollten, wäre im Übrigen zu untersuchen, ob dies einer effizienten Risikoallokation entspricht. Derartige Fonds dürften zu einem nicht unerheblichen Teil sogenannten systematischen Risiken (wie dem von der Konjunktur und von weltpolitischen Entwicklungen determinierten Verkehrsmengenrisiko) unterliegen. Derartige von den Fonds(-managern) nicht beeinflussbare und nicht diversifizierbare Risiken sollten unter dem Gesichtspunkt der Risikokosten eher vom Steuerzahler übernommen werden.11 Hier besteht also die Gefahr einer ineffizienten Risikoallokation.

Insgesamt ist die Grundrichtung der Kommissionsvorschläge zur staatlichen Infrastrukturfinanzierung zwar polit-ökonomisch nachvollziehbar, aber unter Effizienz- und Transparenzgesichtspunkten abzulehnen. Die Empfehlungen laufen im Kern auf eine ineffiziente Risikoallokation und deshalb teure Infrastrukturfinanzierung bei Verminderung der Transparenz der Staatsverschuldung hinaus. Dabei dürften zudem signifikante, tendenziell regressive12 Umverteilungseffekte entstehen. Offensichtlich sollen die Kosten der schwelenden Eurokrise von den Kapitalanlegern auf die Steuerzahler und Infrastrukturnutzer verlagert werden.

Was sind die Alternativen? Die Schaffung von Transparenz der öffentlichen Verschuldung wäre leicht erreichbar.13 Dazu müssten lediglich die Regeln der deutschen Finanzstatistik und die des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen ESVG 2010 geändert werden. Natürlich wäre auch ein ergänzender Ausweis der Gesamtverschuldung oder eine Adaption der Doppik mit Vollkonsolidierung („Konzernbilanz“) möglich.14 Dies käme aber dem Eingeständnis gleich, dass unter den derzeitigen rigiden Verschuldungsregeln ceteris paribus keine adäquate Infrastrukturfinanzierung möglich ist bzw. Ausgabenumschichtungen und/oder höhere Steuern notwendig sind.

Es könnten auch, anders als von der Expertenkommission gesehen, die derzeitigen Verschuldungsregeln geändert werden. Die Einführung einer Neuverschuldungsregel, die eine Kreditaufnahme bis zur Höhe der Nettoinfrastrukturinvestitionen erlaubt, ist technisch relativ einfach zu bewerkstelligen. Die dazu notwendige Ermittlung der Abschreibungen ist nicht nur unter doppischem Regime, sondern auch mittels einer erweiterten Kameralistik möglich. Natürlich ist dabei darauf zu achten, dass keine neuen Umgehungsmöglichkeiten eingeführt werden. In der Tat würden dadurch – wie von der Expertenkommission bemerkt – bestimmte volkswirtschaftlich vorteilhafte Investitionen außen vor bleiben. Dennoch dürfte dieser Weg dem drohenden Zustand einer formal strikten Schuldenbremse, die aber zunehmend durch indirekte Verschuldung teuer umgangen wird und zukünftige Steuerzahler stärker belastet als eine offen ausgewiesene Verschuldung, vorzuziehen sein.

Es bleibt das Problem der niedrigen Renditen. Kausal kann hier nur an den Konstruktionsfehlern der Eurozone und nicht auf nationaler Ebene angesetzt werden. Sofern Kapitalanlegern auf anderem Wege zu höheren Renditen verholfen werden soll, ist die Forderung nach Transparenz sowohl ökonomisch als auch demokratisch legitim.

  • 1 Vgl. Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie: Stärkung von Investitionen in Deutschland, Berlin 2015. In der Kommission befanden sich Vertreter von Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften. Die Gewerkschaftsvertreter formulierten zum Teil abweichende Positionen, die hier aus Platzgründen nicht näher dargestellt und diskutiert werden können.
  • 2 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Zur Schuldenbremse für Bund und Länder – Für eine Neufassung der Verschuldungsgrenzen im Grundgesetz, Brief an den Bundesfinanzminister, Berlin 2007.
  • 3 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR für Wirtschaft): Staatsverschuldung wirksam begrenzen – Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Wiesbaden 2007, S. 45 ff. und S. 73 ff.
  • 4 Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, a.a.O., S. 41 f.
  • 5 Ebenda, S. 44.
  • 6 Vgl. H. Tappe: Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, in: Die öffentliche Verwaltung, 62. Jg. (2009), H. 21, S. 881-890; C. Magin: Die Wirkungslosigkeit der neuen Schuldenbremse, in: Wirtschaftsdienst, 90. Jg. (2010), H. 4, S. 262-268, http://www.wirtschaftsdienst.eu/archiv/jahr/2010/4/die-wirkungslosigkeit-der-neuen-schuldenbremse/ (7.7.2015); C. Hetschko, M. Thye: Die Bereinigung um finanzielle Transaktionen – Achillesferse der deutschen Schuldenbremse, in: Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl), 15.6.2012, S. 743-746.
  • 7 Auch oder selbst das Bundesfinanzministerium sieht diese Gefahr, ist aber der durchaus naiven oder nicht wirklich haltbaren Ansicht, dass diese durch Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gebannt würde. Zudem sei das ÖPP-Volumen derzeit so gering, dass die staatliche Haushaltssteuerung dadurch nur wenig beeinträchtigt sei (vgl. Bundesfinanzministerium – BMF: Kompendium zur Schuldenbremse des Bundes, Berlin, o.J., S. 18 f.). Nicht zu vergessen ist, dass auch die doppisch buchenden, nicht unter die Schuldenbremse fallenden Kommunen, einen Anreiz haben, ÖPP nicht (allein) aus wirtschaftlichen Erwägungen durchzuführen. Wenn nämlich die ÖPP so ausgestaltet werden, dass sie nicht in der Bilanz anzusetzen sind, kann der ansonsten notwendige Schuldenausweis vermieden werden. Für den Bilanzansatz ist das wirtschaftliche Eigentum entscheidend (vgl. die einschlägigen Erlasse der Innenministerien der Länder zu kreditähnlichen Rechtsgeschäften), das bei entsprechender vertraglicher Gestaltung den Privaten anheimfällt.
  • 8 Vgl. H. Mühlenkamp: PPP and Government Debt, in: DICE-Report, Nr. 3, 2014, S. 24-30.
  • 9 In Voraussicht der politischen Versuchungen nennt Magin als Beispiel die Gründung einer Bundesautobahn-AG; vgl. C. Magin, a.a.O. Nicht nur der Erwerb kann außerhalb der Schuldenbremse kreditfinanziert werden, sondern auch Verluste bzw. die Aufzehrung des Eigenkapitals dieser AG können durch Ausgabe neuer Aktien, die der Bund erwirbt und defizitunwirksam mit Krediten finanziert, ausgeglichen werden.
  • 10 Wenn dieser Gedanke aufgegriffen würde, käme es zudem zu einer Verzerrung zugunsten des Straßenbaus. Beispielsweise bliebe das ebenso vernachlässigte und vermutlich umweltfreundlichere Schienennetz außen vor.
  • 11 Kriterien für Risikoverteilung („Risikoallokation“) sind die Beeinflussbarkeit von Risiken durch den Risikoträger und die mit der Risikoübernahme verbundenen Kosten, die unter anderem von der Risikoaversion bzw. der Risikotragfähigkeit der Investoren abhängen. Beeinflussbare Risiken sollten grundsätzlich dem übertragen werden, der sie am besten beeinflussen kann, gleichzeitig sind aber die Risikokosten zu berücksichtigen, so dass ein Konflikt zwischen Anreiz- und Risikotragfähigkeit auftreten kann. Wenn wir davon ausgehen, dass die Risiken der Fonds kaum beeinflussbar und die Risikokosten des Staates niedriger sind als die von Privaten, spricht im vorliegenden Kontext wenig bis nichts für eine private Risikoübernahme.
  • 12 Dahinter steht die Hypothese, dass der repräsentative Kapitalanleger vermögender ist als der repräsentative Steuerzahler.
  • 13 Vgl. dazu H. Mühlenkamp, a.a.O.
  • 14 Bei Vollkonsolidierung wäre die von der Kommission vorgeschlagene Infrastrukturgesellschaft sofort unattraktiv, weil die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Bundesschuld erkennbar wären.

Öffentliche Infrastruktur: Ohne zusätzliche Mittel geht es nicht

In Deutschland hat sich bei den Investitionen in die öffentliche Infrastruktur ein erheblicher Nachholbedarf aufgestaut. Über diesen vor einiger Zeit noch umstrittenen Befund1 besteht inzwischen ein breiter Konsens. Nachdem das Bundesministerium der Finanzen im vergangenen Jahr die Frage eines Investitionsstaus bei der öffentlichen Infrastruktur noch heruntergespielt hatte,2 wird auch im deutschen Stabilitätsprogramm auf einen zusätzlichen öffentlichen Investitionsbedarf hingewiesen und gleichzeitig aufgezeigt, wie dieser gedeckt werden soll.3 Durch die Einberufung einer Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat das Thema einen prominenten Stellenwert erhalten. Der im April 2015 von diesem Gremium vorgelegte Abschlussbericht4 bietet für eine Überwindung des Investitionsstaus im öffentlichen Bereich jedoch nur wenige konkrete Lösungen.

Erheblicher Investitionsstau

Seit der Umsetzung des neuen Europäischen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG) 2010 stellt sich die Lage der öffentlichen Investitionen auf den ersten Blick nicht mehr ganz so dramatisch dar wie vor der Revision: Durch die Berücksichtigung von Ausgaben für Forschung und Entwicklung als Investitionen sind die öffentlichen Nettoinvestitionen seit 2003 nicht mehr durchweg negativ wie es zuvor der Fall war. Insbesondere die Ausgaben der Länder für die Hochschulforschung haben das ausgewiesene Niveau der öffentlichen Investitionen deutlich ansteigen lassen.

Sieht man sich die Nettoinvestitionen für die unterschiedlichen Gebietskörperschaften an, dann zeigt sich, dass der Investitionsstau im Wesentlichen ein Problem der Kommunen ist. Hier waren die Abschreibungen seit 2003 durchweg größer als die Neuinvestitionen. Kumuliert beträgt der Nettokapitalverzehr in jeweiligen Preisen 50 Mrd. Euro. So viel mehr hätten die Kommunen im betrachteten Zeitraum investieren müssen, um den Kapitalstock wenigstens konstant zu halten. In vielen Bereichen gibt es aber zusätzliche Bedarfe – beispielsweise zur Sicherstellung der Inklusion – so dass eine reine Stabilisierung der Nettoinvestitionen nicht ausreichend ist.

Parallel zu den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) werden auch Zahlen zum öffentlichen Investitionsstau veröffentlicht, die auf Umfragen bei den Kommunen basieren. So ermittelte das Bundeswirtschaftsministerium in einer aktuellen Umfrage einen kommunalen Investitionsstau von 156 Mrd. Euro5 und das Kommunalpanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau beziffert den Rückstand auf 132 Mrd. Euro.6 Dabei konzentriert sich der Investitionsstau besonders auf die kommunalen Straßen und die Schulen. In der Umfrage der Kreditanstalt für Wiederaufbau gaben die Kommunen an, der Investitionsstau bei Straße und Verkehrsinfrastruktur mache 26% des Investitionsrückstandes aus, bei den Schulen und der Erwachsenenbildung 24%. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Umfragen je zur Hälfte auf den eigentlichen Staatssektor und auf kommunale Unternehmen beziehen und dass hier im Unterschied zu den negativen Nettoinvestitionen in den VGR Wiederbeschaffungspreise und nicht Anschaffungskosten zugrunde gelegt werden.

Belastung der Kommunen durch Sozialausgaben als eine wesentliche Ursache

Wenngleich verschiedene Untersuchungen auch große Defizite bei der Bundesverkehrsinfrastruktur feststellen,7 ist der große Rückstand bei der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland primär ein kommunales Problem, das seinen Ursprung in den frühen 2000er Jahren hat. Damals kam eine Reihe von belastenden Faktoren zusammen. Neben dem Konjunkturabschwung nach dem Platzen der Dotcom-Blase beeinträchtigten die massiven Steuersenkungen der rot-grünen Bundesregierung die Einnahmeseite des Staatshaushalts noch zusätzlich.8 Die nachfolgenden Sparmaßnahmen, um den Stabilitäts- und Wachstumspakt einzuhalten, verschärften die Konjunkturschwäche und hatten weitere negative Rückwirkungen auf die Einnahmenseite. Während dies alle Gebietskörperschaften betraf und sich die Einnahmesituation durch den Aufschwung Mitte des Jahrzehnts sowie die Mehrwertsteuererhöhung im Jahr 2007 wieder besserte, waren die Kommunen nach 2000 durch stark steigende Sozialausgaben zusätzlich massiven finanziellen Belastungen ausgesetzt. Dabei wurden den Kommunen in erheblichem Umfang zusätzliche Aufgaben übertragen bzw. Standards erhöht, ohne dass dies mit einer höheren Finanzausstattung einhergegangen wäre.

Diese Verletzung des Konnexitätsprinzips („Wer bestellt, bezahlt“) ist eine Ursache für die Finanzmisere zahlreicher Kommunen. Während die Ausgaben der Kommunen in der Abgrenzung der VGR im Zeitraum von 1991 bis 2014 um 83% zugenommen haben, erhöhten sich die Sozialleistungen im selben Zeitraum um 170%. Damit stieg ihr Anteil an den Ausgaben der Kommunen deutlich an. Spiegelbildlich sank der Anteil der kommunalen Investitionen. Gleichzeitig haben die Kommunen ihren Bestand an Kassenkrediten seit Ende der 1990er Jahre stark ausgeweitet. Diese kurzfristigen Kredite sollen eigentlich zur Überbrückung von unterjährigen Liquiditätsschwankungen und nicht als langfristiges Finanzierungsinstrument dienen. Tatsächlich werden sie aber seit Ende der 1990er Jahre zunehmend genutzt, um eine unzureichende Einnahmenbasis der Kommunen auszugleichen. Gerade zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts kam es hier infolge von Steuermindereinnahmen und steigenden Sozialausgaben zu einer erheblichen Ausweitung. Ende 2014 beliefen sich die Kassenkredite der Gemeinden und Gemeindeverbände (ohne Stadtstaaten und Zweckverbände) auf nahezu 50 Mrd. Euro.

Die Kommunen insgesamt verzeichnen allerdings seit mehreren Jahren deutliche Finanzierungsüberschüsse. Der vermeintliche Widerspruch zwischen Überschüssen auf der einen und wachsenden Kassenkrediten auf der anderen Seite löst sich auf, wenn man die starken regionalen Unterschiede der kommunalen Finanzausstattung und der Ausgabenbelastung berücksichtigt. Vom Strukturwandel erfasste Kommunen, die ohnehin mit hoher Arbeitslosigkeit, sinkenden Einwohnerzahlen, einer schwachen Finanzkraft und sozialen Problemen zu kämpfen haben, wurden hauptsächlich getroffen.9 Sie haben in besonders hohem Umfang Kassenkredite aufgenommen und investieren gleichzeitig deutlich weniger. Dies gilt besonders für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Wie die Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau belegt, nehmen die Disparitäten zwischen den Kommunen weiter zu.10

Bericht der Expertenkommission lässt wesentliche Fragen unbeantwortet

Wie sind vor diesem Hintergrund die Vorschläge der Expertengruppe „Stärkung der Investitionen in Deutschland“ zu sehen, die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingesetzt hat? Der Bericht der Kommission11 erkennt an, dass der Investitionsstau im Staatssektor großenteils auf der kommunalen Ebene besteht. Er enthält allerdings kaum praktikable Vorschläge, wie die Probleme dort gelöst werden können. Der „Nationale Investitionspakt für Kommunen“, den der Bericht fordert, ist zwar nicht falsch, bringt aber auch nichts Neues. Außerdem dürfte angesichts der oben genannten Zahlen ein Volumen von insgesamt 15 Mrd. Euro über drei Jahre bei Weitem nicht ausreichen. Zudem muss eine wirkliche Lösung die heterogene Finanzlage in den einzelnen Kommunen berücksichtigen. Da diese ganz erheblich von den Sozialausgaben geprägt wird, wäre eine Lösung, die sich auf die Sozialausgaben fokussiert, zielführend. Hierzu hat jüngst die Bertelsmann Stiftung den Vorschlag gemacht, die Bundesbeteiligung bei den Kosten der Unterkunft von derzeit rund 30% auf 65% anzuheben.12 Ein ganz wichtiger Aspekt bei diesem Lösungsvorschlag ist auch, dass er auf Dauer gelten soll und nicht nur vorübergehend wie dies beim „Nationalen Investitionspakt für Kommunen“ angedacht ist.

Darüber hinaus empfiehlt der Bericht die „Stärkung kommunaler Kapazität“ und eine „Infrastrukturgesellschaft für Kommunen“ sowie die Prüfung, ob öffentliche Kooperationen bisherigen Beschaffungsverfahren oder öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) überlegen sind. Hier heißt es: „Sofern keine ausreichenden Kapazitäten dazu in den Kommunen mehr vorhanden sind, sollten diese (wieder) aufgebaut werden.“ Das kostet Geld. Selbst wenn partiell Mittel durch eine effizientere Organisation und Zusammenarbeit eingespart werden können, müssen tragfähige Lösungen aufzeigen, wie Mehrbedarfe gedeckt werden können. Auch der Bund muss zusätzliche Hilfen für die Kommunen irgendwie finanzieren.

Gerade für die wichtigste Frage, nämlich woher zusätzliche Mittel für zusätzliche Investitionen kommen sollen, liefert der Bericht der Expertenkommission keine befriedigende Antwort. Das ist wenig verwunderlich, weil zwei denkbare Lösungen – Steuererhöhungen und Kreditfinanzierung – von der Bundesregierung von vornherein ausgeschlossen wurden und im Rahmen der Expertenkommission nur von der Minderheit der Gewerkschaftsvertreter angesprochen werden. Die Empfehlung, unerwartete Haushaltsüberschüsse des Bundes vorranging für öffentliche Investitionen zu verwenden,13 ist wenig sinnvoll. Damit ergäbe sich eine Investitionstätigkeit nach Kassenlage, die zudem prozyklisch wirken würde. Der Erhalt und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur ist aber eine stetige und langfristige Aufgabe.

So liegt dann ein Schwerpunkt des Kommissionsberichtes auf der „Mobilisierung zusätzlicher privater Infrastrukturfinanzierung“ – entweder durch einen „öffentlichen Infrastrukturfonds“, in den auch Private investieren können, oder einen Bürgerfonds. Auf der kommunalen Ebene sollen auch ÖPP kostengünstiger und mit geringerem Risiko umgesetzt werden,14 wobei die Kommission ÖPP durchaus kritisch sieht. Das Problem bei allen drei Maßnahmen: Sie generieren keine zusätzlichen Einnahmen für den Staat, sondern stellen jeweils Formen einer Kreditfinanzierung oder eines kreditähnlichen Rechtsgeschäfts dar. Eine Kreditfinanzierung der öffentlichen Infrastruktur ist aber aufgrund der Schuldenbremse und des europäischen Fiskalpaktes nur eingeschränkt möglich. Wenn aber die Kreditfinanzierung politisch stark begrenzt wird, werden neue Fonds als Kreditgeber wenig nützen. Selbst wenn Investitionen durch diese Instrumente effizienter durchgeführt werden könnten, stellt sich die Frage, wie sie zu zusätzlichen Investitionen beitragen können. Möglicherweise besteht der Haupteffekt in höheren Renditen für die Anleger.15 Die Frage, die der Bericht beantworten sollte, lautete aber, wie Investitionen in Deutschland gestärkt werden können, und nicht, wie angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase die Renditen erhöht werden können.

Privates Kapital kommt eigentlich nur für zwei Zwecke infrage: Kreditfinanzierung und Privatisierung, wobei bei letzterer zunächst zu klären wäre, ob dies politisch überhaupt gewünscht wäre. Eine Privatisierung würde in jedem Fall bedeuten, dass die jeweiligen Nutzer für die Bereitstellung der betreffenden Infrastruktur aufkommen würden. Umgekehrt ist eine Nutzerfinanzierung auch ohne Privatisierung möglich. In der Tat ist sie die einzige Alternative zu Steuererhöhungen und Kreditfinanzierung, wenn man davon ausgeht, dass die Möglichkeiten für aufkommensneutrale Umschichtungen in den Haushalten begrenzt sind. Allerdings wäre eine Nutzerfinanzierung für viele Infrastrukturbereiche – insbesondere die kommunalen Straßen und Gebäude, auf die ein großer Anteil des Investitionsstaus entfällt – nicht geeignet.

So bezieht sich der einzige ernsthaft zu diskutierende Beitrag der Kommission auf die Bundesebene. Er besteht aus dem Vorschlag, die Bundesfernstraßen in eine eigene öffentliche Gesellschaft zu übertragen, die selbständig Schulden aufnehmen könnte und ihre Zinsen und andere Aufwendungen über eine Maut finanzieren würde. Dieses Modell besteht schon seit längerem in Österreich mit der sogenannten ASFINAG. Sie ist eine Gesellschaft im öffentlichen Eigentum, die aber nach den Eurostat-Regeln nicht dem Sektor Staat zugerechnet wird und deren Schulden und Defizite damit bei den europäischen Fiskalregeln nicht berücksichtigt werden. Das wichtigste Kriterium für die Abgrenzung zwischen den Sektoren „Staat“ und „nicht-finanzielle Kapitalgesellschaften“ besteht dabei in der Art der Einnahmen, die die entsprechende Institution realisiert. Werden die Einnahmen überwiegend über den Markt erzielt – wie etwa bei der zu 100% in Staatseigentum befindlichen Bahn –, so wird die Institution nicht dem Sektor „Staat“, sondern den „nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften“ zugerechnet. Soweit sich eine mögliche Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen überwiegend durch Mautgebühren finanzieren würde, würde das auch für sie gelten.16

Die Mehrheit der Expertenkommission empfiehlt, auf Staatsgarantien für die Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen zu verzichten, und begründet dies mit der Notwendigkeit einer klaren Sektorabgrenzung.17 Dies ist irreführend, weil die Schulden der Gesellschaft auch mit einer Staatsgarantie nicht dem Sektor „Staat“ zugerechnet werden, wenn das Kriterium einer überwiegenden Finanzierung über Markteinnahmen erfüllt ist.18 Dies dürfte der Expertenkommission durchaus bewusst sein, denn im Bericht wird bestätigt, dass die Schulden der ASFINAG, für die die Republik Österreich bürgt, nicht dem Staatssektor zugerechnet werden.19 Da eine Staatsgarantie die Finanzierungskosten der Gesellschaft und damit letztlich die notwendigen Mautgebühren senkt, bedeutet die Empfehlung der Kommission eine unnötige Verteuerung der Bundesverkehrsinfrastruktur für die Nutzer. Diese würden bei mautfinanzierten Bundesfernstraßen im Vergleich mit einer Steuerfinanzierung ohnehin stärker belastet. Diese zusätzliche Belastung lässt sich aber gerade bei der Verkehrsinfrastruktur, von der auch negative externe Effekte ausgehen, eher begründen als bei der Bildung.

Maßnahmen der Bundesregierung noch unzureichend

Das Problem des Investitionsstaus wird mittlerweile anerkannt, und der Bund beteiligt sich zunehmend an den Sozialausgaben der Kommunen. So trägt der Bund unter anderem seit 2005 einen Teil der Unterkunftskosten für Arbeitsuchende und seit 2014 die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu 100%. Zudem sollen die Kommunen im Rahmen des geplanten Bundesteilhabegesetzes um jährlich 5 Mrd. Euro entlastet werden, wobei der Bund den Kommunen bereits vorab zusätzliche Mittel zukommen lässt. Darüber hinaus erhalten die Kommunen 5 Mrd. Euro direkt für kommunale Investitionen, wovon 3,5 Mrd. Euro in ein Sondervermögen zur Investitionsförderung in finanzschwachen Kommunen fließen sollen. Mit diesen und weiteren Maßnahmen entlastet der Bund die Kommunen erheblich. Gleichzeitig sind auch für die Verkehrsinfrastruktur in den kommenden Jahren zusätzliche Mittel vorgesehen.20

Damit ist der Bund in der Tendenz auf dem richtigen Weg. Investitionsfördernde Maßnahmen speziell für finanzschwache Kommunen sind besonders hilfreich, um den Investitionsstau zu überwinden. Zur Verringerung der wachsenden Disparitäten bei den Gemeindefinanzen könnte der Bund seine Maßnahmen noch stärker auf die besonders bedürftigen Kommunen zuschneiden. Dabei könnte er dem Vorschlag von Geißler und Niemann21 folgen und die bereits geplante Entlastung der Kommunen durch eine deutliche Anhebung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft für Arbeitsuchende umsetzen. Vor dem Hintergrund der Übererfüllung der Schuldenbremse um fast 120 Mrd. Euro bis zum vergangenen Jahr hätten insbesondere die Maßnahmen zur Entlastung der Kommunen zudem schon deutlich früher ergriffen werden können. Darüber hinaus müssen auch Lösungen für das Problem der Kassenkredite gefunden werden. Da diese in einem engen Zusammenhang mit der Verletzung des Konnexitätsprinzips stehen, ist der Bund in der Pflicht, bei der Überwindung dieser Altlasten zu helfen.

Wollte man den Investitionsstau schrittweise abbauen und gleichzeitig an Bestandserweiterungen arbeiten, ergäbe sich ein Zusatzbedarf von etwa 10 Mrd. Euro bis 15 Mrd. Euro jährlich über einen längeren Zeitraum. Die Schuldenbremse wie auch der Fiskalpakt erlauben eine begrenzte konjunkturunabhängige Verschuldung. Eine kreditfinanzierte Ausweitung der Investitionen wäre daher durchaus mit den geltenden Fiskalregeln vereinbar. Dies gilt umso mehr für eine Ausweitung der Nettoinvestitionen, die schon der Sachverständigenrat für Wirtschaft22 von einer Schuldenbremse ausnehmen wollte. Darüber hinausgehende Bedarfe sollten durch Steuererhöhungen finanziert werden. Vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts wäre dafür eine deutliche Anhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer geeignet, indem insbesondere die Privilegien für Betriebsvermögen abgeschafft werden. Zum Schutz von Arbeitsplätzen in vererbten Betrieben reichen langfristige Stundungsmöglichkeiten sowie die Möglichkeit einer stillen Beteiligung für den Staat.

  • 1 Deutsche Bundesbank: Zur Entwicklung der staatlichen Investitionsausgaben, Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Oktober 2009; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik, Jahresgutachten 2013/14, Wiesbaden 2013; Bundesministerium der Finanzen (BMF): Investitionsschwäche in Deutschland? Eine Analyse der Investitionstätigkeit im internationalen Vergleich, Monatsbericht des BMF, März 2014.
  • 2 Bundesministerium der Finanzen, a.a.O.
  • 3 Bundesministerium der Finanzen: Deutsches Stabilitätsprogramm, Aktualisierung 2015, Berlin, April 2015.
  • 4 Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“: Stärkung von Investitionen in Deutschland, Bericht der Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, Berlin, April 2015, http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/I/investitionskongress-report-gesamtbericht-deutsch-barrierefrei,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf (24.6.2015).
  • 5 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Online-Befragung zeigt großen kommunalen Investitionsbedarf, in: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik, Monatsbericht Mai 2015, S. 34-42.
  • 6 Kreditanstalt für Wiederaufbau: KfW-Kommunalpanel 2015, Frankfurt a.M., Mai 2015.
  • 7 K.-H. Daehre et al.: Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, Dezember 2012, http://www.verkehrsministerkonferenz.de/VMK/DE/termine/sitzungen/12-12-19-uebergabe-bericht-kommission-zukunft-vif/Bericht-Kommm-Zukunft-VIF.pdf;jsessionid=9F54FE7E40078A224E39495AA9986159.2_cid382?__blob=publicationFile&v=2 (24.6.2015); U. Kunert, H. Link: Verkehrsinfrastruktur: Substanzerhaltung erfordert deutlich höhere Investitionen, in: DIW Wochenbericht, Nr. 26/2013, Berlin, S. 32-38.
  • 8 A. Truger: Ökonomische und soziale Kosten von Steuersenkungen: Das Beispiel der rot-grünen Steuerreformen, Prokla 154, März 2009.
  • 9 Deutscher Städtetag: Sozialleistungen der Städte in Not, Zahlen und Fakten zur Entwicklung kommunaler Sozialausgaben, Köln 2010.
  • 10 Kreditanstalt für Wiederaufbau, a.a.O.
  • 11 Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, a.a.O.
  • 12 R. Geißler, F.-S. Niemann: Kommunale Sozialausgaben – Wie der Bund sinnvoll helfen kann, Bertelsmann Stiftung 2015.
  • 13 Ebenda, S. 6.
  • 14 In Deutschland werden die Schulden der ÖPP generell dem Staat zugerechnet (vgl. Eurostat: EDP dialogue visit to Germany, 5.-6.5.2011, Final Findings, Luxemburg, 27.7.2011, http://ec.europa.eu/eurostat/documents/1015035/3991287/Final-findings-of-the-EDP-dialogue-visit-to-Germany-on-5.pdf, 24.6.2015). Dies liegt insbesondere daran, dass das Statistische Bundesamt nicht in der Lage ist, die Risikoverteilung gemäß den Kriterien des ESVG 2010 zu prüfen. Damit führen ÖPP im Zusammenhang mit den europäischen Fiskalregeln im Vergleich zur konventionellen Beschaffung nicht zu einem geringeren Schuldenstand, worauf der Kommissionsbericht (Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, a.a.O, S. 28) ebenfalls hinweist.
  • 15 Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, a.a.O., S. 9.
  • 16 Eurostat: European System of National Accounts 2010, ESA 2010, Luxemburg 2013.
  • 17 Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, a.a.O., S. 7.
  • 18 Bei Garantien wird zwischen standardisierten Garantien (standardised guarantee) und Einzelfallgarantien (one-off guarantee) unterschieden. Letztere Kategorie, unter die auch die Staatsgarantie für die ASFINAG fällt, wird als Eventualverbindlichkeit erst dann dem Staat zugerechnet, wenn der Garantiefall tatsächlich eintritt. Vgl. Eurostat: Manual on Government Deficit and Debt, Implementation of ESA 2010, 2014 Edition, Luxemburg 2014, S. 364 ff.
  • 19 Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, a.a.O., S. 42.
  • 20 Bundesministerium der Finanzen: Deutsches Stabilitätsprogramm..., a.a.O.
  • 21 R. Geißler, F.-S. Niemann, a.a.O.
  • 22 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Staatsverschuldung wirksam begrenzen, Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Wiesbaden, März 2007.

Kommunale Investitionen – Woran fehlt es?

In der Wissenschaft und der Politikberatung besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass eine moderne und effiziente Infrastruktur wesentlicher Wegbereiter für private Investitionen und eine maßgebliche Voraussetzung für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft sind.1 Deutlich größere Unterschiede bestehen dagegen hinsichtlich der Einschätzung des Zustands der Infrastruktur in Deutschland. Während einige Analysen etwa einen zusätzlichen Investitionsbedarf allenfalls im Tiefbau im unteren einstelligen Milliardenbereich pro Jahr erkennen können,2 forderten zuletzt insbesondere die Europäische Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine spürbare Ausweitung der staatlichen Investitionstätigkeit in Deutschland. Auch internationale Vergleichsstudien lassen wenig Zweifel daran, dass sich die Qualität der Infrastruktur in Deutschland über die letzten Jahre kontinuierlich verschlechtert hat.3

Die Schwäche der öffentlichen Investitionen in Deutschland4 kann zu einem guten Teil auf die Investitionszurückhaltung der Kommunen attribuiert werden: Am aktuellen Rand entfällt nur noch etwas über ein Drittel der gesamten staatlichen Investitionen in Deutschland auf die Kommunen. Noch bis Mitte der 1990er Jahre lag der Anteil der Städte, Gemeinden und Landkreise an den gesamten öffentlichen Bruttoinvestitionen stabil bei über 50%.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) – im Kontext der Beratungen der Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“5 – im ersten Quartal 2015 eine Onlinebefragung zum Thema „Kommunale Investitionen“ konzipiert und durchgeführt. Das Ziel der Kommunalumfrage lag zum einen darin, ein möglichst repräsentatives Bild von der Struktur, dem Umfang und den Ursachen des kommunalen Investitionsrückstands zu gewinnen. Darüber hinaus ging es aber auch darum, umfassende Informationen über die aktuellen Hemmnisse und bisherigen Erfahrungen im Bereich der Infrastrukturbereitstellung auf kommunaler Ebene zu erhalten. Ein weiteres Erkenntnisinteresse galt der Art und dem Ausmaß des kommunalen Unterstützungsbedarfs bei der Planung, Durchführung und Evaluation von Infrastrukturvorhaben.

Der standardisierte Fragebogen wurde vor dem Beginn der Erhebung in Experteninterviews mit Kämmerern bzw. kommunalen Finanzverantwortlichen und den kommunalen Spitzenverbänden, die den Link zum Online-Fragebogen anschließend in ihrer Mitgliedschaft verteilten, abgestimmt. Trotz der lediglich dreiwöchigen Erhebungsphase nahmen insgesamt 1023 kommunale Finanzverantwortliche aus allen Ländern an der Befragung teil. Die hohe Teilnahmebereitschaft an der BMWi-Kommunalumfrage trägt dazu bei, dass die Zusammensetzung der Stichprobe hinsichtlich der Kriterien geografische Verteilung, Größe und Finanzlage der Kommunen der Grundgesamtheit der rund 11 000 Städte, Gemeinden und Landkreise in Deutschland recht ähnlich ist. Dies erhöht die Aussagekraft der zentralen Ergebnisse der Erhebung.

Hoher kommunaler Investitionsrückstand mit Schwerpunkt im Verkehrsbereich

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sich die Kommunen in wichtigen Aufgabenbereichen zunehmenden Herausforderungen gegenübersehen.6 Die BMWi-Kommunalumfrage belegt, dass dies vor allem auf die Verkehrsinfrastruktur zutrifft: Die Mehrheit der Befragten sieht in diesem Bereich einen sehr großen oder großen, rund ein weiteres Drittel einen mittleren Investitionsrückstand (vgl. Abbildung 1: linker Schenkel: 56% sehr großer bzw. großer Investitionsrückstand; 29% mittel; 15% gering/sehr gering). Weniger stark ausgeprägte, aber ebenfalls umfangreiche Investitionsrückstände werden zudem in den Bereichen Bildung und Freizeit/Kultur/Sport gesehen. Bei den Verwaltungsgebäuden sowie in den Bereichen Ver- und Entsorgung und Sicherheit erkennt die Mehrheit der Befragten zumindest einen mittleren Investitionsrückstand. Dagegen bewerten die Befragten den Investitionsrückstand in den Bereichen Gesundheit und wirtschaftsnahe Infrastruktur überwiegend als höchstens gering.

Abbildung 1
Kommunaler Investitionsrückstand nach Bereichen
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Quelle: Onlinebefragung der Kommunen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (April 2015).

Die kommunalen Finanzverantwortlichen wurden auch danach befragt, wie hoch sie den gesamten Investitionsrückstand ihrer Stadt oder Gemeinde bzw. ihres Landkreises einschätzen. Der Umfang des Investitionsrückstands wurde dabei als jenes Investitionsvolumen definiert, das notwendig wäre, um die Infrastruktur auf den – in quantitativer und qualitativer Hinsicht – aktuell notwendigen Erhaltungszustand zu bringen. Zur Hochrechnung der Antworten des gesamten kommunalen Investitionsrückstands im Bundesgebiet wurde in einem ersten Schritt der durchschnittliche Investitionsrückstand für alle sieben Einwohnerklassen der Erhebung7 ermittelt. Da ein starker Zusammenhang zwischen dem gesamten wahrgenommenen Investitionsrückstand und der Größe der Kommunen besteht und kleinere Kommunen in der Befragung leicht unterrepräsentiert sind, wurden diese Mittelwerte in einem zweiten Schritt mit der relativen Häufigkeit der jeweiligen Einwohnerklasse in der Grundgesamtheit gewichtet. Im Ergebnis beträgt der auf diese Weise auf das gesamte Bundesgebiet hochgerechnete wahrgenommene kommunale Investitionsrückstand 156 Mrd. Euro.8

Hauptursachen des kommunalen Investitionsrückstands

Als wesentlicher Erklärungsfaktor für die engen finanziellen Spielräume vieler Kommunen und damit auch deren Investitionsbudgets wird immer wieder der kontinuierliche Anstieg der Sozialausgaben genannt. Und tatsächlich ist der Anteil der Sozialausgaben an den kommunalen Gesamtausgaben im Zeitraum 1970 bis 2014 um annähernd 15 Prozentpunkte gestiegen (vgl. Abbildung 2). Gleichzeitig verringerte sich der Anteil der Sachinvestitionen von über einem Drittel (35,6%) auf nur noch etwa ein Zehntel (11,3%). Relativ konstant, gerade seit Beginn des letzten Jahrzehnts, entwickelte sich dagegen der Anteil der Ausgaben für laufenden Sachaufwand, Personal und Zinsen.

Abbildung 2
Ausgabenstruktur der Kommunen
in % der Gesamtausgaben
66195.png

1 Sonstige Ausgaben = Sachaufwand, Personalausgaben, Zinsausgaben, Sonstiges.

Bis einschließlich 1990 Daten der alten Flächenländer. Bis 2010 Rechnungsergebnisse der kommunalen Haushalte, 2014 Daten der Vierteljährlichen Kassenstatistik.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2015).

In der BMWi-Kommunalumfrage führen die Finanzverantwortlichen vor Ort die Investitionszurückhaltung insbesondere auf die unzureichende kommunale Finanzausstattung zurück. Auch der hohe Erneuerungsbedarf wird von vielen Befragten als Grund für den Investitionsrückstand genannt. Zu hohe Sozialausgaben und zu geringe personelle Ressourcen werden ebenfalls von einem großen Teil der Befragten als maßgebliche Ursachen des Investitionsrückstands gesehen. Eindeutig bestätigt wird zudem, dass der (fehlende) Zugang zu Fremdmitteln unter den aktuell günstigen Rahmenbedingungen für Kreditfinanzierung kein maßgeblicher Engpassfaktor der kommunalen Investitionstätigkeit ist (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3
Ursachen des Investitionsrückstands
Nach Kategorien (Mittelwerte): 100 „trifft voll und ganz zu“ ...
0 „trifft überhaupt nicht zu“
66204.png

Quelle: Onlinebefragung der Kommunen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (April 2015).

Einschätzung der Kosten- und Termintreue bei der Infrastrukturbereitstellung

Die große Mehrheit der Infrastrukturvorhaben in Deutschland wird „konventionell“ realisiert. Das bedeutet, dass die jeweiligen Infrastrukturvorhaben durch die Kommune selbst – durch Eigenmittel, Kreditaufnahme, Anleihen oder die Verwendung von Zuwendungen – finanziert und in der Regel auch betrieben werden.

Die BMWi-Kommunalumfrage zeigt, dass Kosten- und Zeitüberschreitungen als ein häufiges Problem dieser Beschaffungsvariante empfunden werden. So gaben 52% der befragten kommunalen Finanzverantwortlichen an, dass die Baukosten von konventionell realisierten Infrastrukturprojekten schlechter oder gar weit schlechter als geplant seien. Ein ähnliches Antwortmuster ergab sich auch mit Blick auf die Termintreue der Projekte.

Eine Alternative zur konventionellen Beschaffung sind sogenannte Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP). Zur Abgrenzung dieses Modells von der konventionellen Beschaffung wurden ÖPP in der Erhebung des BMWi als Beschaffungsvariante mit folgenden Merkmalen definiert:

  1. Lebenszyklusansatz: Die Leistungen, die über den gesamten Projektlebenszyklus (Planung, Bau, Betrieb, gegebenenfalls Finanzierung) zu erbringen sind, werden in einer gemeinsamen Ausschreibung vergeben;
  2. Risikoteilung: Zwischen dem öffentlichen und dem privaten Partner findet eine Risikoteilung statt;
  3. Leistungsorientierte Vergütungsmechanismen: Der private Partner erhält für die Leistungserbringung eine qualitäts-, nutzungs- oder verfügbarkeitsabhängige Vergütung.

ÖPP werden von den befragten Kommunen deutlich besser eingeschätzt als die konventionelle Beschaffung. Zum Beispiel schätzen über 40% der Kommunen mit ÖPP-Projekterfahrung die Kostentreue von ÖPP als gut oder sehr gut (konventionelle Beschaffung: 6% „besser“ oder „weit besser“ als geplant); und nur 16% der Kommunen urteilen, sie sei „schlechter“ oder „weit schlechter“ als geplant (konventionelle Beschaffung: 52%). Um auszuschließen, dass diese Unterschiede daran liegen, dass Kommunen mit ÖPP-Erfahrung möglicherweise auch die Kostentreue von konventioneller Beschaffung besser einschätzen als die Gesamtheit der zu konventioneller Beschaffung befragten Kommunen, wurde nach der Einschätzung von konventioneller Beschaffung für die Gruppe der Kommunen mit ÖPP-Projekterfahrung gefragt. Dabei zeigte sich, dass hinsichtlich der Einschätzung der Kostentreue konventioneller Beschaffung kein Unterschied zwischen Kommunen mit und ohne ÖPP-Projekterfahrung besteht.

Unterschiede in der Haltung gegenüber konventioneller Beschaffung und ÖPP

Trotz dieser vergleichsweise positiven Einschätzung von ÖPP steht dieses Beschaffungsmodell immer wieder in der Kritik.9 Entsprechend negativ ist auch die allgemeine Einschätzung von ÖPP: Nicht einmal jede zehnte befragte Kommune hat eine sehr positive oder positive Haltung gegenüber ÖPP. Auffällig ist dabei, dass in der Erhebung des BMWi jede dritte ÖPP-erfahrene Kommune dieses Beschaffungsmodell positiv oder sehr positiv einschätzt, während dies bei den Kommunen ohne ÖPP-Projekterfahrung nur auf 5% zutrifft.

Dieses Ergebnis könnte jedoch dadurch bedingt sein, dass sich die beiden Gruppen systematisch in relevanten Charakteristika unterscheiden. Um den tatsächlichen Effekt der ÖPP-Projekterfahrung auf die Haltung gegenüber ÖPP zu isolieren, wurden deshalb in einem weiteren Analyseschritt möglichst ähnliche Paare von Kommunen mit und ohne ÖPP-Projekterfahrung durch eine Kombination aus Covariate Matching und Propensity Score Matching gebildet.10 Durch diese ökonometrische Untersuchung konnten wesentliche beobachtbare Ursachen für eine mögliche Selektionsverzerrung zwischen beiden Gruppen (insbesondere die Größe, Verschuldung und finanzielle Situation bzw. der Investitionsrückstand der Kommunen sowie die politische Stimmung gegenüber ÖPP im jeweiligen Land) berücksichtigt werden.

Die Ergebnisse des Matching-Verfahrens bestätigen, dass Kommunen mit einer entsprechenden Projekterfahrung ÖPP deutlich besser einschätzen als ähnliche Kommunen, die bisher kein Projekt durchgeführt haben.

Unwirtschaftlichkeit spricht eher nicht gegen ÖPP

Ein weiteres interessantes Ergebnis der BMWi-Kommunalumfrage ist, dass die Kommunen ohne ÖPP-Projekterfahrung in der Vergangenheit nicht primär wegen Unwirtschaftlichkeit von diesem Beschaffungsmodell abgesehen haben. Als Gründe, die gegen die Nutzung von ÖPP sprechen, wurden von den kommunalen Finanzverantwortlichen vielmehr „intrinsische Nachteile“ genannt: die langfristige Bindung an Private, Unsicherheit in Fragen der Vertragsauslegung und ein Mangel an passenden Projekten (vgl. Abbildung 4). Auch „transaktionskostenbezogene“ Nachteile von ÖPP, wie etwa die fehlende Erfahrung und Kapazität, zu hohe Komplexität und zu hoher Aufwand, wurden von jeweils mehr als der Hälfte der Befragten ohne ÖPP-Projekterfahrung als Hinderungsgrund angeführt. Politische Vorgaben und rechtliche Hindernisse werden dagegen nur von wenigen Befragten als Gründe gegen die Durchführung von ÖPP angesehen.

Abbildung 4
Gründe, die gegen Öffentlich-Private-Partnerschaften sprechen
in % der befragten kommunalen Finanzverantwortlichen
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Quelle: Onlinebefragung der Kommunen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (April 2015).

Ausgangspunkt der Planung von kommunalen Infrastrukturinvestitionen ist zunächst die Bestimmung des konkreten Bedarfs vor Ort (Bedarfsplanung). Die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit des Einsatzes von öffentlichen Mitteln für die geplanten Vorhaben lässt sich anschließend durch Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bestimmen.

Die BMWi-Kommunalumfrage zeigt allerdings, dass lediglich jede sechzehnte befragte Kommune immer und jede dritte Kommune im Regelfall detaillierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchführen. Weitere 27% der Befragten gaben an, detaillierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nur bei Überschreitung eines bestimmten Investitionsvolumens durchzuführen. 2% der kommunalen Finanzverantwortlichen antworteten, dass Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nur dann erfolgen, wenn eine Realisierung des Vorhabens in Form von ÖPP erwogen wird. Sofern es zu Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen kommt, findet nur in jeder dritten Kommune eine umfassende oder sehr umfassende Betrachtung der Projekte über den Lebenszyklus statt. Projektrisiken werden danach nur in 5% der Kommunen sehr umfassend und in weiteren 27% der Kommunen zumindest umfassend berücksichtigt.

Abbildung 5
Unterstützungsbedarf im Bereich kommunaler Infrastrukturbereitstellung
Antwortangaben „sehr wichtig“ oder „wichtig“ in % der befragten kommunalen Finanzverantwortlichen
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Quelle: Onlinebefragung der Kommunen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (April 2015).

Vieles spricht dafür, dass detaillierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen häufig aufgrund der – auch infolge der steigenden Arbeitsbelastung in den kommunalen Verwaltungen – zunehmend unzureichenden personellen Kapazitäten nicht durchgeführt werden. Dies führt dazu, dass die große Mehrheit der befragten kommunalen Finanzverantwortlichen (69%) bei der Erstellung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen einen umfassenden Unterstützungsbedarf sieht.

Auch in den Bereichen Vertragsgestaltung (62%) und Controlling/Steuerung (59%) von Infrastrukturvorhaben melden die kommunalen Finanzverantwortlichen Unterstützungsbedarf an. 42% – und damit fast die Hälfte der Befragten – schätzt den Bedarf an Unterstützung in allen drei vorstehend genannten Bereichen als wichtig oder gar sehr wichtig ein. Lediglich ein Fünftel der Befragten schätzt den Bedarf in diesen drei Bereichen als neutral, eher unwichtig bzw. nicht erforderlich ein (vgl. Abbildung 5).

Auch in weiteren Phasen der Planung und Durchführung von Projekten, dies zeigen weitere Umfrageergebnisse, wird – gerade von Kommunen mit weniger als 30 000 Einwohnern – Unterstützungsbedarf gesehen. Dies betrifft unter anderem Fragen der Ausschreibung, des Vergabeverfahrens, der Angebotsbewertung, von Vertragsänderungen und das Thema Evaluation.

Die Bundesregierung wird in den kommenden Monaten prüfen, inwiefern die Empfehlung der Expertenkommission zur Einrichtung eines Beratungsangebots für Kommunen hier einen echten Mehrwert bieten kann.

  • 1 Siehe dazu unter anderem die Endberichte zur Studie von ifo Dresden: Öffentliche Infrastrukturinvestitionen: Entwicklung, Bestimmungsfaktoren und Wachstumswirkungen, im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, 2013, http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/M-O/oeffentliche-infrastrukturinvestitionen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf; und der Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ , im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, 2015, http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/I/investitionskongress-report-gesamtbericht-deutsch-barrierefrei,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf.
  • 2 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlihen Entwicklung: Jahresgutachten 2014/2015, S. 238.
  • 3 Siehe World Economic Forum: Global Competitiveness Report, letzte Jahrgänge (2009/2010 belegte Deutschland im Bereich Infrastruktur noch Platz 1, im Jahr 2014/2015 Platz 7). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das IMD World Competitiveness Center: World Competitiveness Yearbook 2015.
  • 4 Siehe dazu auch B. Alm, M. Meurers: Wesentliche Fakten zur „Investitionsschwäche“ in Deutschland, in: Wirtschaftsdienst, 95. Jg. (2015), H. 1, S. 24-31.
  • 5 Für einen Überblick über die wesentlichen Handlungsempfehlungen der Expertenkommission: Stärkung von Investitionen in Deutschland, siehe Beitrag von Marcel Fratzscher in dieser Ausgabe des Wirtschaftsdienst, S. 447-451.
  • 6 Vgl. z.B. KfW-Kommunalpanel 2015.
  • 7 Von weniger als 15 000 Einwohnern bis hin zu mehr als 500 000 Einwohnern.
  • 8 Dieser Wert liegt ca. 18% über dem im KfW-Kommunalpanel 2015 ermittelten Investitionsrückstand.
  • 9 Für eine übersichtliche Darstellung der aktuellen ÖPP-Diskussion siehe Bericht der Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, a.a.O.
  • 10 Für weitere Hinweise zur Grundidee dieser Zuordnungsprozedur siehe ähnliches Vorgehen in B. Alm, D. Engel, A. Weyh: Does Switching to a Western German Employer Still Pay Off, in: Journal of Economics and Statistics, 234. Jg. (2014), Nr. 5, S. 546-571.

Deutschland braucht einen Masterplan Öffentliche Infrastruktur!

Sicherung und Umbau der kommunalen Infrastruktur sind zentrale Zukunftsherausforderungen unseres Landes. Der kommunale Investitionsrückstand summiert sich nach einer neuen Untersuchung der KfW-Bankengruppe auf die immense Summe von 132 Mrd. Euro. Ein großer Teil des Investitionsrückstands betrifft die Verkehrsinfrastruktur. Alleine bei dieser fehlen den Städten und Gemeinden jedes Jahr über 2,2 Mrd. Euro, um nötige Investitionen zu tätigen. Besorgniserregend ist zudem, dass der Investitionsrückstand in der Bildung angewachsen ist. Bei der Bildung zu sparen bedeutet, die Zukunft kaputt zu sparen!

Aber nicht nur der gewaltige aktuelle Investitionsrückstand ist ein Problem. Hinzu kommen Herausforderungen, von denen jede einzelne für sich genommen schon ein Megathema ist, z.B. der demografische Wandel, die Verwirklichung der Energiewende, der Breitbandausbau, die Anpassung an den Klimawandel, Migration und Integration, die Sicherung der Sozialsysteme. Eines darf aber nicht vergessen werden: Diese Herausforderungen sind auch Chancen, die wir entschlossen angehen und umsetzen müssen. Der demografische Wandel bietet nicht zuletzt die Chance, das Infrastrukturangebot bedarfsgerecht für die Zukunft weiterzuentwickeln.

Finanzierung trotz Schuldenbremse

Um diese Herausforderungen zu bewältigen und daraus Chancen und Perspektiven zu entwickeln, braucht es viel Geld. So viel Geld, dass es in Anbetracht der öffentlichen und kommunalen Schulden und Finanzen nicht alleine mit den herkömmlichen Finanzierungs- und Organisationssystemen aufzubringen sein wird.

Hinzu kommt, dass mit den Schuldenbremsen der Europäischen Union (EU), des Bundes und der Länder der finanzielle Handlungsspielraum der öffentlichen Hand weiter eingeengt und schuldenfinanzierte Investitionen weiter erschwert oder ausgeschlossen werden. Die Schuldenbremse der EU begrenzt die zulässige Neuverschuldung aller öffentlichen Haushalte auf 0,5% des konjunkturbereinigten Bruttoinlandsprodukts. Die Schuldenbremsen der Bundesländer und des Bundes werden erst 2019/2020 gelten. Gleichwohl werfen diese schon jetzt ihre Schatten voraus. Weiter eingeengte finanzielle Spielräume der Bundesländer werden auch deren Kommunen negativ spüren.

Für die Kommunen gilt die Schuldenbremse ohnehin schon seit Jahrzehnten. Den Städten und Gemeinden ist die Verschuldung im Grundsatz verboten, nur für Investitionskredite und für Kassenkredite gibt es Ausnahmen von diesem Verbot. Besorgniserregend ist, dass die kommunalen Kassenkredite nun schon bei über 51 Mrd. Euro liegen. Und dies bei seit Jahren bereits günstigen Konjunktur- und Arbeitsmarktzahlen. Zudem erreichen auch die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand stetig neue Höchststände. Dies zeigt, dass es weniger ein Einnahmenproblem als ein Ausgabenproblem in den öffentlichen Haushalten gibt.

Einschränkungen des öffentlichen Dienstleistungsangebots, Kürzungen, Schließung von Einrichtungen – all das prägt die kommunalpolitische Debatte in Deutschland bereits seit Jahren. Die Kommunen sind bis heute die einzige politische Ebene, die die unumgänglichen Kürzungsdebatten und Entscheidungen mutig und entschlossen angegangen sind. Länder, Bund und Europäische Union müssen sich dies ebenfalls zum verbindlichen politischen Ziel machen. Zudem haben die Erfahrungen in den Kommunen gezeigt, dass Kürzungen intensiv in einer politischen Debatte vermittelt werden müssen und können, und dass es Grenzen gibt, die zu einer Beibehaltung der politischen Akzeptanz und Identifizierung mit dem Gemeinwesen nicht überschritten werden dürfen.

Masterplan Öffentliche Infrastruktur notwendig – Investitionshürden abbauen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert einen Masterplan Öffentliche Infrastruktur, um den immer weiteren Verfall endlich zu stoppen. Mit der Flickschusterei vor Ort muss es ein Ende haben. Die Kommunen müssen schnell, effektiv und zielgenau investieren, um den fortschreitenden seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland größten Verfall von öffentlichem Eigentum in unseren Städten und Gemeinden zu beenden. Dabei geht es nicht nur ums Geld, der Städte- und Gemeindebund fordert einen Masterplan, der auch die Investitionshemmnisse systematisch beseitigt. Der Masterplan sollte folgende Eckpunkte enthalten:

  • Einrichtung eines dauerhaften Investitionsfonds für öffentliche Infrastruktur der Städte und Gemeinden,
  • Lockerung bürokratischer Investitionshürden, z.B. durch Vereinfachung des Vergabe- und Beihilferechts nach dem Vorbild des Konjunkturpaketes; die Schwellenwerte in diesen Bereichen sollten deutlich angehoben, die Verfahren entschlackt und die Rechtsmittel vereinfacht werden,
  • Rückführung kostentreibender Standards für öffentliche Bauten und Infrastruktur,
  • Vereinfachung des Einsatzes privaten Kapitals und der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft.

Kostenentlastung durch den Bund

Das vom Bund auf den Weg gebrachte Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern ist ein Schritt in die richtige Richtung. Damit werden Forderungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zur Stärkung der Investitionsfähigkeit und Kostenentlastung der Kommunen durch den Bund aufgegriffen.

Durch das Gesetz erfolgt die Einrichtung eines vom Bund mit Mitteln in Höhe von 3,5 Mrd. Euro ausgestatteten Sondervermögens, aus dem in den Jahren 2015 bis 2018 Investitionen in aufgrund von Strukturschwäche finanzschwachen Kommunen mit einem Anteil von bis zu 90% gefördert werden sollen. Die vorgesehene weitere Entlastung der Kommunen um 1,5 Mrd. Euro im Jahr 2017 erfolgt durch einen um 500 Mio. Euro höheren Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft (KdU) und durch einen um 1 Mrd. Euro höheren Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer zulasten des Bundesanteils an der Umsatzsteuer.

Über den am Ende angenommenen Verteilungsschlüssel dieser Mittel auf die einzelnen Bundesländer wurde viel diskutiert. Bei der Debatte ging es nicht zuletzt um das Kriterium der Kassenkredite, die vor allem im Westen hoch sind, in Ostdeutschland aber relativ niedrig. Der Städte- und Gemeindebund fordert, dass es im Anschluss an den Solidarpakt II ein leistungsstarkes regionalpolitisches Förderinstrument gibt, aus dem förderbedürftige Kommunen nicht nach der Himmelsrichtung, sondern nach dem Bedarf finanzielle Unterstützung erfahren. Der Investitions- und Finanzierungsbedarf ist in vielen Regionen, die ihre Zukunft nicht verlieren dürfen, immens.

Entlastung der Kommunen

Zudem fordert der Städte- und Gemeindebund eine finanzielle Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben in Höhe von 5 Mrd. Euro im Jahr, so, wie es im Koalitionsvertrag zugesagt wurde. Wenn diese Kostenentlastung nicht effektiv erfolgt, werden die Kommunen auch nicht mehr investieren können.

Der Weg, wie die Kostenentlastung erreicht werden soll, ist offen. Wegen der heterogenen Situation von Aufgabenträgerschaft und Finanzierungsverantwortung bei der Eingliederungshilfe in den einzelnen Bundesländern ist die ursprüngliche Diskussion in Berlin zwischenzeitlich politisch in die Richtung entwickelt worden, dass die Finanzentlastung der Kommunen ab 2018 in Höhe von 5 Mrd. Euro im Jahr kommen soll, allerdings nicht durch eine Kostenentlastung bei der Eingliederungshilfe.

Diskutiert werden Ansätze, dass die Kostenentlastung durch eine weitere Übernahme von Sozialkosten, vor allem der Kosten der Unterkunft oder durch eine Stärkung der gemeindlichen Steuerkraft erreicht werden könnte – oder durch eine Kombination von beidem. Die Übernahme von Sozialkosten durch den Bund würde dabei vor allem die Kommunen mit hohen Sozialkosten entlasten. Die Stärkung der gemeindlichen Steuerkraft wird grundsätzlich ohnehin steuerstarke Kommunen weiter stärken – dieser Effekt könnte jedoch durch die kommunalen Finanzausgleichssysteme in den Ländern abgemildert werden.

Hinsichtlich der weiteren Übernahme von Kosten der Unterkunft durch den Bund ergibt sich die Folgefrage, dass die KdU damit in den Bereich der Bundesauftragsverwaltung geraten würde. Mit der weiteren Übernahme von KdU durch den Bund in Höhe von insgesamt ca. 1 Mrd. Euro im Jahr 2017 ist die obere Grenze, an der noch keine Bundesauftragsverwaltung entsteht, fast vollständig erreicht. Eine Bundesauftragsverwaltung bei der Eingliederungshilfe wurde bislang von den Kommunen und auch vom Bund als kritisch und nicht wünschenswert eingeschätzt.

Die weiteren 4 Mrd. Euro kommunale Kostenentlastung könnten dann über eine Stärkung der gemeindlichen Steuerbasis erreicht werden. Dafür gäbe es verschiedene Ansätze, z.B. eine Anhebung des gemeindlichen Umsatzsteueranteils, eine Anhebung des gemeindlichen Einkommensteueranteils oder eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage zugunsten der Gemeinden. Welcher Weg konkret umzusetzen ist, muss anhand von Berechnungsbeispielen durch den Bund dargelegt und dann politisch diskutiert und entschieden werden. Im Ergebnis muss erreicht werden, dass alle Kommunen eine Finanzentlastung erfahren.

Öffentlich-private Partnerschaften im kommunalen Bereich

Über die private Finanzierung von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen, über Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) im kommunalen Bereich finden schon seit Jahren kontroverse Diskussionen statt. Die zum Teil erhebliche mediale Präsenz dieses Themas findet übrigens kaum ein entsprechendes Pendant in der Praxis. In 20 Jahren Debatte über ÖPP in Kommunen wurden dort keine 200 ÖPP-Verträge unterschrieben. In Summe ist nach dieser Diskussion festzuhalten, dass ÖPP in bestimmten Konstellationen und Größenordnungen für Kommunen eine prüf- und gangbare Option sein mögen. ÖPP stellen aber nicht den „Königsweg“ für die Lösung der kommunalen Finanz- und Investitionsprobleme dar. Andererseits muss man ÖPP nicht per se ablehnen. Es gilt, sorgfältig zu prüfen und zu entscheiden, ob durch ein ÖPP für die Stadt oder Gemeinde wirklich eine bessere und wirtschaftlichere Beschaffungs- oder Finanzierungsmöglichkeit umgesetzt wird – oder für die Kommune mittel- und langfristig nicht höhere Kosten ohne Gegenwert entstehen.

Für den kommunalen Bereich ist bei der Debatte um den Einsatz von ÖPP zu bedenken, dass ÖPP-Geschäfte und Finanzierungen von der Kommunalaufsicht durchweg als „kreditähnliche Geschäfte“ angesehen werden. Das bedeutet, dass diese ÖPP bei der Kommunalaufsicht anzeige- und genehmigungspflichtig sind. Zudem sind sie im Gegensatz zur Kommunalkreditaufnahme ausschreibungspflichtig. Ihre Volumina werden auf die zulässige Schuldenaufnahme angerechnet. Die Erfahrungen zeigen, dass ÖPP für Investoren erst bei größeren Volumina wirtschaftlich interessant werden. Bei kleineren ÖPP besteht die Gefahr, dass sonst sämtliche oder die meisten Vertragsrisiken der Kommune zugeschoben werden. Und in jedem Falle ist eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung anzustellen, um entscheiden zu können, ob eine ÖPP für die öffentliche Hand günstiger ist. Dabei gilt grundsätzlich, dass institutionelle Anleger bei ÖPP-Projekten höhere Renditen erwarten als z.B. beim Erwerb von Staatsanleihen.

Zahlungen der Infrastruktur-Nutzer

Es ist richtig, viel mehr als bislang die öffentlichen Investitionen über Zahlungen der Nutzer von Infrastruktur zu finanzieren. Daher unterstützt der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Maut und fordert, diese auch auf Land- und Kommunalstraßen auszudehnen.

Steuern dienen der allgemeinen Finanzierung der öffentlichen Hand. Steuern werden von allen bezahlt und allen kommen die Leistungen der öffentlichen Hand in der ganzen Breite zugute. Zusätzlich ist es gerecht und fiskalisch geboten, die Nutzer von öffentlich finanzierter Infrastruktur stärker zu dieser Finanzierung heranzuziehen. Dabei werden die Bürger nicht doppelt belastet. Diejenigen, die eine Infrastruktur mehr nutzen, bezahlen für diese auch mehr. Zudem bekommt der Staat über nutzerorientierte Finanzierungswege zusätzliche Steuerungsinstrumente in die Hand. Die Maut wird in Zukunft einen Beitrag dazu leisten, Verkehrsströme zu lenken und zu entzerren.

Welche staatliche Ebene sollte für die Infrastrukturinvestitionen verantwortlich sein?

Der Städte- und Gemeindebund plädiert für eine Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen, die dauerhaft zu einer aufgabengerechten Finanzausstattung der Städte und Gemeinden führt. Vor allem müssen die Kommunen nachhaltig von Sozialausgaben entlastet, die Steuerbasis der Städte und Gemeinden stabilisiert und das Altschuldenproblem der höchstverschuldeten Kommunen gelöst werden. Die politischen Gespräche über die anstehende Reform des Länderfinanzausgleichs treten auf der Stelle. Hier ist die Bundes- und Landespolitik in der Pflicht, zügig zu einer tragfähigen Lösung zu kommen.

Es geht bei den Themenbereichen „auf den ersten Blick“ um Fragen der föderalen Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Die Reformergebnisse werden allerdings auch erhebliche Auswirkungen auf die Kommunalfinanzen haben, da die Landesfinanzen für diese mitentscheidend sind.

Zudem muss die Frage gestellt werden, ob die Ergebnisse der Föderalismusreformen I und II zukunftsgerecht sind. Es gibt heute praktisch keine direkten Finanzierungs- und Aufgabenbeziehungen mehr zwischen dem Bund und den Kommunen. Deutschland steht allerdings auf öffentlichen Ebenen gemeinsam vor Zukunftsherausforderungen, die auch gemeinsam fiskalisch bewältigt werden müssen. Dafür müssen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, vor allem wenn es darum geht, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam Aufgaben finanzieren können, um das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zu verwirklichen.

Wie sind die Vorschläge der Expertenkommission zu beurteilen?

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte eine Expertenkommission eingesetzt, die sich mit der Zukunft der Finanzierung und mit Investitionen in die Infrastruktur befasst hat. Das ist nachhaltig zu begrüßen: Das kommunale Investitionsniveau ist insgesamt betrachtet schon seit über 20 Jahren im Sinkflug. Noch zu Beginn der 1990er Jahre haben die Kommunen den größten Teil der öffentlichen Investitionen sichergestellt. Das ist aber Vergangenheit – im Jahr 2013 haben Bund und Länder zusammengenommen rund 70% mehr als die Gemeinden investiert. Bundesminister Gabriel hofft, mit der Umsetzung seiner Vorschläge private und öffentliche Investitionen zugleich anzukurbeln. In ÖPP-Projekten will er private und staatliche Investitionen zusammenführen, um neue Schulden zu vermeiden.

Die Vorschläge der Experten-Kommission greifen in vielen Aspekten Forderungen und Vorschläge des Deutschen Städte- und Gemeindebundes auf. Daher werden diese Vorschläge grundsätzlich begrüßt und eine möglichst rasche Weiterentwicklung mit effektiver Einbindung der Städte und Gemeinden gefordert. Die Idee der Schaffung eines „Nationalen Investitionspakts für Kommunen“ (NIK), der eine Erhöhung kommunaler Investitionen mindestens in Höhe des rechnerischen kommunalen Substanzverzehrs der letzten drei Jahre (15 Mrd. Euro) über die nächsten drei Jahre ermöglichen soll, sollte weiter verfolgt werden. Die kommunalen Investitionen müssen gestärkt werden, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu gewährleisten. Zusätzliche kommunale Investitionen, mindestens in Höhe des Werteverzehrs, sind unerlässlich. Sicherung, Ausbau und Umbau der öffentlichen und insbesondere kommunalen Infrastruktur sind die zentralen Herausforderungen für Deutschland.

Eine von Bund und Ländern getragene „Infrastrukturgesellschaft für Kommunen“ (IfK) ist ein Ansatz, der mit den Kommunen weiterentwickelt und umgesetzt werden sollte. Durch die großen Volumina einer IfK, deren Finanzausstattung Bund und Länder sicherstellen sollten, muss es zu Wirtschaftlichkeitsvorteilen kommen, die in möglichst vielen Einzelprojekten der Städte und Gemeinden die kommunalen Investitionen stärken. Die konkreten Investitionsentscheidungen müssen in kommunaler Hand bleiben.

Die Forderung nach Prüfung und gegebenenfalls Weiterentwicklung von „Öffentlichen Kooperationen“ erscheint ebenfalls sinnvoll. Der Ausbau der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit birgt große Potenziale. Haushaltseffizienz und demografische Herausforderungen machen es unerlässlich, diesen Schatz zu heben. Die Zusammenarbeit von Kommunen muss systematisch motiviert und gefördert werden. Zusätzlich sollten Hemmnisse der Zusammenarbeit, z.B. im Steuerrecht, bei der Auftragsvergabe oder der Arbeitnehmerüberlassung, abgebaut werden.

Title:Methods of Financing Public Infrastructure

Abstract:It is an established fact that Germany has to invest more in its infrastructure. This is particularly true at the municipal level. The federal government acknowledges this, but its measures remain insufficient. Public-private partnerships have a bad reputation, but a survey of municipality treasurers finds that they do not view PPPs as inefficient, as two authors of the German Finance Ministry state. The report by the commission of experts on encouraging investments in Germany offers solutions, but some authors do not consider them viable. They find that the main recommendations of the commission would lead to the inefficient allocation of risk, an unnecessary burden on the public budget and the declining transparency of public debt.


DOI: 10.1007/s10273-015-1848-1

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